OGH 8Ob171/70

OGH8Ob171/7015.9.1970

SZ 43/151

Normen

ZPO §496 Abs1 Z3
ZPO §496 Abs1 Z3

 

Spruch:

Durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils durch das Berufungsgericht gem § 496 Abs 1 Z 3 ZPO ist das Verfahren in den Stand vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgetreten; nunmehr kann auch eine inzwischen eingetretene Änderung der Sachlage geltendgemacht werden

OGH 15. September 1970, 8 Ob 171/70 (LGZ Graz 3 R 113/70; BGZ Graz 24 C 23/70)

Text

Der Kläger kundigte der Beklagten mit Teilkündigung zwei Räume ihrer im Haus Graz, D-Platz 7, gelegenen, aus vier Zimmern samt Nebenräumen bestehenden Wohnung auf. Er machte als Kündigungsgrund geltend, daß er diese beiden an seine Wohnung anschließenden Räume dringend zur Einrichtung einer ärztlichen Ordination benötige.

Im ersten Rechtsgang erkannte das Erstgericht die Teilkündigung hinsichtlich des einen der beiden aufgekundigten Räume für wirksam. Hinsichtlich des anderen Raumes hob es die Teilkündigung auf. Es stellte fest, daß der Kläger, dem für sich und seine Familie eine Vierzimmerwohnung zur Verfügung stehe, infolge seines Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage sei, seine bisherige Tätigkeit als Chirurg auszuüben. Dagegen könnte er die Tätigkeit eines praktischen Arztes in einer Privatordination, die er sich erst einrichten müßte, verrichten. Das Erstgericht war der Ansicht, dem Kläger sei dringender Eigenbedarf zum Zwecke der Einrichtung einer ärztlichen Ordination zuzubilligen. Der Beklagten könne jedoch im Hinblick auf deren familiäre und berufliche Verhältnisse nicht die Aufgabe beider Räume, sondern nur die Aufgabe des einen der beiden Räume zugemutet werden.

Das Berufungsgericht gab sowohl der vom Kläger gegen den abweisenden Teil als auch der von der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteiles erhobenen Berufung Folge. Es hob das Urteil der ersten Instanz auf und wies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung ohne Ausspruch eines Rechtskraftvorbehaltes zurück. Es war der Ansicht, der Teilkündigung könnte nur dann ein Erfolg beschieden sein, wenn die Aufkündigung beider von der Teilkündigung erfaßten Räume der einzig gangbare Weg zur Hintanhaltung einer Existenzbedrohung des Klägers wäre. Die Beklagte habe nun behauptet, der Kläger habe die Möglichkeit, eine Stelle im Angestelltenverhältnis zu erhalten, bei welcher er keine chirurgische Tätigkeit entfalten müßte. Erweise sich diese vom Erstgericht nicht geprüfte Behauptung als richtig, könnte der Teilkündigung kein Erfolg beschieden sein.

Das Erstgericht hob im zweiten Rechtsgang die Teilkündigung zur Gänze auf. Es wurde im fortgesetzten Verfahren außer Streit gestellt, daß im Jänner 1970 eine im dritten Stock des gleichen Hauses gelegene, aus vier Zimmern bestehende Wohnung freigeworden sei und dem Kläger zur Verfügung stehe. Das Erstgericht war der Ansicht, schon auf Grund dieser neu eingetretenen Sachlage allein sei, ohne daß es der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Sachverhaltsergänzung bedürfte, das Vorliegen der für einen Erfolg der Kündigung erforderlichen Voraussetzung, nämlich daß die Kündigung der einzige Weg zur Hintanhaltung einer Existenzbedrohung des Klägers sei, zu verneinen. Falls es der Kläger nicht vorziehe, die Ordination in dieser freigewordenen Wohnung einzurichten, oder mit seiner Familie in diese Wohnung zu übersiedeln, um seine bisherige Wohnung für eine Ordination frei zu bekommen, könne er zumindest zufolge der durch das Mietrechtsänderungsgesetz verfügten teilweisen Aufhebung der Beschränkungen hinsichtlich der Mietzinsbildung diese Wohnung so verwerten, daß er sich anderweitig eine geeignete Ordination beschaffen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz, ohne die Revision als zulässig zu erklären. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß auf die durch das Freiwerden einer im dritten Stock des gleichen Hauses gelegenen Wohnung entstandene neue Sachlage Bedacht zu nehmen sei, weil es offenbar unbillig wäre, eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung trotz Wegfalles des Eigenbedarfes während des Kündigungsverfahrens für wirksam zu erklären. Es stimmte dem Erstgericht auch darin bei, daß ein so dringender Bedarf des Klägers, wie er zu einem Erfolg auch einer Teilkündigung erforderlich wäre, schon auf Grund des Freiwerdens einer im dritten Stock des gleichen Hauses gelegenen Wohnung nicht mehr angenommen werden könne. Es sei dem Kläger zumutbar, um dem von ihm behaupteten Eigenbedarf abzuhelfen, eine entsprechende Neuverteilung der ihm zur Verfügung stehenden Räume vorzunehmen.

Der Oberste Gerichtshof wies die aus dem Gründe des § 503 Z 4 ZPO erhobene Revision des Klägers zurück und den Antrag der Beklagten auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revision ist unzulässig.

Zur Anwendung kommt die Bestimmung des § 502 Abs 4 ZPO, wonach in Kündigungsstreitigkeiten aus Mietverhältnissen, auf die die Bestimmungen über den Schutz der Mieter Anwendung finden, gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes die Revision nur dann zulässig ist, wenn sie im Urteil des Berufungsgerichtes als zulässig erklärt wurde. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, daß es keinen Anlaß sehe, die Revision für zulässig zu erklären, weil die maßgebenden Rechtsfragen in der Rechtsprechung einhellig gelöst seien.

Der Meinung des Klägers, die Revision sei auf Grund der Bestimmung des § 502 Abs 5 ZPO zulässig, kann nicht beigetreten werden. Nach der nunmehr herrschenden Rechtsprechung, der sich auch der erkennende Senat anschließt, ist die Revision in einem solchen Fall dann nicht zulässig, wenn die Rechtsansicht des Aufhebungsbeschlusses für die mit der Revision bekämpfte Entscheidung ohne rechtliche Bedeutung geblieben ist (SZ 26/309 = EvBl 1954/70 u a). Dies ist hier der Fall. Die nunmehrige Aufhebung der Teilkündigung durch das Erstgericht beruht darauf, daß das Erstgericht der Ansicht war, ein auch für eine Teilkündigung erforderlicher dringender Eigenbedarf sei schon im Hinblick auf die neu eingetretene Sachlage, die darin besteht, daß inzwischen eine im dritten Stock des gleichen Hauses gelegene Vierzimmerwohnung freigeworden sei und dem Kläger zur Verfügung stehe, nicht gegeben. Diese Ansicht des Erstgerichtes grundet sich nicht etwa auf eine dem Erstgericht im Aufhebungsbeschluß überbundene Ansicht. Daß gemäß § 22 Abs 1 MG dringender Eigenbedarf auch für Teilkündigungen i S dieser Gesetzesstelle erforderlich ist, hat das Erstgericht schon im ersten Urteil angenommen. Es hat nur den dringenden Bedarf des Klägers nach der damaligen Sachlage als gegeben angesehen, während es nunmehr nach der inzwischen eingetretenen Änderung der Sachlage einen solchen dringenden Bedarf des Klägers unabhängig von den Ausführungen des Berufungsgerichtes im Aufhebungsbeschluß nicht mehr als gegeben ansah. Ob nach der im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung im ersten Rechtsgang gegebenen Sachlage die Voraussetzungen für einen Erfolg der Teilkündigung gegeben gewesen wären, ist entgegen der Meinung des Klägers nicht entscheidend. Durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles durch das Berufungsgericht gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO ist das Verfahren in den Stand vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgetreten. Die Parteien hatten somit alle Befugnisse, die ihnen im erstinstanzlichen Verfahren bis zu diesem Zeitpunkte zukommen, was auch eine Berufung auf die inzwischen eingetretene Änderung der Sachlage möglich machte (vgl MietSlg 5244, Fasching, zu § 496 ZPO 213 f, Anm 11). Wenn diese neu eingetretene Sachlage allein ohne Rücksicht auf die dem Erstgericht im Aufhebungsbeschluß unter Bedachtnahme auf die damalige Sachlage überbundene Rechtsauffassung das Erstgericht nunmehr zur Ansicht brachte, daß der auch für eine Teilkündigung gem § 22 Abs 1 MG erforderliche dringende Eigenbedarf des Klägers nicht vorliege, so folgt daraus, daß die Rechtsansicht des Aufhebungsbeschlusses für die mit der Revision bekämpfte Entscheidung ohne rechtliche Bedeutung geblieben ist.

Da die Beklagte in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, konnten ihr für die Revisionsbeantwortung Kosten nicht zugesprochen werden.

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