Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, die seit 1.Jänner 1987 eine Sozialhilfeunterstützung von monatlich S 3.770,-- bezieht, begehrt vom Beklagten als ihrem geschiedenen Ehemann unter Berufung auf § 68 EheG die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 3.000,-- ab 17.April 1987. Das Erstgericht hat den Beklagten zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 2.500,-- verpflichtet, wobei es davon ausging, daß der Bezug von Sozialhilfeleistungen auf die Unterhaltspflicht des Beklagten keinen Einfluß habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es vertrat ebenfalls die Ansicht, daß dem geltend gemachten Unterhaltsanspruch der Klägerin der Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht entgegenstehe. Sozialhilfe werde gemäß § 1 Abs 3 lit a Tiroler SozialhilfeG LGBl 1973/105 nur jenen Personen gewährt, die den Lebensunterhalt weder aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen könnten noch von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten würden. Nach § 9 Tiroler SozialhilfeG hätten Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet seien, die Kosten der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu ersetzen. Eine schriftliche Anzeige der die Sozialhilfe gewährenden Behörde im Sinne des § 11 Tiroler SozialhilfeG, die den Übergang von Rechtsansprüchen auf den Sozialhilfeträger bewirken könnte, sei hier weder behauptet worden noch sei eine solche im Verfahren hervorgekommen.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht war der Auffassung, vorliegendenfalls käme die Revisionsbeschränkung des § 502 Abs 1 Z 1 ZPO zur Anwendung, sodaß ein Ausspruch im Sinne der §§ 500 Abs 3, 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht erforderlich sei.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhob der Beklagte eine außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klageabweisung; hilfsweise wurde auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Auf Grund des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 12. Jänner 1989, 8 Ob 702/88, in welchem das Vorliegen einer bloßen Unterhaltsbemessungssache verneint und dem Berufungsgericht ein Ausspruch nach § 500 Abs 3 ZPO aufgetragen worden war, ergänzte das Berufungsgericht seine Entscheidung mit Beschluß vom 27.Februar 1989, 4 R 144/88, dahin, daß es die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO mit der Begründung für zulässig erklärte, zur Frage, ob Sozialhilfeleistungen einen Unterhaltsanspruch schmälerten oder der Unterhaltsanspruch dem Anspruch auf Sozialhilfeunterstützung vorgehe, bestehe noch keine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wobei es auf die Entscheidungen EFSlg 37.620 und SZ 55/129 verwies.
Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob die hier auf Grund der Bestimmungen des Tiroler SozialhilfeG an die unterhaltsberechtigte Klägerin gewährten Hilfeleistungen dem Zuspruch eines Unterhaltes nach § 68 EheG entgegenstehen, noch keine Rechtsprechung vorliegt. Dagegen fällt die vom Revisionswerber auch als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO bezeichnete Frage, ob Kreditaufnahmen und diesbezügliche Rückzahlungsraten bei der Festsetzung des Unterhaltes gemäß § 68 EheG zu berücksichtigen sind, in den nach § 502 Abs 2 Z 1 ZPO unanfechtbaren Unterhaltsbemessungsbereich.
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte bringt vor, anders als beim "echten" Unterhaltsanspruch, bei welchem Sozialhilfeleistungen nicht anzurechnen seien, müßte bei dem erst durch den Richterspruch rechtsgestaltend begründeten "Billigkeitsunterhalt" nach § 68 EheG Sozialhilfeleistungen berücksichtigt werden. Im bisher offenbar einzig entschiedenen diesbezüglichen Falle, veröffentlicht in EFSlg 37.620, habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, der Unterhalt der (in jenem Verfahren) klagenden Partei sei durch den Sozialhilfeträger in Form der Tragung der Kosten ihrer Anstaltsunterbringung gedeckt worden und es handle sich bei diesen Leistungen mangels einer im Gesetz vorgesehenen Legalzession nicht um die Erbringung von Unterhaltsleistungen für den Unterhaltspflichtigen, sondern um die Erfüllung einer eigenen, dem Sozialhilfeträger durch Gesetz auferlegten Verpflichtung. Soweit hiedurch der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten befriedigt werde, könne dieser somit aber keinen weiteren Unterhaltsanspruch geltend machen. Der vorgenannte Fall sei dem vorliegenden vergleichbar. Die Klägerin habe einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe. In diesem Umfang entstehe kein Unterhaltsanspruch.
Der Ansicht des Revisionswerbers kann nicht gefolgt werden. Zur Frage, ob bei der Entscheidung über einen auf § 68 EheG gestützten Unterhaltsanspruch vom Unterhaltsberechtigten bezogene Sozialhilfeleistungen zu berücksichtigen sind, hat der Oberste Gerichtshof zwar nicht in der vom Revisionswerber zitierten, weil den Unterhaltsanspruch eines getrennt lebenden Ehegatten (§ 94 Abs 2 ABGB) betreffenden Entscheidung 7 Ob 766/81 = (teilweise veröffentlicht in) EFSlg 37.620, sondern in der im Zusammenhang mit dem Kärnter SozialhilfeG LGBl 1981/30 ergangenen Entscheidung 3 Ob 603/86 Stellung genommen. Hiebei führte der Oberste Gerichtshof zunächst aus, daß auch der Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG einen solchen darstellt, der auf gesetzlicher Grundlage beruht, wenngleich der bedürftige geschiedene Eheteil keinen "echten" Unterhaltsanspruch hat, sondern nur einen Beitrag zu seinem Unterhalt nach Billigkeit verlangen kann (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 69 EheG; Schwind Eherecht2 280; Hoffmann-Stephan EheG2 Rz 5 und Rz 6 zu § 60 = § 68 EheG 38; SZ 54/140 ua). Dieser Anspruch wird bei Vorliegen der Voraussetzungen durch den Richterspruch rechtsgestaltend begründet (Schwind, Eherecht2 280; Koziol-Welser, Grundriß7 II 206; EFSlg 48.877, EFSlg 44.054 uva). Das Nachrangprinzip der Sozialhilfe gilt jedoch gegenüber jeden anderen Anspruch auf Deckung der Lebensbedürfnisse, also auch bei einem Anspruch nach § 68 EheG. Diese Vorschrift wäre sonst bei dem umfassenden Netz der Sozialhilfe nahezu ohne Anwendungsbereich. Unter Hinweis auf den bei Gewährung von Sozialhilfeleistungen maßgebenden Grundsatz der Subsidiarität, die gesetzliche Ersatzpflicht sowohl des Sozialhilfeempfängers, wenn er zu hinreichendem Vermögen oder Einkommen kommt (§ 37 Abs 1 Kärntner SozialhilfeG) als auch jene des Unterhaltspflichtigen für die an den Unterhaltsberechtigten erbrachten Sozialhilfeleistungen (§ 38 Abs 1 Kärntner SozialhilfeG), den davon zu unterscheidenden, erst durch schriftliche Anzeige des Sozialhilfeträgers an einen zur Deckung des Lebensbedarfes des Sozialhilfeempfänger verpflichteten Dritten bewirkten Übergang dieses Anspruches auf das Land (§ 38 Abs 2 und 4 Kärntner SozialhilfeG) sowie weiters darauf, daß im Falle der Entscheidung EFSlg 37.619/37.620 eine Ersatzpflicht der unterhaltspflichtigen Angehörigen überhaupt (§ 40 Abs 3 Steiermärkisches SozialhilfeG), im Falle der Entscheidung SZ 55/129 eine solche Ersatzpflicht (§§ 42 Abs 3, 43 Abs 2 Niederösterreichisches SozialhilfeG) der auf Unterhalt in Anspruch genommenen Großmutter ausgeschlossen war und schließlich im Falle der Entscheidung 7 Ob 645/86 vom Sozialhilfeträger die zu seinen Gunsten normierte Legalzession (§ 27 Wiener SozialhilfeG) endgültig nicht in Anspruch genommen wurde, hielt der Oberste Gerichtshof die Klägerin, (des dortigen Verfahrens) grundsätzlich für berechtigt, von ihrem geschiedenen Ehemann den Billigkeitsunterhalt zu fordern. Er führte aus, einem Unterhaltsberechtigten sollte nicht schon durch die Inanspruchnahme der Sozialhilfe die Möglichkeit entzogen werden, seinen nach bürgerlichem Recht bestehenden Unterhaltsanspruch durchzusetzen und so den Lebensbedarf ohne Inanspruchnahme der subsidiären Sozialhilfe zu decken. Eine von der Rechtsprechung abgelehnte Doppelversorgung (SZ 22/118; EFSlg 32.941, 37.619; SZ 55/129) trete dabei nicht ein, da die Klägerin nach § 37 Kärntner SozialhilfeG zum Ersatz der aufgewendeten Kosten verhalten sei, wenn sie zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelange, also auch, wenn sie eben Unterhalt vom Beklagten erlange. Ihre Ansprüche gegen den Beklagten könnte sie erst verlieren, wenn sie in der Frist des § 39 Abs 1 Kärntner SozialhilfeG nicht zum Ersatz herangezogen würde. Somit müsse es ihr unbenommen bleiben, den Anspruch nach § 68 EheG geltend zu machen und bei Hereinbringung von Unterhalt die erlangten Leistungen des Beklagten zum Ersatz an das Land zu verwenden.
Diese Erwägungen der Entscheidung 3 Ob 603/86 gelten auch für den hier vorliegenden, nach den Bestimmungen des Tiroler Sozialhilfegesetzes zu beurteiltenden Fall. Dieses Gesetz sieht nämlich in § 8 ebenfalls den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe durch den Sozialhilfeempfänger bei Erlangung hinreichenden Vermögens oder Einkommens, in § 9 den Ersatz der Sozialhilfeleistungen durch den auf Grund Gesetzes Unterhaltsverpflichteten - ausgenommen Großeltern und Enkel - sowie in § 11 einen erst durch schriftliche Anzeige an einen Dritten bewirkten Übergang von Rechtsansprüchen auf den Sozialhilfeträger vor. Ein solcher Übergang wurde hier, worauf das Berufungsgericht zutreffend verwies, weder behauptet noch erwiesen. Daß mangels einer schriftlichen Anzeige des Rechtsüberganges Sozialhilfeleistungen nicht auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen sind, wurde auch in der Entscheidung 4 Ob 560/87 =
Amtsvormund 1988, 49 unter Hinweis auf eine solcherart "aufgeschobene Legalzession" grundsätzlich ausgesprochen. Der Revisionswerber wendet sich auch gar nicht gegen diese Auslegung, sondern meint nur, beim "Billigkeitsunterhalt" nach § 68 EheG könnten Sozialhilfeleistungen nicht unberücksichtigt bleiben und stützt sich hiebei, wie bereits ausgeführt, rechtsirrtümlich auf die Entscheidung EFSlg 37.620.
Der Bezug von Sozialhilfeleistungen durch die Klägerin steht somit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Zubilligung eines Beitrages des Beklagten zum Unterhalt der Klägerin nicht entgegen. Die Höhe dieses Beitrages unterliegt als Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltes nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof (§ 502 Abs 2 Z 1 ZPO).
Der Revision des Beklagten war demgemäß nicht Folge zu geben. Die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat der Beklagte selbst zu tragen (§§ 40 und 50 ZPO). Die Klägerin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
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