OGH 3Ob603/86

OGH3Ob603/8629.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christa Maria D***-B***, im Haushalt tätig, 9020 Klagenfurt, Kraßnigstraße 56, vertreten durch Dr. Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Felix Rudolf D***, Pensionist, 9020 Klagenfurt, Raunegger Straße 6, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Leistung des Unterhalts (Streitwert S 222.480,--), infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 26. Mai 1986, GZ 1 R 214/86-55, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 5. März 1986, GZ 18 C 5/85-50, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei und die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 10. Juli 1928 geborene Klägerin und der am 19. August 1920 geborene Beklagte haben am 22. November 1975 vor dem Standesamt Dresden/West die Ehe geschlossen. Die Ehe wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2. Mai 1983, GZ 28 Cg 53/80-97, geschieden. Beide Ehegatten wurden für schuldig erklärt. Ein Ausspruch, daß das Verschulden eines Teiles überwiegt, erfolgte nicht. Die Berufungen und die Revisionen beider Teile gegen diese Entscheidung blieben erfolglos (Oberlandesgericht Graz 4. Oktober 1983, GZ 6 R 107, 108/83-109; Oberster Gerichtshof 6. September 1984, GZ 8 Ob 514, 515/84-115). Die Scheidung der Ehe wurde am 18. Oktober 1984 wirksam.

Die geschiedene Frau erhob gegen den Mann am 15. Jänner 1985 die Klage auf Leistung des Unterhalts mit dem Monatsbetrag von S 6.180,--, weil sie erwerbsunfähig sei, kein Vermögen besitze und kein Einkommen habe und nur die ihr mit Bescheid vom 20. Dezember 1984 bewilligte Sozialhilfe von monatlich S 5.550,-- und zwei Sonderzahlungen jährlich von je S 3.780,--, also im Monatsdurchschnitt S 6.180,-- beziehe.

Der Mann beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Klägerin stehe kein Unterhalt zu, sie müsse sich an ihre vier Kinder aus ihrer ersten Ehe halten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es ging von dem folgenden Sachverhalt aus:

Die Klägerin ist ohne Beschäftigung, sie ist als arbeitssuchend gemeldet. Sie leidet an typischen psychovegetativen Erschöpfungszuständen ohne manifeste Organschäden. Wegen der beginnenden Spondylose im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule sind ihr nur leichte Arbeiten zumutbar, die zumindest zur Hälfte der Arbeitszeit im Sitzen verrichtet werden können. Sie neigt dazu, alle ihre körperlichen Leidenszustände und Krankheiten in psychisch abnormer Weise zu verarbeiten. Auf dem Arbeitsmarkt ist die Arbeitskraft einer Frau im Alter der Klägerin unter diesen körperlichen und psychischen Voraussetzungen nicht gefragt. Die Klägerin besitzt kein Vermögen, sie hat Schulden von zusammen fast S 300.000,--, so auch eine Verpflichtung, dem Beklagten rund S 100.000,-- Prozeßkosten aus einem früheren Unterhaltsprozeß zu ersetzen.

Die Klägerin lebt von der Sozialhilfe. Sie erhält vom Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt einschließlich der Mietbeihilfe von S 570,-- und des Krankenkassenbeitrages von S 1.230,-- monatlich S 5.720,--, im Juni und Dezember je eine Sonderzahlung von S 3.920,-- sowie eine Wohnbeihilfe von monatlich S 706,-- vom Amt der Kärntner Landesregierung, zusammen also im Monatsdurchschnitt rund S 7.000,--.

Der Beklagte verfügt über ein Pensionseinkommen einschließlich der Sonderzahlungen von rund S 16.588,-- monatlich im Jahr 1985 erhielt er noch Provisionen als Zeitungsanzeigenvertreter von S 25.600,--. Er hat sein Haus seiner Tochter aus einer früheren Ehe übergeben und leistet ihr für seine Verpflegung und die Versorgung der Wäsche monatlich S 5.000,--. Sein Gesundheitszustand ist deutlich herabgesetzt. Für Kuraufenthalte, die seine Lebenserwartung erhöhen, wendet er Kosten auf, die von der Pensionsversicherungsanstalt nur zum Teil getragen werden. Die 87-jährige Mutter der Klägerin lebt in der Deutschen Demokratischen Republik und wird dort von einer Schwester der Klägerin betreut. Die Mutter bezieht die Mindestpension. Aus der ersten geschiedenen Ehe der Klägerin stammen vier Kinder, die ebenfalls in der Deutschen Demokratischen Republik leben: Rosemarie S***, geboren am 20. Jänner 1950, hat als freischaffende Dolmetscherin kein ständiges Einkommen. Gabriele U***, geboren am 1. März 1951, und Margitta D***, geboren am 28. Oktober 1952, verdienen als Lehrerinnen monatlich rund 900,-- Mark. Petra K***, geboren am 17. Juni 1954, arbeitet teilzeitbeschäftigt an einer Schule und verdient 285,-- Mark im Monat.

In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß die Klägerin zwar keine Arbeit finden kann, aber kein Anlaß sei, ihr einen vom geschiedenen Ehemann zu leistenden Unterhalt nach § 68 EheG zuzubilligen. Diese Vorschrift gewähre keinen echten Unterhaltsanspruch, sondern sehe nur einen Beitrag zum Unterhalt an den geschiedenen Ehegatten vor, der sich nicht selbst erhalten könne. Dieser Beitrag werde erst durch den Richterspruch zuerkannt. Zuvor müsse sich die Klägerin an ihre in der Deutschen Demokratischen Republik lebenden unterhaltspflichtigen Kindern halten. Für gesetzliche Unterhaltszahlungen werde die devisenrechtliche Genehmigung auf Grund eines bilateralen Abkommens erteilt. Selbst dann, wenn ihr gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen die Kinder nicht durchsetzbar wäre, habe die Klägerin nach § 4 Abs 1 des Kärntner Sozialhilfegesetzes Anspruch auf Sozialhilfe und könne sich daher selbst erhalten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Beklagten zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von S 3.000,-- ab dem 15. Jänner 1985 verhielt, und bestätigte die Abweisung des Mehrbegehrens auf Leistung des weiteren Monatsbetrages von S 3.180,--. Es sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht pflichtete der Rechtsansicht des Erstgerichtes bei, daß bei der Entscheidung über einen nach § 68 EheG geforderten Beitrag zum Unterhalt die zur Leistung des Unterhalts verpflichteten Verwandten vor dem geschiedenen Ehegatten heranzuziehen sind, wenn beide an der Scheidung schuld sind, aber keinen die überwiegende Schuld trifft. Von den Töchtern könne die Klägerin aber im günstigsten Fall wenn überhaupt etwa S 3.200,-- monatlich erhalten, falls die Ansprüche im Heimatstaat der Kinder durchsetzbar sind. Die der Klägerin gewährte Sozialhilfe müsse auf die Beitragspflicht des Beklagten ohne Einfluß bleiben. Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Hilfeempfängers verpflichtet sind, müßten nach § 38 Abs 1 des Kärntner Sozialhilfegesetzes die Kosten der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht ersetzen. Auch wenn § 68 EheG nur einen Unterhaltsanspruch nach Billigkeit vorsehe und nach in die Unterhaltsbemessung fallenden Billigkeitserwägungen zu beurteilen sei, ob, in welcher Höhe und für welche Zeit ein Unterhalt zu leisten ist, so handle es sich doch um einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Diese Verpflichtung gehe der des Trägers der Sozialhilfe vor, auch wenn der Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG erst konstitutiv durch den Richterspruch entstehe. Da aber nach § 68 EheG nicht ein Betrag zur Deckung des angemessenen Unterhalts zuzusprechen sei, sondern immer nur ein relativ bescheidener Beitrag zum Lebensunterhalt, sei bei Berücksichtigung der Lebensverhältnisse beider Teile und der Belastung des Einkommens des Beklagten von monatlich rund S 18.700,-- durch die Kosten der Kuraufenthalte und die Prozeßkosten nach Billigkeit nur ein Beitrag von S 3.000,-- im Monat zuzusprechen.

Das Urteil des Berufungsgerichtes bekämpfen beide Parteien mit Revision.

Die Klägerin behauptet, das Berufungsgericht sei zu Unrecht zur Bestätigung der Abweisung ihres Begehrens auf Leistung des weiteren Unterhaltsbetrages von monatlich S 3.180,-- gekommen, weil es rechtsirrtümlich ihre Töchter als Verwandte im Sinne des § 71 EheG angesehen, aber nicht berücksichtigt habe, daß nach dem maßgebenden Recht der Deutschen Demokratischen Republik eine Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber der Mutter nicht bestehe. Falle aber die vorgehende Unterhaltsverpflichtung der Kinder weg, müsse der Beklagte den vollen Beitrag nach § 68 EheG leisten. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Berufungsgerichtes im bestätigenden Teil (Streitgegenstand S 114.480,--) dahin abzuändern, daß der Beklagte verhalten werde, auch den weiteren Monatsbetrag von S 3.180,-- an die Klägerin zu bezahlen.

Der Beklagte bekämpft den abändernden Teil (Streitgegenstand S 108.000,--) des Berufungsurteils aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, insoweit das abweisende Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen. Er wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, nach § 68 EheG sei auch dann ein Unterhaltsbeitrag zuzubilligen, wenn die Klägerin Anspruch auf Sozialhilfe habe. Er meint, er sei nicht gesetzlich zum Unterhalt der geschiedenen Ehefrau verpflichtet, weil der Unterhalt nach § 68 EheG erst durch den Richterspruch konstitutiv zugebilligt werde, bei einer Scheidung aus gleichteiligem Verschulden daher von der gesetzlichen Unterhaltspflicht eines geschiedenen Ehegatten für den anderen nicht gesprochen werden könne. Der Rückersatzanspruch des Trägers der Sozialhilfe scheide auch aus, wenn dies wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre. Dies sei der Fall, weil die Klägerin dem Beklagten in dem Rechtsstreit 18 C 21/81 des Erstgerichtes, in welchem die Verwirkung des Ehegatten-Unterhaltsanspruches festgestellt wurde, uneinbringliche Kosten von S 110.000,-- verursacht habe und ihm auch im Aufteilungsverfahren und in diesem Rechtsstreit schädigen wollte. Beide Teile haben hilfsweise auch Aufhebungsanträge gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung der Rechtsfrage abhängt, ob die Kinder der Klägerin als Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik nach dem dort geltenden Recht (§ 24 IPR-Gesetz und § 22 des Rechtsanwendungsgesetzes vom 5. Dezember 1975 der Deutschen Demokratischen Republik) gesetzlich zum Unterhalt der Mutter verpflichtet sind (vgl. aber § 81 Abs 1 und § 82 des Familiengesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 20. Dezember 1965 in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, wonach Volljährige ihren unterhaltsbedürftigen Eltern Unterhalt zu gewähren haben).

Das Berufungsgericht ist nämlich nicht davon ausgegangen, daß die Klägerin Unterhaltsansprüche gegen ihre in der Deutschen Demokratischen Republik lebenden Töchter tatsächlich durchsetzen kann und muß. Es hat vielmehr offen gelassen, ob alle rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, solche Unterhaltsansprüche zu realisieren, und nur unterstellt, daß die Klägerin, selbst wenn sie von den Töchtern Unterhalt erlangen kann, nicht mehr als monatlich S 3.200,-- und damit nicht den zum Lebensunterhalt benötigten Betrag erlangen kann, so daß auf die der Unterhaltspflicht der Kinder nachfolgende Beitragspflicht des geschiedenen Mannes nach § 68 EheG zurückzukommen sei, und hat den ihm danach billigerweise aufzuerlegenden Beitrag mit S 3.000,-- bemessen. Die Frage, ob nach Billigkeitserwägungen ein Beitrag zum Unterhalt zu leisten und in welcher Höhe dieser Beitrag zu bestimmen ist, fällt aber allein in den Bereich der Bemessung (EFSlg 43.746 ua). Die Revision der Klägerin trägt daher an den Obersten Gerichtshof in Wahrheit ausschließlich eine Bemessungsfrage heran und ist schon nach § 502 Abs 2 Z 1 ZPO unzulässig. Sie kann darüber hinaus keinen die Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erfüllenden Rechtsmittelgrund aufzeigen und ist zurückzuweisen. Die Revision des Beklagten ist hingegen zulässig. Inwieweit gesetzlich vorgesehene Sozialhilfeleistungen der Geltendmachung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs entgegenstehen, stellt nämlich keine bloße Frage der Bemessung des gesetzlichen Unterhalts dar, sondern berührt den Grund des Anspruches (SZ 55/129; EFSlg 39.220), und wurde zum Kärntner Sozialhilfegesetz bisher vom Obersten Gerichtshof nicht entschieden.

Für die Sozialhilfe ist der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. schon § 21 Fürsorgepflichtverordnung) kennzeichnend (Schäfer in Krejci, Probleme der Fürsorge und Sozialhilfe im Wohlfahrtsstaat, 3). Nach dem hier anzuwendenden Kärntner Sozialhilfegesetz LGBl 1981/30 hat einen Rechtsanspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wer diesen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht oder nicht ausreichend von anderen Personen oder Einrichtungen erhält (§ 4 Abs 1). Zum Lebensbedarf gehört der Lebensunterhalt (§ 4 Abs 3 lit a). Dieser umfaßt den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Unterkunft, Hausrat, Beheizung, Bekleidung, für eine angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt und für eine angemessene Teilnahme am kulturellen Leben (§ 7 Abs 1) und wird durch richtsatzgemäße laufend wiederkehrende Geldleistungen gewährt (§ 7 Abs 2). Der Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt. Dieser Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde (§ 37 Abs 1). Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Hilfeempfängers verpflichtet sind, haben die Kosten der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu ersetzen, doch besteht diese Verpflichtung nicht, wenn der Kostenersatz wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre oder wenn er eine soziale Härte bedeuten würde (§ 38 Abs 1). Hat ein Hilfeempfänger für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, Rechtsansprüche zur Deckung des Lebensbedarfes gegen einen Dritten, so kann die Behörde durch schriftliche Anzeige an den Dritten bewirken, daß der Anspruch bis zur Höhe der Aufwendungen auf das Land übergeht (§ 38 Abs 2). Der Übergang des Anspruches darf nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des Verpflichteten die Sozialhilfe nicht oder nicht im geleisteten Umfang gewährt worden wäre (§ 38 Abs 3). Die schriftliche Anzeige bewirkt mit ihrem Einlangen beim Dritten den Übergang des Anspruches für die Aufwendungen, die in der Zeit zwischen dem Einsatz der Sozialhilfe, höchstens aber sechs Monate vor Erstattung der Anzeige, und der Beendigung der Sozialhilfe entstanden sind bzw. entstehen (§ 38 Abs 4). Ersatzansprüche nach § 37 und § 38 können nicht mehr gestellt werden, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Hilfe gewährt worden ist, mehr als drei Jahre verstrichen sind, wobei für die Wahrung der Frist die Bestimmungen über die Unterbrechung der Verjährung sinngemäß gelten und Ersatzansprüche, die gemäß § 6 Abs 2 (wegen eines Vermögens des Hilfsbedürftigen, dessen Verwertung ihm nicht zumutbar oder vorerst nicht möglich ist), sichergestellt sind, nicht verjähren (§ 39 Abs 1). Bei der Geltendmachung der Ersatzansprüche gegenüber Unterhaltspflichtigen ist auf deren wirtschaftliche Verhältnisse und ihre sonstigen Sorgepflichten Bedacht zu nehmen (§ 39 Abs 2). Über Ersatzansprüche nach § 37 und § 38 kann das Land, das nach § 52 Abs 1 die Kosten von Maßnahmen der Sozialhilfe zu tragen hat, mit dem Ersatzpflichtigen einen Vergleich abschließen, dem die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches zukommt (§ 39 Abs 4). Kommt ein Vergleich nicht zustande, sind Ersatzansprüche nach § 37 und § 38 im Zivilrechtsweg geltend zu machen.

Daraus folgt im Zusammenhang mit den im Rechtsstreit getroffenen Feststellungen, daß die Klägerin in dem bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz verstrichenen Zeitraum, für den sie vom gleichteilig schuldig geschiedenen Mann einen Unterhaltsbeitrag nach § 68 EheG gerichtlich einforderte, laufend auf Grund des ihr durch das Gesetz eingeräumten Anspruches ihren Lebensunterhalt mit den ihr gewährten Geldmitteln aus der Sozialhilfe gedeckt hat und in Zukunft ohne Bedachtnahme auf die Zuerkennung eines Unterhalts nach § 68 EheG voraussichtlich auch weiter decken könnte. Die Rechtssprechung hat den Grundsatz entwickelt, daß eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse auf Grund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten gedeckt werden, schon deshalb keine Unterhaltsansprüche gegen den zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ein Anspruch auf Doppelversorgung nicht besteht (SZ 22/118; EFSlg 32.941; EFSlg 37.619; SZ 55/129). Daran ist festzuhalten. Würde der Klägerin der vom Beklagten zu leistende Beitrag zum Unterhalt neben dem fortlaufenden Bezug von Sozialhilfeleistungen verbleiben, käme es zu einer doppelten Deckung des Unterhalts der Klägerin, die vermieden werden muß.

Das Kärntner Sozialhilfegesetz räumt aber dem Land einen Ersatzanspruch gegen Personen ein, die gesetzlich zum Unterhalt des Hilfeempfängers verpflichtet sind (§ 38 Abs 1), und unterscheidet davon den erst durch schriftliche Anzeige zu bewirkenden Übergang von Rechtsansprüchen zur Deckung des Lebensbedarfes des Hilfeempfängers gegen einen Dritten (§ 38 Abs 2 und Abs 4). Eine Legalzession sieht das Kärntner Sozialhilfegesetz 1981 in keinem der beiden Fälle vor. Vielmehr besteht ein eigener, im Rechtsweg durchzusetzender Ersatzanspruch des Landes gegen gesetzlich zum Unterhalt des Hilfeempfängers Verpflichtete. Ansprüche gegen Dritte gehen erst durch den Zugang der Anzeige auf das Land über. In dem der Entscheidung EFSlg 37.619/37.620 zugrunde liegenden Fall der Unterbringung der Ehefrau in einer Krankenanstalt für geistig Behinderte bestand nach § 40 Abs 3 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes keine Kostenersatzpflicht der unterhaltspflichtigen Angehörigen, und auch im Fall SZ 55/129 war nach § 42 Abs 3 und § 43 Abs 2 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes eine Ersatzleistung für Kosten der Sozialhilfe durch die auf Leistung des Unterhalts in Anspruch genommene Großmutter ausgeschlossen. Der Oberste Gerichtshof hat aber auch noch zu 7 Ob 645/86 am 2. Oktober 1986 in Anlehnung an SZ 55/129 ausgesprochen, daß der Vater dann, wenn der Sozialhilfeträger die im § 27 des Wiener Sozialhilfegesetzes normierte Legalzession endgültig nicht in Anspruch nimmt, für das Kind nicht weiter Unterhalt leisten müsse, wenn der gesamte Bedarf durch die Sozialhilfeleistungen gedeckt ist, weil eben ein Anspruch auf Doppelversorgung nicht zusteht. In diesen Fällen wurde ein sonst nach dem Gesetz zustehender Anspruch auf Unterhalt als ruhend betrachtet, solange der Lebensbedarf vom Sozialhilfeträger ohne Ersatzanspruch endgültig zur Gänze gedeckt wird.

Auch der Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG ist ein solcher, der auf gesetzlicher Grundlage beruht, wenn gleich der bedürftige geschiedene Eheteil keinen "echten" Unterhaltsanspruch hat, sondern nur einen Beitrag zu seinem Unterhalt nach Billigkeit verlangen kann (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 69 EheG; Schwind, EheR2 280;

Hoffmann-Stephan, EheG2 Rz 5 und Rz 6 zu § 60 = § 68 EheG 38;

SZ 54/140 ua). Dieser Anspruch wird bei Vorliegen der Voraussetzungen durch den Richterspruch rechtsgestaltend begründet (Schwind, EheR2, 280; Koziol-Welser, Grundriß7 II 206;

EFSlg 48.877; EFSlg 44.054 uva). Das Nachrangprinzip der Sozialhilfe gilt jedoch gegenüber jedem anderen Anspruch auf Deckung der Lebensbedürfnisse, also auch bei einem Anspruch nach § 68 EheG. Diese Vorschrift wäre sonst bei dem umfassenden Netz der Sozialhilfe nahezu ohne Anwendungsbereich.

Daß der Träger der Sozialhilfe auf keinen Fall einen Ersatzanspruch gegen den Beklagten erheben werde, wurde nicht behauptet. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür gegeben. Die Klägerin ist daher grundsätzlich berechtigt, den Billigkeitsunterhalt zu fordern. Sonst würde ihr wie auch jedem anderen Unterhaltsberechtigten schon durch die Inanspruchnahme der Sozialhilfe die Möglichkeit entzogen, die Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht durchzusetzen und so den Lebensbedarf ohne Inanspruchnahme der subsidiären Sozialhilfe zu decken. Die Klägerin kann andererseits nach § 37 des Kärntner Sozialhilfegesetzes 1981 zum Ersatz der aufgewendeten Kosten verhalten werden, wenn sie zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt, also auch, wenn sie Unterhalt vom Beklagten tatsächlich erhält. Die Leistung des Sozialhilfeträgers zur Sicherung des Lebensbedarfes ist nur eine Bevorschussung, wenn es auch oft nicht zum Kostenersatz kommen mag. Die Klägerin würde aber ihre Ansprüche gegen den Beklagten erst verlieren, wenn sie in der Frist des § 39 Abs 1 des Kärntner Sozialhilfegesetzes nicht zum Ersatz herangezogen würde. Es muß ihr daher unbenommen bleiben, den Anspruch nach § 68 EheG geltend zu machen und bei Hereinbringung von Unterhalt die erlangten Leistungen des Beklagten zum Ersatz an das Land zu verwenden (vgl. zur deutschen Rechtslage: Bernd Schlegel, Unterhaltsansprüche erwachsener Arbeitsloser gegen ihre Eltern und subsidiäre Sozialleistungen, dFamRZ 1986, 857, wonach im System der Sozialhilfe deren Träger den Hilfeempfänger auffordert, auch den Verwandtenunterhalt zu realisieren, so daß dann in Höhe der bezahlten Beträge ein Anspruch auf Sozialhilfe nicht besteht). Der Bezug der Sozialhilfe steht also der vom Berufungsgericht vorgenommenen Zubilligung eines Beitrags zum Unterhalt der Klägerin nicht entgegen.

Die Höhe dieses Beitrages unterliegt als Bemessung eines gesetzlichen Unterhalts nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Diese Bemessungsfrage kann nicht mit Revision geltend gemacht werden.

Der Revision des Beklagten ist deshalb nicht Folge zu geben. Die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat er selbst zu tragen (§§ 40 und 50 ZPO), die Klägerin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revisionsbeantwortung des Beklagten ist verspätet. Die mit der Zustellung der Revisionsschrift der Klägerin am 8. Juli 1986 in Gang gesetzte Notfrist des § 507 Abs 2 ZPO von vier Wochen wurde durch die Gerichtsferien nach § 225 Abs 2 ZPO nicht beeinflußt, weil es sich um eine Ferialsache nach § 224 Abs 1 Z 4 ZPO handelt. Auch der Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG beruht auf gesetzlicher Grundlage und fordert diesselbe Beschleunigung (6 Ob 551/86). Die Revisionsbeantwortung wurde jedoch erst am 18. August 1986 überreicht.

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