OGH 8Ob21/10m

OGH8Ob21/10m4.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** A*****, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei I*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in Wien, unter Beteiligung der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. S***** M*****, und 2. S***** W***** I***** GmbH & Co KG, *****, beide vertreten durch Dr. Oliver Koch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 25.000 EUR) und Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 45.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2009, GZ 15 R 238/09v-23, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 480 Abs 1 ZPO idF Budgetbegleitgesetz 2009 stellt es keinen Verfahrensmangel dar, über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden, wenn eine abschließende Sacherledigung ohne eine Berufungsverhandlung möglich ist (RIS-Justiz RS0125957). Die den Tatsacheninstanzen obliegende Erörterungspflicht nach § 182 f ZPO soll es den Parteien ermöglichen, ihr Prozessvorbringen unter Berücksichtigung aller wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkte zu ergänzen, dient aber nicht dazu, einer Partei überhaupt erst die Schaffung neuer Tatsachen - hier die Stellung eines konkreten Rückkaufsanbots an den Zweitkäufer und dessen allfällige Ablehnung - zu ermöglichen. Im Berufungsverfahren wäre eine solche Ergänzung schon wegen des Neuerungsverbots ausgeschlossen, sodass sie die Notwendigkeit der Anberaumung einer Berufungsverhandlung nicht begründen kann.

Die bereits in der Berufung behauptete Verletzung der Erörterungspflicht durch das Erstgericht im Zusammenhang mit dem Nachweis einer Unmöglichkeit oder Unwirtschaftlichkeit des Rückkaufs der Liegenschaft wurde vom Berufungsgericht eingehend geprüft und mit sorgfältiger, schlüssiger Begründung verworfen. Diese Erledigung steht einer neuerlichen Behandlung der Mängelrüge im Revisionsverfahren entgegen (RIS-Justiz RS0106371).

Auch die Frage der Vertretbarkeit einer anderen Vertragsauslegung hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042936 [T3]). Die Ausführungen der Revisionswerberin über die rechtliche Qualifikation ihrer wiederholten Fristsetzungen und ihrer Rücktrittserklärung setzen sich darüber hinweg, dass alle diese Willenserklärungen der Klägerin nach dem festgestellten Sachverhalt nicht zugegangen sind.

Auch mit ihren Argumenten zur Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Wiederbeschaffung des Kaufobjekts versucht die Beklagte inhaltlich in unzulässiger Weise, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen. Unmöglichkeit der Leistung, die auch bei schuldhafter Verletzung der Vertragspflichten durch den Schuldner an sich nicht ausgeschlossen ist, kann nicht angenommen werden, wenn der Beklagte nicht einmal behauptet, dass er alles unternommen hat, den Dritten zu einer die Erfüllung ermöglichenden Handlung zu bewegen (RIS-Justiz RS0011215 [T14]). Mit bloßen Spekulationen darüber, ob Rückkaufsangebote der Beklagten - wären sie vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz gestellt worden - gescheitert wären, kann ein Nachweis der Unmöglichkeit bzw Untunlichkeit nicht erbracht werden.

Den Ausführungen der Beklagten über eine Anscheinsvollmacht des Nebenintervenienten zur Empfangnahme rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen ist die zutreffende rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen entgegenzuhalten. Die Beklagte übersieht, dass sie ihre Erklärung, sich nicht mehr an den Vertrag gebunden zu erachten, wenn bis 2. 3. 2006 nicht der Kaufpreis erlegt und der Termin für die Unterzeichnung des unterschriftsfertigen Kaufvertrags festgelegt wäre, überhaupt nur gegenüber ihrem eigenen Makler, zu dem die Klägerin in gar keinem Vertragsverhältnis stand, abgegeben hat. Wenn die Vorinstanzen bei diesem Sachverhalt der Beklagten das Risiko des Zugangs ihrer Erklärung zugewiesen haben, kann darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende unvertretbare Fehlbeurteilung erblickt werden.

Was die Frage des rechtlichen Interesses der Klägerin an der begehrten Feststellung neben dem Leistungsbegehren anlangt, ist ebenfalls auf die (zumindest) vertretbaren Rechtsausführungen der Vorinstanzen zu verweisen. Zwar kann nicht auf Feststellung des Zustandekommens eines Vertrags geklagt werden, wenn bereits eine Klage auf Ausstellung einer einverleibungsfähigen Urkunde möglich ist (RIS-Justiz RS0039097), dies gilt aber nur bei vollkommener Überdeckung des Feststellungsanspruchs durch den Gegenstand der Leistungsklage. Das Feststellungsbegehren ist nur dann ausgeschlossen, wenn das mögliche Leistungsbegehren all das bietet, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt wird, wenn also durch den möglichen Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch voll ausgeschöpft wird (RIS-Justiz RS0039020; RS0039021). Die Sachentscheidung über eine Feststellungsklage unterscheidet sich schon durch ihren der materiellen Rechtskraft fähigen Ausspruch über den Bestand der streitigen Rechtsbeziehung rein qualitativ von der stattgebenden Sachentscheidung über eine Leistungsklage (Fasching in Fasching/Konecny 2 § 228 ZPO Rz 7). Ein Interesse an der Feststellungsklage neben der Leistungsklage ist insbesondere dann gegeben, wenn durch die Feststellungsklage eine Häufung von Streitigkeiten vermieden werden kann (RIS-Justiz RS0037422; 9 ObA 69/01i). So kann etwa mit einer Klage auf Feststellung einer Servitut oder eines anderen dinglichen Rechts ein Verbücherungsbegehren verbunden werden (SZ 24/267). Vor diesem Hintergrund ist die - letztlich einzelfallbezogene - Bejahung eines gesonderten Feststellungsinteresses der Klägerin durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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