OGH 9ObA69/01i

OGH9ObA69/01i23.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil und die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Zerdik und Dr. Michaela Windischgrätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Kurt M*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei T***** Bank AG, *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer und Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 150.000,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2000, GZ 15 Ra 124/00y-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Juli 2000, GZ 16 Cga 15/00m, 16/00h-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.370,-- (darin S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 12. September 1960 als Sparkassenangestellter bei der Beklagten beschäftigt und trat am 30. 9. 1992 in den Ruhestand.

Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag "Sparkassen-Dienstrecht" anzuwenden. Art 2 des Kollektivvertrages (in dem zum Zeitpunkt der Pensionierung des Klägers gültigen Fassung) ermächtigte namentlich angeführte Institute (- darunter auch die beklagte Partei -), bezüglich Anstellung, Pflichten und Rechten der Angestellten, Auflösung des Dienstverhältnisses, Besoldungs-, Pensions-, Prüfungs-, Reisekosten- und Disziplinarordnung zu diesem Kollektivvertrag durch Betriebsvereinbarungen Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen. Der Kollektivvertrag sah in der damals geltenden Fassung in seinem § 74 auch eine "Automatikklausel" vor, nach welcher jede allgemeine Veränderung der Bezüge der aktiven Angestellten eine entsprechende Veränderung der Bezüge der Pensionisten zur Folge haben solle, soferne es sich nicht um eine Änderung der Aktivitätsbezüge im Zusammenhang mit geänderten dienstlichen Verpflichtungen der aktiven Angestellten handelte.

Die Betriebspartner der beklagten Partei hatten von dieser Ermächtigung auch Gebrauch gemacht und eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, in deren Präambel es heißt, dass sie "auf Grund der im Art 2 des Kollektivvertrages für Sparkassenangestellte vom 16. 8. 1982 festgelegten Ermächtigung" die Betriebsvereinbarung abschließen. Diese Betriebsvereinbarung bestand nach ihrem Art VII aus folgenden Teilen: a) Dienstordnung, b) Besoldungsordnung, c) Pensionsordnung,

d) Prüfungsordnung, e) Disziplinarordnung, f) Reisekostenordnung, g) Anhang. Im Teil c) "Pensionsordnung" lautete § 74:

"Automatikklausel": "Abs 1: Jede allgemeine Veränderung der Bezüge der aktiven Angestellten hat eine entsprechende Veränderung der Bezüge der Pensionisten zur Folge, soferne es sich nicht um eine Änderung der Aktivitätsbezüge im Zusammenhang mit geänderten dienstlichen Verpflichtungen der aktiven Angestellten handelt. Abs 2.... Abs 3: Der der einrechenbaren gesetzlichen Pension entsprechende Teil der zugesicherten Leistung (§ 76) wird mit dem ASVG-Prozentsatz zum jeweiligen Zeitpunkt des Inkrafttretens der ASVG-Erhöhung angehoben (Splitting bei der Valorisierung der Pension)".

Mit dem Kollektivvertrag vom 19. Oktober 1995 "Pensionsreform 1995" wurde durch "§ 7 Automatikklausel" der bisherige § 74 des Kollektivvertrages "Sparkassen-Dienstrecht" dahin geändert, dass dessen Abs 2 zu lauten hat: "Abs 2 der Gesamtpensionsleistung wird bis zum Betrag von jeweils 80 % der Besoldungsgruppe IVa, Stufe 29, des Besoldungsschemas um den jeweiligen Kollektivvertragssatz valorisiert, übersteigende Beträge mit dem jeweiligen ASVG-Anpassungsfaktor (Splitting bei der Valorisierung der Pension). Ordnungsnorm gemäß § 3 Abs 1 ArbVG. Abweichende Regelungen in Betriebsvereinbarungen oder in Einzelverträgen sind unzulässig ......". Der bisherige § 74 Abs 3 Sparkassen-Dienstrecht wurde ersatzlos gestrichen.

Auf dieser Basis wurde sodann die 18. Zusatzvereinbarung zur Betriebsvereinbarung für Vollbeschäftigte der T***** Bank AG abgeschlossen und vereinbart, dass die Automatikklausel laut § 74 Betriebsvereinbarung gemäß § 2 des Kollektivvertrages 1996 ebenfalls mit 1. 2. 1997 in Kraft treten soll. Dabei wurde die Automatikklausel des Kollektivvertrages textgleich in die Betriebsvereinbarung übernommen.

Die beklagte Partei legt der Berechnung der Betriebspension des Klägers nunmehr die neue Valorisierungsbestimmung zugrunde.

Der Kläger beantragte zuletzt die Feststellung, dass er gegenüber der beklagten Partei hinkünftig einen Anspruch auf Ruhegeldleistung besitze, dessen Valorisierung nach dem Stand laut Betriebsvereinbarung nach dem Stand Jänner 1993 (Betriebsvereinbarung zwischen dem Betriebsrat und der T***** Sparkasse aus 1984 - § 74 Automatikklausel) erfolgt und sohin dem Kläger ein Anspruch auf Bezahlung der Ruhegeldleistung einschließlich der zuvor beschriebenen Valorisierung hinkünftig zusteht.

Er begründete sein Begehren damit, dass mit der Betriebsvereinbarung 1996 eine Verschlechterung der Valorisierung herbeigeführt worden sei, welche für ihn nicht wirksam sei. Zum einen sei die im Zeitpunkt der Pensionierung des Klägers in Geltung gestandene Betriebsvereinbarung zu einem Individualanspruch des Klägers geworden, in welchen weder die Kollektivvertragsparteien noch die Betriebsparteien eingreifen könnten. Darüber hinaus enthielten sowohl der Kollektivvertrag als auch die Betriebsvereinbarung Klauseln, dass günstigere Individualvereinbarungen nicht geändert werden dürften.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; insbesondere wurde bestritten, dass es sich bei der Pensionsordnung der Betriebsvereinbarung tatsächlich um eine selbständige Betriebsvereinbarung handle. Vielmehr werde dort nur auf den Text des zugrundeliegenden Kollektivvertrages verwiesen, ohne eine eigene Regelung treffen zu wollen. Der Kläger könne somit seinen Betriebspensionsanspruch nur auf den Kollektivvertrag stützen. Änderungen des Kollektivvertrages seien jedoch auch dann zulässig, wenn sie eine Verschlechterung mit sich brächten und überdies auch hinsichtlich bereits pensionierter Arbeitnehmer wirksam. Die als "Ordnungsnorm" ausgestaltete kollektivvertragliche Neuregelung betreffend die Valorisierung der Firmenpension sei daher auch auf den Kläger anzuwenden. Im Übrigen wendete die beklagte Partei die Unzulässigkeit einer Feststellungsklage ein, weil der Kläger bereits mit einem inhaltsgleichen Leistungsbegehren in drei Instanzen rechtskräftig unterlegen sei, sodass entschiedene Sache vorliege. Überdies sei eine Feststellungsklage insoweit unzulässig, als der Kläger einen Leistungsanspruch erheben könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es teilte in seiner Rechtsauffassung den Standpunkt der beklagten Partei, dass keine eigenständige Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden sei, sondern der Kläger seinen Pensionsanspruch nur aus dem Kollektivvertrag ableiten könne. Dieser sei in zulässiger Weise mit Verbindlichkeitswirkung auch für den Kläger abgeändert worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem stattgebenden Urteil folgende modifizierte Fassung: "Es wird festgestellt, dass hinkünftig der Kläger gegenüber der beklagten Partei Anspruch auf Ruhegenussleistungen hat, deren Valorisierung sich nach der Automatikklausel des § 74 der Betriebsvereinbarung bestimmt, wobei diese Automatikklausel nachfolgenden Inhalt hat:

1.) Jede allgemeine Veränderung der Bezüge der aktiven Angestellten hat eine entsprechende Veränderung der Bezüge der Pensionisten zur Folge, soferne es sich nicht um eine Änderung der Aktivitätsbezüge im Zusammenhang mit geänderten dienstlichen Verpflichtungen der aktiven Angestellten handelt.

2.) Der der einrechenbaren gesetzlichen Pension entsprechende Teil der zugesicherten Leistung (§ 76 der Betriebsvereinbarung) wird mit dem ASVG-Prozentsatz zum jeweiligen Zeitpunkt des Inkrafttretens der ASVG-Erhöhung angehoben (Splitting bei der Valorisierung der Pension)."

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bejahte die Frage einer als Individualanspruch des Klägers fortwirkenden wirksamen Betriebsvereinbarung genauso zutreffend wie die Zulässigkeit der vorliegenden Feststellungsklage. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Die Revisionswerberin weist selbst zutreffend darauf hin, dass Kollektivvertragsparteien wie Parteien einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (RIS-Justiz RS0008828). Maßgeblich ist dabei, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088). Ausgehend von diesen Auslegungskriterien wäre für keinen objektiven Leser einzusehen, warum die Parteien der Betriebsvereinbarung - trotz Bestandes einer Pensionsregelung im Kollektivvertrag - in jener ihrerseits eine detaillierte Regelung trafen, ohne diese zum Inhalt eben dieser Betriebsvereinbarung machen zu wollen. Der Umstand, dass der Text der Betriebsvereinbarung mit demjenigen des Kollektivvertrages übereinstimmte, mag nichts daran zu ändern, dass hinsichtlich der Pensions (Valorisierungs-)Regelung eine eigenständige Betriebsvereinbarung getroffen wurde (SZ 71/91 = Arb

11.730 uva).

Entgegen der Auffassung der beklagten Partei wäre eine Vereinbarung auf Betriebsebene auch keineswegs sinnlos, weil spätere verschlechternde Veränderungen der Pensionsregelung im Kollektivvertrag dann die durch Betriebsvereinbarung abgesicherte, günstigere Pensionsregelung unberührt ließen. Unabhängig davon, ob die Parteien der Betriebsvereinbarung ihre Legitimation zum Abschluss der Pensionsregelung wirklich nur auf Art II des Kollektivvertrages "Sparkassen-Dienstrecht" zurückführen konnten oder nicht ohnehin die gesetzliche Ermächtigung des § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG durchschlug, bestand im Zeitpunkt des pensionsbedingten Ausscheidens des Klägers jedenfalls eine gültige Betriebsvereinbarung über die Betriebspension und deren Valorisierung. Die Angelegenheiten, die durch Kollektivvertrag geregelt werden können, sind im § 2 Abs 2 ArbVG taxativ aufgezählt. Regelungen in Angelegenheiten, die in der zitierten Norm nicht aufgezählt sind, haben nicht die Rechtswirkung eines Kollektivvertrages. Damit unterliegen ausschließlich kollektivvertragliche Ansprüche der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragspartner, während ein durch Individual- oder Betriebsvereinbarung begründeter Anspruch der kollektivvertraglichen Änderung entzogen ist (SZ 71/91 mwN uva). In dem Augenblick, in dem der Kläger als Pensionist aus dem Betrieb ausschied, wandelte sich die bisher als Inhaltsnorm wirkende Pensionszusage in der Betriebsvereinbarung in einen vertraglichen Anspruch gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber (RIS-Justiz RS0021499, insb SZ 61/275). Damit mangelt es aber den Kollektivvertragsparteien an der gesetzlichen Grundlage für eine wirksame Änderung des dem Kläger nunmehr individuell zustehenden Pensions-(Valorisierungs-)anspruches. Genausowenig können die Betriebsvereinbarungsparteien auf Grund der ihnen nach dem ArbVG zukommenden Kompetenz in die ausgeschiedenen Arbeitnehmern kraft einer früheren Betriebsvereinbarung zustehenden Ruhegeldansprüche eingreifen (RIS-Justiz RS0050955). Damit kann auch die Frage auf sich beruhen, ob die durch den nachfolgenden Kollektivvertrag bzw die spätere Betriebsvereinbarung herbeigeführte Änderung eine "maßvolle" ist.

Dem Argument der Beklagten, es müsse ihr die Möglichkeit eingeräumt werden, im Falle einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation auch eine Einschränkung der Pensionsleistungen gegenüber dem Kläger herbeizuführen, was durch ein Feststellungsurteil im Sinn des Klägers aber verhindert werde, ist folgendes entgegenzuhalten:

Abgesehen davon, dass die beklagte Partei kein Vorbringen erstattet hat, welches eine Beurteilung zuließe, ob ein Aussetzen oder Einschränken von Leistungen im Sinne des Betriebspensionsgesetzes hier überhaupt in Frage kommt, hält die materielle Rechtskraft - auch von Feststellungsurteilen (4 Ob 117/79) - gegenüber nachträglichen Tatbestandsänderungen nicht stand. Die Entscheidung ergreift zwar den Anspruch, nicht aber seinen Tatbestand. Verändern sich die Individualisierungsmomente des Rechtsschutzanspruches nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf Grund deren die Entscheidung erging, so entsteht ein neuer Rechtsschutzanspruch, der dann folgerichtig von der Rechtskraft der Entscheidung über den ersten nicht berührt wird (stRsp RIS-Justiz RS0041247).

Die Beklagte hält zwar im Revisionsverfahren den Einwand der entschiedenen Sache 16 Cga 33/98b, wo ein Leistungsbegehren des Klägers abgewiesen wurde, welches sich auf einen Zeitraum bezog, welcher vor Einbringen der Feststellungsklage lag nicht mehr aufrecht, meint aber, dass die Möglichkeit eines Leistungsbegehrens ein inhaltlich identes Feststellungsbegehren ausschließe. Dabei beachtet die Revisionswerberin jedoch nicht, dass nach der Rechtsprechung der Satz, dass die Feststellungsklage nicht zuzulassen ist, wenn die Leistungsklage eingebracht werden kann, nur dann gilt, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird, dh, wenn weitere als die durch das Leistungsbegehren gezogenen Rechtsfolgen aus der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses oder Anspruches nicht in Betracht kommen (RIS-Justiz RS0039021). Nach der Rechtsprechung ist ein Interesse an einer Feststellungsklage schon dann gegeben, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Streitigkeiten vermieden werden können (SZ 63/51). In der modifizierten bzw durch das Berufungsgericht verdeutlichten Fassung bezieht sich der Feststellungsanspruch des Klägers auf künftige, dh nach der Klageeinbringung liegende Ansprüche. Dabei ist es ohne Belang, dass Teile des Anspruches in der Zwischenzeit fällig geworden und mit Leistungsurteil durchsetzbar geworden wären (RIS-Justiz RS0039021, insb 1 Ob 628/92).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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