OGH 1Ob689/51

OGH1Ob689/5110.10.1951

SZ 24/267

Normen

ABGB §364
ABGB §472
ABGB §490
ABGB §497
ABGB §523
Bundeswassergesetz 1934 §35
ZPO §228
ABGB §364
ABGB §472
ABGB §490
ABGB §497
ABGB §523
Bundeswassergesetz 1934 §35
ZPO §228

 

Spruch:

Die Klage auf Feststellung des Bestehens einer Servitut gegen den Eigentümer des dienenden Grundstückes kann mit dem Begehren auf Verbücherung der Servitut verbunden werden.

Es liegt auch dann ein natürlicher Wasserabfluß und keine Servitut vor, wenn ein Gründeigentümer einmal jährlich über einen Grund eine Furche in einer von Natur bestehenden Mulde zieht, um damit den Wasserablauf zu beschleunigen.

Entscheidung vom 10. Oktober 1951, 1 Ob 689/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Zwettl; II. Instanz: Kreisgericht Krems.

Text

Es ist unbestritten, daß die Kläger gemeinschaftliche Eigentümer des Grundstückes 451, Acker, EZ. 20 der Kat.Gem. P. sind, welches mit seiner Westseite an das den Ehegatten Leopold und Leopoldine St. gehörige Grundstück 456, Acker mit seiner östlichen Längsseite an das den Beklagten gemeinschaftlich gehörige Grundstück 450, Acker, grenzt. Das Terrain ist vom Westen nach Osten etwas geneigt; ebenso fallen die Grundstücke 451 und 450 von Süden nach Norden ab. Im Sommer 1950 haben die Beklagten den natürlichen Ablauf des Niederschlagswassers vom Grundstück 451 auf das Grundstück 450 dadurch verhindert, daß sie an der Grenze der vorbezeichneten Grundstücke in einer Mulde Steine hinlegten.

Das Klagebegehren lautet 1. auf Feststellung der Dienstbarkeit der Ableitung des Niederschlagswassers für die Eigentümer des Grundstückes 450 der gleichen Kat.Gem. als dienendes Grundstück und

2. auf die Verpflichtung der Beklagten, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit in der für das dienende Gut bestehenden Grundbuchseinlagezahl 6, Grundbuch P., einzuwilligen.

Das Erstgericht hat beide Begehren mit der Begründung abgewiesen, daß es sich im vorliegenden Falle um den natürlichen Ablauf des Regenwassers vom Gründe der St. über den Grund der Kläger auf den Grund der Beklagten handelt und daß "zum besseren Ablauf" des Regenwassers jährlich einmal in der natürlichen Mulde, die durch die Grundstücke der drei genannten Liegenschaftseigentümer führt, eine kleine Furche, welche an den Grenzen der Grundstücke offen bleibt, von den Klägern ausgehoben wird. Das Bestehen einer Servitut zugunsten des Grundstückes 451 sei jedoch zu verneinen, "weil der Bestand einer Servitut stets eine wirtschaftliche und rechtliche Beziehung zwischen beiden Grundstücken voraussetze und es nicht hinreichend sei, daß sich durch die Einwirkung der Naturkräfte ohne jedes menschliche Tun oder Unterlassen eine solche Beziehung ergebe". Da die Kläger - abgesehen von dem Ausheben der Rinne (Furche) - nichts unternommen haben, die Ableitung des Niederschlagswassers auf das Grundstück der Beklagten zu fördern, liege kein Eingriff in die Eigentumssphäre der Beklagten vor und es könne daher nicht von einer Dienstbarkeit der Ableitung des Regenwassers gesprochen werden.

Das Berufungsgericht wies die aus dem Gründe der Nichtigkeit erhobene Berufung zurück, gab jedoch im übrigen der Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht hielt die Beurteilung des Sachverhaltes in rechtlicher Beziehung für unrichtig, denn es sah in der Freimachung der Wasserrinne - im Gegensatze zum Erstgericht - eine Einwirkung von seiten des herrschenden Grundstückes, um der Versumpfung dieses Grundstückes entgegenzuarbeiten; es sollte die Furchenziehung den Wasserablauf konzentrieren und beschleunigen. Ein natürlicher Abfluß, so führt der Aufhebungsbeschluß aus, liege nur dann vor, wenn Regenwasser lediglich der Schwerkraft folgend fließe, ohne daß durch menschliche Tätigkeit die Richtung oder Beschleunigung des Abflusses beeinflußt werde. Es sei daher die behauptete Dienstbarkeit grundsätzlich zu bejahen, und da Feststellungen fehlen, ob die Ersitzungszeit nach § 1470 ABGB. vollendet sei, sei die Aufhebung und Rückverweisung an die erste Instanz - unter Rechtskraftvorbehalt - geboten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst ist zu beachten, daß zwei Klagebegehren vorliegen, und zwar auf Feststellung der Dienstbarkeit und auf Einwilligung in deren Einverleibung. Da das Vorliegen des rechtlichen Interesses des Feststellungsbegehrens nach § 228 ZPO. in allen Instanzen und daher auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (RZ. 1937, S. 409, ZBl. 1929, Nr. 115, SZ. V/133), steht diese Frage im Vordergrund. Die Rechtsprechung (GlUNF. 6093) und d8s Schrifttum (Swoboda, System des ABGB., Sachenrecht, 2. Aufl. 1944, S. 326), billigen die Verbindung der actio confessoria mit dem Begehren auf bücherliche Einverleibung, wenn die ersessene Dienstbarkeit im Grundbuche noch nicht verbüchert ist.

Das Klagebegehren der actio confessoria lautet auf Beseitigung der Störung, Unterlassung künftiger Störungen, allenfalls auf Schadenersatz. Derartige Begehren wurden im vorliegenden Falle zwar nicht gestellt, doch läßt die Rechtsprechung auch die konfessorische Klage als Feststellungsklage zu, allerdings nur gegen den Eigentümer des angeblich dienstbaren Gründes (1 Ob 787/47 - JBl. 1948, S. 62). Im vorliegenden Falle sind die Eigentümer des dienenden Grundstückes mit der Feststellungsklage belangt. Es besteht daher auch kein Anstand, eine Klage auf Feststellung des Bestehens einer Servitut mit dem Begehren auf Verbücherung zu verbinden.

In der vorliegenden Rechtssache lautet die Kernfrage: Liegt ein natürlicher Abfluß nur dann vor, wenn Regenwasser lediglich der Schwerkraft folgend fließt, ohne daß durch menschliche Tätigkeit die Richtung oder Beschleunigung des Abflusses beeinflußt wird, oder - wie das Berufungsgericht meint - stellt schon das bloße, alljährlich einmalige Ziehen einer Furche in der von Natur aus bestehenden Mulde bereits eine künstliche Wasserleitungsanlage dar? Der Oberste Gerichtshof hält an der Entscheidung SZ. XXI/74 fest, wonach ein natürlicher Wasserablauf nicht Inhalt der Servitut des Wasserleitungsrechtes sein kann, oder wie Klang, Kommentar, 2. Aufl., zu § 489, S. 570, unter Punkt 2 ausführt: "Für den natürlichen Ablauf des Regenwassers bedarf der Hauseigentümer keiner Dienstbarkeit". Davon unabhängig ist die Frage, ob der Nachbar den Ablauf des Regenwassers durch Vorkehrungen fernhalten darf.

Die wenigen Präjudikate der ordentlichen Gerichte sind sachverhaltsmäßig anders gelagert als der vorliegende Fall, in welchem es darum geht, ob das bloße Ziehen einer Furche schon eine wasserrechtliche Anlage nach § 497 ABGB. schafft. Die Entscheidung GlUNF. 6318 geht von einem Tatbestand aus, nach welchem bereits Wasserleitungswasser von einer Ableitungsröhre einer Höhlung im Erdreich als einem allerdings nicht entsprechenden Reservoir zufließt. Es entspricht daher der erwähnte Fall, in welchem es sich um die "Substantiierung der Negatorienklage aus Anlaß der Änderung eines Wasserabflusses durch den Nachbarn" handelt, nicht dem vorliegenden Falle. Desgleichen auch nicht die Entscheidung GlUNF. 7651, in der es darum geht, ob ein Anspruch auf Anerkennung einer Wasserleitungsdienstbarkeit aus einem Mühlgerinne besteht. Swoboda bemerkt (ebdt., S. 311, bei Behandlung des "Rechtes der Wasserzu- und -ableitung" (§ 497 ABGB.), "Zur Ausübung dieser Dienstbarkeit sind regelmäßig größere Anlagen erforderlich. Deshalb berechtigt diese Dienstbarkeit auch dazu, auf dem fremden Gründe die nötigen Röhren, Rinnen und Schleusen ..... anzulegen." Schon Randa (Das Eigentumsrecht, 1893, S. 90) spricht mit Bezug auf "Anlagen, welche der übliche landwirtschaftliche Betrieb mit sich bringt", aber auch bezüglich "Änderungen der Furchenlage durch Pflügen" aus, daß solche Änderungen nicht als besondere künstliche Vorrichtungen, welche den natürlichen Wasserablauf ändern, angesehen werden. Randa versteht unter "künstlichen Anlagen" (s. ebdt., S. 92) ein "opus manufactum", verweist jedoch in Anm. 73, ebdt., S. 91, darauf, daß den römischen Quellen entsprechend das Gewicht auf "opus" zu legen ist. Im übrigen sei auf die in dieser Anmerkung erwähnten Schrifttumsstellen verwiesen, insbesondere auch darauf, daß die französische Theorie und Praxis in der Furchen- und Grabenziehung, welche durch die geänderte wirtschaftliche Benutzung veranlaßt wird, keine Änderung des natürlichen Wasserlaufes sieht. Für den vorliegenden Fall geben aber auch zwei Entscheidungen der Verwaltungsbehörde, die aus Anlaß der Erörterung wasserrechtlicher Fragen zu § 11 RWG. - § 35 BWRG. ergangen sind, erschöpfend Aufschluß. In beiden Fällen handelt es sich um die Störung des natürlichen Abflusses der Niederschlagswässer, einmal durch eine Furchenziehung, das andere Mal durch eine Aufschüttung (Budwinski, 1903, 27. Bd., Nr. 1976 (A.) und 1901, 25. Bd., Nr. 364 (A.)). In den beiden verwaltungsrechtlichen Verfahren ging es nicht nur um die Störung, worüber von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, wie dies auch der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ. XXI/61 wieder ausgesprochen hat, sondern auch darum, ob eine künstlich angelegte Wasserfurche, die den natürlichen Wasserabfluß sichern sollte, eine Wasserableitungsanlage darstelle. Die Verwaltungsbehörde kam auf Grund ihrer Sachkenntnis zu dem Ergebnis, "daß die Wasserfurche ausschließlich dazu diente, den natürlichen Wasserabfluß in einer solchen Art zu bewirken, wie es bei der ordentlichen Bewirtschaftung eines Ackers üblich und notwendig ist, so daß also die strittige Furche bloß eine nach den Regeln oder Erfahrungen des Ackerbaubetriebes zweckdienliche Vorrichtung ist, die den natürlichen Wasserablauf nicht ändert, somit unter diesen Umständen kein Grund für die Annahme gegeben ist, daß es sich um eine Behinderung des natürlichen Wasserablaufes handle, noch überhaupt ein Anlaß dafür gegeben ist, die strittige Wasserfurche als eine künstliche Wasserableitungsanlage zu erklären". Dazu kommt im vorliegenden Falle noch folgendes: Der Kläger selbst behauptet, daß es sich um den natürlichen Ablauf des Regenwassers handelt. Die Kläger meinen aber, daß sie an diesem natürlichen Wasserablauf eine Servitut besitzen. Diese Rechtsansicht ist im Hinblick auf die Judikatur der Gerichte und der Wasserrechtsbehörden (zuletzt SZ. XXI/61) nicht zutreffend. Schließlich kommt im vorliegenden Falle dazu, daß die Furchenziehung stets entsprechend der Neigung der Grundstücke erfolgte. In dieser Linie hat sich auch ohne Furchenziehung der natürliche Abfluß der Regenwässer naturgemäß zu vollziehen. An diesen Ausführungen ändert auch der Umstand nichts, daß die Entscheidung der Frage des Bestandes einer Dienstbarkeit der Wasserleitung zur Zuständigkeit der Gerichte gehört (GlUNF. 7651). Der rechtlichen Beurteilung, daß durch die bloße Furchenziehung, wie sie den Bewirtschaftungsverhältnissen von Äckern und Wiesen entspricht, noch keine künstliche Wasserleitungsanlage geschaffen wird, entspricht die Entscheidung GlUNF. 4820. Dort handelt es sich allerdings um einen Rechtsfall nach dem Nachbarrecht (§ 364 ABGB.), und zwar um die Schädigung des Nachbarn durch Anlegung eines Grabens. Im wesentlichen aber geht es darum, daß auch hier zur Beschleunigung des Wasserablaufes der Eigentümer eines Weingartens in diesem eine Furche für das Regenwasser angelegt hat, daß aber bei sehr heftigen Regengüssen das durch die Furche im Graben zusammenströmende Regenwasser nach Auflösung des Erdreiches an der Grubenmulde ausbricht, das Erdreich mit sich fortreißt und zum Weingarten des Klägers herabströmt und sich dann mit dem mitgerissenen Erdreich über den Weingarten des Klägers ergießt und den Garten verschlammt. Aber auch in diesem Falle behaupteten beide Parteien einen Anspruch auf ungehinderten Ablauf des Regenwassers, ohne daß dieser Anspruch weder von den Parteien noch vom Gerichte als das Recht der Dienstbarkeit der Wasserableitung angesehen wurde.

Da daher durch die bloße Anlegung der Furche eine Servitut nicht begrundet wurde, wären beide Klagebegehren abzuweisen. Es bedarf daher auch nicht der Feststellung der Dauer des Ersitzungsbesitzes.

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