Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Für den Betroffenen wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 11. 6. 2002 ein Sachwalter zur Besorgung seiner finanziellen Angelegenheiten sowie seiner Vertretung bei Ämtern, Behörden und Gerichten bestellt.
Die am 26. 8. 1995 verstorbene Ehegattin des Betroffenen war Eigentümerin von Anteilen einer Liegenschaft, mit denen das Wohnungseigentum an einer Wohneinheit verbunden ist. Sie verstarb ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Im Zug der Verlassenschaftsabhandlung wurde zwischen dem Betroffenen und den drei gemeinsamen Kindern des Betroffenen und der Verstorbenen (jeweils als gesetzliche Erben) ein Erbübereinkommen geschlossen. Danach sollte der Betroffene die Eigentumswohnung in sein (zeitlich mit seinem Ableben beschränktes) Eigentum übernehmen und den Kindern das Nacherbrecht zu jeweils einem Drittel zustehen. Aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 23. 1. 1997 wurde der Betroffene als Eigentümer „der Eigentumswohnung" im Grundbuch allerdings mit der Beschränkung der fideikommissarischen Substitution zugunsten der Kinder eingetragen. Die gegenständlichen Liegenschaftsanteile waren schon zu Lebzeiten der Ehegattin des Betroffenen mit verschiedenen Pfandrechten belastet. Der Betroffene, der zunächst die monatlichen Rückzahlungsraten trug, war in der Folge dazu nicht mehr in der Lage, sodass es auf Betreiben eines Pfandgläubigers zur Zwangsversteigerung der Liegenschaftsanteile kam. Nach Befriedigung der Pfandgläubiger verblieb eine Hyperocha von 60.003,69 EUR. Dieser Betrag wurde vom Exekutionsgericht auf das vom Sachwalter für den Betroffenen eingerichtete Konto überwiesen.
Der Sachwalter stellte den Antrag auf sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung, dass dieser Betrag zur Befriedigung der aufgelaufenen Forderungen des Landes Tirol als Sozialhilfeträger sowie weiterer Forderungen gegen den Betroffenen verwendet und in weiterer Folge zur Deckung der laufenden Heimkosten aufgebraucht werden dürfe.
Das Erstgericht versagte dem Antrag die sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung. Mit dem Erbübereinkommen sei den Kindern des Betroffenen ein „Besitznachfolgerecht" eingeräumt worden, auf das die Regeln über die fideikommissarische Substitution anzuwenden seien. Nach § 613 ABGB komme dem Vorerben bis zum Eintritt des Substitutionsfalls das eingeschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu. Für das Substitutionsvermögen gelte das Prinzip der dinglichen Surrogation, wonach das durch Aufopferung von Nachlassmitteln Erworbene anstelle des Ausgeschiedenen in die Substitutionsmasse falle. Über Geld könne der Vorerbe zwar verfügen, schulde dessen Wert allerdings dem Nachlass und habe diesen sicher zu stellen. Es bestünden somit zumindest erhebliche Zweifel daran, dass der Betroffene uneingeschränkter Eigentümer der ihm zugewiesenen Hyperocha sei.
Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Sachwalters den erstgerichtlichen Beschluss. Rechtlich führte es aus, dass mit dem Erbübereinkommen ausdrücklich eine „fideikommissarische Substitution unter Lebenden" festgelegt worden sei, sodass die Regeln über die (echte) fideikommissarische Substitution ungeschmälert heranzuziehen seien. Der Vorerbe habe das vom Substitutionsband umfasste Vermögen ordentlich zu verwalten und dem Nacherben zu erhalten, wobei Aufwendungen, die dem Fruchtnießer obliegen, der Vorerbe trage, solche des Eigentümers die Masse. Der Vorerbe sei ohne Zustimmung des Nacherben nicht berechtigt, durch Veräußerungen und Belastungen über die Substanz zu verfügen und stehe dem Nacherben ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu. Gläubiger des Vorerben könnten das Substitutionsgut nur insofern zur Befriedigung ihrer Ansprüche verwenden, als dem Vorerben eigene Rechte daran zustehen, insbesondere die Früchte, während die im Grundbuch eingetragene Beschränkung durch eine fideikommissarische Substitution der Einverleibung eines (auch exekutiven) Pfandrechts entgegenstehe. Zwar gehe es nicht um eine unmittelbare Anwendung des Prinzips der dinglichen Surrogation, weil nicht eine rechtsgeschäftliche Verfügung über das Substitutionsgut erfolgt sei. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei aber nicht bezweifelbar, dass die nach Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung verbliebene Hyperocha nunmehr die Substitutionsmasse darstelle und Verfügungen darüber nur mit Sicherstellung der Nacherben zulässig seien. Die - offensichtlich - anderslautende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ZBl 1934/208 sei für das Rekursgericht nicht nachvollziehbar. An dieser Sicht könne auch nichts ändern, dass der Betroffene die laufenden Darlehensrückzahlungsraten geleistet habe. Der Fruchtnießer habe die Lasten der von einer Fruchtnießung umfassten Sache im Rahmen des erzielten Ertrags zu übernehmen, der bei einem Selbstbewohnen einer Liegenschaft in der Höhe des erzielbaren Mieterlöses zu veranschlagen sei. Zwar hafte der Fruchtnießer nur für die Zinsen, nicht aber für das Kapital. Die Regelungen der §§ 511 ff ABGB seien aber dispositiv. Im Erbübereinkommen sei ausdrücklich festgehalten worden, dass sich der Betroffene verpflichte die Betriebskosten und Darlehensrückzahlungen auf Lebenszeit aus Eigenem zu leisten. Somit unterliege die Hyperocha ihrer Substanz nach zur Gänze dem Substitutionsband. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Rechtsansicht des Rekursgerichts offensichtlich eine Entscheidung des Höchstgerichts (ZBl 1934/208) gegenüber stehe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Sachwalters ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
Der Rekurswerber bekämpft die Rechtsansicht des Rekursgerichts mit dem Argument, dass die dinglich wirkende Surrogation nur das betreffe, was durch Aufopferung von Nachlassmitteln durch Rechtsgeschäft erworben werde. Vorliegend sei dieses Prinzip schon deshalb nicht anzuwenden, weil die mit dem Substitutionsband belastete Liegenschaft im Weg der Zwangsversteigerung „verloren" gegangen sei. Im Übrigen seien die in § 615 Abs 1 ABGB angeführten Fälle des Erlöschens einer fideikommissarischen Substitution nicht abschließend geregelt, sondern liege in der Zwangsversteigerung der Liegenschaft ein Erlöschensgrund.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Der Oberste Gerichtshof bejaht in nunmehr ständiger Rechtsprechung die vertragliche Einräumung eines ähnlich wie eine echte fideikommissarische Substitution zu behandelnden Besitznachfolgerechts (SZ 51/65 mwN; 7 Ob 111/99w; RIS-Justiz RS0012539 ua). Die Analogie zur fideikommissarischen Substitution erscheint dabei umso zwingender, je näher eine Vereinbarung an die Regelung typischer Anliegen der Nacherbschaft herankommt (4 Ob 194/98b).
Aus der Umschreibung der Rechte und Pflichten des Vorerben als denjenigen eines Fruchtnießers im § 613 ABGB ergibt sich unter anderem, dass dem Vorerben allein kein freies Verfügungsrecht über die Substanz zusteht und er sohin einem absolut wirkenden Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten des Nacherben unterliegt (Eccher in Schwimann ABGB3 § 613 Rz 1; Welser in Rummel ABGB3 § 613 Rz 6 mwH). Die im Grundbuch eingetragene Beschränkung durch eine fideikommissarische Substitution steht der Einverleibung eines Pfandrechts ohne Zustimmung des Nacherben entgegen, gleichgültig, ob es sich um ein vertragliches Pfandrecht oder um eine zwangsweise Pfandrechtsbegründung handelt (SZ 41/97; SZ 67/193; 5 Ob 71/07p; RIS-Justiz RS0002605; Eccher aaO Rz 5 und 6; Welser aaO Rz 11). Das Substitutionsgut haftet aber für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten, also Erblasser -, Erbfalls- und Erbgangsschulden (Eccher aaO Rz 7; Welser aaO Rz 7; SZ 46/28 ua). Für den Nachlass gilt der Grundsatz des Ersatzrechts (= dinglich wirkende Surrogation). Das bedeutet, dass der Nachlass als Sondervermögen in seinem durch regelmäßige Verwaltung herbeigeführten Stand im Sinn des Wertbestands erhalten bleiben soll. Was durch Aufopferung von Nachlassmitteln durch Rechtsgeschäfte erworben wurde, fällt an den Nachlass; soweit Gegenstände bei Eintritt des Nacherbfalls an den Nacherben herauszugeben gewesen wären, ist der für sie eingegangene Geldbetrag zu leisten (SZ 41/136; 2 Ob 631/86; 7 Ob 539/91; RIS-Justiz RS0012225; Eccher aaO Rz 3 mwH; Welser aaO Rz 4 mwN). Kletecka (Ersatz- und Nacherbschaft) weist zutreffend darauf hin, dass die Surrogation auch dann auftritt, wenn es sich um eine erlaubte Verfügung des Substituten handelt, weil zB die ordentliche Verwaltung der Substitutionsmasse den Verkauf von Nachlasssachen erfordert. Die dingliche Surrogation greife auch dann ein, wenn Gegenstände aufgrund eines zum Substitutionsnachlass gehörenden Rechts erworben werden (Rechtserwerbsklausel) oder an die Stelle der Sache eine Schadenersatzforderung, ein Bereicherungsanspruch, eine Enteignungsentschädigung oder eine Versicherungssumme tritt (S 305 mwH). Entgegen der von der Lehre gezogenen Grenze (P. Bydlinski, NZ 1988, 245 f; Kralik, Erbrecht 196), wonach die dingliche Surrogation dann nicht eingreifen solle, wenn sich das Surrogat ununterscheidbar im Vermögen des Vorerben verteilt habe, zieht Kletecka die Grenze erst dann, wenn sich der Anteil der Substitutionsmasse nicht mehr bestimmen lasse (aaO, 309).
Im hier zu beurteilenden Fall erfolgte die Zwangsversteigerung wegen pfandrechtlich sichergestellter Erblasserforderungen. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs JBl 1934, 433, die im Wesentlichen die Unzulässigkeit der Zwangsversteigerung einer mit fideikommissarischer Substitution belasteten Liegenschaft (offensichtlich wegen Schulden des Vorerben) aussprach und in diesem Zusammenhang lediglich zum Ausdruck brachte, dass einem Vertreter der Lehre „der Gedanke, dass der Erlös die Substitutionsmasse bilde, mit Unrecht zugemutet werde", ist ebenso wenig wie das Argument des Rechtsmittelwerbers, dass das Surrogationsprinzip lediglich auf rechtsgeschäftliche Verfügungen des Vorerben angewendet werden könne, geeignet, im vorliegenden Fall der Hyperocha den Surrogationscharakter abzusprechen. Auch in der Entscheidung 8 Ob 521/78 = SZ 51/65 ließ der Oberste Gerichtshof offen, ob das Besitznachfolgerecht nach dem Surrogationsprinzip auf den auf die Liegenschaftshälfte der „Besitzvorgängerin" entfallenden Versteigerungserlös überging.
Der erkennende Senat vermag die Auffassung des Rechtsmittelwerbers nicht zu teilen, dass in der Zwangsversteigerung ein in § 615 ABGB nicht angeführter Grund für das Erlöschen des Substitutionsbands liegt. Nach herrschender Auffassung regelt § 615 Abs 1 ABGB zwar die Fälle des Erlöschens einer fideikommissarischen Substitution nicht taxativ (SZ 40/21, 7 Ob 537/91; Kletecka aaO 339 ua), doch liegt hier kein den anerkannten Erlöschungsgründen gleichwertiger Grund vor. Vielmehr ist durch die Zwangsversteigerung der Liegenschaft (wegen Erblasserschulden) die Liegenschaft quasi „untergegangen", wobei allerdings im Sinn der obigen Ausführungen die Hyperocha, die den nach Befriedigung der Pfandgläubiger verbleibenden „Rest" des Erlöses der Liegenschaft verkörpert, im Sinn des Surrogationsprinzips dem Substitutionsband unterworfen ist. An der vorliegenden Entscheidung kann auch der Umstand nichts ändern, dass der „Vorerbe" nach den §§ 613, 510 ABGB über Geld nach Belieben verfügen kann und dem Nachlass nur den Wert schuldet, weil der Betroffene nach den Feststellungen zwar erheblichen Forderungen ausgesetzt ist, jedoch über kein nennenswertes Vermögen oder ausreichendes Einkommen verfügt und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Hyperocha aus der Versteigerung der Substitutionsliegenschaft zugunsten der Nacherben in irgendeiner Weise sichergestellt wäre. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht der Verwendung dieses Betrags zu Zwecken der Schuldtilgung des Betroffenen die sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung versagt.
Dem Revisionsrekurs ist somit nicht Folge zu geben.
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