European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00095.23F.0927.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Zwischen den Parteien besteht ein Versicherungsvertrag für die Sparte „Leitungswasserschaden“, dem die Versicherungsbedingungen Klipp & Klar – Bedingung für die Zuhause & Glücklich Eigenheimversicherung, Deckungsvariante „Premium“ (ZGEP) – ZE12, in der Fassung 09/2018 zugrunde liegen.
[2] Artikel 3 ZGEP „Welche Gefahren sind versichert?“ lautet auszugsweise:
„3. Leitungswasser
ist Wasser in Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung oder angeschlossener Einrichtungen (wie z.B. Warmwasserversorgungs-, Zentralheizungs-, auch Fußbodenheizungs- und Schwimmbadversorgungsanlagen).
Mitversichert ist das Vorhandensein einer wasserführenden Fußbodenheizung.
Versichert sind
Schäden durch
‑ Austreten von Leitungswasser, auch wenn es mit Frostschutzmittel versetzt ist, aus den vorgenannten Rohren und Einrichtungen;
sowie
‑ die Kosten für die Behebung von Bruch- bzw. Leckschäden an leitungswasserführenden Rohren bzw. Mischwasserkanälen einschließlich der erforderlichen Nebenarbeiten ohne Rücksicht auf die Entstehungsursache (z.B. durch Rost oder Korrosion) innerhalb des versicherten Gebäudes, innerhalb und außerhalb des Versicherungsgrundstückes.
[...]
‑ Schäden an den an die Leitung angeschlossenen Einrichtungen und Armaturen (z.B.Wasserhähne,Waschbecken, Klosetts, Badeeinrichtungen, Heizkörper, Heizkessel und Boiler), wenn deren Erneuerung oder Reparatur im Zuge der Behebung eines Rohrgebrechens notwendig ist;
‑ Behebung von Dichtungsschäden an Zu- und Ableitungsrohren [...]“
[3] Am 6. 12. 2020 ereignete sich auf der Liegenschaft des Klägers ein Wasserschaden, weil eine Verbindung mit Silikonkitt zwischen einem Kunststoffrohr und einer Steinzeug-Halbschale undicht geworden war. Diese Undichtheit wurde nicht durch ein Gebrechen am Kunststoffrohr herbeigeführt, sondern aufgrund der nicht dichten Verbindung zwischen Rohr und Steinzeug-Halbschale. Die Steinzeug-Halbschale wurde ursprünglich als Teil eines offenen Gerinnes in den betonierten Schacht eingesetzt und als funktionaler Teil der Hausentwässerungsleitung verwendet. Die Beklagte bezahlte vor Klagseinbringung einen Betrag von 1.795,32 EUR für die Schadensbehebung.
[4] Der Kläger begehrt weitere Schadensbehebungskosten in Höhe von 8.850 EUR.
[5] Die Beklagte wendete ein, sie schulde gemäß ihren Versicherungsbedingungen lediglich die Folgeschadensanierung, welche sie bereits bezahlt habe. Da kein Rohrbruch vorgelegen habe, schulde sie darüber hinaus nicht auch Kosten für die Ursachenbehebung.
[6] Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Der Austritt von Leitungswasser aus einer angeschlossenen Einrichtung sei nach den Bedingungen versichert; die genaue Schadenshöhe sei erst durch ein Sachverständigengutachten zu klären.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Es kam rechtlich zum Ergebnis, bei der Steinzeug-Halbschale handle es sich um eine angeschlossene Einrichtung. Es liege daher ein Dichtungsschaden an einer angeschlossenen Einrichtung und kein Rohrgebrechen oder ein Dichtungsschaden an Zu- und Ableitungsrohren vor. Nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen würden Schäden an den an die Leitung angeschlossenen Einrichtungen und Armaturen nur ersetzt, wenn deren Erneuerung oder Reparatur im Zuge der Behebung eines Rohrgebrechens notwendig sei. Damit gebühre aber kein Ersatz für Schäden an der angeschlossenen Einrichtung selbst. Da die Beklagte bereits vor Klagseinbringung 1.795,32 EUR an den Kläger bezahlt habe und Feststellungen fehlen würden, welche Schäden durch den Wasseraustritt entstanden seien, könne derzeit noch nicht beurteilt werden, ob das Klagebegehren hinsichtlich eines noch zu ersetzenden Schadens durch den Wasseraustritt zu Recht bestehe.
[8] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zur Auslegung der Versicherungsbedingungen im Hinblick auf die angeschlossenen Einrichtungen zulässig sei.
[9] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers.
[10] Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.
[12] 1.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).
[13] 1.2. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung, mit der festgelegt wird, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind (vgl RS0080166 [T10]). Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikoabgrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (vgl 7 Ob 92/19h; RS0080166; RS0080068). Entscheidend für die Abgrenzung und Einordnung einer Bedingung ist ihr materieller Inhalt, nicht ihr äußeres Erscheinungsbild (RS0103965).
[14] 2. Art 3.3. ZGEP dient – soweit hier relevant – der primären Risikoumschreibung. Es wird – unter der Überschrift „Welche Gefahren sind versichert?“ – in Punkt 3. betreffend Wasserschäden im Zusammenhang mit Leitungswasser festgelegt, welche Ereignisse von der Versicherungsdeckung umfasst sind.
[15] 2.1. Die Leitungswasserschaden-Versicherung war bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Fachsenats. Diese Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Versicherung gegen Leitungswasser bietet Schutz gegen Schäden, die durch den Austritt von Wasser aus Zu- oder Ableitungsrohren oder angeschlossenen Einrichtungen von Wasserleitungs-, Warmwasserversorgungs- oder Zentralheizungsanlagen sowie aus Etagenheizungen entstehen. Sie ist eine Sachversicherung, die dem Erhalt des Gebäudes, sohin des Eigentums des Versicherungsnehmers dient. Unter Leitungswasser ist aus wasserführenden Rohrleitungen, Armaturen oder angeschlossenen Einrichtungen austretendes Wasser zu verstehen, wobei der Versicherungsschutz auch Flüssigkeitsaustritt am Ende einer wasserführenden Rohrleitung umfasst (vgl 7 Ob 135/22m mwN).
[16] 2.2. Eine angeschlossene Einrichtung im Sinn des Art 3.3. ZGEP ist nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers jedes Behältnis, das bestimmungsgemäß Wasser durchlässt oder aufnimmt und dauernd durch eine Zuleitung oder durch eine Ableitung oder durch beides mit dem Rohrsystem verbunden ist (7 Ob 185/17d mwN; 7 Ob 184/22t). Hierzu gehören Einrichtungen zum Zwecke des Wasserdurchlaufs (Hähne, Ventile, Filter), Einrichtungen zum Gebrauch stehenden Wassers (Waschbecken, Badewannen, Schwimmbecken), Einrichtungen zum Gebrauch stehenden oder durchlaufenden Wassers (Waschmaschinen, Toiletteninstallationen) und Einrichtungen zur Bearbeitung von Wasser ( Rüffer in Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz 4 VGB 2016 – Wert 1914 GNP A.4 Rn 8). Die Steinzeug-Halbschale dient dem Wasserdurchlauf und ist aufgrund ihrer Verbindung mit einem Rohrsystem eine angeschlossene Einrichtung im Sinn dieser Definition. Eine Deckung der Schäden an der angeschlossenen Einrichtung selbst ist nach der Bedingungslage nur für den Fall eines Rohrgebrechens vorgesehen. Ein solches setzt voraus, dass das Material des Rohres (einschließlich Dichtungen, Flanschen, Muffen, Verschraubungen, Druckausgleicher und Kniestücken) ein Loch oder einen Riss bekommt, mithin ein Sachsubstanzschaden eintritt (Spielmann in Martin/Reusch/Schimikovski/Wandt, Sachversicherung4 [2022] § 5 Rz 53). Hier wurde die aus Silikonkitt bestehende Verbindung zwischen dem Rohr und der Steinzeug-Halbschale undicht. Davon war das Material des Rohres nicht betroffen, weshalb darin kein Rohrgebrechen im Sinne der Versicherungsbedingungen liegt.
[17] 2.3. Ein Rohr ist eine dem Wasserdurchfluss dienende Ummantelung, die eine bestimmte Festigkeit aufweisen muss und geschlossen ist (vgl Hahn in Beckmann/Matusche‑Beckmann , Versicherungsrechts-Handbuch 3 [2015], § 34 Rz 6; Spielmann in Martin/Reusch/Schimikovski/Wandt , Sachversicherung 4 [2022] § 5 Rz 18 zur insoweit vergleichbaren deutschen Bedingungslage). Dass es sich bei einem Rohr um ein geschlossenes System handelt, wird auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer so verstehen. Eine – etwa zur Hälfte offene – Halbschale ist daher kein Rohr. Auch die Verbindung mit dem Rohrsystem führt entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu, dass die Steinzeug-Halbschale – mag sie auch ein funktionaler Teil der Hausentwässerungsleitung sein – dadurch zu einem Rohr wird.
[18] 2.4. Ausdrücklich in den Deckungsumfang eingeschlossen wird aber im letzten Unterpunkt des Art 3.3. ZGEP die Behebung von Dichtungsschäden an Zu- und Ableitungsrohren. Die Schadhaftigkeit des der Abdichtung dienenden Silikons an dem gegenständlichen Rohr ist ein solcher Dichtungsschaden, weshalb die dafür erforderlichen Behebungskosten vom Versicherungsschutz umfasst sind.
[19] 3. Da auch nicht feststeht wie hoch die Behebungskosten dieses Schadens sind, erweist sich die Aufhebung des Ersturteils und die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht im Ergebnis als zutreffend. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren sowohl Feststellungen zur Höhe der zu deckenden Schäden, die durch den Wasseraustritt entstanden sind als auch zu den Behebungskosten für den Dichtungsschaden am Silikon zu treffen haben.
[20] 4. Dem Rekurs war damit nicht Folge zu geben.
[21] 5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO (RS0035976; RS0036035).
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