European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00083.13A.0523.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.998,54 EUR (darin enthalten 333,09 EUR an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Halterin eines Kraftfahrzeugs, auf dem eine Betonpumpe montiert ist, mit der flüssiger Beton in vertikaler Richtung 28 m und in horizontaler Richtung 24 m gepumpt werden kann. Sie fordert von der beklagten Versicherungsanstalt Deckung aus einem Kraftfahrzeug‑Haftpflichtversicherungsvertrag, für den die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (AKHB 2004) gelten. Die Beklagte beruft sich auf den Risikoausschluss nach Art 8 Z 3 AKHB 2004, wonach Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen Zwecken nicht versichert sind.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 2 ZPO nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Der Rekurs ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die im Rekursverfahren strittige Frage, ob das Abpumpen von Beton aus dem Zwischenbehälter der Betonpumpe als Entladevorgang oder als Arbeitsvorgang außerhalb eines Kraftfahrzeugs anzusehen ist, kann auf Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt werden. Die Zurückweisung des Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 iVm § 528a ZPO).
1. Unter dem Begriff „beim Betrieb“ im Sinn des § 1 EKHG ist die bestimmungsgemäße Verwendung des KFZ als Fahrmittel, also zur Ortsveränderung unter Benützung seiner Maschinenkraft zu verstehen (2 Ob 214/01m, 9 ObA 36/03i, 7 Ob 148/03w uva). Es muss ein unmittelbarer ursächlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang des Schadens mit dem Betriebsvorgang oder der Betriebseinrichtung des Fahrzeugs gegeben sein (7 Ob 177/04m, 7 Ob 182/08b).
Nach Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt das Be- und Entladen einen Betriebsvorgang dar (RIS‑Justiz RS0058248 [T12], RS0022592 [T10], 2 Ob 301/04k, 2 Ob 204/08a mwN).
2. Andererseits besteht nach der Judikatur keine Halterhaftung, wenn ein KFZ als ortsgebundene Arbeitsmaschine verwendet wird (RIS‑Justiz RS0058229). Maßgebend ist nicht nur die Aufhebung der Fahrbarkeit der Arbeitsmaschine, sondern auch die Betätigung der Motorkraft für einen Arbeitsvorgang, der mit den für das KFZ typischen Funktionen in keinem Zusammenhang steht (RIS‑Justiz RS0058248, 2 Ob 214/01m, 9 ObA 298/01s, 8 ObA 73/03y, 2 Ob 214/09t).
3. Der Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ in § 2 Abs 1 KHVG ist nach ständiger Rechtsprechung im weiteren Sinn als der Begriff des Betriebs im Sinn von § 1 EKHG zu verstehen (7 Ob 182/08b, RIS‑Justiz RS0116494, RS0088978). Versicherungsschutz zufolge „Verwendung“ des Fahrzeugs besteht demnach bei Gebrauch (Verwendung) des Fahrzeugs als solches schlechthin (7 Ob 182/08b, RIS‑Justiz RS0088976, RS0088978).
4. Nach § 4 Abs 1 Z 4 KHVG besteht die Möglichkeit, Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen Zwecken vertraglich vom Versicherungsschutz auszuschließen. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Entscheidungswesentlich ist daher, ob sich der Unfall beim Entladen des Fahrzeugs oder aber bei dessen Verwendung als ortsgebundene Kraftquelle ereignete.
5. Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, dass die Betätigung einer Betonpumpe nicht der Be‑ oder Entladung des eigenen Fahrzeugs dient, wenn der Beton von einem Mischer, der sich auf einem anderen LKW befindet, in die Betonpumpe eingebracht wird. Hier entspricht die Tätigkeit der einer ortsgebundenen Arbeitsmaschine (8 Ob 245, 246/80). Ein außerhalb des Betriebs eines Fahrzeugs gelegener Arbeitsvorgang liegt auch dann vor, wenn ein LKW mit der Abholung der bereits zuvor anderweits abgeladenen und zu Zwecken der Montage an Ort und Stelle zusammengebauter Bauelemente als Kranträger im Einsatz steht (2 Ob 51/06y). Auch wurde die Selbstbeladung eines Lastkraftfahrzeugs zwar dem Betrieb desselben zugeordnet (ZVR 1983, 286), doch wurde dies anders beurteilt, wenn ein Bagger vor seiner Inbetriebnahme durch das Ausfahren von Stützen am Boden fixiert und dadurch seine Fahrbarkeit als Arbeitsmaschine vorübergehend aufgehoben und die Motorkraft nicht mehr der Be‑ und Entladung des eigenen, sondern eines anderen LKW gedient hat (2 Ob 214/01m, 9 ObA 298/01s, 2 Ob 114/09t).
6. Im vorliegenden Fall war die Autobetonpumpe durch Ausfahren der Stützen am Boden fixiert und ihre Fahrbarkeit aufgehoben. Der flüssige Beton wird hier in der Regel von einem Mischwagen oder einer Mischmaschine in den Zwischenbehälter der Pumpe geleert und von dort weiterbefördert.
Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass zu unterscheiden sei, ob zum Unfallszeitpunkt ‑ wie von der Klägerin behauptet ‑ vom Fahrzeug selbst angelieferter Beton abgepumpt oder ob vor Ort von Betonmischern Beton in den Zwischenbehälter der Betonpumpe eingebracht wurde. Nur in ersterem Fall liege ein mit dem Betrieb des Fahrzeugs im Zusammenhang stehendes Entladen vor. Im zweiten Fall hingegen stelle das Einbringen des Betons in den Zwischenbehälter und somit in das Pumpsystem eine Entladung des Betonmischers, nicht jedoch eine solche der Autobetonpumpe dar, weshalb dann ein außerhalb des Betriebs des Fahrzeugs liegender Arbeitsvorgang vorliege.
Diese Auffassung entspricht der bereits bestehenden umfangreichen oberstgerichtlichen Rechtsprechung.
7. Das Berufungsgericht erachtete in diesem Zusammenhang den festgestellten Sachverhalt als nicht ausreichend. Ob eine derartige Verbreiterung der Sachverhaltsbasis notwendig ist, kann vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden. Zweck des Rekurses ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig ‑ wie hier ‑, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzungen tatsächlich notwendig sind (RIS‑Justiz RS0042179, RS0113643).
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222). Die Beklagte hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Klägerin hingewiesen, sodass sie Anspruch auf Ersatz der Kosten dieses Zwischenstreits hat.
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