OGH 7Ob73/19i

OGH7Ob73/19i29.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei I***** KG, *****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger ua, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte und widerklagende Partei Gemeinde K*****, vertreten durch den Bürgermeister M*****Z*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer ua, Rechtsanwälte in Wels, wegen Feststellung (AZ 6 C 167/16h) und Abgabe einer Erklärung sowie Räumung (AZ 6 C 168/16f), über die Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 6. Februar 2019, GZ 22 R 310/18x‑47, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 7. September 2018, GZ 6 C 167/16h, 6 C 168/16f‑41, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00073.19I.0529.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit 2.240,46 EUR (darin 373,41 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die bei einer Besprechung zwischen den Vertretern der Parteien erzielte grundsätzliche Einigung über eine näher beschriebene Beschränkung der Betriebspflicht sei im später zur Unterfertigung vorgelegten Vertrag nicht umgesetzt worden. Es ließe sich – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch vertreten, dass die beklagte und widerklagende Partei (fortan: Beklagte) dieser Beschränkung konkludent zugestimmt habe, weil sie nach Treu und Glauben oder nach der Verkehrssitte auf das Gegenteil hätte hinweisen müssen (Redepflicht) oder weil der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beimessen habe können.

In diesem Zusammenhang zeigen das Berufungsgericht wie auch die klagende und widerbeklagte Partei (fortan: Klägerin) in ihrer Revision die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Die Revision ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1.1. Schweigen allein hat grundsätzlich keinen (zustimmenden) Erklärungswert (RS0014124; RS0047273 [insb T3]). Stillschweigen bedeutet aber dort eine (konkludente) Zustimmung, wo Gesetz, Verkehrssitte oder Treu und Glauben eine Pflicht zum Handeln auferlegen (RS0014122), oder wo der Schweigende nach Treu und Glauben oder nach der Verkehrssitte hätte reden müssen (RS0013958). Schließlich kann Schweigen auch dann als Zustimmung zu werten sein, wenn der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beimessen kann (RS0014126). Diese Beurteilung hängt typisch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (8 Ob 95/15a).

1.2. Soweit die Klägerin die Redepflicht der Beklagten auf eine bindende Einigung zwischen deren Bürgermeister und dem Geschäftsführer der ursprünglich vorgesehenen Vertragspartnerin aufbaut, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Der Bürgermeister bekundete bei der betreffenden Besprechung keine konkrete Bereitschaft zum Verzicht auf eine Betriebspflicht der Klägerin und es war allen Beteiligten klar, dass der Vertrag noch der Überprüfung des Rechtsvertreters der Beklagten und der Genehmigung des Gemeinderats bedurfte. Im schriftlichen Vertrag, der auch andere erörterte Punkte nicht umsetzte, war dann die Möglichkeit der Kündigung bei Verletzung der Betriebspflicht betreffend eines Nahversorgermarktes wie ursprünglich vorgesehen weiterhin und ausdrücklich enthalten. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen eine Redepflicht, im Sinn eines ausdrücklichen Hinweises auf diese aufrecht gebliebene Vertragsbestimmung gegenüber der ohnehin anwaltlich vertretenen Klägerin verneinte, dann widerspricht dies nicht den zuvor dargestellten Judikaturgrundsätzen. Die von der Klägerin zur gegenteiligen Rechtsansicht ins Treffen geführten Entscheidungen betrafen völlig anders gelagerte Sachverhalte.

2. Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob sich eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergibt (RS0022884 [T3]). Wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Leistungen ist aber bei einem zweiseitigen Vertrag keine Voraussetzung seiner Gültigkeit, außer es liegt ein Ausbeutungstatbestand vor (RS0016482). Einen solchen zeigt die Klägerin aber im Zusammenhang mit der entschädigungslosen Übernahme des Superädifikats durch die Beklagte nicht nachvollziehbar auf, war ihr doch inzwischen seit Jahren die Liegenschaftsnutzung möglich und es lag auch ein Kündigungsverzicht der Beklagten für 60 Jahre vor, sofern die Klägerin keinen von ihr zu vertretenden Grund für eine vorzeitige Vertragsauflösung setzte.

3.1. Die Klägerin macht insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.

3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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