Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger hat bei der Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die K***** Bedingungen für die Unfallversicherung, ***** Fassung 2/2001 (im Folgenden: AUVB 2001) zugrunde lagen. Diese enthalten in Artikel 15 („In welchen Fällen und nach welchen Regeln entscheidet die Ärztekommission?“) folgende Regelungen:
„1. Im Fall von Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen und darüber, in welchem Umfang die eingetretene Beeinträchtigung auf den Versicherungsfall zurückzuführen ist, entscheidet die Ärztekommission ...
2. In den nach Pkt. 1 der Ärztekommission zur Entscheidung vorbehaltenen Meinungsverschiedenheiten kann der Versicherungsnehmer innerhalb von sechs Monaten nach Zugang unserer Erklärung gemäß „Wann sind unsere Leistungen fällig und wann verjähren sie“ - Artikel1 4 Pkt. 1 unter Bekanntgabe seiner Forderung Widerspruch erheben und die Entscheidung der Ärztekommission beantragen.
3. Das Recht, die Entscheidung der Ärztekommission zu beantragen, steht auch uns (der Beklagten) zu.
4. Für die Ärztekommission bestimmen der Versicherungsnehmer und wir (die Beklagte) je einen in der österreichischen Ärzteliste eingetragenen Arzt. Wenn ein Vertragsteil innerhalb von zwei Wochen nach schriftlicher Aufforderung keinen Arzt benennt, wird dieser von der für den Wohnsitz des Versicherten zuständigen Ärztekammer bestellt. Die beiden Ärzte bestellen einvernehmlich vor Beginn ihrer Tätigkeit einen weiteren Arzt als Obmann, der für den Fall, dass sie sich nicht oder nur zum Teil einigen können, im Rahmen der durch die Gutachten der beiden Ärzte gegebenen Grenzen entscheidet. Einigen sich die beiden Ärzte über die Person des Obmannes nicht, wird ein für den Versicherungsfall zuständiger medizinischer Sachverständiger durch die für den Wohnsitz des Versicherten zuständige Ärztekammer als Obmann bestellt.
...
6. Die Ärztekommission hat über ihre Tätigkeit ein Protokoll zu führen; in diesem ist die Entscheidung schriftlich zu begründen. Einigen sich die Ärzte nicht, hat jeder Arzt seine Auffassung im Protokoll gesondert niederzulegen. Ist die Entscheidung durch den Obmann erforderlich, legt auch er sie mit Begründung in einem Protokoll nieder. Die Akte des Verfahrens werden von uns (der Beklagten) verwahrt.“
Der Unfallversicherungsvertrag sah eine Versicherungssumme von 100.000 EUR für den Fall einer dauernden unfallskausalen Invalidität und für eine solche ab 25 % eine weitere Leistung von 3.750 EUR vor.
Aufgrund dieser Unfallversicherung begehrt der Kläger von der Beklagten 28.750 EUR sA. Seine beim Fußballspielen am 23. 10. 2003 erlittene Verletzung habe eine dauernde Invalidität von 25 % zur Folge gehabt. Eine nichtunfallskausale Vorschädigung des zum Unfallszeitpunkt als Profifußballer tätigen Klägers, der körperlich vollständig fit und durchtrainiert gewesen sei, habe nicht bestanden. Die Beklagte habe zunächst der Bildung einer Ärztekommission zugestimmt, jedoch mit Schreiben vom 26. 6. 2007 mitgeteilt, den Akt „aus der Evidenz“ zu nehmen, obwohl der Kläger erklärt habe, dass er die vollständige Durchführung der Ärztekommission wünsche. Seine Ansprüche habe die Beklagte damit endgültig abgelehnt und zu erkennen gegeben, dass sie die Benennung eines Obmanns der Ärztekommission nicht für notwendig halte. Daraus sei nur der Schluss zu ziehen, dass sie auf die Durchführung der Ärztekommission verzichte.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Nach dem von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten seien die vom Kläger angegebenen Beschwerden nicht auf den behaupteten Vorfall zurückzuführen. Ausdrücklich bestritten werde, dass die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen des Klägers in Form eines Bandscheibenprolapses im Segment L4/L5 sowie einer Protrusion in der Höhe L3/L4 durch den Vorfall vom 23. 10. 2003 verursacht worden seien. Nach den durchgeführten Untersuchungen stünden diese Beschwerden in keinerlei Kausalzusammenhang mit diesem Vorfall. Es handle sich um keine unfallskausale Verletzung. Die Beklagte habe der vom Kläger verlangten Durchführung des in Art 15 Punkt 4 AUVB vorgesehenen Ärztekommissionsverfahrens zugestimmt. Die als zweites Mitglied der Ärztekommission beigezogene Ärztin habe mit Schreiben vom 20. 4. 2007 mitgeteilt, dass sie entgegen ihrer ursprünglichen Ansicht dem zuerst eingeholten Gutachten zustimme. Eine Entscheidung des Obmanns der Ärztekommission gemäß Art 15 Punkt 4 AUVB 2001 sei nicht mehr notwendig. Die Einschätzung der Ärztekommission sei inhaltlich richtig und daher für die Streitteile verbindlich. Folge man hingegen dem Standpunkt des Klägers, dass das eingeleitete Ärztekommissionsverfahren mangels Bestellung eines Obmanns nicht zu Ende geführt worden sei, liege jedenfalls mangelnde Fälligkeit des Klagsanspruchs vor. Eine Verzögerung im Sinn des § 64 Abs 1 (richtig: Abs 2) letzter Satz VersVG habe im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht vorgelegen. Außerdem wäre der Kläger selbst verpflichtet gewesen, das von ihm eingeleitete Ärztekommissionsverfahren dadurch fortzusetzen, dass er die beiden Ärzte nochmals zur Bestellung eines Obmanns aufforderte oder sich diesbezüglich mit der zuständigen Ärztekammer in Verbindung setzte.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte -soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - noch Folgendes fest:
Der zur Abklärung der Unfallsfolgen von der Beklagten beauftragte Univ.-Prof. DDr. Hans Erich D***** kam in seinem Gutachten vom 26. 4. 2005 zum Ergebnis, dass es sich um keinen unfallskausalen Bandschadenvorfall handle und dauernde Invalidität im Sinn der Versicherungsbedingungen nicht gegeben sei.
Der Kläger beantragte durch seinen damaligen Rechtsanwalt mit Schreiben vom 28. 11. 2005 die Entscheidung der Ärztekommission und machte Dr. Wolf-Dietrich K***** namhaft. Mit Schreiben vom 4. 8. 2006 gab der Kläger bekannt, dass Dr. K***** nicht zur Verfügung stehe und bot an, auf das Ärztekommissionsverfahren zu verzichten und die Unfallskausalität im Prozess zu klären. Dies lehnte die Beklagte - unter Verweis auf die Versicherungsbedingungen (Art 15 Punkt 4 Satz 2)- ab und teilte dem Kläger mit, dass sie die Ärztekammer Salzburg ersuchen werde, einen medizinischen Vertreter für den Kläger zu benennen.
Die Ärztekammer Salzburg bestellte für den Kläger Dr. Eva J***** als Mitglied der Ärztekommission. Mit Schreiben vom 13. 4. 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die beiden bestellten Ärzte um die Abhaltung der Ärztekommission ersucht worden seien.
Es gelang den beiden namhaft gemachten Ärzten der Ärztekommission in weiterer Folge nicht, sich einvernehmlich auf die Person eines Obmanns zu einigen. In einem E-Mail an die Beklagte vom 19. 1. 2007, von dessen Inhalt auch der Kläger Kenntnis erlangte, führte die Ärztekammer unter anderem aus: „... Die beiden Ärzte (Univ.-Prof. DDr. D***** und Dr. J*****) werden nochmals Kontakt aufnehmen, um sich vielleicht doch auf einen Vorsitzenden zu einigen. Sollte dies in angemessener Zeit nicht gelingen, wird die österreichische Ärztekammer gerne einen solchen benennen ...“.
In der Folge wurde weder von den beiden Ärzten noch von der Ärztekammer ein Obmann benannt bzw bestellt.
Da Dr. J***** mit Schreiben vom 20. 4. 2007 an die Beklagte ihre Übereinstimmung mit dem Gutachten von Univ.-Prof. DDr. D***** vom 26. 4. 2005 - ohne eigene Erstellung von Befund und Gutachten - mitteilte, fragte die Beklagte beim Kläger an, ob er trotzdem die Durchführung der Ärztekommission wünsche. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 18. 6. 2007, dass er ungeachtet des Schreibens Dris. J***** die vollständige Durchführung der Ärztekommission wünsche. Das darauf folgende Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 26. 6. 2007 hatte folgenden Inhalt:
„Frau Dr. J***** wurde durch die Ärztekammer für Salzburg als medizinischer Vertreter ihres Mandanten in der Ärztekommission genannt. Da sie mit dem Gutachten von Prof. Dr. D***** übereinstimmt, ist die Benennung eines Obmanns nicht mehr notwendig.
Wir nehmen den Akt nunmehr aus der Evidenz.“
Eine Reaktion auf dieses Schreiben vom 26. 6. 2007 seitens des Klägers gab es nicht. Er (bzw sein Vertreter in seinem Namen) hat weder Dr. J***** zur Erstellung eines Gutachtens noch die Ärztekammer zur Benennung eines Obmanns aufgefordert oder bei der Beklagten auf derartiges gedrängt. Ein Protokoll im Sinn des Art 15 Punkt 6 der AUVB 2001 liegt nicht vor.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht den Standpunkt, dem Versicherer stehe der Einwand der mangelnden Fälligkeit zu, solange keine Entscheidung der Ärztekommission vorliege. Die Einrede habe nur dann keinen Erfolg, wenn der Versicherer auf das Ärztekommissionsverfahren verzichtet oder wenn er die Versicherungsleistung endgültig abgelehnt habe. Der von der Beklagten in ihrem Schreiben gebrauchte Begriff, den Akt „aus der Evidenz“ zu nehmen, sei entgegen dem Standpunkt des Klägers nicht als endgültige Leistungsverweigerung aufzufassen. Auch ein - allenfalls schlüssiger - Verzicht auf das Ärztekommissionsverfahren könne nicht angenommen werden. Daher wäre es Sache des Klägers gewesen, als Reaktion auf dieses Schreiben bei der zuständigen Ärztekammer die Bestellung eines Obmanns für die Ärztekommission zu bewirken, um das Verfahren vor der Ärztekommission gehörig und formell richtig fortsetzen zu können. Dies sei nach wie vor möglich.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Welche Rechtsfolge eintrete, wenn die beiden Ärzte ohne Obmannbestellung und ohne die in Art 15 Punkt 6 vorgeschriebene Protokollführung ihre fachliche Meinung äußerten, dann aber keine weitere Tätigkeit mehr entfalteten, sei in den Versicherungsbedingungen nicht geregelt. Hier sei die Beurteilung durch beide Vertrauensärzte zu Lasten des Klägers ausgefallen. Es könne sich daher in einem aus drei stimmberechtigten Ärzten bestehenden Gremium keine Mehrheit mehr zugunsten des Klägers ergeben. Daher habe sich die Beklagte zutreffend dahin geäußert, die Bestellung eines Obmanns nicht mehr für erforderlich zu halten. Schließe man sich dieser Ansicht an, könne die Klage schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben. Die gegenteilige, für den Kläger günstigere Rechtsansicht könnte nur damit begründet werden, dass die Vertrauensärzte an ihre verfrüht abgegebene Beurteilung nicht gebunden seien und ihre fachliche Ansicht nach Beratung im Dreiergremium noch ändern könnten; dass sich also letztlich bei der Abstimmung in der Ärztekommission doch noch eine Mehrheit oder gar eine Einhelligkeit zugunsten des Klägers ergeben könnte. Dies setzte zunächst voraus, dass die Ärztekommission gemäß Art 15 Punkt 4 der Versicherungsbedingungen in der vorgesehenen Besetzung von einem Obmann und zwei Mitgliedern gebildet werde und ihre Tätigkeit aufnehme. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 130/04z) seien an das Vorliegen einer Verzögerung im Sinn des § 184 Abs 1 [letzter Satz] VersVG strenge Voraussetzungen zu stellen, weil andernfalls der mit der Bestellung der Ärztekommission verfolgte Zweck, hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, in Frage gestellt würde. Demnach könne sich ein Versicherungsnehmer, der selbst seiner Mitwirkungspflicht bei der Gutachtenserstattung nicht nachgekommen sei, nicht auf Verzögerungen im Sinn der §§ 64 und 184 VersVG berufen, da er es sonst in der Hand hätte, ein von den Parteien vereinbartes Ärztekommissionsverfahren zu hintertreiben. Der Versicherungsnehmer dürfe sich daher nicht einfach passiv verhalten und könne sich, solange er nicht alle Betreibungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe, um das Ärztekommissionsverfahren zustande und zu einem Abschluss zu bringen, nicht auf § 184 VersVG berufen. Eine zumutbare, vom Kläger nicht ergriffene Betreibungsmöglichkeit wäre gewesen, den fehlenden Obmann der Ärztekommission durch die Ärztekammer bestellen zu lassen, wie dies in Art 15 Punkt 4 der Versicherungsbedingungen vorgesehen sei.
Soweit der Kläger aber daran festhielt, im Schreiben vom 26. 6. 2007 sei eine endgültige Ablehnung der Versicherungsleistung durch die Versicherung zu erblicken, vertrat das Berufungsgericht folgenden Standpunkt:
Eine endgültige Ablehnung des Ärztekommissionsverfahrens erübrige sich nur dann, wenn der Versicherer seine Deckungspflicht aus solchen Gründen bestreite, über die naturgemäß nicht Ärzte, sondern Gerichte zu entscheiden hätten (etwa wegen schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalls, Nichtzahlung einer Versicherungsprämie oder Obliegenheitsverletzungen). Solche Streitfragen, die den medizinischen Bereich nicht beträfen, lägen hier jedoch nicht vor. Nach dem strengen Maßstab des § 863 ABGB seien an konkludente Verzichtserklärungen strenge Anforderungen zu stellen. Dem Schreiben sei daher nicht die Bedeutung beizumessen, dass die Beklagte auf die Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens verzichte und sich mit der gerichtlichen Austragung einverstanden erkläre. Nach den Auslegungsgrundsätzen des § 914 ABGB sei das Schreiben auch nicht dahin zu interpretieren, dass die Beklagte die Versicherungsleistung unabhängig von medizinischen Streitfragen aus anderen Gründen verweigere. Eine Unklarheit liege insoweit nicht vor.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag im klagsstattgebenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Verzicht auf das Schiedsgutachterverfahren abweicht. Sie ist im Sinn der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
Das Berufungsgericht verweist darauf, dass hier keine Streitfragen vorlägen, die den medizinischen Bereich nicht beträfen; schon deshalb könne sich eine „endgültige Ablehnung“ des Ärztekommissionsverfahrens nicht erübrigen.
Die Revision wendet sich gegen diese Beurteilung und macht geltend, eine ständige Rechtsprechung liege weder dahin vor, dass sich eine endgültige Ablehnung des Ärztekommissionsverfahrens nur dann erübrige, wenn der Versicherer seine Deckungspflicht aus solchen Gründen bestreite, über die naturgemäß nicht die Ärzte, sondern die Gerichte zu entscheiden hätten, noch dahin, dass nur bei solchen Streitfragen eine endgültige Ablehnung der Versicherungsleistung als Verzicht auf die Durchführung der Ärztekommission zu werten sei.
Die Revisionsbeantwortung hält dem entgegen, das Berufungsgericht sei der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt, wonach der Versicherer nur dann, wenn die Versicherungsleistung „dem Grunde nach“ abgelehnt werde, nicht mehr unter Hinweis auf das fakultative Sachverständigenverfahren mangelnde Fälligkeit einwenden könne; daraus ergebe sich eindeutig, dass dann, wenn der Versicherer - wie hier - seine Leistungsverpflichtung lediglich aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der unfallbedingten Invalidität des Versicherungsnehmers, also nur „der Höhe nach“ bestreite, selbst eine endgültige Ablehnung der Versicherungsleistung das Ärztekommissionsverfahren nicht erübrige.
Dazu ist Folgendes klarzustellen:
Das Schiedsgutachterverfahren dient dazu, „einzelne Voraussetzungen des Anspruchs oder die Höhe des Schadens durch das Schiedsgutachterverfahren durch Sachverständige“ feststellen zu lassen (§ 64 Abs 1 VersVG; in der Unfallversicherung: § 184 Abs 1 VersVG [„... oder das Maß der durch den Unfall herbeigeführten Einbuße an Erwerbsfähigkeit“]). Es obliegt den Schiedsgutachtern demnach nicht die Gesamtbeurteilung, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt. Gegenstand des Schiedsgutachterverfahrens ist lediglich die einer Person oder mehreren Personen übertragene Aufgabe, einzelne Tatbestandselemente oder einzelne Tatsachen festzustellen (RIS-Justiz RS0045365, RS0080464). Schiedsgutachter entscheiden nicht, was zwischen den Parteien rechtens ist, sondern sie schaffen bloß die Grundlage für eine solche Entscheidung bzw Streitbereinigung zwischen den Parteien selbst (RIS-Justiz RS0045057). Die Frage, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt, ist von der Kompetenz dieses Verfahrens daher schon grundsätzlich nicht umfasst (RIS-Justiz RS0080449; 7 Ob 126/08t).
Demgemäß entscheidet die Ärztekommission auch nach Art 15 Punkt 1 AUVB 2001 lediglich im Fall von Meinungsverschiedenheiten „über Art und Umfang der Unfallfolgen und darüber, in welchem Umfang die eingetretene Beeinträchtigung auf den Versicherungsfall zurückzuführen ist“. Die (endgültige) rechtliche Beurteilung, ob die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen des Klägers überhaupt durch den Unfall vom 23. 10. 2003 verursacht wurden oder damit -wie die Beklagte meint- in gar keinem Kausalzusammenhang stehen (Punkt 4 ihres Einspruchs), ob also überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt, fällt hingegen nicht in die Zuständigkeit des Schiedsgutachterverfahrens (vgl 7 Ob 126/08t).
Nach diesen Grundsätzen ist - schon mangels Entscheidungskompetenz der Ärztekommission - sowohl den (aktenwidrigen) Ausführungen der Beklagten, die von einer angeblich „lediglich ... der Höhe nach“ erfolgten Bestreitung der begehrten Versicherungsleistung ausgehen, die Grundlage entzogen, als auch den zur Erfolglosigkeit der Klage angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts, die sich mithypothetischen Abstimmungsergebnissen einer durch den bisher fehlenden Obmann komplettierten Ärztekommission befassen.
Auch was die von den Vorinstanzen verneinte Fälligkeit des Leistungsanspruchs des Klägers betrifft, kommt den diese Beurteilung bekämpfenden Revisionsausführungen Berechtigung zu:
Die in Art 15 Punkt 3 AUVB 2001 zu Gunsten beider Parteien zum Zweck der Herbeiführung einer raschen und kostengünstigen Entscheidung über die Höhe des Invaliditätsgrades (7 Ob 184/06v mwN) vorgesehene Einrichtung einer Ärztekommission stellt einen Schiedsgutachtervertrag im Sinn des § 184 Abs 1 VersVG (vgl auch § 64 Abs 1 VersVG) dar, dem zwar keine prozesshindernde Wirkung zukommt, der aber bewirkt, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers in materiellrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht fällig ist, solange das Ärztekommissionsverfahren nicht durchgeführt wurde (RIS-Justiz RS0081371 und RS0082250; 7 Ob 126/08t).
§ 184 Abs 1 VersVG, auf den die Beklagte ihren Einspruch zunächst offenbar stützte, bestimmt, dass eine von der Ärztekommission getroffene Feststellung dann nicht verbindlich ist, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. In diesem Fall erfolgt die Feststellung durch gerichtliches Urteil (7 Ob 184/06v). Den Standpunkt, dass eine solche, für den Kläger verbindliche Feststellung der Ärztekommission bereits vorliege, hat die Beklagte im Rechtsmittelverfahren aber - zu Recht (vgl 7 Ob 164/98p; RIS-Justiz RS0082506) - nicht mehr aufrecht erhalten; sie vertritt nur noch die Auffassung, es sei weder von einem Verzicht auf die Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens auszugehen noch sei es endgültig gescheitert; der Kläger hätte vielmehr die Obmannbestellung veranlassen müssen.
Dazu wurde Folgendes erwogen:
Wie bereits näher ausgeführt, bewirkt die Einleitung des Schiedsgutachterverfahrens, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers in materiellrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht fällig ist, solange das Verfahren nicht - wenn auch erfolglos - durchgeführt wurde (stRsp; RIS-Justiz RS0081371; RS0082250); es entspricht jedoch ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass der Versicherer auf die Einrede des Sachverständigenverfahrens verzichten kann, indem er dieses (nach Art 15 Punkt 2 AUVB 2001 nur fakultativ vorgesehene [RIS-Justiz RS0116382]) Verfahren nicht (mehr) verlangt (RIS-Justiz RS0081393; 7 Ob 15/05i mwN; 7 Ob 126/08t) - wenn zB die Versicherungsleistung dem Grunde nach abgelehnt wird; der Versicherer kann dann im Zivilverfahren nicht mehr unter Hinweis auf das Recht auf ein solches Verfahren mangelnde Fälligkeit geltend machen (RIS-Justiz RS0080481; RS0081369).
Dabei ist -wie die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt- entscheidend, dass das vorprozessuale Verhalten des Versicherers beim Versicherungsnehmer nicht das Vertrauen erwecken darf, eine Entschädigungsleistung werde jedenfalls nicht an der fehlenden Durchführung eines Sachverständigenverfahrens scheitern (RIS-Justiz RS0080481 [T1 und T2]). Ein solcher Verzicht kann daher auch schlüssig erfolgen und wird immer dann angenommen, wenn der Versicherer die Versicherungsleistung „endgültig ablehnt“. In diesem Fall, der jedenfalls dann vorliegt, wenn der Versicherer qualifiziert nach § 12 Abs 3 VersVG mit Klagsfristsetzung die Deckung ablehnt (Garger, Das Sachverständigenverfahren im Versicherungsvertragsrecht, 73 und 82; 7 Ob 133/04s), wird der Entschädigungsanspruch sofort fällig (RIS-Justiz RS0080481; 7 Ob 126/08t mwN).
Dem in der Revisionsbeantwortung vertretenen Standpunkt, wonach ein schlüssiger Verzicht auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens „unstrittig nur dann“ vorliege, wenn eine solche endgültige Ablehnung in dieser Form ausgesprochen werde, während eine (nur) begründete Ablehnung nach § 12 Abs 2 VersVG jedenfalls noch nicht als konkludenter Verzicht auf das Sachverständigenverfahren gedeutet werden könne (so Garger aaO), kann hingegen nicht gefolgt werden; der Rechtsprechung des erkennenden Senats entspricht es vielmehr, dass eine qualifizierte Ablehnung nach § 12 Abs 3 VersVG nicht alleinige Voraussetzung für die Annahme eines schlüssigen Verzichts des Versicherers auf ein Sachverständigenverfahren ist (7 Ob 15/05i).
Demgemäß hat die Berufungsbeantwortung (noch) den - zutreffenden - Standpunkt vertreten, die endgültige Ablehnung der Versicherungsleistung sei „lediglich eine Form“ des schlüssigen Verzichts auf die Durchführung der Ärztekommission. Ein solcher Verzicht ist aus dem Scheiben vom 26. 6. 2007 aber eindeutig abzuleiten: Hat die Beklagte darin doch ausdrücklich dargelegt, dass die Benennung eines Obmanns „nicht mehr notwendig“ sei, weil auch Frau Dr. J***** (als Vertrauensärztin auf Seiten des Klägers) dem Gutachten des von der Beklagten beauftragten Arztes zustimme, und gleichzeitig angekündigt, dass der Akt „nunmehr aus der Evidenz“ genommen werde. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Kläger diese Erklärung nicht dahin verstehen durfte, die Beklagte bringe damit zum Ausdruck, dass eine weitere Fortsetzung des Schiedsgutachterverfahrens sinnlos sei, weil der Kläger in diesem Verfahren (infolge der mitgeteilten Zustimmung seiner Vertrauensärztin) erfolglos geblieben sei, und dass die Beklagte „den Akt nunmehr aus der Evidenz“ nehme, weil sie den Anspruch des Klägers schon dem Grunde nach für -zur Gänze- nicht berechtigt halte.
Zu Recht beruft sich die Revision hier unter anderem auch auf die Entscheidung 7 Ob 197/05d. Danach ist ein schlüssiger Verzicht des beklagten Versicherers auf ein fakultatives Sachverständigenverfahren nämlich (bereits) darin zu erblicken, dass er nach Rücksprache mit seinem Sachverständigen den (niedriger als vom Kläger verlangt) liquidierten Wiederbeschaffungswert als „in Ordnung“ befunden bestätigt und auf der bereits übermittelten eigenen Totalschadensabrechnung beharrt. Vom Empfängerhorizont des Klägers (bzw seines bereits damals eingeschalteten rechtsanwaltlichen Vertreters) sei diese Erklärung nämlich „so aufzufassen, dass sie (= die Beklagte) kein Sachverständigenverfahren begehre, sondern vielmehr einer Klageführung entgegensehe“.
Dementsprechend kann die hier zu beurteilende Erklärung, vom - wie die Revisionsbeantwortung selbst festhält - maßgebenden Empfängerhorizont aus betrachtet, ebenfalls nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte ein Schiedsgutachterverfahren nicht (mehr) begehrt. Dem im Revisionsverfahren vertretenen gegenteiligen Standpunkt (es werde „klar zum Ausdruck gebracht“, dass die Beklagte „gerade nicht auf die Entscheidung der Ärztekommission verzichten wollte“ - nur dahin habe der Kläger die Mitteilung verstehen dürfen), fehlt schon deshalb die Grundlage, weil dabei nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird:
Insoweit beruft sich die Beklagte nämlich darauf, sie habe im Schreiben vom 26. 6. 2007 lediglich mitgeteilt, dass aufgrund der „gegebenen Umstände (Vorliegen von zwei übereinstimmenden Gutachten)“ von ihr aus keine weiteren Schritte gesetzt würden, um die Benennung eines Obmanns voranzutreiben. „Zwei übereinstimmende Gutachten“ liegen aber in Wahrheit gar nicht vor. Es steht vielmehr fest, dass die von der Ärztekammer bestellte ärztliche Vertreterin des Klägers (Dr. J*****) „ohne eigene Erstellung von Befund und Gutachten“ (lediglich) ihre Übereinstimmung mit dem vom Gutachter der Beklagten erstellten Gutachten „mitgeteilt“ hat. Eines der nach Art 15 Punkt 4 Satz 3 AUVB 2001 erforderlichen beiden „Gutachten“, die nach der zitierten Bestimmung die Grenzen für eine allfällige Entscheidung des Obmanns vorzugeben hätten, war hier somit gar nicht vorhanden.
Außerdem ist die Beklagte darauf zu verweisen, dass sie in ihrem Einspruch gegen den Zahlungsbefehl selbst (noch) den Standpunkt vertreten hat, es liege bereits eine (die Anspruchsablehnung rechtfertigende) Einschätzung der vom Kläger angerufenen Ärztekommission vor, die „inhaltlich richtig und für den Kläger sohin verbindlich“ sei (vgl dazu: § 184 Abs 1 VersVG; 7 Ob 184/06v), wobei nur „vorsorglich“ auch mangelnde Fälligkeit des Klagsanspruchs eingewendet wurde (ON 3).
Aus den dargelegten Gründen kann somit -auch unter Berücksichtigung des an die Annahme eines schlüssigen Verzichts auf das Sachverständigenverfahren anzulegenden strengen Maßstabs (RIS-Justiz RS0014570; 7 Ob 164/98p mwN) - nicht unterstellt werden, ein verständiger Versicherungsnehmer hätte angesichts des Schreibens vom 26. 6. 2007 irgendwelche Zweifel am Vorliegen eines solchen Verzichts haben müssen; mit der ausdrücklichen Erklärung, eine Fortsetzung des Schiedsgutachterverfahrens durch Benennung eines Obmanns (im Hinblick auf die bisherigen Verfahrensergebnisse) als „nicht mehr notwendig“ anzusehen und dabei festzuhalten, dass der Akt „nunmehr aus der Evidenz“ genommen werde, brachte nämlich auch der hier beklagte Versicherer eindeutig zum Ausdruck, dass bereits einer Klageführung entgegengesehen (und auf eine Weiterführung des eingeleiteten Sachverständigenverfahrens verzichtet) werde (vgl 7 Ob 197/05d).
Schon aufgrund dieser Fallgestaltung kommt dem Umstand, dass die Beklagte den Deckungsanspruch nicht qualifiziert nach § 12 Abs 3 VersVG abgelehnt hat, keine Bedeutung zu: Anders als in der Entscheidung 7 Ob 164/98p, auf die sich die Beklagte weiterhin beruft, hat ihr der Kläger hier aufgrund ihrer Anfrage nämlich ausdrücklich mitgeteilt, dass er die weitere Durchführung der Ärztekommission wünsche; aufgrund der zitierten Erklärungen in dem ihm daraufhin übermittelten Schreiben der Beklagten musste er daher davon ausgehen, dass sie auf allfällige weitere Veranlassungen im Sachverständigenverfahren (zwecks Obmannbestellung), also auf dessen Fortsetzung, verzichte.
Da sich die Vorinstanzen - ausgehend von einer anderen Rechtsansicht (schon im Hinblick auf die angeblich fehlende Fälligkeit des Klagsanspruchs) - mit der auch aus anderen Gründen bestrittenen Klagsforderung nicht weiter befasst und dazu keine Feststellungen getroffen haben, sind die Urteile beider Instanzen unter Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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