OGH 7Ob51/05h

OGH7Ob51/05h16.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth K*****, vertreten durch Dr. Peter Krassnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. Anton M*****, wegen EUR 4.290,80 sA über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 7. Dezember 2004, GZ 4 R 274/04t-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 28. Mai 2004, GZ 21 C 141/02i-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 549,65 (darin enthalten EUR 91,61 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Der beklagte Rechtsanwalt, der von der Klägerin zunächst als Treuhänder auf Rechnungslegung in Anspruch genommen wurde, zieht in seiner Revision nicht in Zweifel, dass er das im Revisionsverfahren allein noch strittige Leistungsbegehren auf Zahlung von EUR 4.290,80 sA im bisherigen Verfahren - wie das Berufungsgericht zutreffend festhält - nur unsubstatiiert bestritten hat; beruft er sich doch insoweit auch in der Revision (Seite 4 f) nicht auf sein eigenes Parteienvorbringen sondern auf die (in der angefochtenen Entscheidung als unrichtige Wiedergabe des Akteninhalts erkannten) Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 26. 11. 2001 (ON 6), wonach seinem Vorbringen in der Klagebeantwortung (angeblich) zu entnehmen sei, dass er zwar den Klagsbetrag als zu ihren Gunsten bestehendes Guthaben anerkenne, diesen Betrag allerdings mit Kosten kompensiere (AS 19). Im Verfahren erster Instanz hat der Beklagte diese Ausführungen aber bestritten (AS 29 und 80).

Erstmals in der Revision, also im Rahmen einer unzulässigen Neuerung (Kodek in Rechberger² § 504 ZPO Rz 3), stützt der Beklagte seine Einwendungen nunmehr (offensichtlich im Hinblick auf die vom Erstgericht - ohne diesbezügliches Vorbringen des Revisionswerbers - getroffene Feststellung einer mündlichen Vereinbarung der Parteien vom Dezember 1997, wonach ihm die Klägerin das gegenständliche [Zinsen-]Guthaben auf einem Treuhandkonto als finanzielle Abgeltung für die von ihm erbrachten Tätigkeiten überlassen habe) auf eine „solche kompensationsweise Aufrechnung" der Zinsen mit seinem Honoraranspruch (Seite 5 der Revision).

Im Revisionsverfahren ist daher nur noch strittig, ob die zit erstgerichtliche Feststellung als „überschießend" und durch die Einwendungen nicht gedeckt zu beurteilen ist, weil sich der Beklagte nie auf eine Kompensation dieses Betrages mit seinen Kosten berufen habe (so die angefochtene Entscheidung), oder ob es - wie er meint - nicht darauf ankomme, „wer welches Vorbringen erstatte", weil lediglich der Umstand relevant sei, ob (überhaupt) ein Vorbringen erstattet worden sei, das „zulässige" überschießende Feststellungen zulasse.

Der Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts wird damit begründet, es gebe keine einheitliche Judikatur des Obersten Gerichtshofes in der Frage, mit welchem Berufungsgrund und in welcher Art der Umstand mit einer Berufung aufgegriffen werden müsse, dass das Erstgericht überschießend, also über das Vorbringen hinausreichend Sachverhalte festgestellt habe, weil einzelne Senate des Obersten Gerichtshofes hier verschiedene Erfordernisse „aufgestellt" hätten. Mangels einheitlicher Judikaturlinie zur Problematik, „welchen Einstieg" eine Berufung für eine Wahrnehmbarkeit der „Sachverhaltsüberschreitung" in zweiter Instanz bieten müsse, sei eine Frage von allgemeiner Bedeutung.

Auch der Revisionswerber beruft sich zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels (ohne jedoch irgendwelche [aktuellen] Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu zitieren) auf eine „uneinheitliche und für den Rechtsanwender verwirrende" Rsp zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens bzw unrichtigen rechtlichen Beurteilung im Zusammenhang mit überschießenden Feststellungen des Gerichtes (Seite 2 und 4 der Revision).

Davon kann aber keine Rede sein.

Nach ständiger und einhelliger Rsp setzt die Berücksichtigung „überschießender Beweisergebnisse" bei der rechtlichen Beurteilung voraus, dass diese im Parteienvorbringen Deckung finden, sich also im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS-Justiz RS0036933 [T2, T5]; RS0037964 [T1 und T2]; RS0037972 [T1, T6, T7 und T9] und RS0040318 [vgl zum vorliegenden Fall insb T7]; zuletzt: 5 Ob 81/04d mwN; Rechberger in Fasching/Konecny² III Vor § 266 ZPO Rz 79).

Sogenannte „überschießende Feststellungen", die in den Prozessbehauptungen der Parteien keinerlei Deckung finden, sind hingegen bedeutungslos und unbeachtlich (RIS-Justiz RS0037972 [T6, T7, T9 und T14 = SZ 74/22 mwN]; zuletzt: 6 Ob 76/04a; in diesem Sinne wohl auch Rechberger [der aaO von „unerheblichen" Beweisergebnissen spricht] und Schragel in Fasching/Konecny² III § 178 ZPO Rz 6); werden sie dennoch der Entscheidung zugrunde gelegt, wird damit - wie der Oberste Gerichtshof auch zuletzt ausgesprochen hat - nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, sondern die Sache unrichtig rechtlich beurteilt, was auch ohne Verfahrensrüge wahrzunehmen ist (E v 19. 2. 2004, 6 Ob 145/03x; 6 Ob 244/02d; 4 Ob 102/02g = SZ 2002/72 mwN; 1 Ob 316/01d; 2 Ob 102/01s; 4 Ob 79/99t = SZ 72/78; 4 Ob 2338/96v = Öbl 1997, 172 = RIS-Justiz RS0036933 [T9] = RS0037972 [T11]).

Diese Grundsätze werden selbst in der Revision (Seite 6) als „teilweise herrschende" (!) Rechtsansicht bezeichnet. Angesichts der dargestellten aktuellen, bereits gefestigten Rechtsprechung, die auch das Berufungsgericht zutreffend wiedergegeben wird, können die von ihm zitierten, davon abweichenden früheren Entscheidungen MietSlg 48.626 (= 5 Ob 2090/96f) und Arb 11.182 (= 9 ObA 69/94) aber nur als überholt betrachtet werden (vgl insb das diesbezügliche Zitat in SZ 2002/72 und die ausdrückliche Ablehnung der aM in 2 Ob 102/01s).

Dass das Gericht zweiter Instanz auch ohne diesbezügliche Mängelrüge auf das Vorliegen überschießender Feststellungen eingegangen ist, entspricht demnach der stRsp; während die in der Revision angesprochene Frage, ob die überschießenden Feststellungen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen - wie bereits die Berufungsentscheidung festhält - eine Frage des Einzelfalls darstellt (RIS-Justiz RS0044273; RS0040318 [T3] mwN; RS0037972 [T15] mwN; 7 Ob 185/00g; 7 Ob 256/01z mwN; 2 Ob 163/02p; 3 Ob 130/04w). Demgemäß wäre in diesem Zusammenhang nur eine auffallende (und daher korrekturbedürftige) Fehlbeurteilung vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen (3 Ob 130/04w; 2 Ob 163/02p; 1 Ob 10/01d; 7 Ob 185/00g), die hier aber - zu Recht - nicht einmal behauptet wird. Eine nach § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage liegt also nicht vor.

Soweit sich der Beklagte aber (nunmehr) darauf beruft, er hätte (auch als „unvertretener Anwalt") vom Richter erster Instanz auf fehlendes Vorbringen aufmerksam gemacht werden müssen (vgl zur Frage, inwieweit das Gericht eine derartige Verpflichtung trifft: Rechberger aaO Vor § 266 ZPO Rz 80 und Schragel aaO § 178 ZPO Rz 6 bzw § 182a ZPO Rz 9), weist bereits das Berufungsgericht darauf hin, dass er diesen - wie die Revision (Seite 7) ihn selbst bezeichnet - "Verfahrensmangel des Erstgerichtes" (von diesem nicht ausreichend angeleitet worden zu sein) im Berufungsverfahren nicht gerügt hat, was in der Revision nicht nachzuholen ist. Da das Berufungsgericht den Verfahrensmangel erster Instanz mangels Geltendmachung gar nicht wahrnehmen durfte, kann er nicht mehr als Revisionsgrund geltend gemacht werden (Kodek in Rechberger² § 503 ZPO Rz 3 mwN). Der Beklagte rügt zwar Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens, die nicht vorliegen, nicht aber, dass es das Berufungsgericht unterlassen hat, ihn gem § 496 Abs 1 ZPO aufzufordern, zur „überschießenden Feststellung" Stellung zu nehmen.

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist daher auch aus diesem Grund nicht zu erkennen, weshalb das Rechtsmittel - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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