Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger wurde im Verfahren 27 Cg 19/93z (später 29 Cg 66/97g) des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom beklagten Rechtsanwalt rechtsfreundlich vertreten. Diesem Verfahren lag eine auf Pflichtteilsergänzung gerichtete Klage der Schwester des nunmehrigen Klägers gegen diesen (dort als Beklagter) zugrunde. Das angerufene Erstgericht gab dem Klagebegehren der Genannten zunächst ua mit S 1,408.098,21 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 945.377,79 ab. Anlässlich einer die Verfassung einer Berufung hiegegen betreffenden Besprechung in der Kanzlei des nunmehrigen Beklagten wurde das Urteil dem (nunmehrigen) Kläger (im Folgenden nur mehr Kläger) lediglich "sporadisch, nicht jedoch detailliert" erklärt und durchgegangen; obwohl der Kläger den Beklagten bei dieser Besprechung ausdrücklich beauftragte, das Urteil seinem gesamten Inhalt nach anzufechten, um "alle von seiner Schwester begehrten Ansprüche mit allen Mitteln abzuwehren", und der Beklagte dem Kläger auch nicht angeraten hatte, einen Betrag von S 192.323,50 oder einen sonstigen Betrag unbekämpft zu lassen, blieb in der in der Folge vom Beklagten erstatteten Berufung ein Teilbetrag von S 192.323,75 unangefochten und erwuchs somit in Teilrechtskraft, welchen Betrag der Kläger nach Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichtes samt Zinsen an den Rechtsanwalt der Gegenseite überwies. Im Übrigen wurde das bezeichnete Ersturteil vom Berufungsgericht (bestätigt durch den Obersten Gerichtshof zu 2 Ob 529/95) jedoch aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang wurde das verbleibende restliche Klagebegehren - bis auf einen Betrag von S 4.000 sA - abgewiesen, weil die dortige Klägerin bereits zu Lebzeiten der Erblasserin (Mutter der Streitteile dieses Verfahrens) mehr erhalten hatte, als ihr gemäß § 785 ABGB als Pflichtteils(ergänzungs)anspruch zustünde. Dieses Urteil wurde in der Folge vom Oberlandesgericht Wien bestätigt; eine außerordentliche Revision der dortigen Klägerin wurde vom Obersten Gerichtshof zu 2 Ob 306/99k zurückgewiesen.
Mit der nunmehrigen Klage begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 162.184,50 samt 4 % Zinsen seit 12. 8. 1989 und brachte hiezu - soweit entscheidungswesentlich - vor, dass dieser als sein damaliger Vertreter bei der Verfassung der Berufungsschrift im ersten Rechtsgang des Vorverfahrens die anzurechnenden Schenkungen nicht richtig berechnet habe und "keinesfalls ohne ausdrückliche Zustimmung des hiesigen Klägers den Zuspruch von S 192.323,75 samt zugehörigen Zinsen unbekämpft lassen hätte dürfen"; ohne diese Unterlassung wäre die Klage seiner Schwester auch hinsichtlich dieses genannten Betrages erfolglos geblieben. Gegen den Beklagten geltend gemacht würde freilich nur der Teil, der auf den in Wahrheit nicht bestehenden Pflichtteilsergänzungsanspruch entfalle.
Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren statt. Beide Vorinstanzen gingen - übereinstimmend - davon aus, dass der Beklagte einer ausdrücklichen Weisung seines Mandanten zuwidergehandelt habe, was ihm - zumal bei Bekämpfung auch des von dieser Weisung umfassten Betrages die Klage auch in diesem Umfang abgewiesen worden wäre - gemäß § 1299 ABGB als schadenersatzpflichtiges Verhalten anzulasten wäre.
Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus zunächst in seiner Entscheidung aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil "in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen nicht zu entscheiden waren." Über Antrag der beklagten Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO wurde dieser Ausspruch dahin abgeändert, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt wurde, weil den Ausführungen des Revisionswerbers "nicht von vorneherein jede Berechtigung abgesprochen werden kann", sodass die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO "vorzuliegen scheinen."
In der ordentlichen Revision des Beklagten wird unter Geltendmachung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung begehrt. Die klagende Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet.
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (5 Ob 127/99h) Ausspruch des Berufungsgerichtes, der darüber hinaus auch nur eine Scheinbegründung ohne konkrete und sachbezogene Stichhaltigkeitsprüfung im Sinne des § 508 Abs 3 ZPO enthält (vgl 1 Ob 8/99d; 1 Ob 183/99i; 2 Ob 205/00m), mangels Relevierung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Als "erheblich" werden vom Revisionswerber folgende zwei Fragen bezeichnet:
a) Wann sind Feststellungen des Gerichtes als "überschießend" anzusehen, und wie sind "überschießende" Feststellungen zu behandeln?
b) Ist der Rechtsanwalt befugt bzw verpflichtet, gegebenenfalls von einer ihm seitens des Mandanten erteilten Weisung abzugehen?
Zu a):
Rechtliche Beurteilung
Hiezu exisitert - entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers - eine bereits jahrzehntelange, einhellige und ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zusammengefasst in RIS-Justiz RS0037972 und 0040318; zuletzt 4 Ob 190/00w). Danach darf das Gericht die bei seiner Beweisaufnahme hervorgekommenen Umstände insoweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden; sog "überschießende" Feststellungen dürfen hingegen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten. Ob dies im Einzelfall zutrifft, hat grundsätzlich keine über den vorliegenden Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung (3 Ob 127/99v; 4 Ob 190/00w). Von einer auffallenden Fehlbeurteilung kann diesbezüglich auch keine Rede sein. Die letztendlich von den Vorinstanzen festgestellte (und zur Klagestattgebung führende) Pflichtenverletzung des Beklagten ist im Vorbringen des Klägers bereits in seinem Klageschriftsatz (unterlassene Berufungsanfechtung ohne [ausdrückliche] Zustimmung des Klägers über einen Zuspruchsbetrag von S 192.323,75 sA; falsche Berechnung des von der Anfechtung betroffenen Berufungsinteresses) ausreichend ausgeführt worden und durch dieses somit hinreichend gedeckt. Beide Vorwürfe haben sich im umfangreich durchgeführten Beweisverfahren erhärtet.
Zu b):
Hiezu übersieht (und übergeht) der Revisionswerber die entscheidungsrelevanten Feststellungen der Vor- als Tatsacheninstanzen, dass nämlich die Klägerin (Schwester) im Vorverfahren auch ohne Berücksichtigung der in diesem Verfahren erfolgten Zahlung des Beklagten über den unangefochten und damit rechtskräftig gewordenen Betrag von insgesamt S 192.323,50 mehr an auf ihren Pflichtteilsanspruch anzurechnenden Zuwendungen (von ihrer Mutter als Erblasserin) erhalten hatte, als ihr gemäß § 785 ABGB als Pflichtteils(ergänzungs)anspruch zugestanden wäre, woraus - zwingend - folgt, dass im Falle einer (entgegen der ausdrücklichen Weisung des nunmehrigen Klägers an den Beklagten als seinem damaligen Rechtsvertreter jedoch unterbliebenen) Anfechtung auch dieses Betrages derselbe ebenfalls der Abweisung verfallen und der nunmehr als Schaden geltend gemachte Betrag (dessen Höhe in der Revision ohnedies nicht bekämpft ist) vom Kläger abgewendet worden wäre. Damit ist die Haftung des Beklagten für seinen Beratungs- und Ausführungsfehler derart evident, dass sich - abgesehen von der auch hier typisch einzelfallabhängigen Kasuistik dieses Falles - von vorneherein keine erhebliche Rechtsfrage zu stellen vermag.
Der Beklagte hat damit aber gerade nicht alle zur Vermeidung eines Rechtsverlustes seines Mandanten erforderlichen Maßnahmen getroffen (9 Ob 327/97x). Dem Kläger ist damit der Beweis, dass ein Anwaltsfehler vorlag, ohne den er im Vorverfahren auch den irrig unbekämpft gebliebenen Betrag zur Abweisung gebracht, also auch insoweit gewonnen hätte (6 Ob 2345/96p), gelungen. Eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes kann hierin schon im Hinblick auf die Ergebnisse dieses (im Übrigen zweimal vom Obersten Gerichtshof einer Überprüfung unterzogenen) Vorverfahrens ebenfalls nicht erblickt werden.
Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Beklagten somit als unzulässig zurückzuweisen.
Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und dementsprechend auch nicht deren Zurückweisung beantragt. Er hat daher die Kosten der nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (RS0035962, 0035979; zuletzt 7 Ob 159/99d und 7 Ob 171/00y).
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