OGH 7Ob49/07t

OGH7Ob49/07t18.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried E*****, vertreten durch Dr. Dietmar Ritzberger und Ing. Dr. Erich Janovsky, Rechtsanwälte in Schwaz, und des Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers DI Gottfried O*****, vertreten durch Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwalt in Fügen, gegen die beklagte Partei Werner P*****, vertreten durch Dr. Anton Schiessling und andere Rechtsanwälte in Rattenberg, wegen Entfernung und Wiederherstellung (Streitwert EUR 6.000,--), über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. September 2006, GZ 2 R 203/06a-35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 28. Februar 2006, GZ 3 C 179/04i-31, infolge Berufung des Klägers abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Ergänzung der Revisionsbeantwortung des Nebenintervenienten wird zurückgewiesen.

Der Nebenintervenient hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter, im Grenzkataster eingetragener Grundstücke. Der Beklagte hat im Jahr 1993 an der Grenze anstelle eines Zaunes eine 20 cm breite Grenzmauer errichtet. Zufolge eines Irrtumes bezüglich des Grenzverlaufes nahmen die Streitteile an, dass sich die Mauer je zur Hälfte auf dem Grundstück des Beklagten und jenem des Klägers befinde, der dagegen nicht protestierte. Als sich auf Grund einer durch den Nebenintervenienten vorgenommenen Vermessung am 24. 3. 2003 herausstellte, dass die Grenzmauer zur Gänze auf dem Grundstück des Klägers errichtet worden war, verlangte dieser deren Entfernung. Er sei aber bereit, darauf zu verzichten, wenn der Beklagte dafür auf ein Gehrecht verzichte, das kurz zuvor Gegenstand eines Rechtsstreites zwischen den Parteien gewesen war. Da der Beklagte zu einem solchen Verzicht aber nur gegen Bezahlung von EUR 12.000,-- bereit war und deshalb keine Einigung zustande kam, erhob der Kläger Klage auf Beseitigung der Grenzmauer. Der Beklagte wendete, soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich, ein, der Kläger habe der Errichtung der Mauer zugestimmt. Sein Begehren, nach so vielen Jahren die - Kosten von zumindest EUR 10.000,-- verursachende - Entfernung der Mauer zu verlangen, sei schikanös.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (im zweiten Rechtsgang) ab. Da der Kläger gewusst habe, dass die Mauer zum Teil auf seinem Grundstück errichtet worden sei, habe er auf einen Beseitigungsanspruch verzichtet.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren hingegen statt. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes könne die auf einem Irrtum beruhende Auffassung des Klägers, die Mauer liege (nur) zur Hälfte auf seinem Grundstück, keinen Verzicht auf die Beseitigung der Mauer bedeuten. Der Beklagte habe durch den zur Gänze auf fremdem Grund erfolgten Bau der Mauer nicht Eigentum am in Anspruch genommenen Grund erworben, weil eine Grenzmauer nach ständiger Judikatur nicht als Gebäude im Sinne des § 418 ABGB zu bewerten sei. Rechtsgrundlage für die Klage sei § 523 ABGB. Der daraus hervorgehende Anspruch des Grundeigentümers auf Wiederherstellung des früheren Zustandes setze kein Verschulden des Störers voraus. Das Beseitigungsbegehren könnte nur mit Erfolg abgewehrt werden, wenn eine redliche Bauführung vorläge. Redlichkeit werde bereits durch leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Da die strittigen Grundstücke im Grenzkataster eingetragen seien, sei beiden Parteien eine Fahrlässigkeit gleichen Ausmaßes anzulasten, womit der Irrtum über den tatsächlichen Grenzverlauf der gleiche gewesen sei. Der Schikaneeinwand des Beklagten sei nach dem festgestellten Sachverhalt nicht tragfähig. Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Über Antrag des Beklagten nach § 508 ZPO änderte es diesen Ausspruch aber dahin ab, dass es die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO doch für zulässig erklärte. Es könne „nicht mit Überzeugung vorhersehen", ob die dritte Instanz in der Verneinung missbräuchlicher Rechtsausübung eine erhebliche Fehlbeurteilung erblicke.

Die Revision ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist Rechtsmissbrauch (Schikane) nicht nur dann anzunehmen, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt (9 ObA 144/05z;

1 Ob 134/06x je mwN; RIS-Justiz RS0026265). Der Schädigungszweck muss so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (SZ 63/49; SZ 68/47;

6 Ob 320/04h; RIS-Justiz RS0026271; Reischauer in Rummel ABGB2, § 1295 Rz 59 mwN). Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zu Gunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechtes handelt (4 Ob 233/02x, JBl 2003, 375; 6 Ob 320/04h; Reischauer, aaO Rz 59). Das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Rechtsmissbrauches hängt immer von den spezifischen Umständen des Einzelfalles ab (9 Ob 274/01m; 9 ObA 144/05z; 1 Ob 134/06x je mwN; RIS-Justiz RS0110900). Deren Würdigung wirft keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (1 Ob 134/06x mwN ua). In der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, der Schikaneeinwand des Beklagten sei nicht berechtigt, kann aber keine, mit den eben dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Vorliegens des Rechtsmissbrauches im Widerspruch stehende, unvertretbare rechtliche Beurteilung erkannt werden. Zwar ist auch das Eigentumsrecht durch das Verbot schikanöser Rechtsausübung beschränkt (9 Ob 35/01i; 9 Ob 32/02z; 1 Ob 134/06x je mwN). Grundsätzlich kann der Liegenschaftseigentümer auf Grund seines Eigentumsrechtes aber jederzeit die Räumung der Liegenschaft von jedem verlangen, der ihm gegenüber keinen Rechtstitel zu ihrer Inanspruchnahme hat. Dieses Recht ist in der natürlichen Freiheit des Eigentumes begründet. Seine Geltendmachung allein verstößt nicht gegen die guten Sitten (RIS-Justiz RS0026271).

Der Umstand, dass der Kläger in gleicher Weise wie der Beklagte über den wahren Grenzverlauf irrte und im Jahr 1993 bereit war, die Grenzmauer zur Hälfte auch auf seinem Grundstück errichten zu lassen, kann entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht dahin interpretiert werden, dass die tatsächliche Errichtung der Mauer zur Gänze auf dem Grundstück des Klägers von diesem hingenommen werden müsste. Dass dessen demnach grundsätzlich berechtigtes Begehren auf Beseitigung der Mauer ausschließlich durch den Wunsch motiviert gewesen wäre, den Beklagten dadurch zum Verzicht auf ein dem Kläger lästiges Gehrecht zu veranlassen, steht nicht fest. Vielmehr ist dem Kläger nach festgestellter Lage der Dinge doch auch das Motiv zuzubilligen, sein Eigentumsrecht gegenüber dem Beklagten durchsetzen zu wollen, der den betreffenden Grundstücksstreifen titellos in Anspruch nimmt. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen kann eine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung in der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass das Motiv der Durchsetzung des Eigentumsrechtes keineswegs so augenfällig im Hintergrund stünde, dass dem Schikanevorwurf Berechtigung zuerkannt werden müsste, nicht erblickt werden.

Da unter Anwendung der in ständiger Rechtsprechung vertretenen, dargestellten Grundsätze eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes nicht vorliegt, ist die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur steht jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind auch dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RIS-Justiz RS0041666). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach ständiger Rechtsprechung für weitere Rechtsmittelschriften und -gegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen (nur) dann, wenn diese am selben Tag wie der erste Schriftsatz bei Gericht einlangen (3 Ob 206/06z mwN, RIS-Justiz RS0036673 [T6], RS0041666 [T53] uva; Kodek in Rechberger3, vor § 461 ZPO Rz 12 mwN; Zechner in Fasching/Konecny2, § 505 ZPO Rz 11). Da die Ergänzung der Revisionsbeantwortung des Nebenintervenienten nicht noch am selben Tag wie die Revisionsbeantwortung beim Erstgericht eingelangt ist, muss sie zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf §§ 40 und 41 ZPO, jeweils iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat im Gegensatz zum Nebenintervenienten auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Während seine Revisionsbeantwortung daher der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente, ist dies hinsichtlich der Rechtsmittelbeantwortung des Nebenintervenienten nicht der Fall.

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