OGH 7Ob26/04f

OGH7Ob26/04f28.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Familienrechtssache des Antragstellers Johannes Albert Max S*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Josef Neier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin Waltraud Josefa B*****, geboren am *****, vertreten durch Kometer & Pechtl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG, über den "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 10. Oktober 2003, GZ 53 R 35/03s-10, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Imst vom 9. Juli 2003, GZ 3 C 38/03v-6, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 18. 4. 1984 geschlossene Ehe der Streitteile ist seit 7. 6. 2002 rechtskräftig geschieden. Die Antragsgegnerin kaufte am 2. 2. 1984 ein Grundstück, auf welchem die Ehewohnung errichtet wurde. Die Antragsgegnerin brachte im Jahr 1995 eine Scheidungsklage ein; das Verfahren ruht. Die Ehe ist zumindest seit 1996 (gemeint wohl 1995) zerrüttet. Im Jahr 1999 führten die Parteien zwei Besitzstörungsstreitigkeiten, die die Ehewohnung betrafen. In der Korrespondenz aus diesem Jahr erörterten die Parteien die Frage einer Ehescheidung und eines Scheidungsfolgenvergleiches. Der Antragsteller wollte sich jedoch nicht scheiden lassen. Unter Bezug auf ein Gespräch der Streitteile teilte der Rechtsvertreter des Antragstellers dem Rechtsvertreter der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller unverzüglich nach Zahlung von S 400.000 aus der Ehewohnung ausziehen und auf seine Benützungsrechte verzichten werde. Die Ehe bleibe weiterhin aufrecht und stimme die Antragsgegnerin zu, dass der Antragsteller andernorts künftig seinen Wohnsitz begründe. Der Anwalt der Antragsgegnerin teilte daraufhin dem Rechtsvertreter des Antragstellers mit, dass die Antragsgegnerin mit nachstehenden Zusätzen mit der Formulierung der Vereinbarung einverstanden sei:

"1. Frau Waltraud S***** bezahlt bis 15. 2. 2000 an Johannes S***** ... einen einmaligen Abfindungsbetrag von S 400.000 und erklärt Herr Johannes S***** gegen Bezahlung des vorgenannten Betrages

a) auf seine Benützungsrechte an der gemeinsamen ehelichen Wohnung

...,

b) auf jegliche Wertabfindung hinsichtlich des Liegenschaftsbesitzes seiner Ehegattin Waltraud Schobert an der Liegenschaft ..., samt allem Inventar

zu verzichten.

...

5. Herr Johannes S***** verzichtet auf jegliche Obsorge und Fürsorgeleistungen seiner Gattin, die sich aus dem aufrechten Bestand der Ehe ergeben könnten, also auch im Fall einer Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit. Den gleichen Verzicht leistet auch Frau Waltraud S*****."

Nach vom Antragsteller begehrten Änderungen, die hier nicht weiter von Bedeutung sind, unterfertigten die Parteien diese Vereinbarung. Die Antragsgegnerin bezahlte noch im Februar 2000 S 400.000 an den Antragsteller, der aus der Ehewohnung auszog. Über Klage des Antragstellers vom 14. 5. 2002 wurde die Ehe rechtskräftig geschieden, ohne dass die Streitteile nach Unterfertigung der vorhin zitierten Vereinbarung wieder zusammengelebt oder sich versöhnt hätten.

Der Antragsteller begehrt gemäß §§ 81 ff EheG die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens in der Weise, dass die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages von EUR 150.000 verpflichtet werde, da die anlässlich der Eheschließung erworbene Liegenschaft durch die Antragsgegnerin mit dem von den Parteien darauf errichteten Wohnhaus EUR 300.000 wert sei. Mit der Vereinbarung vom Jänner 2000 habe er lediglich auf sein Benützungsrecht an der ehelichen Wohnung verzichtet, nicht jedoch auf eine Wertabfindung. Die von der Antragsgegnerin behauptete Vereinbarung werde ausdrücklich bestritten. Sie sei auch wegen Täuschung, Irrtums und Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes rechtsunwirksam.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages unter Hinweis auf die zwischen den Parteien bereits nach vielen Jahren der Zerrüttung geschlossene schriftliche Vereinbarung. Die Parteien seien davon ausgegangen, dass sämtliche Ansprüche auf eine Vermögensaufteilung erledigt seien. Die Vereinbarung sei im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren und dem Auszug des Antragstellers aus der ehelichen Wohnung gestanden. Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Vereinbarung stehe im unmittelbaren Zusammenhang mit der später erfolgten Einleitung des Scheidungsverfahrens, da sie nicht durch irgendwelche Zwischenursachen, zB eine vorübergehende Versöhnung oder einen vorübergehenden Verzicht auf die Einbringung der Scheidungsklage, beseitigt worden sei. Die Vereinbarung der Parteien sei daher rechtswirksam, sodass die Aufteilungsansprüche des Antragstellers betreffend die Ehewohnung abgegolten seien. Eine Täuschung oder ein rechtlich bedeutsamer Irrtum des Antragstellers habe nicht vorgelegen, sodass vom objektiven Verständnis der schriftlichen Erklärungen auszugehen sei. Die Frage nach einer Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes sei im Aufteilungsverfahren nicht von Bedeutung, handle es sich doch um eine vergleichsweise Abrechnung mit Saldierung von Forderungen. Eine Verkürzung über die Hälfte liege auch nicht vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge, hob den angefochtenen Beschluss des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es vertrat die Rechtsansicht, dass zwischen der Vereinbarung und dem Scheidungsverfahren nicht der erforderliche Zusammenhang bestehe, da in der entsprechenden Vereinbarung festgehalten sei, dass die Ehe der Streitteile weiterhin aufrecht bleiben sollte. Auch wenn die Parteien eine Trennung im Sinne einer Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft vereinbart hätten, könne dennoch die Vereinbarung nicht als solche betrachtet werden, dass sie im Hinblick auf die Scheidung der Ehe geschlossen worden sei. Auch der zeitliche Zusammenhang sei wegen des zwischen Abschluss der Vereinbarung und Einbringen der Scheidungsklage liegenden Zeitraumes von mehr als zwei Jahren fraglich. Da die Vereinbarung sohin mangels der Voraussetzungen des § 97 Abs 2 EheG nicht wirksam sei, sei der Antragsteller berechtigt, die Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG zu begehren. Da diesbezüglich Feststellungen des Erstgerichtes fehlten, sei die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs - § 14b Abs 1 AußStrG) zulässig sei, weil es an gesicherter Rechtsprechung dazu fehle, ob auch bei einer bloßen Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Aufrechterhaltung der Ehe im Sinne des § 97 Abs 2 EheG ein Zusammenhang mit einem Verfahren auf Ehescheidung vorliege oder nicht und ob unter den vorliegenden Voraussetzungen ein vom Vereinbarungstext allenfalls abweichender Parteiwille zu berücksichtigen sei.

Dagegen richtet sich der "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der Antragsgegnerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller beteiligte sich am Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, er ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Der Gesetzgeber räumt der gütlichen Einigung der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung ein; der Außerstreitrichter hat daher nur dann und insoweit zu entscheiden, als eine Einigung nicht erfolgte (7 Ob 67/99z mwN, RIS-Justiz RS0046057). Auch Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, die schon vor der Einleitung eines Verfahrens auf Scheidung der Ehe zustandekommen, stehen mit einem solchen Verfahren im Zusammenhang (§ 97 Abs 2 EheG), wenn damit die Regelung der Scheidungsfolgen der §§ 81 ff EheG beabsichtigt waren (7 Ob 67/99z mwN, 6 Ob 37/03i, RIS-Justiz RS0057618). Bei der Beurteilung des Zusammenhanges nach § 97 Abs 2 EheG kommt es nicht auf die zeitliche Nähe, sondern nur auf den ursächlichen Zusammenhang an, nämlich auf die beim Abschluss der Vereinbarung vorhandene - wenn auch einseitige - Absicht, auf Scheidung zu klagen oder auf die beiderseitige Absicht, sich einvernehmlich scheiden zu lassen. Ab dem Entstehen dieser Absicht ist eine außergerichtliche und formlose Vereinbarung - durch die künftige richterliche Ehescheidung aufschiebend bedingt - wirksam, sofern nur zwischen dem Abschluss einer solchen Vereinbarung und dem später geltend gemachten Scheidungsgrund ein Zusammenhang besteht (RIS-Justiz RS0057710). Steht ein unmittelbarer Zusammenhang in diesem Sinn fest, ist es unerheblich, ob zwischen der Vereinbarung und der tatsächlichen Ehescheidung einige Monate vergehen oder ob die Scheidung letztlich aufgrund des Verhaltens des sich nun an die Vereinbarung nicht voll gebunden erachtetenden Vertragspartners nicht nach § 55a EheG, sondern nach § 49 EheG erfolgt (RIS-Justiz RS0057619). Dieser Zusammenhang ist auch nicht durch das Verstreichen mehrerer Jahre unterbrochen, wenn eine Scheidung nach § 55 Abs 3 EheG angestrebt werden muss (10 Ob 2402/96z, 7 Ob 67/99z, 9 Ob 234/00b, 2 Ob 111/01i). Voraussetzung ist primär, dass die Eheleute nach Vertragsabschluss die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr ernsthaft anstreben (7 Ob 47/99h).

Im vorliegenden Fall übergeht das Rekursgericht, dass nach den Feststellungen des Erstgerichtes die Ehe jedenfalls bereits seit 1996 (gemeint wohl 1995) zerrüttet war, die Antragsgegnerin sogar eine Ehescheidungsklage eingebracht hatte und im Jänner 2000 der endgültige Auszug eines Ehegatten geregelt wurde, ohne dass es irgendeinen Anhaltspunkt dafür gab, dass die eheliche Gemeinschaft zu irgendeinem Zeitpunkt wieder aufgenommen werden sollte. Im Hinblick auf den Willen des Antragstellers, die Ehe aufrecht zu erhalten, war im Zeitpunkt der Vereinbarung eine mehrere Jahre währende Wartezeit bis zu einer tatsächlichen Scheidung allenfalls im Sinne des § 55 Abs 3 EheG abzusehen. Zu keinem Zeitpunkt kam es nach Abschluss der Vereinbarung zu Vorfällen, die diesen Sachzusammenhang gelöst hätten, wie etwa eine vorübergehende Versöhnung der Eheleute oder die Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft. Auch der Text der Vereinbarung, insbesondere Punkt 1a und b zielen eindeutig und unmissverständlich auf die Aufgabe der Benützungsrechte des Antragstellers an der Ehewohnung und auf die Wertabfindung hinsichtlich des Liegenschaftsbesitzes der Ehegattin, also einer Regelung der Vermögenssituation zwischen den Parteien wohl eindeutig im Hinblick auf eine Scheidung, ab (welchen anderen Grund hätte die Vereinbarung hier sonst haben können), mag auch die Ehe der Streitteile vorerst formell infolge der Weigerung des Antragstellers zur Ehescheidung vorerst aufrecht geblieben sein (vgl dazu nochmals 10 Ob 2402/96z, 7 Ob 67/99z, 9 Ob 234/00b, 2 Ob 111/01i). Es ist daher, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, der erforderliche Zusammenhang im Sinne des § 97 Abs 2 EheG gegeben.

Auch zur Frage der Relevanz von Willensmängeln hat der Oberste Gerichtshof bereits Stellung genommen:

Die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse unterliegt den allgemeinen Gültigkeitserfordernissen schuldrechtlicher Verträge (7 Ob 67/99z, 7 Ob 49/99h). Ob dem Antragsteller allenfalls ein rechtsgeschäftlich relevanter Irrtum unterlaufen ist oder er beim Abschluss über einen Umstand getäuscht worden ist, ist daher vor Entscheidung über den Antrag zu klären. Das Rekursgericht hat aber die Beweisrüge zu diesen Fragen aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht unerledigt gelassen. Es konnte daher nicht der erstinstanzliche Beschluss wiederhergestellt werden, sondern musste dem Berufungsgericht vorerst die Erledigung der Beweisrüge auch in diesem Punkt und die neuerliche Entscheidung aufgetragen werden.

Die Kostenentscheidung war vorzubehalten, weil die für eine Kostenentscheidung gemäß § 234 AußStrG maßgebliche Billigkeitserwägung erst nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache anstellen lässt.

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