OGH 7Ob251/10b

OGH7Ob251/10b29.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** S*****, vertreten durch Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W***** Versicherung AG *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2010, GZ 5 R 161/09x-27, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 2. September 2009, GZ 27 Cg 189/06h-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der Punkte 1 und 5 des Ersturteils abgeändert, im Übrigen (hinsichtlich der Punkte 2, 3 und 4 des Ersturteils) bestätigt. Im abgeänderten Teil hat es zu lauten:

Es wird mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, dass die bei der beklagten Partei abgeschlossene Lebensversicherung mit der Polizze Nr *****, deren Versicherungsnehmerin die klagende Partei ist, weiter aufrecht besteht und die erfolgte Aufkündigung per 31. 7. 2006 rechtsunwirksam ist.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.385,50 EUR bestimmten anteiligen Pauschalgebühren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien schlossen mit Laufzeit beginnend mit 1. 8. 2005 einen fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag mit dem Produktnamen „U*****“ (U*****) ab. Der Kläger leistete die bedungene Prämie in Form einer Einmalzahlung von 10.000 EUR. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der fondsgebundenen Lebensversicherung mit unbestimmter Vertragslaufzeit (F*****-flexibel; in der Folge: AVB) zugrunde. Sie lauten auszugsweise:

„§ 1. Was bietet Ihnen die fondsgebundene Lebensversicherung?

(1) Sie ist eine auf unbestimmte Zeit abgeschlossene fondsgebundene Lebensversicherung gegen Einmalerlag oder laufende Prämienzahlung über eine im Vorhinein festgelegte Prämienzahlungsdauer und bietet Zuzahlungsmöglichkeiten und eine Versicherungsleistung im Ablebensfall. Fondsgebunden bedeutet, dass die Veranlagung in den von Ihnen gewählten Investmentfonds in Form von Fondsanteilen erfolgt; diese bilden die Deckungsrückstellung Ihres Vertrages. Kurssteigerungen führen zu Wertzuwächsen, Kursrückgänge zu Wertminderungen. Ertragsausschüttungen veranlagen wir in Fondsanteilen und erhöhen dadurch die Deckungsrückstellung Ihres Vertrages.

§ 2. Was ist bei der Antragstellung zu beachten?

(3) Vertragsgrundlage sind die Polizze, der vereinbarte Tarif und die Versicherungsbedingungen. Soweit nichts Abweichendes vereinbart ist, gilt österreichisches Recht, insbesondere das Versicherungsvertragsgesetz.

§ 4. Wie verwenden wir Ihre Prämie?

(1) Die Prämie enthält bereits die Versicherungssteuer, die wir an das Bundesministerium für Finanzen abführen müssen. 99 % der uns verbleibenden Prämie führen wir den von Ihnen gewählten Investmentfonds zu, indem wir Fondsanteile kaufen. …

(2) Alle sonstigen Kosten und die zur Deckung des Ablebensrisikos bestimmten Risikoprämien entnehmen wir der Deckungsrückstellung. Die Höhe der Risikoprämie richtet sich nach dem Tarif und dem Alter des Versicherten. … Bei erhöhtem Risiko können Zusatzprämien oder besondere Bedingungen vereinbart werden.

§ 6. Was geschieht, wenn Sie eine Prämie nicht rechtzeitig zahlen?

(2) Wenn Sie eine Folgeprämie nicht rechtzeitig bezahlen, so erhalten Sie eine schriftliche Mahnung. Bezahlen Sie den Rückstand nicht innerhalb der in der Mahnung gesetzten Frist von zwei Wochen, können wir den Vertrag zum Ablauf der Frist kündigen.

§ 8. Können Sie die Ihrem Vertrag zugrundeliegende Veranlagungsstrategie (= Fondsauswahl) ändern?

(1) Sie können uns beauftragen, die von Ihnen gewählten Fondsanteile zu veräußern, um andere Fondsanteile zu erwerben. Wir werden dann an dem Börsetag, der dem Einlangen Ihres Änderungswunsches in unserer zentralen Verwaltung in W***** folgt (Bewertungsstichtag), den Geldwert der Deckungsrückstellung ermitteln und diesen den von Ihnen neu gewählten Investmentfonds zuführen, indem wir zu den jeweils geltenden Kurswerten Fondsanteile erwerben. Für diese Transaktion zum vorgenannten Bewertungsstichtag gelten jeweils jene unseren Richtlinien entsprechenden Kurse, die uns von unserem Kursdatenanbieter zur Verfügung gestellt werden.

(2) Den Geldwert der Deckungsrückstellung ermitteln wir durch Multiplikation der Anzahl der Fondsanteile mit dem am Bewertungsstichtag gültigen Rücknahmepreis eines Fondsanteiles. Wir behalten uns jedoch vor, den Geldwert der Deckungsrückstellung erst nach tatsächlicher Veräußerung der Fondsanteile zu ermitteln. Diese Veräußerungen führen wir unter Wahrung der Interessen aller unserer Versicherungsnehmer unverzüglich durch. In diesem Fall finden die Bestimmungen über den Bewertungsstichtag für die Berechnung des Geldwertes der Deckungsrückstellung keine Anwendung.

§ 9. Wann können Sie Kapital entnehmen bzw den Versicherungsvertrag zur vollständigen Kapitalentnahme kündigen?

(2) Sie können Ihren Vertrag auch schriftlich kündigen und das Kapital vollständig entnehmen:

- jederzeit auf den Schluss des laufenden Versicherungsjahres

- innerhalb eines Versicherungsjahres auf den Monatsschluss, frühestens jedoch auf den Schluss des ersten Versicherungsjahres.

Damit tritt die Fälligkeit der Versicherungsleistung ein.

(3) Bei Kündigung und vollständiger Kapitalentnahme zahlen wir den Geldwert der Deckungsrückstellung abzüglich noch nicht amortisierter Vertragserrichtungskosten. Für die letzte Versicherungsperiode verrechnen wir pauschal 1 % für Verwaltungskosten und Risikoprämie.

§ 17. In welcher Form ist die Versicherungsleistung zu erbringen?

(1) Verträge gegen Einmalprämie:

Im Ablebensfall besteht unsere Leistung aus dem Geldwert der Deckungsrückstellung und der Mindestrisikosumme, zumindest jedoch in Höhe der eingezahlten Prämien inklusive Versicherungssteuer abzüglich bereits erfolgter Kapitalentnahmen (Kapitalgarantie).

§ 23. Welche Gebühren werden wir berechnen?

Wir werden … verlangen.

Dies sind insbesondere … eine Geschäftsgebühr bei … Wechsel der Investmentfonds oder deren Aufteilung, …“

Kündigungsmöglichkeiten der Beklagten werden außer im § 6 Abs 2 AVB nicht genannt. Mit den AVB wurde dem Kläger die Polizze übermittelt, die eingangs folgenden Hinweis enthält:

„… Ihre fondsgebundene Lebensversicherung ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. ...“

Mit Schreiben vom 21. 4. 2006 kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag per 31. 7. 2006, wobei sie auf ihr „gesetzliches Kündigungsrecht“ hinwies. Hintergrund der Kündigung war die nach Meinung der Beklagten exzessive Inanspruchnahme des vertraglich zugesicherten unentgeltlichen Rechts des Versicherungsnehmers, die einzelnen Fonds mit einer Zeitverzögerung von t + 1 zu switchen (wechseln). Die Beklagte kündigte auch an, für die gesamte Versicherungsdauer bis zum Ablauf des Vertrags mit 31. 7. 2006 nur noch eine Abrechnung auf der Basis t + 4 durchzuführen und Zuzahlungen präventiv zurückzuweisen.

Der Kläger begehrte mit der am 24. 7. 2006 eingebrachten Klage zunächst die Feststellung, dass der Lebensversicherungsvertrag weiter aufrecht bestehe und die Kündigung per 31. 7. 2006 rechtsunwirksam sei (Punkt 1 des Ersturteils). Die Beklagte bewerbe diese Form der Lebensversicherung als eine Kombination von Lebensversicherung und Veranlagung in Investmentfonds. Für den Ablebensfall sei die Auszahlung des gesamten Fondsguthabens vereinbart und jedenfalls die Auszahlung des ursprünglich investierten Kapitals garantiert worden. Nach den Versicherungsbedingungen dürfe der Kläger die Anlagestrategie frei wählen, insbesondere zwischen einzelnen Fonds switchen, und damit das Aufteilungsverhältnis der der Deckungsrückstellung des Vertrags zugrundeliegenden Investmentfonds ändern. Der Kläger habe bei Antragstellung angegeben, über Wertpapierkenntnisse zu verfügen, als Anlagestrategie die Chance auf hohe Rendite bei entsprechender Risikobereitschaft zu verfolgen und sich einen Veranlagungszeitraum über 15 Jahre zum Ziel gesetzt zu haben. Die Beklagte habe sich insbesondere in § 8 AVB verpflichtet, das Switchen auf Basis des bei Auftragserteilung folgenden Börsetags durchzuführen (t + 1 Abrechnung). Der Kläger habe von diesem vertraglichen Recht auch mehrmals Gebrauch gemacht. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 21. 4. 2006 die Kündigung des Versicherungsvertrags ausgesprochen. Der Kläger habe der gesetzlich nicht vorgesehenen und mangels Vereinbarung eines vertraglichen Kündigungsrechts unwirksamen Kündigung widersprochen. Der Vertrag sei nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen, sondern habe einen Endtermin, nämlich den Ablebensfall. Der Kläger sei im Hinblick auf das angegebene Veranlagungsziel von einer Mindestdauer von jedenfalls mehr als 15 Jahren ausgegangen. Über eine allfällige frühere Kündigungsmöglichkeit sei er nicht aufgeklärt worden. § 8 Abs 2 VersVG gelange wegen der Sonderbestimmungen der §§ 159 ff VersVG für die Lebensversicherungen nicht zur Anwendung. Würde man dem Versicherer ein Kündigungsrecht zugestehen, so könnte sich dieser jeweils vor Eintritt des Versicherungsfalls der Leistungspflicht aus dem Vertrag entziehen. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass weiterhin Versicherungsschutz bestehe.

Mit Schriftsatz vom 24. 7. 2006 dehnte der Kläger sein Begehren um die Feststellung aus, die Beklagte sei verpflichtet, für die gesamte Dauer des Lebensversicherungsvertrags des Klägers für sämtliche Switchaufträge am Börsetag, der dem Einlangen des Switchauftrags folge (Bewertungsstichtag entspricht t + 1), den Geldwert der Deckungsrückstellung zu ermitteln und diesen dem von ihm neu gewählten Investmentfonds zuzuführen (Punkt 2 des Ersturteils). In eventu werde die Feststellung der Unwirksamkeit des § 8 Abs 2 AVB, wonach die Beklagte sich vorbehalte, den Geldwert der Deckungsrückstellung erst nach tatsächlicher Veräußerung der Fondsanteile zu ermitteln, begehrt (Punkt 3 des Ersturteils). § 8 Abs 2 AVB verstoße gegen das Intransparenzverbot des § 6 Abs 3 KSchG, weil § 8 Abs 1 AVB eine Leistung zusichere, die nicht willkürlich durch § 8 Abs 2 AVB aufgehoben werden könne.

In der Folge beantragte der Kläger für den Fall der Abweisung des Begehrens auf Unwirksamerklärung der Aufkündigung die Bezahlung von 2.544,96 EUR sA. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens schlossen die Streitteile einen Teilvergleich, mit welchem sich die Beklagte zur Zahlung von 1.300 EUR verpflichtete.

Mit Schriftsatz vom 4. 3. 2009 stellte der Kläger zum zweiten (Haupt-)Feststellungsbegehren das weitere Eventualbegehren, die Beklagte sei verpflichtet, während der gesamten Dauer des Versicherungsvertrags für sämtliche Switchaufträge nach der Berechnungsmethode t + 1 den Geldwert der Deckungsrückstellung zu ermitteln und diesen dem neu gewählten Investmentfonds zuzuführen, sofern nach Auftragserteilung keine „unverzügliche Veräußerung des beauftragten Wechsels“ der Fondsanteile erfolge und hierüber Rechnung gelegt werde (Punkt 4 des Ersturteils). Dieses Eventualbegehren gründe sich auf § 8 AVB.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung unter Hinweis darauf, dass der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag nach § 8 Abs 2 VersVG, dessen Anwendung auf Lebensversicherungsverträge durch den Gesetzgeber nicht ausgeschlossen sei, durch ordentliche Kündigung von jedem Vertragspartner zum Schluss der Versicherungsperiode beendet werden könne. Die vom Kläger geleistete Einmalzahlung ändere nichts am Charakter des Vertrags als Dauerschuldverhältnis. § 8 Abs 2 VersVG werde nicht durch die Sonderbestimmungen für die Lebensversicherung verdrängt, zumal sich dort keine Bestimmung über die Kündigung von Verträgen auf unbestimmte Zeit finde. Eine systematische Interpretation gelange dazu, die Zulässigkeit der ordentlichen Kündigung anzunehmen, weil der Gesetzgeber bei der VersVG-Novelle 1994 eine Kündigungsbeschränkung in der Lebensversicherung analog des für die Krankenversicherung geltenden § 178i Abs 2 VersVG nicht eingeführt habe. Der Ablebensschutz stelle bloß eine Nebenleistung des Vertrags dar und spiele bei der fondsgebundenen Lebensversicherung nur eine untergeordnete Rolle. Die Beklagte erfülle auch ohne Eintritt des Versicherungsfalls ihre Leistung aus dem Versicherungsverhältnis durch die laufende Risikoübernahme. Im Ablebensfall erhalte der Kläger das aktuelle Fondsguthaben zuzüglich einer Mindestrisikosumme in Höhe von 5 % der eingezahlten Prämie. Zusätzlich greife die Kapitalgarantie im Fall, dass der ermittelte Auszahlungsbetrag unter die Summe der eingezahlten Prämien liege. Die Beklagte habe im Kündigungsfall die vereinbarte Erlebensleistung, nämlich das Deckungskapital in Form des veranlagten Guthabens, an den Kläger auszuzahlen. Sie könne sich durch die Kündigung ihrer Leistungspflicht nicht entziehen. Dem Kläger könne durch die ordentliche Kündigung kein Nachteil entstehen, zumal die Beklagte vom Auszahlungsbetrag auch keine Abschlusskosten abziehen werde. Die Risikoprämie in der fondsgebundenen Lebensversicherung werde im Gegensatz zur klassischen Lebensversicherung jährlich anhand des jeweiligen Alters und der Sterbewahrscheinlichkeit des Versicherungsnehmers neu berechnet und am Ende des Versicherungsjahres von der Deckungsrückstellung entnommen. Das zunehmende Alter des Versicherungsnehmers werde daher bei der jährlichen Risikoprämienberechnung berücksichtigt. Der Kläger könne jederzeit wieder einen Ablebensschutz zu denselben Konditionen (oder aufgrund der zwischenzeitigen Änderung der Sterbetafel sogar zu günstigeren) erhalten.

Die Beklagte sei auch zur vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt. Sei nämlich der Standpunkt des Klägers, er könne auf einer Abrechnung t + 1 beharren, richtig, so erleide die Beklagte aufgrund seines Verhaltens zwangsläufig Verluste, ohne diese abwenden zu können und ohne dafür ein Entgelt zu erhalten. Dadurch verwirkliche der Kläger einen die Vertragsauflösung rechtfertigenden wichtigen Grund. Bei der vom Kläger gewählten fondsgebundenen Lebensversicherung werde der weit überwiegende Teil der Prämie rechnerisch in Investmentfonds veranlagt. Die Beklagte führe zwar die Abrechnung grundsätzlich am nächsten Börsetag durch, sei aber auch berechtigt, diese erst nach der tatsächlichen Veräußerung vorzunehmen. Die Beklagte solle durch die An- und Verkäufe weder Gewinne noch Verluste erzielen, sondern diese lediglich 1 : 1 an den Versicherungsnehmer weiterreichen. Die Notwendigkeit dieser Regelung ergebe sich daraus, dass manche Investmentfonds nicht am nächsten Börsetag gekauft/verkauft werden könnten. Ohne die Möglichkeit der Abrechnung nach tatsächlicher Veräußerung/Anschaffung würde die Beklagte Kursgewinne oder Kursverluste aus der Zeitverschiebung ziehen. Die Beklagte habe sich deshalb in § 8 Abs 2 AVB die Ermittlung des Geldwerts nach vom Versicherungsnehmer beauftragten Switches erst nach der tatsächlichen Veräußerung vorbehalten, was sachlich angemessen und transparent geregelt sei. Der Kläger könne daher nicht auf der - ihm niemals zugesagten - t + 1 Abrechnung bestehen. Das Motiv des Klägers, auf dieser t + 1 Abrechnung zu beharren, liege im Versuch einer sittenwidrigen Schädigung der Beklagten und damit der Gemeinschaft der Versicherten. Die von ihm bevollmächtigte F***** GmbH (im Folgenden F*****) habe offenbar ein System entwickelt, welches verbunden mit einer t + 1 Abrechnung dem Kläger zu risikolosen Gewinnen und der Beklagten zu ebenso sicheren Schäden verhelfe. Auf Grund der Gesetzmäßigkeiten der Kursbildung von Dachfonds könne bei Kenntnis von deren Zusammensetzung und der Kursentwicklung der in den Fonds enthaltenen Wertpapiere die Kursentwicklung der Dachfonds für die Zukunft mit Sicherheit vorhergesagt werden. Die Entwicklung des Portfeuilles des Klägers im Zeitraum ab 27. 12. 2005 habe gezeigt, dass dieser die zeitlich verzögerte Kursbildung der Dachfonds auszunützen versuche.

Das Erstgericht wies das erste Feststellungsbegehren ab und alle anderen Begehren zurück. Der Versicherungsvertrag sehe keine zeitliche Begrenzung vor und werde sowohl in der Polizze als auch in den AVB als „auf unbestimmte Zeit abgeschlossen“ bezeichnet. Der Begriff „unbestimmte Dauer“ definiere, wie in anderen Rechtsbereichen auch, lediglich das Fehlen der Möglichkeit, den Endzeitpunkt, also den Ablauf der Versicherung, zu bestimmen, wie dies einer Ablebensversicherung inherent sei. Dass es sich um sogenannte „Zeitversicherungen“ handle, schade nicht, weil sie trotzdem als solche mit unbestimmter Dauer angesehen würden. § 8 VersVG beziehe sich ausdrücklich auf alle Versicherungsverhältnisse, welche auf unbestimmte Dauer abgeschlossen würden. Dass der Versicherer in § 165 VersVG nicht erwähnt wurde, schließe dessen ordentliches Kündigungsrecht nicht aus, weil es dem Gesetzgeber bei entsprechender Intention freigestanden wäre, einen entsprechenden Ausschluss zu normieren, wie er dies für die Krankenversicherung in § 178i VersVG getan habe. Ein ordentliches Kündigungsrecht der Beklagten werde in den AVB zwar nicht geregelt. In deren § 2 Abs 3 werde jedoch ausdrücklich auf die Geltung des Versicherungsvertragsrechts hingewiesen, sodass die AVB der gesetzlichen Bestimmung des § 8 VersVG nicht entgegenstünden. Für den Ablebensfall bestünden keine besonderen Begünstigungen. Die vom Kläger zur teleologischen Reduktion aufgeworfenen Argumente könnten allenfalls auf die klassische Ablebensversicherung zutreffen, nicht jedoch auf eine fondsgebundene. Das Zahlungsbegehren sei durch den Teilvergleich einer endgültigen Erledigung zugeführt worden. Für das zweite Feststellungsbegehren und die Eventualbegehren fehle das rechtliche Interesse, da sich diese auf zukünftige Abrechnungsverpflichtungen der Beklagten bezögen.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil mit der Maßgabe, dass das zweite Feststellungsbegehren und die Eventualbegehren abgewiesen statt zurückgewiesen werden. Es verwies in seiner Begründung auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu 1 R 115/07z. Die Frage eines ordentlichen Kündigungsrechts stelle sich nur bei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Verträgen. Der von den Streitteilen abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag sei ein solcher Vertrag. Auch Gesellschaften auf Lebenszeit des Gesellschafters würden nicht als befristet angesehen. § 8 Abs 2 VersVG schließe seinem Wortlaut nach Lebensversicherungsverträge nicht aus. Nur daraus, dass in § 165 VersVG ein Kündigungsrecht des Versicherers nicht erwähnt wurde, könne nicht geschlossen werden, dass diesem ein solches nicht zustehe. Hätte der Gesetzgeber ein solches Kündigungsrecht ausschließen wollen, hätte er dies ähnlich wie bei den Krankenversicherungen in § 178i Abs 2 VersVG geregelt. Eine Unkündbarkeit auf Grund der Auslegung des Vertrags ergebe sich ebenfalls nicht. Die von der Literatur und dem Kläger ins Treffen geführten Überlegungen mögen für die klassische Lebensversicherung zutreffen und deren Unkündbarkeit als stillschweigend vereinbart erscheinen lassen, bei der fondsgebundenen Lebensversicherung stehe aber der Anlagezweck gegenüber dem Versicherungszweck stark im Vordergrund. Es werde keine besondere Begünstigung im Ablebensfall eingeräumt. Es würden nur Nachteile ausgeglichen, die sich aus einem sehr frühzeitigen Tod oder bei sehr ungünstiger Entwicklung der Veranlagung ergäben. Die Risikoprämie, die jährlich im Nachhinein berechnet werde, spiele eine untergeordnete Rolle (0,03 % des Deckungsfonds). Bei der klassischen Lebensversicherung stelle sich die Frage der ordentlichen Kündigung nach § 8 Abs 2 VersVG nicht, weil es sich um Verträge auf bestimmte Zeit handle. Umso weniger könne es verwundern, dass der Gesetzgeber das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers in § 165 VersVG unerwähnt gelassen habe. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung hingegen werde eine Leistung in unbestimmter Höhe entsprechend der Wertentwicklung eines aus Wertpapieren bestehenden Anlagestocks vereinbart. Die für die klassische Lebensversicherung herangezogenen Argumente (wie Hinterbliebenenversorgung, schwierige neuerliche Versicherbarkeit) träfen auf die fondsgebundene Lebensversicherung auf Grund des eindeutig im Vordergrund stehenden Ansparcharakters des Vertrags nicht annähernd im gleichen Maß zu. Dem Versicherungsnehmer stehe bei Abschluss des Vertrags die Wahl frei, sich für ein klassisches Versicherungsprodukt oder für ein einem Finanzprodukt angenähertes Ansparmodell zu entscheiden, sodass nicht im Nachhinein andere Interessen des Versicherungsnehmers als schützenswert angesehen werden dürften als diejenigen, die nach Sinn und Zweck des Vertrags bei Vertragsabschluss offen gelegen seien. § 8 Abs 2 VersVG sei auch anwendbar, wenn der Kläger diesen nicht gekannt habe. Die Darstellung der Gesetzeslage in jedem einzelnen Punkt überspanne die Aufklärungspflicht des Versicherers, zumal der Versicherungsnehmer ohne Weiteres in der Lage sei, sich über die geltenden Bestimmungen zu informieren. Auf Grund der Beendigung des Vertrags infolge Wirksamkeit der Kündigung mit 31. 7. 2007 bestehe für das zweite Feststellungsbegehren und die Eventualbegehren mangels Weiterbestehens des Vertrags in der Zukunft kein rechtliches Interesse. Die Begehren seien deshalb aber nicht zurückzuweisen, sondern mit Urteil abzuweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zur Frage, ob der Versicherer bei fondsgebundenen Lebensversicherungen ein ordentliches Kündigungsrecht habe, oberstgerichtliche Judikatur fehle.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.

Bei der Todfalls- oder Ablebensversicherung tritt die Leistungspflicht des Versicherers ein, wenn der Versicherte stirbt. Bei der Erlebensfallversicherung besteht die Leistungspflicht des Versicherers, sofern der Versicherungsnehmer einen bestimmten Zeitpunkt erlebt. Meist sind die Lebensversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall kombiniert. Die Parteien vereinbaren bei der klassischen Lebensversicherung, dass die Zahlung des Versicherers fällig wird, wenn die versicherte Person den vereinbarten Ablauftermin erlebt oder vor diesem Termin stirbt. Die wirtschaftliche Bedeutung liegt einerseits in der Risikovorsorge und andererseits in der Kapitalbildung. Die fondsgebundene Lebensversicherung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Leistung des Versicherers überwiegend nach der Entwicklung eines Investmentfonds oder eines aus Wertpapieren bestehenden Anlagestocks richtet. Der Versicherungsnehmer trägt das bei Wertpapieren immanente Risiko des Wertverlusts, hat aber auch die Chance auf eine positive Wertentwicklung des Anlagestocks. Er erhält damit nicht (zumindest nicht überwiegend) eine der Höhe nach garantierte, sondern eine kurs- und kapitalmarktabhängige Leistung. Die Höhe wird durch den Wert der auf die Versicherung entfallenden Anteileinheiten des Anlagestocks zu einem in den Versicherungsbedingungen festgelegten Zeitpunkt errechnet. Je nach Vertragsgestaltung hat der Versicherungsnehmer die Wahl zwischen unterschiedlichen Fonds oder der Aufteilung der sogenannten Anlageprämie auf mehrere Fonds (Prämiensplitting). Eine Übertragung des Fondsguthabens auf andere Fonds oder Änderung des Prämiensplittings ist regelmäßig möglich. Abweichend von sonstigen Wertpapiergeschäften wird bei der fondsgebundenen Lebensversicherung dem Versicherungsnehmer eine Mindestleistung für den Todesfall garantiert (vgl zu den Erscheinungsformen der Lebensversicherungen Brömmelmeyer in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch2, § 42 Rn 3 ff; Krause in Looschelders/Pohlmann, VVG, Vor §§ 150 bis 171 Rn 4 ff; Teslau/Prang in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht4 § 14 Rn 6 ff). Die Versicherungsaufsicht in Österreich fordert von den Versicherern, dass für den Ablebensfall ein Mindestrisiko von 5 % der Deckungsrückstellung zu tragen ist (Krejci, Zur Kündbarkeit fondsgebundener Lebensversicherungen, in VersRdSch 2011, 20).

Die Rechtsfrage, ob ein einer fondsgebundenen Lebensversicherung zugrundeliegender Vertrag, der als „auf unbestimmte Zeit abgeschlossen“ bezeichnet wird, als ein Vertrag auf bestimmte oder unbestimmte Dauer zu beurteilen ist, ist hier deshalb von Bedeutung, weil das Kündigungsrecht des Versicherers nach § 8 Abs 2 VersVG nur bei einem Vertrag mit unbestimmter Dauer in Betracht kommen könnte. Nach § 8 Abs 2 VersVG kann in dem Fall, dass ein Versicherungsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen (dauernde Versicherung) ist, dieses von beiden Teilen nur für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode gekündigt werden. Die Kündigungsfrist muss für beide Teile gleich sein und darf nicht weniger als einen Monat und nicht mehr als drei Monate betragen. Auf das Kündigungsrecht können die Parteien einverständlich bis zur Dauer von zwei Jahren verzichten.

Die vorliegende fondsgebundene Lebensversicherung wurde gegen Einmalerlag abgeschlossen. In der Polizze und den AVB wird darauf verwiesen, dass sie „auf unbestimmte“ Zeit abgeschlossen ist. Aus dieser Bezeichnung durch den beklagten Versicherer lässt sich für die rechtliche Beurteilung, ob es sich hier um ein Dauerschuldverhältnis mit bestimmter oder unbestimmter Dauer handelt, nichts gewinnen. Die rechtliche Qualifikation eines Vertrags hängt nämlich nicht vom Willen der vertragschließenden Parteien und von der von ihnen allenfalls gewählten Bezeichnung ab, sondern in erster Linie vom Inhalt ihrer - ausdrücklich oder schlüssig getroffenen - Vereinbarungen (RIS-Justiz RS0014509). Die klassische Er- und Ablebensfallversicherung ist naturgemäß ein Vertrag mit bestimmter Dauer. Es wird ein für die Erlebensversicherung relevanter Zeitpunkt, der erlebt werden muss, konkret vereinbart. Stirbt der Versicherungsnehmer/Versicherte vor diesem Zeitpunkt, liegt der Ablebensversicherungsfall vor. In der fondsgebundenen Lebensversicherung wird kein ausdrücklicher Zeitpunkt der Vertragsbeendigung vereinbart. Er endet als Ablebensfallversicherungsvertrag jedenfalls spätestens mit dem Tod des Versicherungsnehmers/Versicherten. Durch den Vertragsinhalt „Ablebensfallversicherung“ wird der Versicherungsvertrag von vornherein mit dem Tod des Versicherten befristet, das ist seine längst mögliche Dauer, dann tritt der Versicherungsfall ein. Darauf ist der übereinstimmende Parteiwille gerichtet. Der Vertrag wird auf Lebenszeit des Versicherungsnehmers geschlossen. Das Argument, ein Vertrag ende naturgemäß meist mit dem Tod, ist nicht überzeugend. Der Vertragszweck liegt hier - aus welchen Gründen immer - gerade auch im Abschluss einer Ablebensfallversicherung. Die Dauer bis zum Tod gehört von vornherein zum Vertragszweck. Grundsätzlich ist ein auf Lebenszeit abgeschlossener Vertrag ein solcher auf bestimmte Zeit (3 Ob 814/54 in EvBl 1955/272, 452 zu einem Gesellschaftsvertrag auf Lebenszeit; Strasser in Rummel 2, §§ 1211, 1212 ABGB Rz 5a [unrichtig das Gegenteil zitierend Grillberger in Rummel 3 , §§ 1211, 1212 ABGB Rz 5a]). Auch in der österreichischen Lehre wird die Ansicht vertreten, dass ein auf Lebenszeit abgeschlossener Versicherungsvertrag einen Endtermin in sich trage und insofern nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen sei (Schauer in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, Kommentar zu den Novellen zum VersVG, § 178i VersVG Rz 8; Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, 101 [auf S 392 scheint eine andere Ansicht vertreten zu werden]; aA Schalk, Die fondsgebundene Lebensversicherung, 121; Gruber in BK, § 8 Rn 17; Krejci, aaO 22 ff, aber nur zu fondsgebundenen Lebensversicherungen, die nach ihrem Text auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen sind). Aus dem JA 1722 BlgNR XVIII. GP 9 geht lediglich hervor, dass der Gesetzgeber unter Hinweis auf Bruck/Möller, Kommentar zum VVG I § 8 Anm 15, eine klare Regelung für die Krankenversicherung in § 178i VersVG für nötig hielt, weil die deutsche Lehre die auf Lebenszeit des Versicherungsnehmers abgeschlossenen Verträge zu den auf unbestimmte Zeit eingegangenen Versicherungsverträgen zählt. Daraus ist nicht abzuleiten, dass der Gesetzgeber selbst die auf Lebenszeit geschlossenen Versicherungsverträge jedenfalls dazu zählt, zumal keine österreichische Judikatur dazu vorlag. Auch wenn gute Gründe für die Annahme sprechen, es handle sich bei einer Ablebensfallversicherung um einen Vertrag auf bestimmte Dauer, sodass schon aus diesem Grund ein ordentliches Kündigungsrecht des Versicherers nach § 8 Abs 2 VersVG nicht in Betracht kommen könne, kann diese Frage letztlich dahingestellt bleiben, weil man auch dann, wenn man den Vertrag dennoch als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen beurteilen würde, zum selben Ergebnis kommt, dass dem Versicherer kein Kündigungsrecht nach § 8 Abs 2 VersVG zusteht:

Die Lebensversicherung ist in den §§ 159 ff VersVG geregelt. In § 165 VersVG wird nur das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers geregelt, auf den Versicherer wird darin nicht Bezug genommen. Dass diese Bestimmung als Spezialnorm der allgemeinen Bestimmung des § 8 Abs 2 VersVG vorgeht, ist, was den Versicherungsnehmer anlangt, unstrittig. Das Gesetz kann gar nicht anders ausgelegt werden. Wird aber das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers, nicht jedoch des Versicherers geregelt, so ist e contrario zu schließen, dass diesem ein ordentliches Kündigungsrecht nicht zustehen soll. Der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 178i Abs 2 VersVG für die Krankenversicherung ausdrücklich eine Regelung getroffen hat, um die Unkündbarkeit durch den Versicherer sicherzustellen, spricht nicht gegen diese Auslegung. Die Regelung diente der Klarstellung in der Krankenversicherung und lässt hier keine Rückschlüsse auf andere Versicherungssparten zu. Selbst wenn man aber abweichend davon vertreten wollte, § 8 Abs 2 VersVG sei eine allgemeine Norm, die daher grundsätzlich für alle Verträge, daher auch für Lebensversicherungen Geltung haben könnte, so wäre die Bestimmung teleologisch zu reduzieren:

Nach herrschender Lehre in Deutschland gilt weder § 8 Abs 2 VVG (aF) noch § 11 VVG (nF) für Lebensversicherungsverträge (Prölss in Prölss/Martin, VVG27 § 8 Rn 4a; Winter in Bruck/Möller, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz8, Band 5, 2. Halbband, Anm D 32; Goll/Gilbert/Steinhaus, Handbuch der Lebensversicherung11, 159; Brömmelmeyer aaO, § 42 Rn 133; Römer in Römer/Langheid, VVG2, § 8 Rn 28, Hofmann, Privatversicherungsrecht4, § 6 Rn 29; zu der seit 1. 1. 2008 geltenden und diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage: Prölss in Prölss/Martin, VVG28, § 11 Rn 9; Johannsen in Bruck/Möller VVG9, § 11 Rn 12; Ebers in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, § 11 Rn 6). Eine Differenzierung nach klassischen und fondsgebundenen Lebensversicherungen wird (auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage) nicht vorgenommen. Dass § 8 (§ 11) VVG nicht anzuwenden sei, wird damit begründet, dass dem Versicherungsnehmer, solange er seine Vertragspflichten erfüllt, nicht gegen seinen Willen die Grundlage seiner Alters- und/oder Hinterbliebenenvorsorge entzogen werden soll (Goll/Gilbert/Steinhaus aaO 159). Dem Versicherer stehe schon nach dem Vertragszweck der Lebensversicherung kein ordentliches Kündigungsrecht zu (Johannsen aaO, § 11 Rn 12). Es gehört zu der vom Versicherer bei Vertragsabschluss übernommenen Gefahr, dass die Person älter wird und Krankheiten oder sonstige lebensverkürzende entwickelte Umstände eintreten können. Dem Versicherer soll nicht die Möglichkeit geboten werden, sich von dem Risiko zu trennen, wenn es im Lauf der Jahre naturgemäß und erwartungsgemäß schwerer wird und der Versicherungsnehmer einen neuen Lebensversicherungsvertrag zu der ursprünglich vereinbarten Prämie nicht mehr abschließen kann (Winter aaO, Anm D 32).

Demgegenüber wird von Gruber in Berliner Kommentar, § 8 VVG Rn 17, ein Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung als auf unbestimmte Dauer abgeschlossener Vertrag gewertet, auf den zwar für die Kündigung des Versicherungsnehmers wegen des Vorrangs der Spezialregelung des § 165 VVG § 8 Abs 2 VVG keine Anwendung finde, die Kündigung des Versicherers jedoch, für den nur einzelne Tatbestände der außerordentlichen Kündigung einer Lebensversicherung geregelt seien (zB §§ 164 und 175), auch auf die Tatbestände im allgemeinen Teil des VVG gestützt werden könne. Die ordentliche Kündigung durch den Versicherer beurteile sich daher auch in der Lebensversicherung nach § 8 Abs 2 VGG.

Schalk aaO, 122 f, meint, dass man die Rechtslage differenzierend nach den verschiedenen Vertragstypen der Lebensversicherungen zu beurteilen habe. Die für die klassische Lebensversicherung vorgebrachten Argumente überzeugten für die fondsgebundene nicht. Im Gegensatz zur Lebensversicherung (§ 176 Abs 3 VersVG) habe der Versicherungsnehmer im Falle der Kündigung bei der Krankenversicherung keinen Anspruch auf seine Deckungsrückstellung. Da er das Deckungskapital bei Kündigung nicht erhalte, sei in § 178i Abs 2 VersVG für die Krankenversicherung das Kündigungsrecht des Versicherers ausdrücklich ausgeschlossen worden. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung werde die Risikoprämie jährlich neu berechnet und vom Deckungskapital abgezogen, sodass dem Versicherungsnehmer bei einem Wechsel zu einem anderen Versicherer keine Nachteile entstünden, er verliere seine Deckungsrückstellung nicht und zahle immer eine seinem Alter und seinem Ablebensrisiko adäquate Risikoprämie. Die Befürchtung, dass sich der Versicherer seiner Leistungspflicht entziehen könnte, treffe demnach typischerweise auf fondsgebundene Lebensversicherungen nicht zu. Kündige der Versicherer den Vertrag, so könnte nur bei einem sich verschlechternden Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers eine Kündigung zur Unzeit vorliegen, die den Versicherer schadenersatzpflichtig mache. Werde vom Versicherungsnehmer die Versicherungsprämie in Form eines Einmalerlags bezahlt und gleichzeitig das Anlagerisiko so gering wie möglich gehalten (Mindestrisiko von 5 % Deckungsrückstellung im Ablebensfall), werde der Vertragsabschluss primär zum Zweck des Vermögensaufbaus erfolgen und die Risikokomponente des Vertrags nur aus steuerlichen Gründen in Kauf genommen. Trete aber der Risikoteil bei der fondsgebundenen Lebensversicherung im Vergleich zum Anlageteil deutlich in den Hintergrund, so könne auch eine teleologische Reduktion des ordentlichen Kündigungsrechts nur noch schwerlich mit Argumenten begründet werden, die ausschließlich für den Bereich des Ablebensrisikos Gültigkeit besäßen. Das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers habe nur geringe praktische Bedeutung, weil jeder Versicherungsvertrag für den Versicherer eine Einnahmequelle darstelle. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung seien nun aber durch den Versicherungsnehmer verursachte Abwicklungsprobleme denkbar, wobei fraglich sein könne, ob diese für sich selbst bereits einen wichtigen Kündigungsgrund darstellten. Darüber könne im Einzelfall vortrefflich gestritten werden. Insofern würde ein ordentliches Kündigungsrecht streitvermeidend wirken und könnte beiden Vertragsparteien einen kostspieligen Prozess ersparen. Der Verlust des Versicherungsschutzes sei weder für den Versicherungsnehmer noch für den Begünstigten von existenzieller Bedeutung.

Auch Krejci aaO, 20ff, vertritt eine differenzierende Ansicht. Auf Grund der erheblichen Unterschiede zwischen der klassischen und der fondsgebundenen Lebensversicherung leuchte ein, dass eine Gesamtbewertung des hybriden Finanzdienstleistungsprodukts der fondsgebundenen Lebensversicherung angesichts seiner prävalierenden bankgeschäftlichen Elemente insofern ein Kündigungsrecht des Versicherers nach § 8 Abs 2 VersVG rechtfertige, als anzuerkennen sei, dass die teleologischen Gründe für die Unzulässigkeit eines solchen Kündigungsrechts (Unzumutbarkeit des Verlusts des Versicherungsschutzes zur Unzeit) in den Hintergrund träten, weil die Beendigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch ordentliche Kündigung seitens des Versicherers (selbst im höheren Alter des Versicherungsnehmers) weder einen Verlust der Deckungsrücklage mit sich bringe, noch dessen Investition in eine andere fondsgebundene Lebensversicherung durch Verluste erschwere. Daher sei das vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich ausgesprochene, aber teleologisch nahe liegende Verbot der ordentlichen Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags durch den Versicherer nicht auf fondsgebundene Lebensversicherungen anwendbar, aus deren Vertragsinhalt hervorgehe, dass sie „auf unbestimmte Zeit“ geschlossen worden seien.

Diese von der überwiegenden Ansicht abweichenden Argumente von Gruber, Schalk und Krejci vermögen nicht zu überzeugen. Auch bei der klassischen Lebensversicherung besteht neben dem Aspekt der Risikoabsicherung ein Kapitalbildungsinteresse. Der Unterschied zur fondsgebundenen Lebensversicherung ist primär der, wie das Kapital gebildet wird. Bei der klassischen Lebensversicherung ist der bei Vertragsende auszuzahlende Betrag weitgehend fixiert (und durch die eigenen Prämienzahlungen bestimmt), bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ist er variabel und orientiert sich an den jeweiligen Kurswerten der vom Versicherungsnehmer frei zu wählenden Fondsanteile. Es wird damit ein spekulatives Element eingebracht, das der Versicherungsnehmer für sich nützen kann. Es ermöglicht ihm, an Kursschwankungen zu seinem Vorteil (aber auch zu seinem Nachteil) teilzunehmen. Trotz des zweifellos größeren Kapitalbildungspotentials der fondsgebundenen Lebensversicherung und der dadurch bewirkten Annäherung an Bankgeschäfte darf nicht übersehen werden, dass es sich bei dem Vertrag dennoch um ein Lebensversicherungsprodukt handelt. Die Interessenlage ist daher insofern bei allen Lebensversicherungsformen gleich, dass der Versicherungsnehmer das Risiko seines Ablebens absichert und gleichzeitig Kapital bildet. Auch wenn durch den Unterschied in der Prämienberechnung (bei der klassischen Lebensversicherung über die Vertragslaufzeit, bei der fondsgebundenen jährlich) eine Wiederversicherung keine höheren Prämien für den Versicherungsnehmer bedeutet und ein Wechsel des Versicherers aus diesem Grund nicht so nachteilig sein muss wie dies bei der klassischen Lebensversicherung der Fall ist, so hat der Versicherungsnehmer aber auch bei der fondsgebundenen Lebensversicherung im Hinblick auf seine Versorgungswünsche/Altersvorsorge ein nicht zu leugnendes Interesse daran, selbst zu entscheiden, wann er das Versicherungsverhältnis beenden will und wann es zu einer Kapitalausschüttung kommt. Wie bereits dargelegt, hängt die Höhe der vorzunehmenden Auszahlung vom Kurs der jeweiligen Fondsanteile/Wertpapiere zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. Stünde dem Versicherer ein jederzeitiges Kündigungsrecht zu, so könnte er damit den Versicherungsnehmer zwingen, eine Abrechnung zu einem für ihn ungünstigen Kurs oder zur Unzeit hinnehmen zu müssen. Der Versicherer würde damit dem Versicherungsnehmer von der Möglichkeit, die gerade die fondsgebundene Lebensversicherung ausmacht, ausschließen, weiter zu „spekulieren“ und allfällige Kursverluste durch positive Entwicklungen in der Zukunft auszugleichen. Nur wenn der Versicherungsnehmer zu Lebzeiten selbst über die Beendigung des Versicherungsvertrags entscheiden kann, kann dies dem Vorsorgegedanken gerecht zu werden. Würde der Versicherer ein ordentliches Kündigungsrecht haben, würde dies das dem Versicherungsnehmer im Lebensversicherungsvertrag eingeräumte Recht, die Veranlagungsstrategie selbst zu bestimmen und damit auf seine künftige Vorsorge unmittelbar Einfluss zu nehmen, unterlaufen. Außerdem soll eine Kündigung nach § 9 Abs 3 AVB - im Gegensatz zum Vorbringen der Beklagten - zur Verrechnung von nicht amortisierten Vertragserrichtungskosten führen. Sollte sich der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers/Versicherten rapid nachteilig ändern, wäre auch hier eine Wiederversicherung schwierig, weil sich die Gefahr des Ablebens erhöht und damit die Zahlungsverpflichtungen des Versicherers (die bei schlechter Kursentwicklung zumindest die einbezahlte Prämie zuzüglich der Mindestrisikosumme im Todesfall umfasst) mit erhöhtem Risiko schlagend werden könnten.

Diese Erwägungen führen zu dem Ergebnis, dass dem Versicherer bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung, die auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen wird, kein ordentliches Kündigungsrecht nach § 8 Abs 2 VersVG zusteht.

Anerkannt ist, dass bei Dauerschuldverhältnissen, sowohl bei solchen, die auf bestimmte Dauer als auch bei solchen, die auf unbestimmte Dauer abgeschlossen sind, eine Kündigung aus wichtigem Grund jederzeit möglich ist. Der Grund für die einseitige Lösung liegt darin, dass die Vertragsfortsetzung für den kündigenden Teil unzumutbar ist (RIS-Justiz RS0018305, RS0027780, RS0018377, Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis, 190 f). Das Versicherungsverhältnis ist im besonderen Maß vom Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht (RIS-Justiz RS0018055). Auch Versicherungsverträge können daher mit außerordentlicher Kündigung aus wichtigem Grund aufgelöst werden, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses den Parteien nicht mehr zumutbar ist (7 Ob 69/01z; Krejci aaO, 20; BGH VersR 2007, 1260; Deutsch, Versicherungsvertragsrecht5, § 11 Rz 95, Römer in Römer/Langheid 2, § 8 VVG, Rn 29, Prölss in Prölss/Martin 27, § 8 Rn 5; derselbe in VVG28, § 11 Rn 15). Ein derartiger wichtiger Grund ist aber nur dann zu bejahen, wenn der Versicherungsnehmer in besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz hintanstellt. Das ist vor allem der Fall, wenn er sich Versicherungsleistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht (BGH VersR 2007, 1262). Grundsätzlich wird ein Verstoß gegen Treu und Glauben, der ein Weiterbestehen lassen des Versicherungsverhältnisses unzumutbar macht, in einem vertragswidrigen Verhalten erblickt.

Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, dass auch ein vertragskonformes Verhalten einen derart wichtigen Grund darstellen könnte. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Vertragsgestaltung oblag weitgehend der Beklagten. Nimmt jemand - wie hier der Kläger - ein vertraglich vereinbartes Recht (§ 8 AVB) in Anspruch, so kann darin - lässt man eine Irreführung oder Täuschung außer Acht - von einem treuwidrigen Verhalten grundsätzlich nicht gesprochen werden. Schon aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich daher kein wichtiger Grund für eine Kündigung.

Die Kündigung des Vertrags durch die Beklagte erfolgte daher zu Unrecht. Das erste Feststellungsbegehren des Klägers ist berechtigt.

Das zweite Feststellungsbegehren und auch die Eventualbegehren zielen darauf ab, dass zwischen den Parteien die Abrechnung nach dem Bewertungsstichtag t + 1 vereinbart wurde und die Beklagte diesen Modus bei künftigen Abrechnungen (zumindest subsidiär) anzuwenden hat. Der Kläger will seinen Anspruch aus § 8 Abs 1 AVB ableiten. In dieser Bestimmung ist geregelt, dass die Beklagte an dem Börsetag, der dem Einlangen des Änderungswunsches in der zentralen Verwaltung folgt (Bewertungsstichtag), der Geldwert der Deckungsrückstellung ermittelt und dieser dem gewählten Investmentfonds zugeführt werde. In § 8 Abs 2 behält sich die Beklagte jedoch vor, den Geldwert der Deckungsrückstellung erst nach tatsächlicher Veräußerung der Fondsanteile zu ermitteln; sie führe aber die Veräußerung unter Wahrung der Interessen aller Versicherungsnehmer unverzüglich durch; in diesem Fall fänden die Bestimmungen über den Bewertungsstichtag keine Anwendung.

Im Gegensatz zur Rechtsmeinung des Klägers sind diese Bestimmungen (es handelt sich hier nicht um eine Verbandsklage, sondern um einen Individualprozess) nicht nach § 6 Abs 3 KSchG intransparent. Es schadet daher nicht, dass noch nicht feststeht, ob der Kläger überhaupt Konsument ist. § 8 AVB muss in seinem inneren Zusammenhang und auch im Kontext mit dem Inhalt des gesamten Vertrags gesehen und ausgelegt werden. Aus der gesamten Vertragsgestaltung ergibt sich, dass der Versicherungsnehmer durch das ihm eingeräumte Recht zum Switchen, also zwischen den verschiedenen Anlageprodukten zu wählen und zu wechseln, unmittelbar Einfluss auf die Höhe seiner Deckungsrückstellung und damit auf den bei Vertragsauflösung (Kündigung durch ihn oder Todesfall) auszuzahlenden Betrag nehmen kann. Der Versicherungsnehmer hat damit je nach seinem Anlagetalent die Chance, unmittelbar selbst Kurssteigerungen zu lukrieren, aber auch das Risiko, Kursverluste zu erleiden. Klar ist nach dem Vertragstext, dass der beklagte Versicherer lediglich durch die Ausführung der Aufträge des Versicherungsnehmers tätig wird und nur diesen Aufträgen entsprechend Veräußerungen und Anschaffungen durchführt. Kursverlust und Kursgewinn sollen sich im Geldwert der Deckungsrückstellung niederschlagen. Dass die Beklagte dabei selbst (bei unverzüglichem Tätigwerden) auch nur das geringste Risiko von (von ihr nicht beeinflussbaren) kurzfristigen Kursschwankungen zwischen dem Switchauftrag und der tatsächlichen Veräußerung/Anschaffung übernimmt, lässt sich weder dem Text des Vertrags noch dessen Sinn entnehmen. Es handelt sich eben - wie oben ausgeführt - um einen Lebensversicherungsvertrag, bei dem der Versicherungsnehmer nur die Möglichkeit haben soll, über den Anlagestock selbst zu entscheiden. Die Beklagte ist lediglich Ausführende der Wünsche des Versicherungsnehmers. Gelingt es der Beklagten trotz unverzüglichem Tätigwerdens, wozu sie sich in § 8 Abs 2 AVB verpflichtete, nicht, den grundsätzlich angestrebten Kurs zu t + 1 zu Gunsten des Versicherungsnehmers zu realisieren, so ist die Beklagte berechtigt, nach den tatsächlichen Erlösen abzurechnen. Nur in diesem Sinn kann § 8 Abs 2 AVB verstanden werden. Der Kläger konnte keinen Zweifel daran haben, dass er nicht zu Lasten der Beklagten switchen kann, diese also das Kursrisiko von beauftragten Transaktionen nicht selbst trägt.

Da das zweite (Haupt-)Begehren des Klägers und die Eventualbegehren nur auf die Vertragslage gestützt sind und der Kläger zu Unrecht aus den AVB einen unter allen Umständen verbindlichen künftigen Abrechnungsmodus von t + 1 festgestellt haben will, ist die Entscheidung auch darüber spruchreif, und zwar im Sinn einer Bestätigung der Abweisung dieser Begehren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 43 ZPO. Der Kläger obsiegte nur mit einem der beiden gleich bewerteten Feststellungsbegehren. Es sind daher die Vertretungskosten gegenseitig aufzuheben. Dem Kläger steht die Hälfte der Pauschalgebühren aller drei Instanzen zu.

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