OGH 7Ob2398/96i

OGH7Ob2398/96i2.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 2.Oktober 1982 verstorbenen Harald H*****, infolge Revisionsrekurses der Agnes H*****, vertreten durch Dr.Alexander Gruber, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13.Juni 1996, GZ 43 R 266/96b-35, womit infolge Rekurses der Agnes H***** der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 12.Februar 1996, GZ 4 A 741/82-29, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Agnes H***** ist die Mutter des am 2.10.1982 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Harald H*****. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach Harald H***** erklärte sie am 18.2.1985, sich ihrer gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche vorbehaltlos und unwiderruflich zu entschlagen und gegen den Nachlaß keinerlei Ansprüche zu stellen. Mit Mantelbeschluß des Erstgerichtes vom 28.2.1985 wurde diese Erbsentschlagungserklärung zur Kenntnis genommen und die zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung des unehelichen Vaters des Erblassers, Norbert G*****, zu Gericht angenommen. Mit Einantwortungsurkunde vom selben Tag wurde der Nachlaß dem Vater Norbert G***** eingeantwortet. Die Einantwortungsurkunde samt Mantelbeschluß wurde dem Norbert G***** am 7.3.1985 und der Agnes H***** am 8.3.1985 (durch Hinterlegung) zugestellt.

Mit Schreiben vom 31.5.1995 teilte die R*****bank ***** regGenmbH dem Gerichtskommissär mit, daß ein Sparbuch lautend auf Harald H***** mit einem Guthabensstand von S 212.842,36 aufgefunden worden sei. Agnes H***** erklärte nunmehr, aufgrund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß abzugeben. Norbert G***** sei erbunwürdig, weil er seinen Sohn im Notstand hilflos gelassen und sich nie um ihn gekümmert habe. Ihre Verzichtserklärung habe sich nur auf die Möbel in der Wohnung des Erblassers bezogen. Sie sei über eine darüber hinausgehende Wirkung der Erbserklärung nicht belehrt worden. Sie habe sich zum Zeitpunkt der Abgabe der Erbsentschlagungserklärung in einem seelischen Ausnahmezustand befunden, weil sie noch unter dem Einfluß des Todes ihres Sohnes gestanden sei. Sie sei nicht zurechnungsfähig und nicht geschäftsfähig gewesen.

Mit Beschluß vom 12.2.1996 hat das Erstgericht die Erbserklärung der Agnes H***** zurückgewiesen. Die Abgabe einer Erbserklärung sei zwar auch zulässig, wenn der sich zum Erben Erklärende die Erbschaft zunächst ausgeschlagen habe. Voraussetzung sei jedoch, daß die Erbserklärung vor Rechtskraft der Einantwortung abgegeben werde. Die Einantwortung sei im vorliegenden Fall in Rechtskraft erwachsen. Eine neuerliche Abhandlung werde aufgrund des nachträglich vorgefundenen Vermögens nicht eingeleitet. Der Agnes H***** stehe die Möglichkeit der Erbschaftsklage offen.

In ihrem dagegen erhobenen Rekurs behauptete Agnes H***** abermals, sie sei im Zeitpunkt der Erklärung der Erbsentschlagung psychisch krank und daher nicht zurechnungsfähig gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Sollte Agnes H***** während des Nachlaßverfahrens prozeßunfähig gewesen sein, wäre das Nachlaßverfahren und die Einantwortung nichtig. Agnes H***** werde daher vorerst in einem eigens darauf abzielenden Nichtigkeitsantrag zu behaupten und unter Beweis zu stellen haben, daß sie im Verlassenschaftsverfahren bis einschließlich der Zustellung des Mantelbeschlusses und der Einantwortungsurkunde nicht prozeßfähig gewesen sei und daß diese Akte daher für nichtig zu erklären seien. Erst wenn feststehe, daß das Verlassenschaftsverfahren als nichtig anzusehen sei, werde das Erstgericht darüber entscheiden können, ob die Erbserklärung anzunehmen sei oder nicht. Auf die Erbschaftsklage sei Agnes H***** nicht zu verweisen, weil diese nicht zur Wahrnehmung von Mängeln im Sinn des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO konzipiert sei. Im übrigen würden weder die behauptete Unterlassung einer Belehrung über die Wirkungen der Erbsentschlagung noch die behauptete Erbunwürdigkeit des Norbert G***** der Rechtskraft der Einantwortung entgegenstehen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Nichtigkeit des Verlassenschaftsverfahrens nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Agnes H***** ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Agnes H***** wurde dem Verlassenschaftsverfahren nach ihrem Sohn beigezogen. Daß sie entmündigt gewesen bzw unter Sachwalterschaft gestanden wäre (§ 273 ABGB), wurde weder behauptet, noch ist solches im Verfahren hervorgekommen. Es ist daher davon auszugehen, daß hier sämtliche nach der Aktenlage als Erben oder Pflichtteilsberechtigte in Betracht kommende Personen am Verfahren beteiligt waren, sodaß eine Nichtigkeit des Verlassenschaftsverfahrens nach dem derzeitigen Aktenstand nicht vorliegt und die Einantwortung formell rechtskräftig wurde (vgl SZ 47/142; RZ 1977/29; NZ 1985, 208 ua).

Die Ausschlagung der Erbschaft bewirkt, daß die Erbschaft dem Ausschlagenden als nicht angefallen gilt. Sie wirkt bereits ab dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Abhandlungsgericht oder dem Gerichtskommmissär zur Kenntnis gelangt ist und dem Verfahren zugrundegelegt wird (Welser in Rummel2 I, Rz 29, 33 zu §§ 799, 800 ABGB mwN; SZ 54/98 ua). Nach ständiger Rechtsprechung fehlt einem (eingesetzten oder gesetzlichen) Erben im Verlassenschaftsverfahren die Antrags- und Rechtsmittellegitimation, solange er - ohne daß dies auf einem gerichtlichen Verfahrensfehler beruht - keine förmliche Erbserklärung abgegeben hat (SZ 44/72; EFSlg 55.420, 58.196, 61.284 uva). Agnes H***** wäre daher aufgrund ihrer Erbsentschlagungserklärung zur Bekämpfung der Einantwortungsurkunde und des Mantelbeschlusses als "Erbin" gar nicht legitimiert gewesen (3 Ob 517/92), sodaß es nicht entscheidend darauf ankommt, ob Agnes H***** (auch) im Zeitpunkt der Zustellung der Einantwortungsurkunde und des Mantelbeschlusses (was sie im übrigen gar nicht behauptet hat) prozeßunfähig war.

Wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, ist nach überwiegender Ansicht eine Erbserklärung vom Gericht auch dann anzunehmen, wenn der sich zum Erben Erklärende die Erbschaft zunächst ausgeschlagen hat, wobei aber die Erbserklärung noch vor Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses abgegeben worden sein muß (SZ 43/179; SZ 44/72 ua).

Wird nach erfolgter Einantwortung ein vorher nicht bekanntes Verlassenschaftsvermögen aufgefunden, so ist eine neuerliche Erbserklärung und Einantwortung nicht erforderlich, wenn bereits eine Verlassenschaftsabhandlung durchgeführt wurde (§ 179 AußStrG). Es können daher nicht erneut Erbserklärungen abgegeben und zu Gericht angenommen werden (NZ 1975, 27 mwN). Das Erstgericht hat daher die nunmehr abgegebene bedingte Erbserklärung der Agnes H***** zu Recht zurückgewiesen.

Nach ständiger Rechtsprechung bleibt demjenigen, der eine Erbsentschlagungserklärung abgegeben hat (entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz) in einem solchen Fall die Möglichkeit, eine Klage auf Anfechtung der Erbserklärung (Erbschaftsklage) einzubringen. Die vom Abhandlungsgericht bereits angenommene Erbsentschlagung ist wie die Abgabe einer Erbserklärung wegen Willensmängeln oder wegen fehlender Geschäftsfähigkeit im Zeitpunkt der Abgabe der Entschlagungserklärung anfechtbar (SZ 44/72; 8 Ob 527/78; 3 Ob 517/92 ua).

Es steht daher in Fällen wie dem vorliegenden eine durchaus der Nichtigkeitsklage im Sinne des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO vergleichbare Rechtsverfolgungsmöglichkeit zur Verfügung, die gegenüber dem vom Gericht zweiter Instanz vorgeschlagenen Weg des Nichtigkeitsantrages an das Außerstreitgericht den Vorteil bietet, daß der vom Ausgang eines solchen Verfahrens mitbetroffene Erbe, dem eingeantwortet wurde, in das Verfahren als Partei, der alle Möglichkeiten des kontradiktorischen Verfahrens zur Verfügung stehen, miteinbezogen wird. Es wäre auch nicht sachgerecht, einen Erben, der zunächst eine Erbsentschlagungserklärung und in weiterer Folge eine positive Erbserklärung abgibt und die Nichtigkeit seiner Erbsentschlagungserklärung wegen Willensmängel oder mangelnder Geschäftsfähigkeit behauptet, auf den streitigen Rechtsweg zu verweisen, wenn die positive Erbserklärung noch vor Rechtskraft der Einantwortung abgegeben wird, ihn aber auf eine Antragstellung im außerstreitigen Verfahren zu beschränken, wenn er die positive Erbserklärung nach Rechtskraft der Einantwortung abgibt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind die Vorschriften über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage im Außerstreitverfahren nicht analog anwendbar ( SZ 53/127 mit ausdrücklicher Ablehnung von Fasching IV, 481 f und Böhm in JBl 1973, 360; weiters JBl 1989, 186 uva). In jüngster Zeit hat der Oberste Gerichtshof abermals in seiner Entscheidung 6 Ob 2028/96w ausgesprochen, daß kein Anlaß bestehe, von dieser Judikatur abzuweichen, auf die kritischen Lehrmeinungen neuerlich einzugehen und mit der gestellten Frage einen verstärkten Senat zu befassen. Eine analoge Anwendung setze eine planwidrige Gesetzeslücke voraus, die hier jedoch nicht zu unterstellen sei. Abhilfe könne nur durch den Gesetzgeber geschaffen werden. Dies gelte auch für die im § 37 MRG aufgezählten Angelegenheiten.

Die diesbezügliche Rechtsprechung wurde zuletzt von Klicka in JBl 1997, 90 ff vor allem insoweit kritisiert, als sie die analoge Anwendbarkeit der Vorschriften über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage auch im kontradiktorischen Außerstreitverfahren verneint. Dies führe gerade bei jenen ins Außerstreitverfahren verwiesenen Bereichen, in denen sich Antragsteller und Antragsgegner mit gegensätzlichen Standpunkten gegenüberstünden und kein anderer Behelf zur Beseitigung der Entscheidung zur Verfügung stehe, zu einem gleichheits- und rechtsstaatswidrigen Ergebnis. Als Beispiele führt Klicka die außerstreitigen Mietrechtsangelegenheiten (in einer solchen erging die Entscheidung 6 Ob 2028/96w), Unterhaltssachen, Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und Abgeltung für die Mitwirkung im Erwerb des Ehegatten an. Das Verfahren außer Streitsachen sei vom historischen Gesetzgeber nicht zur abschließenden Entscheidung kontradiktorischer Ansprüche vorgesehen gewesen, sondern vielmehr für jene Materien, bei denen eine abschließende und endgültige Sachentscheidung ohnehin nicht erfolge, wie insbesondere Rechtsfürsorgeverfahren und Verlassenschaftsverfahren (das erst mit der Erbrechts- und Erbschaftsklage zu einem endgültigen Ergebnis gelange).

Im vorliegenden Fall ist der Revisionsrekurswerberin auch ohne Einräumung eines Nichtigkeitsantrages zu § 529 Abs 1 Z 2 ZPO keineswegs die Möglichkeit abgeschnitten, die Wirkungen der Einantwortung an den erbserklärten Erben zu beseitigen. Ihr steht es nach ständiger Rechtsprechung frei, ein kontradiktorisches Verfahren einzuleiten, in dem sie behaupten kann und unter Beweis stellen muß, daß die Ausschlagung der Erbschaft in einem Zustand der Geschäftsunfähigkeit begangen wurde (3 Ob 517/92). Die von Klicka aaO aufgezeigten Bedenken gegen die (generelle) Verneinung der analogen Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 529, 530 ZPO im Außerstreitverfahren sind daher im vorliegenden Fall dadurch entkräftet, daß der Revisionsrekurswerberin ohnehin ein der Nichtigkeitsklage gleichwertiges und mit ihr vergleichbares Rechtsinstitut zur Durchsetzung ihres Rechtsstandpunktes zur Verfügung steht.

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