OGH 7Ob212/02f

OGH7Ob212/02f15.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des (nunmehr volljährigen) Peter E*****, geboren am 14. April 1983, und des mj Paul E*****, geboren am 13. Juni 1993 vertreten durch die Mutter Ewa E*****, beide Unterhaltsberechtigte vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OEG in Wien, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Juni 2002, GZ 43 R 266/02i‑57, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 18. März 2002, GZ 10 P 83/00x‑46, infolge Rekurses der Kinder bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:0070OB00212.02F.1015.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

 

Begründung:

 

Mit Beschluss vom 10. 4. 2001 (ON 20) wurde der - getrennt von ihrem Ehemann lebenden - Mutter die alleinige Obsorge für ihre beiden mj Kinder Peter (geb am 14. 4. 1983) und Paul (geb am 13. 6. 1993) übertragen. Als deren gesetzliche Vertreterin hatte sie am 20. 3. 2001 (ON 17) ua auch beantragt, den Vater zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeiträge von S 11.500 (EUR 835,74) für Peter und S 8.500 (EUR 617,72) für Paul rückwirkend ab 1. 9. 1999 zu verpflichten, dies unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen im Zeitraum 1. 9. 1999 bis 31. 3. 2001 von S 157.320 für Peter bzw S 116.280 für Paul. Mit Antrag vom 22. 5. 2001 (ON 24) begehrte sie für den auch damals noch nicht volljährigen Peter (§ 21 Abs 2 ABGB idF KindRÄG 2001 trat am 1. 7. 2001 in Kraft) eine weitere Unterhaltserhöhung ab 15. 4. 2001 auf monatlich S 14.000 (EUR 1.017,42). Für die Zeit von September 1999 bis einschließlich Dezember 1999 wurde das Begehren am 3. 10. 2001 zurückgezogen (ON 39).

Der Vater erklärte sein Einverständnis, die im Antrag vom 20. 3. 2001 begehrten monatlichen Unterhaltsbeiträge (S 11.500 bzw S 8.500) ab 1. 5. 2001 für seine Söhne zu leisten. Er beantragte jedoch die Abweisung des Mehrbegehrens, weil er im Durchschnitt der vergangenen Monate ohnehin einen deutlich höheren als den nunmehr begehrten Betrag an Natural- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt habe, und für die Bedürfnisse seines Sohnes Peter, der sich weiterhin im letzten Schuljahr befinde, durch die Vollendung des 18. Lebensjahres (noch) keine Änderung eingetreten sei. Mit einer solchen sei erst ab Vollendung des 19. Lebensjahres zu rechnen, da ab diesem Zeitpunkt nach den Regelbedarfssätzen üblicherweise - so auch im vorliegenden Fall - mit dem Abschluss des Schulbesuchs und dem Beginn einer weiteren Ausbildungsphase (Studium) zu rechnen sei.

Mit Beschluss vom 18. 3. 2002 (ON 46) verpflichtete das Erstgericht den Vater, beginnend mit 1. 5. 2001 Unterhaltsbeiträge von monatlich EUR 835,74 für Peter und EUR 617,72 für Paul zu erbringen, und wies die Anträge, den Unterhaltspflichtigen bereits rückwirkend mit 1. 1. 2000 zu diesen Beträgen bzw mit 15. 4. 2001 zu einem "weiteren" Betrag von monatlich EUR 1.1017,42 für Peter E***** zu verpflichten, ab. Letzteres begründete es - zusammengefasst - damit, dass dem Vater infolge ausreichender Bedarfsdeckung des Peter E***** im Zeitraum Jänner 2000 bis September 2001 (auf den Unterhalt anzurechnende Leistungen von insgesamt S 237.381) eine Unterhaltspflichtverletzung keinesfalls vorzuwerfen sei. Außerdem sei dem Vorbringen des Unterhaltsberechtigten auch nicht zu entnehmen, welche enormen Zahlungen in diesem Zeitraum noch nötig gewesen wären, um seinen erhöhten Bedarf zu decken. Auch der weitere Unterhaltsantrag für die Zeit ab 15. 4. 2001 sei abzuweisen, weil ein erhöhter Bedarf des Peter E*****, welcher aus den ihm vom Vater zur Verfügung gestellten Mitteln nicht zu bestreiten wäre, nicht bewiesen worden sei. Der für den Minderjährigen Paul aus den Naturalleistungen zu verbuchende Betrag habe im Monatsschnitt S 803 betragen; entnehme man seinen restlichen Unterhaltsanspruch von S 7.697 aus dem noch zu verteilenden (vom Vater an die Mutter geleisteten) Geldbetrag von S 505.002, so ergebe sich ein Gesamtunterhaltsanspruch von [monatlich] S 8.500 = EUR 617,72, sodass sichergestellt sei, dass auch hinsichtlich dieses Kindes für die Vergangenheit keine Unterhaltsverletzung gegeben sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs der Kinder nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Hinsichtlich des Minderjährigen Paul habe das Erstgericht den Unterhalt antragsgemäß, jedoch erst ab 1. 5. 2001 zugesprochen und die abweisende Entscheidung zum Mehrbegehren mit den vom Vater erbrachten Unterhaltsleistungen begründet; der Rekurs des Kindes habe sich damit nicht auseinandergesetzt, sodass die erstgerichtliche Entscheidung zu bestätigen sei.

Sehr ausführlich habe das Erstgericht [auch] die Unterhaltsleistungen des Vaters für den bereits volljährig gewordenen Peter E***** festgehalten bzw aufgeschlüsselt. Es habe die divergierenden Angaben aller Beteiligten einer Beweiswürdigung unterzogen, gegen die der Rekurs (der die Entrichtung von Naturalunterhalt des Vaters zugestehe, aber letztlich offen lasse, welch niedrigerer Betrag hier heranzuziehen sei) keine stichhältigen Gründe anzuführen vermöge. Auch die Beurteilung, dass der Vater Unterhaltsleistungen im relevanten Zeitraum Jänner 2000 bis April 2001 im vollen Ausmaß für Peter E***** erbracht habe, sei daher zutreffend. Der Beurteilung des Erstgerichtes sei aber auch beizupflichten, soweit Peter E***** zur Rechtfertigung eines höheren Unterhaltsanspruches ab 15. 4. 2001 abschließend auf das KindRÄG 2001 hinweise, womit [per 1. 7. 2001] das Alter der Volljährigkeit auf 18 Jahre herabgesetzt wurde. Das Rekursgericht vertrete dazu nämlich weiterhin die Ansicht, dass das Erreichen des Volljährigkeitsalters allein einen erhöhten Bedarf des Unterhaltsberechtigten nicht indiziere und auf zukünftige Umstände (wie die im Rekurs genannten erst zu entrichtenden Zahlungen bzw Kosten) bei der Unterhaltsbemessung nicht Bedacht zu nehmen sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof ‑ soweit überblickbar - mit den Auswirkungen des KindRÄG 2001, insbes mit der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf nunmehr 18 Jahre und damit im Zusammenhang stehend mit den Durchschnittsbedarfssätzen nicht auseinandergesetzt habe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Unterhaltsberechtigten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Antrag, den Vater zu verpflichten, Unterhalt für seine Söhne ab 1. 1. 2000 bis "31. 4. 2001" von monatlich S 11.500 (EUR 835,74) für Peter und S 8.500 (EUR 617,72) für Paul zu Handen der Mutter zu bezahlen, dies unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen von monatlich S 8.280 (EUR 601,73) für Peter und S 6.120 (EUR 444,76) für Paul, und den vom Vater zu tragenden Unterhaltsbetrag für Peter ab 15. 4. 2001 auf insgesamt EUR 1.017,42 zu erhöhen, vollinhaltlich stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass das vorliegende Unterhaltsfestsetzungsverfahren - wie bereits erwähnt - noch zur Zeit der Minderjährigkeit des inzwischen volljährig gewordenen Sohnes Peter E***** eingeleitet wurde, weshalb darüber sowie über die in diesem Zusammenhang erhobenen Rechtsmittel (weiterhin) im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist (stRsp; 7 Ob 299/01y; 7 Ob 25/02f; RIS‑Justiz RS0005941 [T1]; RS0047381 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; zuletzt: 7 Ob 90/03s und 3 Ob 62/03v).

Was die vom Rekursgericht aufgezeigte Frage betrifft, beruft sich der Revisionsrekurs im Wesentlichen darauf, dass nicht mehr der mit 19 Jahren angesetzte Beginn der letzten Stufe des Regelbedarfs, sondern [bereits] das 18. Lebensjahr eines der kostenintensivsten Lebensjahre darstelle (Maturareise, Führerschein, erstes Ballkleid oder Smoking für den Maturaball, Nachhilfestunden, Studiengebühren, Computer); die Frage der (weiteren) Ausbildung wäre für das Kind massiv erleichtert, wenn es bereits zu Beginn des Studiums wüsste, mit wie viel Unterhalt es in Zukunft rechnen könne; dabei sei es schon wegen des finanziellen Risikos (einer ansonsten allenfalls erforderlichen Einklagung des Unterhalts) unabdingbar, dem Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit einzuräumen, eine gerichtliche Unterhaltsanpassung an die letzte Stufe der Regelbedarfssätze noch vor Erreichen der Volljährigkeit einzuleiten.

Außerdem macht das Rechtsmittel geltend, dass die vom Vater hinsichtlich des Minderjährigen Paul erbrachten Unterhaltsleistungen nicht das zweieinhalbfache des Durchschnittsbedarfs erreicht hätten, und wendet sich dagegen, dass das Rekursgericht der Judikatur gefolgt sei, wonach Unter‑Zehnjährige gegenüber älteren Kindern in der Frage, wann eine Überalimentierung vorliege (zweifacher bzw zweieinhalbfacher Durchschnittsbedarf), unterschiedlich zu behandeln seien, wobei diese Rechtsfrage vom Höchstgericht nicht einheitlich beantwortet werde.

Auf die zuletzt angesprochene Frage ist hier aber schon deshalb nicht einzugehen, weil die Vorinstanzen beim Minderjährigen Paul ohnehin auch im fraglichen Zeitraum (also bereits ab dem 1. 1. 2001) von dem mit EUR 617,72 (S 8.500) begehrten Unterhalt, sohin vom "zweieinhalbfachen Durchschnittsbedarf an Unterhalt" (Seite 3 Punkt 2. des Revisionsrekurses) ausgegangen sind; haben sie doch einen "Gesamtunterhaltsanspruch" des Genannten in genau dieser Höhe als durch die festgestellten, vom Vater erbrachten Leistungen abgedeckt angesehen und daraus abgeleitet, das eine Unterhaltsverletzung für die Vergangenheit nicht gegeben sei (Seite 13 des erstgerichtlichen Beschlusses bzw Seite 3 der Rekursentscheidung).

Aber auch dem Standpunkt, die letzte Stufe des Regelbedarfs sollte im Hinblick auf die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters ebenfalls bereits mit 18 Jahren beginnen, ist nicht zu folgen.

Durch Art I Z 1 KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 wurde § 21 Abs 2 ABGB novelliert. Seither lautet diese Bestimmung, die gemäß Art XVIII § 1 Abs 1 der Novelle am 1. 7. 2001 in Kraft trat, wie folgt:

"Minderjährige sind Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben; haben sie das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so sind sie unmündig."

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit den Auswirkungen dieser Änderung bereits insoweit beschäftigt, als mehrfach ausgesprochen wurde, dass dies "nicht zur Bevorzugung einer bestimmten Gruppe von Volljährigen bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen führen dürfe" (1 Ob 76/02m; 7 Ob 190/02w), sodass gesetzliche Unterhaltsansprüche von Volljährigen, die bei In‑Kraft‑Treten des KindRÄG 2001 am 1. 7. 2001 das vierzehnte Lebensjahr vollendet hatten und denen daher Unterhaltsvorschüsse bis zur Vollendung des neunzehnten Lebensjahrs zu gewähren sind, im streitigen Verfahren geltend zu machen sind (RIS‑Justiz RS00116366).

Aus der gleichen Überlegung besteht aber auch im vorliegenden Fall kein Anlass, von der - vom Revisionsrekurs ohnehin nicht bestrittenen (Seite 5/6 des Revisionsrekurses) - Beurteilung des Rekursgerichtes abzugehen, dass eine Herabsetzung des Volljährigkeitsalters an sich keinen erhöhten Bedarf des Unterhaltsberechtigten indiziert:

Der Wechsel in den Altersgruppen bedeutet für den "Regelbedarf" für sich allein - sowohl nach stRsp des Rekursgerichtes (EFSlg 51.009; 59.484 ua) als auch nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (RIS‑Justiz RS0106742 mwN) - keine wesentliche Änderung der Verhältnisse; eine solche kann aber ‑ wie bereits das Rekursgericht festhält - auch in den im Rechtsmittel angeführten, erst zu entrichtenden Zahlungen und Kosten nicht erblickt werden. Da auch bei künftig fälligen Unterhaltsbeiträgen auf die tatsächlichen Verhältnisse im Entscheidungszeitpunkt abzustellen ist, entspricht es nämlich der vom Obersten Gerichtshof gebilligten stRsp des Rekursgerichtes (EFSlg 42.805 uva), dass auf ungewisse, in Zukunft möglicherweise eintretende Änderungen nicht Bedacht zu nehmen ist (6 Ob 154/99m; ÖA 1992, 155; RIS‑Justiz RS0041080 [T1]; zuletzt: 8 Ob 63/02a).

Dem unberechtigten Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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