European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00204.24M.0129.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.680 EUR (darin enthalten 446,71 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin war am 15. Dezember 2014 und am 18. Februar 2016 in Behandlung eines Zahnarztes, der bei der Beklagten berufshaftpflichtversichert war.
[2] Im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Zahnarzt wurde die Klägerin am 7. November 2019 von der dort beauftragten Sachverständigen darüber informiert, dass die am 15. Dezember 2014 und am 18. Februar 2016 durchgeführten zahnärztlichen Behandlungen schwer mangelhaft gewesen seien. Davor waren der Klägerin keine Probleme aufgrund dieser Behandlungen aufgefallen.
[3] Sie wandte sich daraufhin an den Klagevertreter. Anlässlich des Erstgesprächs am 9. März 2020 übermittelte sie ihm die von der Sachverständigen erhaltene schriftliche Information.
[4] Über das Vermögen des Zahnarztes wurde vor dem Landesgericht Steyr zu 14 S 7/19f am 21. März 2019 das Konkursverfahren eröffnet. Der Klagevertreter meldete am 22. Juni 2020 für die Klägerin eine Forderung von 49.742,17 EUR samt Zinsen an: 1.242,17 EUR an zu Unrecht abverlangten Werklohn, 12.000 EUR an Sanierungskosten und 36.500 EUR an Schmerzengeld. Der Forderungsanmeldung war das Gutachten der zahnärztlichen Sachverständigen vom 7. November 2019 angeschlossen.
[5] Der Zahnarzt wurde im Strafverfahren zu 13 Hv 14/22g des Landesgerichts Steyr anlässlich der Hauptverhandlung vom 16. Februar 2023 (unter anderem) wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB verurteilt. Das Strafgericht legte der Verurteilung (unter anderem) die fahrlässige Körperverletzung der Klägerin durch Einsetzen einer Brücke auf die beherdeten Zähne 35 und 36 sowie das Fertigstellen einer Wurzelbehandlung am Zahn 35 im Knochen bei der Behandlung ab 18. April 2016 zugrunde, wodurch die Klägerin Schmerzen im Unterkiefer verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung erlitten hatte.
[6] Die Klagevertreter ersuchten nach Abschluss des Strafverfahrens die Zahnärztekammer um Bekanntgabe des Haftpflichtversicherers. Mit Schreiben vom 3. März 2023 wurde ihm die Beklagte als Haftpflichtversicherer nach § 26c ZahnärzteG (ZÄG) genannt.
[7] Mit Schreiben vom 22. September 2023 forderte der Klagevertreter von der Beklagten die Zahlung von 64.752,17 EUR (Behandlungskosten 1.242,17 EUR und 50 EUR, Schmerzengeld für nicht lege artis Behandlung im linken Unterkiefer 51.100 EUR, Sanierungskosten 12.000 EUR, Vertretungskosten 360 EUR).
[8] Mit Schreiben vom 10. Oktober 2023 lehnte die Beklagte die Ansprüche der Klägerin unter anderem mit der Begründung ab, dass zusätzlich zu der bereits eingetretenen Verjährung, der Versicherer bei vorsätzlicher Schädigung gemäß § 152 VersVG und nach den AHVB nicht hafte. Ferner bestünde nach den EHVB Leistungsfreiheit bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls und bewusstem Zuwiderhandeln gegen geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften.
[9] Der Klagevertreter wurde von der Bestreitung der angemeldeten Forderung durch den Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung vom 5. März 2024 benachrichtigt: Demnach wurden 37.742,17 EUR anerkannt und 12.000 EUR mit der Begründung bestritten, es handle sich um eine „Vorsichtsbestreitung“, da seit 4,5 Jahren feststehen sollte, ob tatsächlich Sanierungskosten angefallen seien. Die Frist zur Geltendmachung der bestrittenen Forderung wurde mit zwei Monaten bestimmt. Das Konkursverfahren ist noch nicht beendet.
[10] Mit der am 31. Jänner 2024 eingebrachten und am 5. Juli 2024 ausgedehnten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 48.500 EUR (Sanierungskosten für die mangelhafte Zahnbehandlung 12.000 EUR und 36.500 EUR Schmerzengeld) sowie die Feststellung der Haftung für Spät‑ und Dauerfolgen aus den zahnärztlichen Behandlungen. Als Haftpflichtversicherer habe die Beklagte für die mangelhafte und fahrlässig nicht lege artis durchgeführten Zahnbehandlungen und die daraus resultierenden Schäden zu haften.
[11] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt, da die zahnärztlichen Behandlungen der Klägerin vor mehr als drei Jahren erfolgt seien und sie bereits durch das Gutachten vom 7. November 2019 von den Fehlbehandlungen erfahren habe. Dennoch habe sie erst im Februar oder März 2023 bei der Zahnärztekammer angefragt, wer Haftpflichtversicherer sei und überdies nach der rechtskräftigen Verurteilung die Klage erst am 28. November 2023 eingebracht, was keine gehörige Fortsetzung sei. Die Forderungsanmeldung im Konkurs, in der auch kein Feststellungsbegehren erhoben worden sei, sei gegenüber der Beklagten irrelevant.
[12] Das Erstgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Die Klägerin habe durch das Gutachten vom 7. November 2019 von Schaden und Schädiger Kenntnis erlangt. Die Verjährung habe daher mit diesemDatum zu laufen begonnen. Ein Aufforderungsschreiben habe die Klägerin erst am 22. September 2023 an die Beklagte gerichtet. Gemäß § 894 ABGB wirke die Verjährung nur für und gegen den einzelnen Mitschuldner. Eine in § 27 KHVG vergleichbare Bestimmung enthalte das ZÄG nicht.
[13] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Aus § 12 Abs 1 Z 2 VersVG könne die Klägerin keine rechtzeitige Klageerhebung ableiten. Diese Norm ziele auf die einem Dritten zustehenden Rechte ab, nicht aber – wie hier – auf gesetzliche Schadenersatzansprüche geschädigter Dritter in der obligatorischen Haftpflichtversicherung. Die Verjährung habe im vorliegenden Fall gemäß § 1489 ABGB mit dem Zeitpunkt – hier 7. November 2019 – zu laufen begonnen, als die Klägerin Kenntnis von Schaden und Schädiger gehabt habe. Hemmungstatbestände die gegenüber dem Versicherten eingetreten seien, wirkten nicht gegen die Beklagte. Demnach sei die dreijährige Verjährungsfrist gegenüber der Beklagten am 22. September 2023, als die Klägerin ihr Forderungsschreiben an die Beklagte gesandt habe, schon verstrichen gewesen. Eine analoge Anwendung des § 27 KHVG für eine Direktklage nach § 26c Abs 6 ZÄG komme nicht in Betracht, da keine Gesetzeslücke vorliege.
[14] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob § 12 Abs 1 Satz 2 VersVG bei einer gesetzlich eingeräumten Möglichkeit zur Direktklage anzuwenden sei, sowie ob in jenen Fällen, in denen der Gesetzgeber eine Direktklage bei der berufsrechtlichen Privathaftpflichtversicherung eröffne (§ 27 KHVG) analog anzuwenden sei.
[15] Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[16] Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[17] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
[18] 1.1 Die §§ 149 bis 158i VersVG beinhalten allgemeine Vorschriften im Rahmen des mit „Haftpflichtversicherung“ übertitelten 6. Kapitels des 6. Abschnitts dieses Gesetzes. Eine Haftpflichtversicherung soll grundsätzlich im Rahmen des Versicherungsvertrags das Risiko abdecken, dass der Versicherungsnehmer von einem Dritten (zu Recht oder zu Unrecht) auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Durch derartige Schadenersatzforderungen eines Geschädigten wird das Vermögen des Haftpflichtigen belastet, der mit dem Versicherer abgeschlossene Versicherungsvertrag gibt dem Versicherungsnehmer den Anspruch, ihn von dieser Schuld zu befreien (17 Ob 15/23i mwN).
[19] 1.2 Der Geschädigte hat nach allgemeinem Haftpflichtversicherungsrecht zunächst einen Schadenersatzprozess gegen den Schädiger zu führen und – im Fall des Obsiegens – in die Freistellungsansprüche des Schädigers gegenüber dessen Haftpflichtversicherer Vollstreckung zu führen. Dagegen ermöglicht ihm die Direktklage, den Haftpflichtprozess und den Deckungsprozess gegen den Versicherer in einem zu führen (7 Ob 65/21s mwN).
[20] 2.1 Die Beklagte ist die Pflichthaftpflichtversicherung des Zahnarztes nach § 26c ZÄG. § 26c Abs 1 ZÄG normiert den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung als Berufspflicht für freiberuflich tätige Zahnärzte.
[21] 2.2 § 26c Abs 6 ZÄG regelt, dass der/die Geschädigte den ihr/ihm zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrags auch gegen den Versicherer geltend machen kann. Der Versicherer und der/die ersatzpflichtige Versicherte haften als Gesamtschuldner.
[22] 2.3 Sämtliche solche – gesetzliche – Direktklagen anordnenden Materiengesetze (insbesondere § 26 KHVG und § 26c Abs 6 ZÄG) sehen vor, dass Versicherer und Versicherungsnehmer dadurch zu Solidarschuldnern werden (vgl die Nachweise der Materiengesetze bei Rubin in Fenyves/Perner/Riedler § 158b VersVG Rz 45; 7 Ob 182/17s; vgl RS0121052; RS0065779).
[23] 2.4 Nach der einhelligen Judikatur beruht der direkte Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt, durch den die Schadenersatzansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger durch Beitritt eines weiteren leistungsfähigen Schuldners verstärkt werden (vgl RS0121052; RS0065779). Der Versicherer tritt der Schuld des Versicherungsnehmers gegen den Geschädigten nach Maßgabe des Deckungsanspruchs bei. Daraus folgt, dass insoweit der Versicherer Einwände aus dem Deckungsverhältnis auch dem direkt klagebefugten Geschädigten gegenüber erheben kann; andererseits steht es letzterem zu, sowohl inhaltlichen Einwänden des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis entgegenzutreten als auch die Unwirksamkeit bzw die Nichtigkeit von Vertragsklauseln geltend zu machen (vgl 7 Ob 182/17s).
[24] 3.1 Die allgemeinen Grundsätze zur Verjährung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den allgemeinen Verjährungsregeln gemäß § 1489 ABGB binnen drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. Die Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RS0034524; RS0034378). Maßgeblich ist, ob dem Geschädigten objektiv alle für das Entstehen des Anspruchs maßgebenden Tatumstände bekannt waren (RS0034547). Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erlangt (RS0065360). Wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RS0034327; RS0034335). Dabei ist auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen. Die Erkundungspflicht des Geschädigten darf dabei nicht überspannt werden (RS0034327). Die Verjährung gehört zu den subjektiv wirkenden Erlöschungsgründen, das heißt sie wirkt zwischen dem Gläubiger und jenem Solidarschuldner, dem gegenüber die Forderung verjährt ist (RS0017539).
[25] 3.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der geltend gemachte Anspruch der Klägerin nach diesen allgemeinen Grundsätzen verjährt sei, wird nicht angezweifelt.
[26] 4.1 Die Klägerin meint aber, die Verjährung sei nicht eingetreten, weil ihr als Dritte iSd § 12 Abs 1 Satz 2 VersVG das Recht auf Leistung durch die Beklagte erst am 3. 3. 2023 bekannt geworden sei.
[27] 4.2 § 12 VersVG wurde durch die Novelle 1994 tiefgreifend umgestaltet. In dieser grundsätzlichen Neuregelung wurden zunächst (Abs 1 leg cit) die dem österreichischen Zivilrecht unbekannten Verjährungsfristen für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag von zwei bzw (bei der Lebensversicherung) fünf Jahren sowie der oben angeführten Fristen „austrifiziert“. Die Verjährungsfrist beträgt nun einheitlich drei Jahre und der Beginn ist nicht mehr im Versicherungsvertragsgesetz spezialgesetzlich geregelt. Es gilt hier nun die allgemeine Regelung des § 1478 ABGB, wonach die Verjährung mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem das Recht hätte ausgeübt werden können.
[28] Außerdem wurde für „Dritte“ eine Sonderregelung eingeführt. Steht der Anspruch aus dem Versicherungsvertrag einem Dritten zu, so beginnt die Verjährung zu laufen, sobald diesem sein Recht auf die Leistung des Versicherers bekannt geworden ist. Ist dem Dritten das Recht nicht bekannt geworden, so verjähren seine Ansprüche erst nach zehn Jahren (§ 12 Abs 1 VersVG)(7 Ob 176/17h).
[29] 4.3 Die Frage, ob es sich bei einem gesetzlichen Direktanspruch des Geschädigten um einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag handelt, muss ebenso wenig geklärt werden wie jene, ob der Geschädigte, der einen solchen Direktanspruch gegen den Versicherer geltend macht, „Dritter“ im Sinn des § 12 Abs 1 Satz 2 VersVG ist. Selbst wenn man davon ausginge, wäre für die Klägerin nichts gewonnen:
[30] Der Oberste Gerichtshof hat nämlich zu § 12 Abs 1 Satz 2 VersVG schon wie folgt Stellung genommen: „Bekannt geworden“ ist der Anspruch des Dritten grundsätzlich bei positiver Kenntnis um seinen Anspruch. Kenntnis des Dritten muss aber im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 1489 ABGB gesehen werden. Nach den zu dieser Bestimmung entwickelten Grundsätzen kann die Kenntnisnahme schon dann als erfolgt gelten, wenn der Dritte die für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung hätte bringen können (7 Ob 266/05a; 7 Ob 176/17h; RS0034327; RS0034335).
[31] 4.4 Im vorliegenden Fall erhielt die Klägerin am 7. November 2019 durch die gutachterliche Stellungnahme Kenntnis vom Eintritt des Schadens, verursacht durch den sie behandelnden Zahnarzt. Nach dem Erstgespräch am 9. März 2020 mit dem Klagevertreter erfolgte am 22. Juni 2020 in dem – bereits seit 21. März 2019 anhängigen – Konkursverfahren die Anmeldung unter anderem der auch hier gegenständlichen Forderungen. Schon zum damaligen Zeitpunkt wäre es der rechtsfreundlich vertretenen Klägerin ohne nennenswerte Mühe möglich gewesen, die für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendige Voraussetzung der Person des Pflichthaftpflichtversicherers nach § 26c ZÄG durch eine entsprechende Anfrage bei der Zahnärztekammer in Erfahrung zu bringen. Gründe für ein Zuwarten bis Februar/März 2023 sind nicht ersichtlich. Damit erweist sich aber die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Verjährung bereits zum Zeitpunkt des erstmaligen Aufforderungsschreibens an die Beklagte im Oktober 2023 eingetreten war, als zutreffend.
[32] 5.1 Die Klägerin argumentiert weiters, § 27 Abs 2 KHVG müsse analog auf den vorliegenden Direktanspruch angewendet werden.
[33] 5.2 Nach § 27 Abs 1 KHVG unterliegt der Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten gegenüber dem Versicherer der gleichen Verjährung wie der Schadenersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, mit dem die Verjährung des Schadenersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherten beginnt, endet jedoch spätestens zehn Jahre nach dem Schadensereignis.
[34] § 27 Abs 2 KHVG normiert eine Fortlaufshemmung. Nach dieser Bestimmung ist die Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, dass er den Schadenersatzanspruch ablehnt, gehemmt, wenn der Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten dem Versicherer gemeldet worden ist. Weitere Anmeldungen desselben Schadenersatzanspruchs hemmen die Verjährung jedoch nicht. Die Hemmung oder die Unterbrechung der Verjährung des Schadenersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherten bewirkt auch die Hemmung oder die Unterbrechung der noch laufenden Verjährung des Schadenersatzanspruchs gegen den Versicherer und umgekehrt.
[35] 5.3 Keines der sonstigen Materiengesetze die einen Direktanspruch des geschädigten Dritten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers einräumen, enthalten eine § 27 Abs 2 KHVG entsprechende Bestimmung.
[36] Rubin aaO Rz 53 spricht sich – ohne nähere Begründung – für eine analoge Anwendung der Bestimmung aus, weil kein sachlicher Grund für eine verschiedene Behandlung ersichtlich sei. Kath/Kronsteiner/Kunisch/ Reisinger/Wiesner, Praxishandbuch Versicherungsvertragsrecht I [2019] Rz 1272, erachten eine analoge Anwendung – ebenfalls ohne nähere Begründung – zwar für möglich, aber eigentlich nicht begründbar (arg „die Begründung fällt schwer“)
[37] 5.4 Tatsächlich setzt jede Analogie eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl RS0106092; RS0008866). Es muss eine nicht gewollte Lücke vorliegen. Eine solche Lücke im Rechtssinn ist anzunehmen, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig ist (RS0098756 [T4]) und erfordert daher die gerechtfertigte Annahme, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RS0008866 [T27]). Wenn der Gesetzgeber aber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht anordnet, liegt keine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke vor (RS0008870 [T3, T4]; RS0008866 [T8, T13]). In einem solchen Fall können auch auf rechtspolitisch allenfalls wünschenswerte Ergebnisse gestützte Überlegungen eine extensive Auslegung des Gesetzes nicht rechtfertigen (vgl RS0008768 [T1]).
[38] 5.5 § 27 KHVG trat mit 1. September 1994 in Kraft und entsprach § 23 KHVG 1987 bzw § 63 KFG 1967. § 26c Abs 6 ZÄG wurde mit 19. August 2010 eingeführt. In den Erläuterungen zu den Regierungsvorlagen, mit denen § 26c ZÄG eingeführt bzw geändert wurde, findet sich nichts zur Frage der Verjährung, es ist auch keine Anpassung an § 27 KHVG zu entnehmen (vgl ErläutRV 1087 BlgNR 22. GP ; ErläutRV 33 BlgNR 25. GP ).
[39] 5.6 Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber trotz bereits jahrzehntelangen Bestehens der §§ 26 und 27 KHVG zwar eine an § 26 KHVG angelehnte Bestimmung in § 26c ZÄG aufnahm, entsprechendes aber in Bezug in § 27 KHVG nicht nur in § 26c ZÄG, sondern auch in allen sonstigen Materiengesetzen in Zusammenhang mit der Einführung einer Direktklage unterließ, bleibt kein Raum für eine analoge Anwendung. Der Gesetzgeber war sich bereits bei der Einführung des § 26c ZÄG der Notwendigkeit einer § 27 KHVG entsprechenden Bestimmung bewusst, ließ aber – wie auch bei den sonstigen Materiengesetzen – die mehrfachen Möglichkeiten ungenutzt, im Zuge der Statuierung von Direktansprüchen gegen den Versicherer des Schädigers analoge Bestimmungen oder auch nur einen Verweis auf § 27 KHVG anzubringen. Von einer unbewussten Nichtanordnung kann daher nicht ausgegangen werden. Ordnet aber der Gesetzgeber eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht an, fehlt es an einer Gesetzeslücke als Voraussetzung für eine Analogie. In diesem Fall steht es auch den Gerichten nicht zu, gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge (RS0098756 [T3, T5]).
[40] 5.7 Eine analoge Anwendung der in § 27 KHVG angeordneten Hemmung kommt damit nicht in Betracht.
[41] 6. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
[42] 7. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO.
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