OGH 7Ob177/01g

OGH7Ob177/01g31.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 9. Jänner 2001 verstorbenen Alfred E*****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** über den "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der erblasserischen Witwe und Testamentserbin Alice E*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 9. Mai 2001, GZ 22 R 166/01w, 167/01t-20, womit infolge der Rekurse der erblasserischen Töchter und Noterbinnen Sibylle E*****, und Angelika B*****, beide vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Wels vom 1. März 2001, GZ 1 A 13/01b-11 und -12, aufgehoben wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am 9. 1. 2001 verstorbene Erblasser hinterließ seine mit Testament vom 16. 10. 1990 zur Alleinerbin eingesetzte Gattin (und nunmehrige Rekurswerberin), zwei leibliche volljährige Töchter sowie eine ebenfalls volljährige weitere Adoptivtochter; sämtliche Kinder wurden testamentarisch auf den gesetzlichen Pflichtteil verwiesen. Die Testamentserbin gab zunächst zum gesamten Nachlass die bedingte Erbserklärung ab und beantragte am 12. 1. 2001 ua, diese Erbserklärung aufgrund des Testamentes anzunehmen, ihr die alleinige Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gemäß § 810 ABGB zu überlassen sowie ihr zur Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung im schriftlichen Wege eine Frist bis vorerst 30. 4. 2001 einzuräumen. Diesen Anträgen gab das Erstgericht mit Beschluss vom 12. 2. 2001 statt, welcher den leiblichen Töchtern (sowie deren Rechtsvertreter) am 23./26. 2. 2001 zugestellt wurde, wobei dem Erbenmachthaber zur Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung auf schriftlichem Wege eine Frist von drei Monaten eingeräumt wurde.

Bereits am 26. 2. 2001 (beim Erstgericht eingelangt am 28. 1. 2001) erstattete die Testamentserbin das eidesstättige Vermögensbekenntnis, in welchem eine Überschuldung des Nachlasses mit S 3,455.899 ausgewiesen ist, wandelte ihre vormals bedingte in eine unbedingte Erbserklärung um, beantragte, ihr Erbrecht aufgrund des Testamentes für ausgewiesen zu erklären und ihre unbedingte Erbserklärung anzunehmen, weiters die Verfügungsberechtigung über den Nachlass zu erteilen, die Verlassenschaft(sabhandlung) für beendet zu erklären und ihr den Nachlass zur Gänze einzuantworten.

Das Erstgericht gab auch diesen Anträgen mit Beschluss vom 1. 3. 2001 statt (ON 11) und erließ die beantragte Einantwortungsurkunde (ON 12).

Das Rekursgericht gab den gegen beide Beschlüsse gerichteten Rekursen der Noterbinnen (und leiblichen Töchter) Folge, hob beide Beschlüsse auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu treffende Entscheidung auf. Der ordentliche Revisionsrekurs (richtig: Rekurs - § 14b AußStrG) wurde für zulässig erklärt. Das Rekursgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass volljährigen Noterben das Recht zustehe, sich am Verlassenschaftsverfahren zu beteiligen, um die ihnen zustehenden Rechte ausüben zu können, also die Geltendmachung einer Pflichtteilsforderung überhaupt erst zu ermöglichen und ihnen einen möglichst umfassenden Überblick über den Umfang ihres nur im streitigen Rechtsweg zu verfolgenden Pflichtteilsrechtes zu gewähren. Durch die Zustellung des Beschlusses vom 12. 2. 2001 seien die Noterbinnen sowohl vom Verlassenschaftsverfahren als auch der Abhandlungspflege auf schriftlichem Wege verständigt worden, jedoch habe das Erstgericht diese sodann lange vor Ablauf der hiefür der Erbin gesetzten Frist (nämlich nur rund eine Woche später) abschließend erledigt, welcher Zeitraum als nicht ausreichend angesehen werden könne, um den Noterbinnen hinlänglich Gelegenheit zu geben, ihre Rechte im Verlassenschaftsverfahren auszuüben. Sie hätten vielmehr von den wesentlichen neuen Verfahrensergebnissen (Umwandlung der Erbserklärung; Abgabe des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses; Stellung der Schlussanträge) so ausreichend in Kenntnis gesezt werden müssen, dass ihnen auch Gelegenheit zur Stellung entsprechender eigener Anträge geboten worden wäre. Das erstinstanzliche Verfahren sei daher mangelhaft geblieben, weshalb es dem Erstgericht obliegen würde, im fortgesetzten Verfahren den Noterbinnen eine angemessene Frist für die Stellung von Anträgen einzuräumen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, "weil der maßgeblichen Rechtsfrage, welche Voraussetzungen bei schriftlicher Abhandlungspflege an die Verständigung eines zu beteiligenden Noterben zu stellen sind, eine grundsätzliche rechtserhebliche Bedeutung für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle zukommt und die angezogenen Entscheidungen auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar übertragen werden können."

Gegen diese Entscheidung richtet sich der erkennbar auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) der erblasserischen Witwe mit dem Antrag, die erstinstanzlichen Beschlüsse wieder herzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag an das Rekursgericht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist wegen der Besonderheit des chronologischen Ablaufes des Abhandlungsverfahrens in der vorliegenden Fallkonstellation zulässig, weil eine solche vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht zu beurteilen war, jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass sowohl das Erbrecht als auch das Noterbrecht Vermögensrechte sind und im Abhandlungsverfahren der Entscheidungsgegenstand wegen der vermögensrechtlichen Natur der Hauptsache auch dann als rein vermögensrechtlich zu qualifizieren ist, wenn es (wie hier) - jedenfalls primär - um verfahrensrechtliche Fragen (Beteiligung von Noterben) geht (RIS-Justiz RS0109919). Dem Rekursgericht war jedoch keine Ergänzung seiner Entscheidung durch einen entsprechenden Bewertungsausspruch nach § 13 Abs 2 AußStrG aufzutragen (6 Ob 300/98f), weil dessen Entscheidung nach dessen Ansicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG abhängt und die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof gemäß § 14b Abs 1 AußStrG in einer rein vermögensrechtlichen Angelegenheit durch keine Geldwertuntergrenze, über die das Gericht zweiter Instanz zu entscheiden hatte, beschränkt ist (1 Ob 362/99p).

Des weiteren ist die Rechtsmittelwerberin gleich vorweg darauf hinzuweisen, dass ihre im Rechtsmittel aufgestellte Behauptung, der erste Beschluss des Erstgerichtes vom 1. 3. 2001 (ON 11 - über die Annahme der unbedingten Erbserklärung, Erklärung des Erbrechtes aufgrund des Testamentes für ausgewiesen, Einantwortung des Nachlasses zur Gänze samt Ausspruch der Verfügungsberechtigung über diesen sowie Erklärung der Verlassenschaft für beendet) sei mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen, was vom Rekursgericht missachtet worden sei und eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens begründe, unrichtig (aktenwidrig) ist; tatsächlich haben nämlich die beiden Rekurswerberinnen beide Beschlüsse des Erstgerichtes (ON 11 und 12 [Einantwortungsurkunde]) mit getrennten Rekursen jeweils vom 3. 4. 2001 bekämpft (ON 14 und 15), sodass das Rekursgericht auch zutreffend über beide von der Anfechtung betroffenen Beschlüsse entschieden hat. Lediglich der Beschluss vom 12. 2. 2001 (Annahme der ersten, bedingten Erbserklärung und Einräumung der Verlassenschaftsabhandlung auf schriftlichem Wege binnen drei Monaten) war unbekämpft geblieben und damit in Rechtskraft erwachsen (vgl im Übrigen auch EvBl 1981/50, wonach der abhandlungsgerichtliche Endbeschluss [hiezu siehe auch 10 Ob 184/97z] und die Einantwortungsurkunde eine Einheit bilden; ein auch bloß gegen eine dieser Entscheidungen erhobener Rekurs, der die Fortsetzung des Abhandlungsverfahrens erreichen will, ist immer auch auf die andere Entscheidung zu beziehen, sodass selbst in einem solchen Fall [der hier ohnedies nicht vorliegt] auch stets die andere Entscheidung aufzuheben wäre, wenn die Fortsetzung des Abhandlungsverfahrens als notwendig erkannt wird: RIS-Justiz RS0006567 und 0006305). Zu den verbleibenden Anfechtungspunkten hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Zwar sind Pflichtteilsansprüche erwachsener Noterben nicht im Abhandlungsverfahren, sondern im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen (RIS-Justiz RS0007888; 1 Ob 48/99m), in der Entscheidung 6 Ob 161/99s hat der Oberste Gerichtshof jedoch mit ausführlicher Begründung (auch unter Bedachtnahme auf die im Rechtsmittel hiezu zitierte Entscheidung 3 Ob 560/92) dargetan, dass einem (volljährigen) Noterben auch im Rahmen der sog schriftlichen Abhandlungspflege aktive Beteiligtenstellung (im Sinne des § 9 AußStrG) - freilich nur soweit hiedurch eine Verkürzung in seiner materiellrechtlichen oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung als Noterbe herbeigeführt werden könnte, also im Ergebnis beschränkt auf die Rechte aus den §§ 784, 804 und 812 ABGB (RIS-Justiz RS0006519) - und insoweit auch Antrags- und Rechtsmittellegitimation zukommt (so auch 2 Ob 513/88, 4 Ob 1612/94 und 1 Ob 48/99m), womit bereits der Hinweis der Rechtsmittelwerberin, der Rekurs der Noterbinnen hätte vom Rekursgericht "wegen mangelnder Rechtsmittellegitimation" zurückgewiesen werden müssen, widerlegt ist (speziell zum Rekursrecht des Noterben gegen die Einantwortungsurkunde bei schriftlichem Abhandlungsverfahren siehe auch SZ 24/284 und 8 Ob 619/93; weiters RIS-Justiz RS0006479). Anders als in der Entscheidung 3 Ob 560/92 geht es hier auch nicht um die Frage der Zustimmung von Noterben zur schriftlichen Abhandlungspflege, sondern darum, ob ihnen durch die Vorgangsweise des Abhandlungsgerichtes ausreichend Gelegenheit zur aktiven Beteiligung am Abhandlungsverfahren überhaupt eingeräumt worden ist (ausführliche Nachweise über die einzelnen Rechte in RIS-Justiz RS0006500). Wie der Oberste Gerichtshof gerade auch in dieser Entscheidung hervorgehoben hat, geschieht nämlich die Verfahrensbeteiligung volljähriger Noterben in ausreichender Weise nicht bloß durch die Verständigung von der Einleitung des Verfahrens (wie dies hier schon durch die Zustellung des Beschlusses vom 12. 2. 2001 geschehen ist), sondern vielmehr auch aller weiteren, für dessen Fortführung wesentlichen Vorkommnisse (ebenso 8 Ob 619/93). Im vorliegenden Fall wurden nun die beiden Noterbinnen zwar formal dem Verfahren durch Verständigung des Verfahrens beigezogen - sodass insoweit Nullität des Abhandlungsverfahrens (RIS-Justiz RS0005734) vermieden wurde - , wobei im diesbezüglichen Beschluss ausdrücklich von einer Frist für die schriftliche Abhandlungspflege "von drei Monaten" (dies ging damit kalendermäßig sogar über den Antrag der Testamentserbin "bis vorerst 30. 4. 2001" hinaus) die Rede war. Dass dann dessen ungeachtet die nunmehr verfahrensgegenständlichen weiteren Beschlüsse des Erstgerichtes bereits zwei Wochen später, nämlich am 1. 3. 2001 (gerechnet von den Zustelldaten Ende Februar 2001 nicht einmal eine Woche) erlassen wurden, ohne dass den Noterbinnen das zweifellos wesentliche Vorkommnis im weiteren Verfahrensgang, nämlich der den Beschlüssen vom 1. 3. 2001 zugrunde liegende Antragsschriftsatz der erblasserischen Witwe und Testamentserbin, zur Kenntnis gebracht und ihnen damit Gelegenheit zumindest zur Äußerung (samt eigener Antragstellung) gegeben wurde, begründete in der Tat - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - eine derart wesentliche Verkürzung in der ihnen zukommenden Beteiligtenstellung, dass der Zweck ihrer Beteiligung als Pflichtteilsberechtigte (RIS-Justiz RS0012906) hiedurch geradezu konterkariert wurde. Darauf haben diese in ihren vom Rekursgericht stattgegebenen Rekursen auch zutreffend hingewiesen. Dass die Beschüsse vom 1. 3. 2001 dabei erst rund drei Wochen später, nämlich am 21. 3. 2001, zugestellt wurden, vermag an diesem Ergebnis (entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin) schon deshalb nichts zu ändern, weil die Noterbinnen ja schon durch die - verfrühte - Entscheidung (und nicht erst durch die spätere Zustellung, welche im Übrigen ebenfalls zeitlich weit vor dem ihnen seinerzeit bekanntgegebenen Fristende lag) in ihrer aufgezeigten Rechtsstellung als beizuziehende Verfahrensbeteiligte verkürzt worden waren, was nunmehr im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein wird, wobei sie - dies in Erwiderung des Vorwurfes der (weiterhin gegebenen) Säumigkeit - zwischenzeitlich ohnedies bereits einen Antrag auf Inventarisierung und Schätzung des in die Verlassenschaft fallenden erblasserischen Vermögens samt Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen der erblasserischen Witwe beim Abhandlungsgericht gestellt haben (ON 21), über den nunmehr umgehend zu entscheiden sein wird. Dem Rekurs war damit aus allen diesen Erwägungen keine Folge zu geben, sondern vielmehr die bekämpfte Entscheidung des Rekursgerichtes zu bestätigen.

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