OGH 2Ob686/51

OGH2Ob686/5124.10.1951

SZ 24/284

Normen

ABGB §§762 ff
ABGB §784
ABGB §804
ABGB §812
AußStrG §2 Z5
AußStrG §9
AußStrG §10
AußStrG §174
ABGB §§762 ff
ABGB §784
ABGB §804
ABGB §812
AußStrG §2 Z5
AußStrG §9
AußStrG §10
AußStrG §174

 

Spruch:

Dem Noterben ist eine Ausfertigung der Einantwortungsurkunde zuzustellen. Auch wenn er dem Abhandlungsverfahren nicht zugezogen wurde, ist er zum Rekurs gegen die Einantwortungsurkunde legitimiert.

Entscheidung vom 24. Oktober 1951, 2 Ob 686/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Auf Grund eines Notariatsaktes, in welchem zwei Ehegatten einander gegenseitig und wechselseitig zu Universalerben ihres Nachlasses einsetzten und etwa überlebende Kinder auf den gebührenden gesetzlichen Pflichtteil beschränkten, wobei diese gegenseitige Erbseinsetzung bezüglich der freien letztwilligen Verfügung entzogenen Viertels des Nachlasses als Testament, bezüglich der übrigen drei Viertel dagegen als Erbvertrag erklärt wurde, hat sich nach dem Tode des Ehemannes dessen Witwe auf Grund der in den bezeichneten Ehepakten enthaltenen letztwilligen Anordnung unbedingt zum ganzen Nachlaß erbserklärt. Ihre Erbserklärung wurde mit Beschluß des Abhandlungsgerichtes zu Gericht angenommen, ihr Erbrecht für ausgewiesen erkannt, das von ihr erstattete eidesstättige Vermögensbekenntnis der Abhandlung zugrunde gelegt und diese für beendet erklärt. Hierauf erging die Einantwortungsurkunde.

Im Protokoll des Notars und Gerichtskommissärs war zu den Pflichtteilsforderungen der großjährigen, in Wien ansässigen erblasserischen Kinder erklärt worden, daß die erblasserische Witwe das Erforderliche selbst vorkehren werde.

Die erwähnten Beschlüsse stellte das Erstgericht diesen Kindern nicht zu.

Eines der Kinder ergriff Rekurs gegen die Einantwortungsurkunde mit dem Antrage, sie aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen; der Rekurs machte geltend, die Rekurswerberin sei dem Nachlaßverfahren, wiewohl teilnahmeberechtigt, nicht zugezogen worden.

Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück, weil eigenberechtigte Noterben, welche am Verfahren nicht teilgenommen haben, nicht zur Anfechtung der Endbeschlüsse, welche ihr Pflichtteilsrecht nicht berühren, oder zur Bekämpfung der Einantwortungsurkunde befugt seien, weil sie als bloße Nachlaßgläubiger die Nachlaßeinantwortung nicht verhindern könnten.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsrekurs des Noterben Folge gegeben, den Beschluß des Rekursgerichtes aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht verquickt in seiner Entscheidung die dem Verfahrensrecht angehörende Frage, ob eigenberechtigte Noterben bei sonstiger Nichtigkeit oder wenigstens Mangelhaftigkeit des Verfahrens der Nachlaßabhandlung beizuziehen und berechtigt sind, ihre Beiziehung zur Wahrung allfälliger Rechte zu begehren, mit der gleichfalls verfahrensrechtlichen Frage, ob ihnen, wenn diese Beiziehung unterlassen wurde, der Rekurs gegen die in einem solchen Verfahren ergangenen Endbeschlüsse zusteht.

Der Oberste Gerichtshof hat zunächst nur die letztere Frage zu prüfen. Ihre Lösung liegt im § 9 AußstrG., der jedem, der sich durch eine Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet, das Recht der Vorstellung bzw. des Rekurses eröffnet. Das Beschwerderecht ist demnach nicht auf die Parteien im engeren Sinn beschränkt, das heißt jene, deren rechtlich anerkannte Interessen durch den Ausgang des Verfahrens betroffen werden und die durch Ladung usw. mit ihm schon in unmittelbare Berührung getreten und dadurch in die Lage versetzt worden sind, ihre Rechte zu verfolgen, sondern es wird jedem Interessenten eingeräumt. Dieses Beschwerderecht besteht auch, wenn der Interessent in erster Instanz am Verfahren gar nicht teilgenommen hat und erst durch die Ergreifung des Rechtsmittels zur Partei im engeren Sinn wurde. Der Parteibegriff läßt sich nach der Natur der Sache im Verfahren außer Streitsachen nicht genau fixieren, und das Abhandlungspatent gebraucht den Ausdruck Partei wiederholt in wechselnder Bedeutung und versteht darunter zumeist auch (vergleiche § 2 Z. 5, § 10, § 18 Abs. 2) alle Personen, die durch eine

anhängige Sache in ihren Interessen betroffen werden, auch wenn sie am Verfahren nicht teilgenommen haben. Für diesen Parteibegriff entscheidend ist kein formelles Element, sondern das materielle Verhältnis der betreffenden Person zum Gegenstande des konkreten Verfahrens.

Diese Voraussetzungen treffen aber auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes für den Noterben in jedem Falle zu. Hinsichtlich der minderjährigen oder pflegebefohlenen Erben, für deren Rechte das Gericht von Amts wegen vorzusorgen (§ 49 AußstrG., Rintelen S. 54) und hinsichtlich derer es gemäß § 162 AußstrG. den Pflichtteilsausweis nach §§ 762 ff. ABGB. zu fordern hat, will wohl auch das Rekursgericht die Eigenschaft als "Partei" nicht in Abrede stellen. Es ist aber nicht zu erkennen, warum dies auf den eigenberechtigten Noterben nicht zutreffen soll. Gewiß ist es einwandfrei richtig, daß das Gericht von Amts wegen für sie nicht zu sorgen hat, wenn sie bekannt und anwesend sind, und daß es infolgedessen weder ihren Pflichtteil zu ermitteln, noch für dessen Sicherstellung zu sorgen und auch vom Erben keinen Pflichtteilsausweis zu fordern, sondern diesem den Nachlaß ohne Sicherstellung solcher Pflichtteile einzuantworten hat. Allein daraus folgt noch nicht, daß ein eigenberechtigter Noterbe nicht doch im Verfahren eigene Rechte wahrzunehmen berechtigt sei, so daß er Parteistellung im früher erörterten Sinn besitzt und darum gemäß § 9 AußstrG. auch berechtigt ist, gegen ihn beschwerende Beschlüsse des Abhandlungsgerichtes Rechtsmittel einzulegen.

Der Noterbe, darum auch der eigenberechtigte, ist gemäß § 784 ABGB. befugt, der Nachlaßschätzung beizuwohnen und bei ihr Erinnerungen vorzubringen, er kann gemäß § 804 ABGB. die Errichtung eines Inventars begehren und nach § 812 ABGB. die Nachlaßabsonderung beantragen. Ihm sind auch die bezüglichen Beschlüsse und die im Verfahren ergehenden Endbeschlüsse einschließlich der Einantwortungsurkunde zuzustellen. Der Umstand, daß ein eigenberechtigter Noterbe am Verfahren nicht teilgenommen, weder Inventur noch Nachlaßabsonderung beantragt, noch sonstige Anträge erstattet hat, kann ihm die Eigenschaft als berechtigter Nachlaßteilnehmer und darum als Interessent im Sinn des § 9 AußstrG. nicht nehmen. Dies umsomehr, wenn er von dem Verfahren keine Kenntnis hatte und nicht beigezogen wurde.

Es wird ihm darum auch in diesem Fall das Recht nicht abgesprochen werden können, gegen die im Verfahren ergangenen Beschlüsse, vor allem gegen die Endbeschlüsse, Rechtsmittel einzulegen, ohne daß für deren Zulässigkeit eine Vorprüfung stattzufinden hätte, ob und inwieweit durch sie im besonderen Fall seine Interessen betroffen sind. Virtuell kann dies eben grundsätzlich bei jedem im Verfahren ergehenden Beschluß der Fall sein.

Der Oberste Gerichtshof gelangt darum zu dem Ergebnis, daß der Rekurs der Anna B. zulässig war und einer meritorischen Erledigung zuzuführen ist.

Damit ist noch nicht die allerdings streitige Frage ausdrücklich entschieden, ob eigenberechtigte Noterben unter allen Umständen als Teilnehmer einer Nachlaßabhandlung zuzuziehen sind und welche Folgen die Unterlassung einer solchen Beiziehung für das Verfahren hat (vergleiche anderseits Czerny in der NotZ. 1951, S. 21 ff. und 44 ff., 3 Ob 836/35, NotZ. 1936, S. 109, 3 Ob 542/36, ebenda S. 160, Ehrenzweig, Familien- u. Erbrecht, 1924, S. 543, 3 Ob 444/50 anderseits). Diese Frage ist im Gesetz nicht ausdrücklich entschieden und ihre Lösung gehört der Auslegung verfahrensrechtlicher Normen an. Zu ihr wird das Rekursgericht allerdings bei der Entscheidung über das Rechtsmittel Stellung nehmen müssen.

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