OGH 8Ob619/93

OGH8Ob619/9328.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des ***** Peter A*****, infolge Revisionsrekurses der Maria A*****, vertreten durch Dr.Reinhard Kraler, Rechtsanwalt in Lienz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 13.Juli 1993, GZ 1 b R 123/93-23, womit infolge Rekurses des Werner A***** der Beschluß des Bezirksgerichtes Lienz vom 27.Mai 1993, GZ 1 A 73/93s-11, sowie weitere Beschlüsse als nichtig aufgehoben wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am 20.2.1993 verstorbene Peter A***** hinterließ seine Gattin Maria sowie drei eigenberechtigte Söhne und eine eigenberechtigte Tochter. Der Erblasser setzte seine Gattin als Alleinerbin und seinen Sohn Edwin sowie seine Tochter Christa zu gleichen Teilen als Nacherben ein. Seinen Söhnen Werner und Edwin (richtig Peter) vermachte er jeweils S 40.000.

Mit Beschluß vom 26.2.1993 bewilligte das Erstgericht der Erbin über deren Antrag die schriftliche Abhandlungspflege. Gleichzeitig setzte es zur Abgabe der Erbserklärung und zur Vorlage des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses sowie zur Stellung der Erledigung der Verlassenschaftssache erforderlichen Schlußanträge eine Frist bis zum 31.5.1993. Dieser Beschluß wurde dem Sohn Werner nicht zugestellt; ein Inventar wurde nicht errichtet.

Mit Beschlüssen samt Einantwortungsurkunde vom 27.5.1993 wurde aufgrund des Testamentes die unbedingte Erbserklärung der Witwe angenommen, der Abhandlungspflege das eidesstättige Vermögensbekenntnis zugrunde gelegt, der Nachlaß unter Hinweis auf das Erbübereinkommen der Witwe eingeantwortet und die Verlassenschaftssache für beendet erklärt.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Einantwortungsurkunde erhobenen Rekurs des Sohnes Werner Folge, hob den angefochtenen Beschluß sowie die weiteren Beschlüsse des Erstgerichtes vom gleichen Tag und das der Fassung dieser Beschlüsse vorausgegangene Verlassenschaftsverfahren als nichtig auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es vertrat die Ansicht, das Erstgericht hätte die ihm bekannten Noterben von der Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens und von den wesentlichen Verfahrensschritten verständigen müssen, weil anderenfalls nicht gesichert sei, daß sie ihre, sich aus den §§ 804, 7 84 und 812 ABGB ergebenden Rechte ausreichend wahrnehmen könnten. Daß der Rekurswerber vom Vertreter der Erbin vorgeladen wurde, reiche hiefür nicht aus, weil dieser dem Rekurswerber gegenüber nicht zu objektiver und vollständiger Auskunftserteilung verpflichtet gewesen wäre. Die Zustellung der Einantwortungsurkunde und der Endbeschlüsse bedeute keine ausreichende Beiziehung zum Verlassenschaftsverfahren, weil zu diesem Zeitpunkt die dem Noterben vom Gesetz eingeräumten Rechtshandlungen nicht mehr gesetzt werden könnten. Wenn der Rekurswerber ausdrücklich auch nur die Einantwortungsurkunde angefochten habe, so habe er doch mit seinem Rechtsmittel das Ziel verfolgt, die Fortsetzung des Abhandlungsverfahrens zu erreichen, sodaß die Einantwortungsurkunde und die Endbeschlüsse sowie das vorangegangene Verfahren aufzuheben seien, da die genannten Beschlüsse nach ständiger Rechtsprechung als Einheit anzusehen seien.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage, welche Folgen die Nichtbeteiligung eines Noterben am Verlassenschaftsverfahren mit sich bringe und inwiefern dieser zur Bekämpfung der Einantwortungsurkunde und der Endbeschlüsse berechtigt sei, eine unterschiedliche Judikatur des Höchstgerichtes vorliege.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Erbin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie meint, der Noterbe Werner sei zwar nicht vom Beschluß des Erstgerichtes verständigt worden, wonach ihr die beantragte schriftliche Abhandlungspflege bewilligt worden sei; er habe jedoch von der Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens Kenntnis gehabt, da er von ihrem ausgewiesenen Vertreter hievon verständigt worden sei; dies sei ausreichend. Daß der Noterbe zu der von ihrem Vertreter vorgeschlagenen Besprechung nicht gekommen sei, sei als schlüssiger Verzicht auf die Errichtung eines Inventars oder der Nachlaßschätzung

zu werten, was ohne weiteres möglich sei. Wäre der Noterbe offiziell vom Gericht zu verständigen, so würde damit die Möglichkeit schriftlicher Abhandlungspflege "ab absurdum" geführt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs kann zwar als zulässig angesehen werden, er ist jedoch nicht berechtigt.

Die oberstgerichtliche Rechtsprechung ist zu dem hier relevanten Problemkreis nahezu einhellig (JBl 1974, 212; 1985, 98; NZ 1989, 15; SZ 64/184 uva). Geringfügige Judikaturdivergenzen treffen hier nicht relevante Konstellationen. Die vom Rekursgericht zitierte angeblich gegenteilige Entscheidungslinie betrifft einen anderen Sachverhalt:

Es müssen die gesetzlichen Erben nicht verständigt werden, wenn ein dem äußeren Anschein nach unbedenkliches Testament vorliegt (SZ 43/179; NZ 1978, 174 ua; zuletzt 8 Ob 630/87).

Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits entschieden, daß das Recht des Noterben auf Beiziehung im Abhandlungsverfahren durch die Entscheidung, ob die Durchführung des Abhandlungsverfahrens schriftlich oder durch den Gerichtskommissär zu führen ist, nicht berührt wird (NZ 1989, 15); der Noterbe muß auch in diesem Fall von der Einleitung des Verfahrens und von den wesentlichen Vorkommnissen verständigt werden (3 Ob 560/92); ihm ist eine Ausfertigung der Einantwortungsurkunde zuzustellen und es steht ihm, auch wenn er dem Abhandlungsverfahren nicht beigezogen worden ist, ein Rekursrecht gegen die Einantwortungsurkunde zu (SZ 24/284; EvBl 1981, 50 uva).

Die notwendigen Verständigungen des Noterben haben durch das Gericht oder den Gerichtskommissär zu erfolgen; die Verständigung durch den Machthaber des Erben reicht nicht aus, weil auf diese Weise die objektive Information des Noterben nicht gewährleistet ist. Daß auf diese Weise die schriftliche Abhandlungspflege mit gewissen Erschwernissen und Verzögerungen verbunden ist, rechtfertigt es nicht, dem Noterben seine ihm sonst zustehenden Informationsrechte zu verkürzen.

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