OGH 8Ob630/87

OGH8Ob630/8722.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 1. Oktober 1986 verstorbenen Anna M*** infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Elisabeth S***, Köchin, Vösendorferstraße 140, 1232 Wien, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 8. Mai 1987, GZ 47 R 331-334/87-28, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Liesing vom 20. Oktober 1986, GZ 1 A 525/86-6, und vom 29. Jänner 1987, GZ 1 A 525/86-16, teilweise abgeändert wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der im übrigen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im Umfang der Abänderung der im Punkt 3) des Beschlusses des Erstgerichtes vom 20. Oktober 1986 (ON 6) und im Punkt 1) des Beschlusses des Erstgerichtes vom 29. Jänner 1987 (ON 16) getroffenen Entscheidungen dahin abgeändert, daß in diesem Umfang die Entscheidungen des Erstgerichtes wiederhergestellt werden.

Text

Begründung

Anna M*** verstarb am 1. Oktober 1986 unter Hinterlassung eines eigenhändigen Testamentes vom 6. August 1986, mit dem sie Elisabeth S*** zur Alleinerbin einsetzte. Als gesetzliche Erben kommen nach der Aktenlage eine in Ungarn lebende Schwester der Erblasserin namens Ferencne F*** und die Kinder zweier weiterer vorverstorbener Geschwister der Erblasserin in Betracht; die Anschriften dieser Personen wurden erst im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens bekannt.

Elisabeth S*** gab auf Grund des Testamentes vom 6. August 1986 die unbedingte Erbserklärung zum ganzen Nachlaß ab und stellte den Antrag, ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen (ON 5). Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 20. Oktober 1986 (ON 6) wurde unter anderem die Erbserklärung der Elisabeth S*** zu Gericht angenommen und ihr Alleinerbrecht auf Grund des Testamentes für ausgewiesen erachtet (Punkt 2) sowie der erbserklärten Erbin gemäß den §§ 810 ABGB und 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen (Punkt 3). Eine Verständigung der als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Verwandten der Erblasserin hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden.

Am 2. Dezember 1986 gab die Schwester der Erblasserin Ferencne F***, die die Gültigkeit des Testamentes vom 6. August 1986 bestritt, auf Grund des Gesetzes zu einem Drittel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab (ON 10). Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 7. Jänner 1987 (ON 12) wurde auch diese Erbserklärung zu Gericht angenommen und das Verfahren nach § 125 AußStrG eingeleitet. In der Folge beantragte Ferencne F*** gemäß § 127 AußStrG die Sequestration des Nachlasses. Mit Beschluß vom 29. Jänner 1987 (ON 16) wies das Erstgericht unter anderem diesen Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, daß, wenn einem Erbansprecher gemäß den §§ 810 ABGB, 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen worden sei, sein Gegner im Erbrechtsstreit eine Sequestration nur unter den Voraussetzungen der §§ 381 ff EO erwirken könne. Die erblasserische Schwester habe aber weder behauptet noch bescheinigt, daß die Durchsetzung des von ihr behaupteten Anspruches bei Aufrechterhaltung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses durch die Erbansprecherin Elisabeth S*** gefährdet wäre. Wenn über deren Vermögens- und Einkommenssituation nichts bekannt sei, reiche dies nicht hin, um ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu entziehen. Im übrigen sei gemäß § 127 AußStrG eine Sequestration des Nachlasses vor Einbringung der Erbrechtsklage nicht zulässig.

Infolge Rekurses der Ferencne F*** änderte das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß unter anderem Punkt 3) des Beschlusses des Erstgerichtes ON 6 dahin ab, daß es den Antrag der Elisabeth S*** auf Einräumung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses abwies. Den Beschluß des Erstgerichtes ON 16 änderte es in seinem Punkt 1) dahingehend ab, daß es die gerichtliche Sequestration des Nachlasses gemäß § 127 Abs 1 AußStrG anordnete; die Auswahl und Bestellung des Sequesters behielt es dem Erstgericht vor.

Diesen Teil seiner Entscheidung begründete das Rekursgericht im wesentlichen damit, das Erstgericht habe das alleinige Erbrecht der Elisabeth S*** auf Grund des Testamentes für ausgewiesen erachtet. Dies sei Voraussetzung für die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gewesen, weil § 810 ABGB vorsehe, daß der Erbe, dem die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft zu überlassen sei, bei Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweise, § 145 Abs 1 AußStrG ausdrücklich auf diese Bestimmung verweise und bei widerstreitenden Erbserklärungen die Überlassung der Besorgung und Verwaltung an einen der Konkurrenten ausgeschlossen sei. Das Erstgericht, das die gesetzlichen Erben vom Erbanfall noch nicht verständigt gehabt habe, habe aber nicht vom alleinigen Erbrecht der Testamentserbin ausgehen dürfen. Es sei daher in diesem Zeitpunkt auch nicht die Voraussetzung für die Übertragung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses vorgelegen. Dies ergebe sich daraus, daß eine spätere widersprechende Erbserklärung, die erst nach dem Zeitpunkt bei Gericht eingelangt sei, in dem dem Testamentserben auf Grund der von ihm früher abgegebenen Erbserklärung aus dem Testament bereits die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen worden sei, auf die letztgenannte Verfügung des Gerichtes keinen Einfluß habe und die Aufhebung der Besorgung und Verwaltung analog dem § 127 Abs 2 AußStrG nur unter den Voraussetzungen der §§ 381 ff EO möglich wäre. Da zwischenzeitig die erblasserische Schwester zu einem Drittel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung auf Grund des Gesetzes abgegeben habe und diese vom Erstgericht auch angenommen worden sei, fehle auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichtes die Voraussetzung für die Einräumung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die Testamentserbin nach den §§ 810 ABGB und 145 AußStrG. § 127 Abs 1 letzter Satz AußStrG stelle jedem der konkurrierenden Erbansprecher frei, die gerichtliche Sequestration des Nachlasses bis zur Entscheidung des Erbrechtsstreites zu verlangen. Wenn das Erstgericht die Abweisung des diesbezüglichen Antrages der erblasserischen Schwester damit begründet habe, daß eine Sequestration nur unter den Voraussetzungen der §§ 381 ff EO zu erwirken sei, weil der Testamentsserbin bereits die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen worden sei, stehe dem entgegen, daß der Beschluß nach den §§ 810 ABGB, 145 AußStrG noch nicht in Rechtskraft erwachsen gewesen sei. Es treffe auch nicht zu, daß eine Sequestration des Nachlasses vor Einbringung der Erbrechtsklage nicht zulässig sei. Wenn zwei oder mehrere miteinander konkurrierende Erbserklärungen zu Gericht angenommen worden seien, die Einbringung einer Erbrechtsklage jedoch noch nicht erfolgen habe können, weil das Abhandlungsgericht die nach § 125 AußStrG vorgeschriebene Vernehmung der Parteien noch nicht durchgeführt habe und daher die Beschlußfassung über die Verteilung der Parteirollen noch ausstehe, dürfe diese außerhalb der Ingerenz der Parteien liegende Verfahrensverzögerung nicht dazu führen, daß den Parteien der Anspruch auf gerichtliche Sequestration des Nachlasses vorenthalten werde. Im übrigen seien zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichtes infolge der in der Zwischenzeit erfolgten fristgerechten Einbringung der Erbrechtsklage die Voraussetzungen der Sequestration auch unter Zugrundelegung der vom Erstgericht vertretenen Rechtsansicht gegeben.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der erbserklärten Testamentserbin Elisabeth S***. Sie bekämpft sie insoweit, als ihr Antrag auf Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft abgewiesen und die gerichtliche Sequestration des Nachlasses angeordnet wurde, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß in diesem Umfang im Sinne der Wiederherstellung Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Es trifft entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht zu, daß das Erstgericht der erbserklärten Testamentserbin zu Unrecht die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen hätte. Diese Anordnung setzt im Sinne der §§ 145 Abs 1 AußStrG, 810 ABGB nur die Abgabe einer entsprechenden Erbserklärung, ihre Annahme und einen hinreichenden Erbrechtsnachweis voraus (siehe dazu Welser in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 810 ABGB). Dabei handelt es sich nicht um einen besonders qualifizierten Erbrechtsausweis, wie er im Falle des § 145 Abs 2 AußStrG gefordert wird; es genügt der "gehörige Ausweis" des Erbrechtes im Sinne des § 122 AußStrG (vgl. JBl 1935, 323), der im Fall der testamentarischen Erbfolge durch eine der äußeren Form nach formgültige letztwillige Verfügung erfolgt (siehe dazu Welser aaO Rz. 14 und 20 zu den §§ 799, 800; NZ 1968, 109). Liegen diese Voraussetzungen vor, dann hat der Erbe ein subjektives Recht auf Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft im Sinne des § 145 Abs 1 AußStrG (Weiß in Klang2 III 1013; Welser aaO Rz 3 zu § 810; SZ 21/17; SZ 56/123 ua.).

Im vorliegenden Fall hat Elisabeth S*** auf Grund des eigenhändigen Testamentes der Erblasserin vom 6. August 1986, nach dessen Inhalt sie zur Alleinerbin eingesetzt wurde, die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß abgegeben, die zu Gericht angenommen wurde. Es handelt sich um eine nach Inhalt und äußerer Form unbedenkliche letztwillige Anordnung; daß sie etwa nicht von der Erblasserin geschrieben und unterschrieben worden wäre, wird nicht einmal von ihrer Schwester die auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung zu einem Drittel des Nachlasses abgegeben hat, behauptet. Die von ihr behaupteten Willensmängel, denen die Erblasserin bei Abfassung dieses Testamentes unterlegen sein soll, haben im Sinne obiger Rechtsausführungen mit der Erbringung eines hinreichenden Erbrechtsausweises durch die Testamentserbin nichts zu tun; sie betreffen nicht die äußere Form des Testamentes. Die Testamentserbin hat daher durch das vorliegende Testament der Erblasserin vom 6. August 1986 ihr behauptetes Erbrecht im Sinne der §§ 145 Abs 1 AußStrG, 810 ABGB auch hinreichend ausgewiesen, sodaß alle Voraussetzungen vorlagen, ihr im Sinne des von ihr gestellten Antrages die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft zu überlassen.

Daß zum damaligen Zeitpunkt die in Betracht kommenden gesetzlichen Erben nicht vom Erbanfall verständigt worden waren, ändert daran nichts. Denn nach § 75 AußStrG sind nur die vermutlichen Erben vom Erbanfall zu verständigen. Bei der testamentarischen Erbfolge sind die gesetzlichen Erben nicht als vermutliche Erben anzusehen und daher auch nicht im Sinne des § 75 AußStrG vom Erbanfall zu verständigen (SZ 16/58; SZ 25/190 ua.). Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Rechtsmeinung hat unter diesen Umständen das Erstgericht mit Recht der erbserklärten Testamentserbin die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen.

Die erst später abgegebene widersprechende Erbserklärung der Schwester der Erblasserin ist für sich allein nach Lehre und ständiger Rechtsprechung kein Grund für eine Abänderung dieser Verfügung (Welser aaO Rz 26 zu § 810; SZ 25/204; EvBl 1950/434; RZ 1967/108; EFSlg. 14.721; 5 Ob 592/77 ua.). Die Aufhebung der Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft an den Erben und die Anordnung der gerichtlichen Sequestration des Nachlasses wäre in einem solchen Fall im Sinne der Vorschrift des § 127 Abs 2 AußStrG nur unter den Voraussetzungen der §§ 381 ff EO möglich (EFSlg. 14.721 mwN; 5 Ob 592/77; siehe dazu auch Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen2 § 127 Anm. 3). Das Vorliegen derartiger Voraussetzungen wurde aber von der Schwester der Erblasserin im Verlassenschaftsverfahren nicht einmal behauptet. Es bestand somit auch entgegen der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes kein Anlaß für die Anordnung der gerichtlichen Sequestration des Nachlasses.

Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der erbserklärten Testamentserbin der Beschluß des Rekursgerichtes im Umfang der Anfechtung im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

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