OGH 5Ob592/77

OGH5Ob592/777.6.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Verlassenschaftssache nach der * 1974 verstorbenen B*, Private, zuletzt wohnhaft gewesen *, infolge Revisionsrekurses der H*‑Stiftung *, vertreten durch die Finanzprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 3. März 1977, GZ 43 R 1650/76‑84, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 16. November 1976, GZ 3 A 421/74‑65, in seinen Punkten 1.) bis 4.) abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00592.77.0607.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit der vorliegenden Verlassenschaftssache bereits in seinem Beschluß vom 21. Oktober 1975, ON 38 des Aktes, zu befassen, so daß an die dort dargestellte Sach- und Rechtslage angeknüpft werden kann.

Das Erstgericht nahm mit Beschluß vom 14. April 1976, ON 51, die von der Finanzprokuratur namens der „H*‑Stiftung *“ auf Grund des Testamentes vom 12. Jänner 1973 zum ganzen Nachlaß abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht an und wies dem Kuratorium W* und der erblasserischen Tochter M* in dem von diesen anzustrengenden Erbrechtsprozeß gegen die H*‑Stiftung * die Klägerrolle mit der Aufforderung zu, binnen drei Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Erbrechtsklage einzubringen und dies innerhalb dieser Frist dem Gericht nachzuweisen, widrigenfalls mit der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung ihrer auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche vorgegangen würde. Dieser Beschluß wurde laut Abfertigungsvermerk am 2. Juni 1976 abgefertigt. Der Rückschein über die Zustellung an den Vertreter des Kuratoriums W* enthält neben dem Vordruck GZ die maschingeschriebene Angabe „3 A 421/74‑51“ sowie den handschriftlich angebrachten Zusatz: „Photo 159 + 161“. Der zuletzt angeführte Zusatz bezog sich offensichtlich auf die in der Zustellverfügung angeordnete Übersendung einer Photokopie von den Seiten 159 und 161 des Aktes.

Mit Beschluß vom 16. November 1976, ON 65, traf das Erstgericht folgende Verfügungen:

„1.) Da in der nach § 125 AußStrG mit hg. Beschluß vom 14. April 1976, ON 51, bestimmten Frist weder vom Kuratorium W* ... noch von der erblasserischen Tochter M* ... eine Erbrechtsklage eingebracht wurde, wird die Verlassenschaftsabhandlung ohne Rücksicht auf ihre auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche weitergeführt.

2.) Dem Kuratorium W* wird die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses entzogen.

3.) Gemäß den §§ 810 ABGB, 146 AußStrG wird der „H*-Stiftung *“ die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen.

4.) Der Akt wird dem Gerichtskommissär D* ... zur Errichtung des Inventars binnen vier Wochen übermittelt.“

Das Erstgericht führte dazu aus, der Beschluß vom 14. April 1976 über die Verteilung der Klägerrollen für den Erbrechtsstreit sei am 18. Juni 1976 in Rechtskraft erwachsen. Da die Einbringung der Erbrechtsklage nicht nachgewiesen worden sei, seien die auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche nicht zu berücksichtigen. Durch die Nichtanbringung der Erbrechtsklage sei die Erbeneigenschaft des Kuratoriums W* weggefallen und daher die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses von Amts wegen zu widerrufen gewesen. Sie sei gleichzeitig der H*‑Stiftung * zu überlassen, mit welcher nunmehr als Alleinerbin das Verlassenschaftsverfahren weiterzuführen und zu beenden sei.

In dem gegen diesen Beschluß eingebrachten Rekurs behauptete das Kuratorium W*, ihm sei eine Ausfertigung des Beschlusses vom 14. April 1977, ON 51, nicht zugestellt worden.

Die Kanzleileiterin der Gerichtsabteilung 3 des Erstgerichtes gab zu dieser Rekursbehauptung zu Protokoll, die Abfertigung des Beschlusses ON 51 vorgenommen zu haben. Sie halte es für unmöglich, daß in das Kuvert für Dr. S* keine Ausfertigung des Beschlusses vom 14. April 1976 gegeben worden sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kuratoriums W* Folge. Es sprach aus, daß der angefochtene Beschluß, „der in seinem Punkte 1.) bezüglich der die erblasserische Tochter M* getroffenen Verfügungen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, ... im übrigen ersatzlos behoben“ wird. Es führte aus: Der von der Kanzlei des Vertreters des Kuratoriums W* am 3. Juni 1976 unterfertigte Rückschein weise die Übernahme eines Geschäftsstückes „3 A 421/74-51“ des Erstgerichtes ohne Hinweis auf eine Gerichtsentscheidung aus. Wenn dazu auch dem Protokoll ON 71 des Aktes zu entnehmen sei, daß nach der Erinnerung der Kanzleileiterin der Beschluß ON 51 in den Briefumschlag gegeben worden sei, könne doch nicht ausgeschlossen werden, daß entsprechend dem Rekursvorbringen aus einem technischen Versehen oder durch einen Zufall nicht der Beschluß ON 51, sondern die mit dem Schriftsatz ON 76 vorgelegten Photokopien letztwilliger Verfügungen der Erblasserin zum Zeitpunkt der Zustellung im Umschlag enthalten gewesen seien. Aus dem Rückschein allein habe ein Hinweis auf die Zustellung eines Beschlusses nicht entnommen werden können, „weil er in der Anführung einer Geschäftszahl allein nicht“ liege. Da die Gerichtsübung bestehe, auch eine keine Entscheidungen beinhaltende Zustellpost durch Anführung der Ordnungsnummer, mit der eine entsprechende Verfügung getroffen worden sei, zu bezeichnen, habe der Adressat der Meinung sein können, die angeführte ON 51 bezeichne die Verfügung, mit welcher die Zustellung der ihm zugekommenen Ablichtungen der letztwilligen Verfügungen angeordnet worden sei, da der Auftrag zur Klagseinbringung gegenüber dem Kuratorium W* mangels Zustellung keine Rechtswirksamkeit erlangt habe, seien dem Kuratorium gegenüber die Voraussetzungen für die vom Erstgericht in Anwendung der Bestimmung des § 126 letzter Satz AußStrG getroffenen Maßnahmen nicht gegeben. Im übrigen habe das Kuratorium W* zu 39 d Cg 534/76 des Landesgerichtes für ZRS Wien am 23. Dezember 1976 gegen die H*-Stiftung * die Erbrechtsklage eingebracht. Die nach Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft an das Kuratorium W* angenommene widersprechende Erbserklärung gebe keinen Grund ab für die Entziehung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses, weil die Aufhebung analog zu § 127 Abs 2 AußStrG nur unter den Voraussetzungen der §§ 381 ff EO möglich wäre.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der H*‑Stiftung * mit dem Antrag, den Beschluß dahingehend abzuändern, daß dem Rekurs des Kuratoriums W* gegen den erstgerichtlichen Beschluß vom 16. November 1976, ON 65, nicht Folge gegeben werde, allenfalls den Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.

Die Behebung des erstgerichtlichen Beschlusses durch das Rekursgericht stellt eine abändernde Entscheidung dar.

Die Revisionsrekurswerberin erblickt eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Rekursgericht darin, daß dieses davon ausgegangen sei, der Beschluß ON 51 des Erstgerichtes sei nicht in Rechtskraft erwachsen. Sie führt dazu aus, dem Rückschein sei eindeutig zu entnehmen gewesen, daß eine richterliche Verfügung Gegenstand der Zustellung gewesen sei. Es wäre daher Sache des Zustelladressaten gewesen, sofort zu prüfen, um welche Verfügung es sich gehandelt habe. Das einen Monat später erstattete Vorbringen, der Rückscheinbrief habe die außen angeführte Verfügung ON 51 nicht enthalten, könne „unter den angegebenen Umständen nicht dazu führen, die Zustellung als nicht bewirkt anzusehen“. Stelle der Adressat nach Übernahme des Rückscheinbriefes fest, daß dieser leer sei bzw die angegebene Verfügung nicht enthalte, müsse sogleich ein Antrag auf neuerliche Zustellung oder „vorsichtsweise ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 146 ZPO gestellt werden“. Das Rekursgericht hätte daher von der Wirksamkeit der Zustellung und dem Eintritt der Rechtskraft ausgehen müssen.

Diese Ausführungen lassen die nach der Aktenlage unbedenkliche Annahme des Rekursgerichtes außer acht, daß der Rückscheinbrief an den Vertreter des Kuratoriums W* eine Ausfertigung des erstgerichtlichen Beschlusses vom 14. April 1976, ON 51, nicht enthalten hat. Wenn die Revisionsrekurswerberin in diesem Zusammenhang dem Vertreter des Kuratoriums W* ein verspätetes Vorbringen über den Zustellvorgang anlastet, kann dies allein nicht zu der von ihr angestrebten rechtlichen Beurteilung führ an. Eine wirksame Zustellung setzt voraus, daß der Rückscheinbrief die zuzustellende Ausfertigung der Entscheidung enthält. Ist dies nicht der Fall, dann kann mangels Zustellung die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen beginnen. Die Ansicht des Rekursgerichtes, der erstgerichtliche Beschluß vom 14. April 1976, ON 51, sei dem Kuratorium W* gegenüber mangels Zustellung nicht in Rechtskraft erwachsen und habe den Lauf der Frist für die Einbringung der Erbrechtsklage nicht in Gang gesetzt, ist daher frei von Rechtsirrtum.

Die unter der Überschrift „Mangelhaftigkeit des Verfahrens“ enthaltenen weiteren Ausführungen der Revisionsrekurswerberin, welche von einer Versäumung der Frist zur Anbringung der Erbrechtsklage durch das Kuratorium W* ausgehen, müssen, da diese Voraussetzung nicht zutrifft, unbeachtet bleiben.

Zu der Behauptung im Revisionsrekurs, wäre die Finanzprokuratur zum Rekursvorbringen des Kuratoriums W* gehört worden, wäre das Rekursgericht zur Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses vom 16. November 1976, ON 65, gelangt, ist darauf zu verweisen, daß der Rekurs ein einseitiges Rechtsmittel und eine Gegenäußerung dazu im Verlassenschaftsverfahren nicht vorgesehen ist.

Zur Frage der Entziehung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses hat das Rekursgericht zutreffend auf die Entscheidung 8 Ob 161/69 = EFSlg 14.721 verwiesen. Daß die in dieser Entscheidung geforderten Voraussetzungen für die Aufhebung der Verwaltung des Nachlasses durch das Kuratorium W* gegeben gewesen wären, vermag die Revisionsrekurswerberin nicht zu behaupten.

Dem Revisionsrekurs mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

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