OGH 7Ob163/03a

OGH7Ob163/03a5.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernadette H*****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei C***** S.A., *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versicherungsleistung, über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 5. Mai 2003, GZ 2 R 57/03z-20, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin, die bei der Beklagten unter Einschluss des Flugsportrisikos unfallversichert war, wurde am 14. 8. 1999 bei einem Unfall beim Paragliding schwer verletzt. Sie stellte das Klagebegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr "die Versicherungsleistung aus dem (nummernmäßig bezeichneten) Versicherungsvertrag wegen dauernder Invalidität zu erbringen". Die vorliegende Unfallversicherung sieht im Versicherungsfall durchwegs Kapitalleistungen in Form eines Prozentsatzes von der vereinbarten Versicherungssumme je nach dem Grad der eingetretenen Invalidität vor. Die vereinbarten Versicherungsbedingungen sehen überhaupt kein Sachverständigenverfahren vor.

Das Berufungsgericht, das die Ansicht des Erstgerichtes, die Beklagte sei zufolge Versäumung der vereinbarten (Ausschluss-)Frist zur Geltendmachung des Versicherungsanspruches leistungsfrei, nicht teilte, hat die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichtes gleichwohl deshalb bestätigt, weil die Klägerin ein ziffernmäßig bestimmtes Leistungsbegehren zu stellen gehabt hätte. Da es an der erforderlichen Bestimmtheit des gegenständlichen Klagebegehrens - trotz entsprechender Erörterung durch die Erstrichterin - fehle, liege keine ordnungsgemäße Klage vor. Auch eine Umdeutung der Klage in ein Feststellungsbegehren würde der Klägerin nicht weiterhelfen. Angesichts der Möglichkeit einer (konkreten) Leistungsklage fehle für die insofern subsidiäre Feststellungsklage das rechtliche Interesse. Wie auch in Fällen der Schmerzengeld- oder Verunstaltungsentschädigung treffe die Klägerin eine prozessuale Obliegenheit, sich zB durch Einholung eines Privatgutachtens über den möglichen Anspruchsumfang Klarheit zu verschaffen. Nur bei einem vorgesehenen Schiedsgutachterverfahren wäre eine Bezifferung noch nicht möglich. Derartiges sei aber weder behauptet worden noch den vorgelegten Urkunden zu entnehmen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO im Hinblick auf die Einzelfallkonstellation nicht zulässig sei.

Den vorliegenden Versicherungsbedingungen (AUB 94) liegt offenkundig deutsches Recht zu Grunde. Da die Parteien die Anwendung österreichischen Rechtes nicht in Zweifel gezogen, sondern sich darauf berufen und die Vorinstanzen dieses angewendet haben, muss darauf nicht weiter eingegangen werden (5 Ob 550/95, 2 Ob 80/99; 2 Ob 18/00m).

Die Klägerin macht in der Zulassungsbeschwerde ihrer außerordentlichen Revision (allein) geltend, dass dem Berufungsgericht insofern eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen sei, als nach ständiger Judikatur eine Klage auf Feststellung der Deckungspflicht des Versicherers immer zulässig sei, wenn der Versicherer seine Deckungspflicht dem Grunde nach bestreite, der Schaden nicht außer Streit stehe und ein nach den Versicherungsbedingungen vorgesehenes Sachverständigenverfahren noch nicht stattgefunden habe. Richtig sei zwar, dass die den gegenständlichen Versicherungsvertrag zugrundegelegten Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 1994) nicht dezidiert die Betrauung einer Ärztekommission vorsähen, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Anspruches komme. Zufolge der Bestimmung des § 9 Punkt IV der AUB 1994, wonach sich der Versicherte von den vom Versicherer beauftragten Ärzten untersuchen zu lassen habe, sei es aber ausschließlich Sache des Versicherers, zum Anspruch des Versicherten auch der Höhe nach Stellung zu nehmen und auch einen Sachverständigen bzw Arzt zu beauftragen. Solange dies nicht geschehen sei, bleibe dem Versicherungsnehmer nur die Klage auf Feststellung der Deckungspflicht.

Mit diesen Ausführungen vermag die Revisionswerberin keinen tauglichen Zulassungsgrund aufzuzeigen:

Sieht man davon ab, dass das vorliegende Klagebegehren vom Wortlaut her, als Leistungsklage ohne Spezifizierung der Leistung zu qualifizieren wäre, ist für die Revisionswerberin bei Beurteilung des Begehrens als Feststellungsklage nichts gewonnen. Nach stRsp des Obersten Gerichtshofes ist eine Klage auf Feststellung der Deckungspflicht des Versicherers immer zulässig, wenn der Versicherer seine Deckungspflicht dem Grunde nach bestreitet, der Schaden nicht außer Streit steht und ein nach den Versicherungsbedingungen vorgesehenes Sachverständigenverfahren noch nicht stattgefunden hat (SZ 34/171; SZ 41/104; JBl 1964, 519; JBl 1970, 380; VersR 1971, 1076; ZVR 1974/60; EvBl 1977/209; VersR 1982, 587; VR 1989, 253; 7 Ob 40, 41/89; 7 Ob 191/98h; RIS-Justiz RS0038854). Auch in Entscheidungen des BGH und deutscher vorinstanzlicher Gerichte wurde die Zulässigkeit einer Feststellungsklage trotz der gegebenen Möglichkeit einer Leistungsklage (nur) in Fällen bejaht, in denen dem Versicherungsnehmer das Recht eingeräumt worden ist, zur Höhe des Anspruches zunächst die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zu verlangen (VersR 1986, 675; VersR 1996, 1253 [1254]; OLG Hamm VersR 1982, 641; OLG Celle VersR 1984, 437; OLG Hamm VersR 1988, 173; OLG Hamm NJW-RR 1992, 362).

In der von der Revisionswerberin zitierten Bestimmung des § 9 Punkt IV der AUB 1994 kann die Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens iSd § 64 VersVG (speziell in der Unfallversicherung: eines Ärztekommissionsverfahrens) aber keineswegs erblickt werden. § 9 AUB 1994 betrifft "die Obliegenheiten nach Eintritt eines Unfalles", wobei ua die Verpflichtungen des Versicherten angeführt sind, nach einem Unfall, der voraussichtlich eine Leistungspflicht herbeiführt, unverzüglich einen Arzt beizuziehen, den Versicherer zu unterrichten, den ärztlichen Anordnungen nachzukommen und auch im Übrigen die Unfallfolgen möglichst zu mindern (Punkt I.). Aus der betreffenden Bestimmung (Punkt IV.), der Versicherte habe sich (allenfalls) von den vom Versicherer beauftragten Ärzten untersuchen zu lassen, kann demnach keineswegs, wie dies die Revisionswerberin offenbar meint, abgeleitet werden, dass im Falle von Meinungsverschiedenheiten, etwa über den Grad der Invalidität, vom Versicherer beauftragte Ärzte mit der Entscheidungskompetenz einer Ärztekommission befasst werden könnten.

Da dies klar auf der Hand liegt, kann darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erblickt werden.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, zufolge der Subsidiarität der Feststellungsklage mangle es am erforderlichen rechtlichen Interesse, steht mit der gesicherten Judikatur, wonach dann, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben kann, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt, das erforderliche Feststellungsinteresse zu verneinen ist (Rechberger/Frauenberger in Rechberger 2, Rz 11 zu § 228 mwN; vgl RIS-Justiz RS0038849), in Einklang.

Da demnach ein tauglicher Grund für die Zulassung der Revision nicht gegeben ist, war das außerordentliche Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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