OGH 7Ob142/68 (7Ob141/68)

OGH7Ob142/68 (7Ob141/68)4.9.1968

SZ 41/104

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §14
VersVG §12
VersVG §64
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §14
VersVG §12
VersVG §64

 

Spruch:

Verjährung setzt voraus, daß der Versicherungsanspruch fällig ist, d. h. daß der Berechtigte die Leistung des Versicherers bereits einzufordern vermag. Das trifft zu, wenn die Schadenshöhe außer Streit steht, sonst aber erst dann, wenn das eine Fälligkeitsvoraussetzung darstellende Sachverständigenverfahren nach § 14 AKB., der in § 64 VersVG. seine gesetzliche Grundlage findet, abgeschlossen oder endgültig gescheitert ist.

Entscheidung vom 4. September 1968, 7 Ob 141, 142/68.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der bei der Beklagten kaskoversicherte PKW, Marke Standard Triumph, ein Amphibienfahrzeug, wurde am 2. Dezember 1964 während einer Fahrt von einem entgegenkommenden PKW gerammt und beschädigt. In der sodann zwischen den Streitteilen darüber geführten Korrespondenz erklärte sich die beklagte Versicherungsgesellschaft in ihrem Schreiben vom 3. Mai 1966 gegenüber dem Kläger bereit, ihm den von ihrem Vertrauenssachverständigen Ing. Karl V. als unfallsbedingt ermittelten Schaden von 5275 S abzüglich des vertraglichen Selbstbehaltes von 1000 S, also 4275 S zu ersetzen. Dabei vertrat sie in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen die Auffassung, daß entgegen der Meinung des Klägers dessen Fahrzeug die Schwimmfähigkeit nicht durch den Verkehrsunfall, sondern dadurch eingebüßt habe, daß es in der von ihm in Anspruch genommenen Werkstätte der Firma H. unsachgemäß repariert worden sei. Der Kläger lehnte die Annahme der angebotenen Entschädigungssumme sowie die Unterfertigung der ihm in diesem Zusammenhang übermittelten Quittung ab. Ein hierauf im Einvernehmen beider Teile von einer anderen Werkstätte unternommener Versuch, das Fahrzeug wieder schwimmfähig zu machen, schlug fehl. Als daraufhin der Kläger Totalschaden mit dem Hinweis geltend machte, daß der PKW als Schwimmfahrzeug versichert sei, dieser aber seine Schwimmfähigkeit verloren habe, wiederholte die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 11. Mai 1966 die Behauptung, daß der Verlust der Schwimmtauglichkeit auf die verfehlte Reparatur des Fahrzeuges durch die Firma H., nämlich auf dessen Öffnen unter der Wasserlinie zurückzuführen sei; gleichzeitig wies die Beklagte alle weiteren Schadenersatzansprüche des Klägers zurück. Dieser wiederum war nicht gewillt, sich mit einer Entschädigung von 13.000 S zu begnügen, deren Zahlung der Haftpflichtversicherer des anderen am Unfall beteiligt gewesenen Fahrzeuges nach Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten angeboten hatte. In ihrem Schreiben vom 29. März 1967 an den Kläger erklärte die Beklagte unter Ablehnung weiterer Schadenersatzleistungen abermals ihre Bereitschaft zur Zahlung von 4275 S. Am 5. April 1967 ließ der Kläger durch seinen Anwalt brieflich bei der Beklagten anfragen, ob sie, zumal ja das umstrittene Vorliegen eines Totalschadens Gegenstand einer Rechtsfrage sei, auf das Sachverständigenverfahren nach § 14 AKB. verzichte. Vorsichtshalber wurde aber in demselben Schreiben für ein allfälliges Schiedsgutachterverfahren ein Sachverständiger nominiert und die Beklagte aufgefordert, binnen zwei Wochen auch ihrerseits einen Sachverständigen namhaft zu machen. Am 17. April 1967 schrieb die Beklagte an den Kläger, daß sie auf das Schiedsgutachterverfahren, das allerdings, eine Unterbrechung einer "eventuell eingetretenen Verjährung" der klägerischen Forderung mit sich bringe, nicht verzichte. Gleichzeitig gab sie die Person ihres Sachverständigen bekannt. Einen am 26. April 1967 an sie gerichteten Brief des Klagevertreters, worin er Bedenken wegen einer möglichen Verjährung des klägerischen Ersatzanspruches äußerte und sie zu einer diesbezüglichen Stellungnahme aufforderte, ließ die Beklagte unbeantwortet. Das im weiteren Verlauf gemäß § 14 AKB. eingeleitete Verfahren war, als die mündliche Streitverhandlung am 13. September 1967 geschlossen wurde, noch nicht beendet.

Mit der vorliegenden, am 22. Mai 1967 eingebrachten Klage wird in erster Linie die Feststellung begehrt, daß die Beklagte als Fahrzeugversicherer für alle Beschädigungen aus dem Unfall vom 2. Dezember 1964 hafte. Nach dem Klagsvorbringen habe der PKW durch diesen Unfall seine Eignung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch, somit insbesondere auch zum Gebrauch als Wasserfahrzeug, in welcher Beziehung es gleichfalls versichert gewesen sei, verloren. Die Beklagte habe, wie sich aus der einschlägigen Korrespondenz ergebe, den Ersatz des geltend gemachten Totalschadens endgültig abgelehnt, wodurch die Verjährungsfrist des § 12 VersVG. in Lauf gesetzt worden sei. In ihrem Schreiben vom 17. April 1967 habe sie eigens darauf hingewiesen, daß das Schiedsgutachterverfahren die Verjährung nicht unterbreche. Das Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten sei daher gegeben. Für den Fall, als letzteres nicht zutreffen sollte, bezifferte er den erlittenen Unfallschaden mit 85.500 S und stellte das Eventualbegehren, die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages samt 4% Zinsen seit Klagszustellung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Haupt- und des Eventualklagebegehrens. Sie habe bisher den Anspruch des Klägers aus dem Versicherungsvertrag nicht endgültig abgelehnt. Das Schiedsgutachterverfahren zur Ermittlung der Höhe der von ihr zu erbringenden Versicherungsleistung sei noch anhängig. Der Fristenlauf im Sinne des § 12 VersVG. habe demnach noch nicht seinen Anfang genommen. Folglich fehle dem Kläger das behauptete Feststellungsinteresse. Der eingeklagte Leistungsanspruch aber sei im Hinblick auf das derzeitige Schiedsgutachterverfahren nicht fällig und das angerufene Gericht zur Entscheidung über die Anspruchshöhe nicht zuständig.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Es war der Ansicht, daß die Beklagte, wie das eingeleitete Sachverständigenverfahren zeige, den klägerischen Leistungsanspruch noch nicht endgültig abgelehnt habe, weshalb der Lauf der Verjährungsfrist nach § 12 VersVG. gehemmt sei; dem Kläger mangle es daher an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Daran ändere auch der gegenteilige Hinweis der Beklagten in ihrem Schreiben an den Kläger vom 17. April 1967 nichts, da es ihrerseits zu einer endgültigen Ablehnung des Leistungsanspruches des Klägers noch nicht gekommen sei. Das Leistungsbegehren aber sei mit Rücksicht auf § 14 AKB. noch nicht fällig.

Die zweite Instanz gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, indem sie das Ersturteil hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens als Teilurteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des diesbezüglichen Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt, bestätigte und es im übrigen, also hinsichtlich der Abweisung des auf Zahlung gerichteten Eventualbegehrens, unter Rechtskraftvorbehalt aufhob und die Sache im Umfang der Aufhebung zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies. Die Beklagte habe, so führte das Berufungsgericht aus, im Zuge des mit dem Kläger stattgefundenen Briefwechsels, und zwar jedenfalls in ihren Schreiben vom 3. und 11. Mai 1966 sowie vom 17. April 1967, alle seine Ansprüche, die über den vom Sachverständigen Ing. Karl V. mit 5275 S festgestellten Schaden hinausgingen, namentlich auch Ansprüche aus einem behaupteten Totalschaden, endgültig abgelehnt. Ihre Erklärung, enthalten im Schreiben vom 17. April 1967, daß sie auf ein Sachverständigenverfahren nach § 14 AKB. nicht verzichte, ein solches aber eine allenfalls schon eingetretene Verjährung der Forderung des Klägers nicht unterbreche (richtig wohl: nicht ungeschehen mache), habe der Kläger entgegen der Ansicht des Erstgerichtes füglich nur dahin verstehen können, daß sie die ihrerseits bereits ausgesprochene Ablehnung des Anspruches aus einem Totalschaden aufrecht erhalte und das Sachverständigenverfahren nur über die in ihrer Höhe ja immerhin auch umstrittenen Reparaturkosten zulasse. Eine Klärung der Frage, ob Totalschaden eingetreten sei, sei vom Sachverständigenverfahren daher nicht zu erwarten. Im übrigen werde ein Totalschaden nach ganz anderen Grundsätzen berechnet als die Höhe von Reparaturkosten, deren Ermittlung im Falle eines Totalschadens unerheblich wäre, weil dann Reparaturen überhaupt nicht in Betracht kämen. Abgesehen davon komme es gar nicht darauf an, wie die fragliche Erklärung der Beklagten aufzufassen sei, da sich der Anspruch des Klägers nur mittels einer Leistungsklage geltend machen lasse, denn der Sachverständigenausschuß habe grundsätzlich nur über Tatfragen abzusprechen; ob aber ein Totalschaden vorliege, sei eine quaestio mixta. Werde ein solcher von einem als Kläger auftretenden Kaskoversicherten behauptet und vom beklagten Versicherer bestritten, dann werde eine gerichtliche Entscheidung über den Grund des Anspruches notwendig und es habe das Gericht ausnahmsweise auch über die Höhe der Wiederinstandsetzungskosten zu entscheiden, weil deren Gegenüberstellung mit dem Zeitwert der versicherten Sache erforderlich sei. Die Anwendung des § 14 AKB. hätte die unbillige Folge, daß die gerichtlichen Feststellungen durch die nachträgliche Einleitung eines Sachverständigenverfahrens wieder umgestoßen werden könnten (Pienitz, AKB.[3] S. 293 unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH. VersR. 1956 S. 473). Nicht heranzuziehen sei unter den gegebenen Umständen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach ein Leistungsanspruch erst erhoben werden könne, wenn die Schadenshöhe außer Streit steht oder das Schadenfeststellungsverfahren durchgeführt ist, andernfalls nämlich der Leistungsanspruch noch nicht fällig sei, so daß gegen den seine Leistungspflicht dem Gründe nach bestreitenden Versicherer nur eine Feststellungsklage zu Gebote stehe (SZ. XXXIV 171 u. a.). Denn hier seien Grund und Höhe des Anspruches untrennbar verbunden, weshalb über sie als quaestiones mixtae nur das Gericht zu entscheiden habe. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens sei somit begrundet; dies auch deshalb, weil es in der vom Kläger gewählten Fassung nicht geeignet gewesen wäre, den Klagsanspruch dem Gründe nach zu klären. Die Beklagte bestreite nämlich gar nicht, für alle aus dem Unfall erfolgten Beschädigungen zu haften; Streit herrsche nur darüber, welcher Schaden (reparaturfähig oder Totalschaden) unmittelbare Unfallsfolge gewesen sei, worüber aber die mit der Klage begehrte Feststellung keinen Aufschluß gebe. Nach all dem werde das Erstgericht auf das Eventualbegehren einzugehen, also das Vorliegen der Voraussetzungen des angeblichen Totalschadens zu prüfen haben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht, wohl aber dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Sache in diesem Unfang zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Als nach § 228 ZPO. erforderliches rechtliches Interesse an der den Gegenstand des klägerischen Hauptbegehrens bildenden Anspruchsfeststellung und insofern als Klagegrund wird drohende Verjährung nach § 12 (1) VersVG. geltend gemacht. Diese angebliche Verjährungsgefahr würde aber voraussetzen, daß der Versicherungsanspruch des Klägers schon fällig geworden ist, denn ein noch nicht fälliger Anspruch kann naturgemäß nicht verjähren. Es kommt also darauf an, ob der Kläger die Leistung des Versicherers bereits einzufordern vermag. Das trifft zu, wenn die Schadenshöhe außer Streit steht, sonst aber erst dann, wenn das eine Fälligkeitsvoraussetzung darstellende Sachverständigenverfahren nach § 14 AKB., der in § 64 VersVG. seine gesetzliche Grundlage findet, abgeschlossen oder endgültig gescheitert ist (SZ. XXXIV 171 u. a.). Der Ansicht der Berufungsgerichtes, daß dieses Verfahren bei Geltendmachung eines Totalschadens außer Betracht zu bleiben habe, kann nicht gefolgt werden. Zwar obliegt es dem Sachverständigenausschuß nicht, die Höhe der zu leistenden Entschädigung zu bestimmen, doch hat er alle jene hiefür maßgeblichen tatsächlichen Belange zu klären, deren Ermittlung und technische Beurteilung einer besonderen Fachkenntnis bedarf. Dazu gehören die Höhe des Schadens - bei Totalschäden also der sogenannte Zeitwert, die Kosten einer allenfalls möglichen, wenngleich unwirtschaftlichen Wiederinstandsetzung des von dem Unfall betroffenen Fahrzeuges und der Wert des Wracks - ebenso wie die Klarstellung, ob und inwieweit die Schäden als Unfallsfolgen anzusehen sind, mögen sich bei all dem auch Vorfragen rechtlicher Natur ergeben, sodaß sich das von den Sachverständigen zu lösende Problem als quaestio mixta darstellt (vgl. Prölß[16], Versicherungsvertragsgesetz, S. 294 Anm. 6; Stiefel - Wussow[7], Kraftfahrversicherung, S. 534 f. Anm. 6; Ehrenzweig, Deutsches (österr.) Versicherungsvertragsrecht S. 194 Abs. 1). Daß, wie es in der Berufungsentscheidung heißt, auch nach Stiefel - Wussow (a. a. O.) die Überprüfung eines Totalschadens ausschließlich Sache des Gerichtes wäre, läßt sich den diesbezüglichen Erläuterungen nicht entnehmen. Die bereits an anderer Stelle wiedergegebenen Ausführungen bei Pienitz aber, die der Argumentation des Berufungsgerichtes zugrunde liegen, vermögen nicht zu überzeugen. Denn zu einer Entscheidung über den Grund des Anspruches oder, was hier auf das gleiche hinauskommt, über die Entschädigungspflicht des Versicherers kann es auch kommen, wenn es sich nicht gerade um einen Totalschaden handelt. Wird hiebei dieser Anspruch, gleichgültig, ob er auf den Ersatz eines Total- oder eines geringeren Schadens abzielt, als zu Recht bestehend erkannt, so besagt dies, daß der klagenden Partei im Zusammenhang mit dem betreffenden Unfall eine Entschädigung zusteht. Davon nicht berührt wird die Frage ihrer Höhe, also bei Geltendmachung eines Totalschadens auch die Frage, ob der zu ersetzende Schaden das Ausmaß eines Totalschadens erreicht oder hinter ihm zurückbleibt. Wie immer dann auch die Ergebnisse des Sachverständigenverfahrens ausfallen mögen, so kann dies nicht dazu führen, daß die gerichtliche Entscheidung wieder umgestoßen werden müßte, da sie nur über den Rechtsbestand des Entschädigungsanspruches, nicht aber über Art und Umfang der Sachbeschädigung abspricht. Das bei Beendigung der mündlichen Streitverhandlung noch nicht abgeschlossene Sachverständigenverfahren ist demnach als Verjährungshindernis beachtlich, weshalb der Kläger des seinerseits behaupteten Feststellungsinteresses ermangelt. Sein auf Feststellung gerichtetes Hauptbegehren erweist sich sohin aus dem im Ersturteil angeführten Grund als nicht berechtigt, sodaß der Revision gegen das berufungsgerichtliche Teilurteil im Ergebnis nicht Folge zu geben war.

Was den für den Eventualfall erhobenen Leistungsanspruch betrifft, so steht auch seiner Fälligkeit das noch schwebende Verfahren nach § 14 AKB. entgegen, allerdings nur soweit, als seine Höhe bestritten ist und erst durch jenes Verfahren geklärt werden soll. Indes ist sein von der Beklagten anerkannter Teil in der Höhe von 4275 S samt 4% Zinsen seit 29. September 1967 zur Zahlung fällig und klagbar (VersR. 1966 S. 1196). Sohin kann über das Leistungsbegehren im fortzusetzenden Berufungsverfahren ohne weiteres zur Gänze abgesprochen werden, und zwar bezüglich des eben angeführten Betrages mit Zinsen im stattgebenden, darüber hinaus aber am abweisenden Sinn. Dem Rekurs war daher Folge zu geben, wobei es nichts verschlägt, daß dies der Rekurswerberin letzlich auch teilweise zum Nachteil gereicht, insofern also für sie zu einer reformatio in peius führt (EvBl. 1964 Nr. 408,

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