OGH 7Ob160/00f

OGH7Ob160/00f27.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bodo N*****, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1.) G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Willibald Rath ua Rechtsanwälte in Graz, 2.) O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 315.171,-- sA (Revisionsinteresse S 289.641), über die Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. April 2000, GZ 2 R 9/00m-51, womit über Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. November 1999, GZ 23 Cg 213/99a-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Den Revisionen wird teilweise Folge gegeben:

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teiles zu lauten hat:

"Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 60.000 samt 5 % Zinsen seit 1. Mai 1997 zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zuspruch weiterer S 255.171 samt 8 % Zinsen seit 1. Mai 1997 sowie 3 % Zinsen aus S 60.000 seit 1. Mai 1997 wird abgewiesen."

Der Kläger ist schuldig, der erstbeklagten Partei an Kosten des Verfahrens erster Instanz S 79.350,02, und der zweitbeklagten Partei an Kosten des Verfahrens erster Instanz S 74.893,14, sowie beiden beklagten Parteien an Kosten des Berufungsverfahrens jeweils S 19.915,40 (darin enthalten S 1.905,90 USt und S 8.480,-- Barauslagen) und an Kosten des Revisionsverfahrens jeweils S 18.835,-- (darin enthalten S 1.372,50 USt und S 10.600,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bestellte im Februar 1997 bei der G***** P*****-GmbH, G***** (im Folgendem kurz Firma P***** genannt), mit der er seit Jahren in ständiger Geschäftsbeziehung steht, insgesamt 8850 Stück diverser P*****-Filme zu einem Preis von S 201,--/Stück. Entsprechend einer Vereinbarung mit der Firma P*****, für den Warentransport jeweils selbst Sorge zu tragen, beauftragte der Kläger die erstbeklagte Partei mit dem Transport der Filme von G***** zu seinem Sitz nach P***** in Oberbayern.

Im Betrieb der Erstbeklagten werden täglich durchschnittlich 15 LKW für internationale Transporte (davon 6 oder 7 nach Deutschland) und 10 bis 15 LKW für den inländischen Verkehr beladen und jährlich insgesamt etwa 400.000 bis 500.000 Sendungen abgewickelt. Ein Beladevorgang läuft im Unternehmen der erstbeklagten Partei üblicherweise in der Form ab, dass der Fahrer zunächst vom zuständigen Disponenten der Erstbeklagten eine "Ladeliste" holen muss, in der vermerkt ist, welche Waren auf dem LKW verladen werden. Auch die Verladefolge wird vom Disponenten angegegeben. Dabei muss sich dieser an der zu fahrenden Route orientieren, weil es nicht üblich ist, dass bei den einzelnen Stationen Ladegut heruntergenommen muss, um an das abzuladende Gut kommen zu können. Der Disponent teilt dem Fahrer auch mündlich mit, wohin die Waren geliefert werden müssen. Die erstbeklagte Partei steht mit der zweitbeklagten Partei, einem kleineren Transportunternehmen mit drei Fahrzeugen für den Fernverkehr, in ständiger Geschäftsverbindung. Die Zweitbeklagte erhält fast alle ihre Aufträge von der Erstbeklagten. Falls ein Fahrer der Zweitbeklagten gerade keinen Auftrag hat, ist es üblich, dass er sich selbst bei der Erstbeklagten meldet und dann von dieser neue Aufträge erhält. Die Fahrer der zweitbeklagten Partei sind seitens ihrer Dienstgeberin beauftragt, bei jeder Verladung anwesend zu sein und zu kontrollieren, welche Ware aufgeladen bzw abgeladen wird.

Nach Einlangen des Transportauftrages des Klägers beorderte ein Disponent der Erstbeklagten den Fahrer der zweitbeklagten Partei Erich M***** mit seinem LKW am 4. 3. 1997 zum Firmengelände der Zweitbeklagten. M***** hatte schon vorher in W***** eine Ladung für die Firma D***** in der Nähe von A***** und in F***** eine Ladung für B*****/E***** sowie eine weitere Ladung für B*****/D*****, die aber in S***** zu entladen war, aufgeladen, sodass der LKW bereits etwa halb beladen war, als er bei der erstbeklagten Partei eintraf. M***** erhielt vom Disponenten die Ladeliste für die weiteren Beladungen und übergab diese dem Lademeister, der das Ladegut auflud, und zwar zuerst einige Paletten für die Firma D*****/A*****, dann die Ware für den Kläger und zuletzt ein Sammelgut für die Spedition H***** in S*****, das diese Spedition weiter verteilen sollte. Die vom Kläger bestellte Ware war auf sieben vollen Paletten und einer halbvollen Palette in Kartons verpackt, die zum Teil bereits von der Firma P***** original verschweißt worden waren. Eine Palette enthielt je nach Größe der Filmpackungen 10 bis 12 Lagen mit 5 - 6 Kartons. Restliche 40 Kartons waren von der Firma P***** in eine Plastikfolie "eingeschrumpft" worden. Die Paletten waren seitens der Firma P***** mit der Bezeichnung "nus" (für N*****) gekennzeichnet. Das für den Kläger bestimmte Ladegut wurde als "Direktzustellung" aufgegeben; dies bedeutet, dass das Gut direkt von der Erstbeklagten zum Kläger transportiert werden musste und nicht - wie Sammelgut - von einem weiteren Spediteur weiterverteilt werden durfte. Nach der Beladung war der LKW so voll, dass keine weitere Palette mehr Platz gefunden hätte. Die vorbereiteten CMR-Frachtbriefe wurden dem Fahrer M***** vom Disponenten der Erstbeklagten übergeben. In dem CMR-Frachtbrief, der die Ladung für den Kläger betraf, war irrtümlich eine (weitere) Palette angeführt, die tatsächlich nicht mitgeführt wurde.

M*****, der seine Fahrtroute selbst zusammenstellen konnte, fuhr zuerst nach S*****, wo neben dem Sammelgut auch die Ware für B*****/D***** abgeladen wurde. Um an diese Ware heranzukommen, musste jedoch auch die für den Kläger bestimmte Ladung abgeladen werden. Die Verladearbeiten wurden von Mitarbeitern der Spedition H***** durchgeführt. Der Staplerfahrer dieser Spedition hatte das entladene Gut an Hand des CMR-Frachtbriefs samt Lieferschein zu kontrollieren. Dennoch wurden 84 Kartons, die für den Kläger bestimmt waren, nicht wieder aufgeladen, sondern auf dem Gelände der Spedition H***** vergessen. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die 40 von der Firma P***** in einer Plastikfolie "verschrumpften" Kartons nicht mehr auf einer Palette verpackt, sondern lose aufgeschichtet. M***** stellte während seines Aufenthalts bei der Spedition H***** diese Kartons wieder auf eine Palette, damit sie bei einem Bremsvorgang nicht auf die Ladefläche stürzen konnten.

In der Folge fuhr M***** nach E***** und lud dort die für B*****/E***** bestimmte Ware ab, wobei es nicht nötig war, wiederum auch Waren des Klägers abzuladen.

Auf der anschließenden Fahrt zum Kläger fiel ein Karton von der Palette mit den 40 Kartons und platzte auf. Dabei rutschte ein Film zwischen die Plane und die Bordwand und konnte nicht mehr gefunden werden. Dies wurde von M***** auf dem CMR-Frachtbrief vermerkt. M***** kam am 6. 3. 1997 beim Kläger an, der schon zuvor von der Erstbeklagten verständigt worden war, dass auf dem Frachtbrief irrtümlich eine Palette vermerkt worden war, die man tatsächlich nicht mitgesendet hatte. Im Betrieb des Klägers ist es üblich, dass die Fahrer der Speditionen die Ware vom LKW nehmen und in den Aufzug stellen; der Lagerarbeiter des Klägers fährt sie dann in den Keller. Im gegenständlichen Fall wurde die Ware vom Lagerarbeiter Thomas W***** für den Kläger übernommen. Unmittelbar darauf verständigte dieser die Firma P***** telefonisch davon, dass die Ware teilweise lose bei ihm angekommen sei und auch Ware fehle. Er habe versucht, den Frachtführer aufzuhalten, dieser habe aber nicht gewartet. Noch am selben Tag übermittelte der Kläger der erstbeklagten Partei ein Fax, in dem er die Fehlmengen genau aufschlüsselte.

Die Erstbeklagte startete auf Grund dieser Reklamation eine umfassende Suchaktion. Es wurde unverzüglich Nachschau gehalten, ob die Ware im Lager der Erstbeklagten verblieben sei oder bei den "Vorentladestellen" in S***** oder E***** vergessen worden sei. Einige Tage später wurden dann 84 der insgesamt 132 fehlenden Kartons bei der Spedition H***** gefunden und vereinbarungsgemäß auf Kosten der Erstbeklagten dem Kläger nachgeliefert. Die Spedition H***** versuchte durch Suchmeldungen an ihre Vertragspartner die noch fehlenden 48 Kartons wiederzufinden, was aber erfolglos blieb.

Der Kläger forderte die erstbeklagte Partei mit Fax vom 14. 3. 1997 auf, ihm den Wert der verlorenen Filme in Höhe von S 289.641,-- sowie einen Mehraufwand von S 25.530,--, insgesamt also S 315.171,-- zu ersetzen. Im Juni 1997 bot der Versicherer der zweitbeklagten Partei, die W***** AG dem Kläger eine Abfindungszahlung von S 63.085,-- an, was vom Kläger abgelehnt wurde.

Mit der Klage begehrte der Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand den bereits außergerichtlich geforderten Betrag von S 315.171,-- sA. Die Beklagten hätten ihm für die 48 in Verlust geratenen Kartons mit Filmen im Gesamtwert von S 289.641,-- vollen Ersatz zu leisten (und auch einen durch den Verlust der Filme bedingten Mehraufwand in Höhe von insgesamt S 25.530,-- zu ersetzen), weil der Schaden von ihnen mit einem dem Vorsatz gleichstehenden Verschulden verursacht worden sei, weshalb gemäß Art 29 CMR die Haftungsbegrenzungen des Art 23 CMR nicht zur Anwendung kämen. Insbesondere treffe den Fahrer der Zweitbeklagten ein grobes Verschulden, weil er es verabsäumt habe, die Vollständigkeit der Ware sowohl beim Beladen als auch beim zwischenzeitigen Ab- und Aufladen bei der Spedition H***** zu kontrollieren und weil er von Anfang an eine andere Fahrtroute wählen hätte müssen, um ein Umladen zu vermeiden.

Die beklagten Parteien beantragten die Klage abzuweisen und wendeten, soweit noch wesentlich, jeweils ein, mangels grober Fahrlässigkeit - die der Kläger zu beweisen hätte - höchstens im Rahmen der Haftungsbegrenzungen des Art 23 CMR zu haften.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 289.641,-- sA; das Mehrbegehren von S 25.530,-- sA wurde rechtskräftig abgewiesen. Das Erstgericht führte rechtlich - soweit noch wesentlich - aus, auf den gegenständlichen Frachtvertrag seien die CMR anzuwenden. Gemäß Art 17 CMR hafte der Frachtführer grundsätzlich für den gänzlichen oder teilweisen zwischen Übernahme und Ablieferung des Gutes eingetretenen Verlust. Gemäß § 29 CMR müsse der Frachtführer aber nur dann für den vollen Schaden - und nicht bloß für die Haftungshöchstbeträge gemäß Art 23 CMR - einstehen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht habe, das nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichstehe, worunter in Österreich grobe Fahrlässigkeit verstanden werde. Gemäß § 429 Abs 1 HGB treffe die Entlastungspflicht für mangelndes Verschulden den Frachtführer. Diese Regelung umfasse aber nur das leichte Verschulden, während Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auch hier vom Geschädigten bewiesen werden müssten. Dies würde aber dazu führen, dass die Geschädigten meistens schon am Erfordernis der substantiierten Behauptung eines grobes Verschulden begründenden Verhaltens scheitern müssten, weil sie keinen Einblick in die Sphäre des Frachtführers haben könnten. Angesichts dieser besonderen Beweissituation dürfe sich der Frachtführer nicht einfach mit dem bloßen Bestreiten begnügen, sondern habe eine Darlegungspflicht über die Organisation in seinem Unternehmen zur Sicherung des übernommenen Gutes und über die im konkreten Fall gepflogenen Maßnahmen. Im vorliegenden Fall sei die vom Kläger bestellte Ware bei der Spedition H***** ausgeladen und jedenfalls zu einem Teil (84 Kartons) nicht wieder aufgeladen worden. Nicht geklärt worden sei allerdings, wann die restlichen 48 Kartons des Klägers verloren gegangen seien. Die Beklagten hätten somit die Verlustursache nicht erklären können und seien damit dem gegen sie erhobenen Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht substantiiert entgegengetreten. Der Kläger habe nämlich dann seiner Beweispflicht Genüge getan, wenn der Frachtführer die Schadensursache nicht klären könne, was praktisch bedeute, dass nur eine vollständige Aufklärung der Schadensursache zur Entlastung der beklagten Parteien führen hätte können. Den Beklagten, die sich somit vom Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens nicht entlastet hätten, sei daher eine Berufung auf die Haftungsbeschränkung des Art 23 CMR verwehrt. Die beklagten Parteien hafteten gemäß Art 34 und Art 36 CMR für den eingetretenen Schaden solidarisch. Sie könnten sich auch nicht auf die Haftungsbefreiung des Art 17 Abs 4 lit e CMR berufen, weil eine mangelnde Bezeichnung der Paletten keinesfalls als Ursache für den Verlust angesehen werden könne. Da somit die Haftung der beklagten Parteien schon auf Grund der CMR feststehe, könne die Frage eines allfälligen, gegen die beklagten Parteien wirksamen Anerkenntnisse durch den Versicherer der Zweitbeklagten dahingestellt bleiben. Dem Kläger stehe der Ersatz der verlorenen 48 Kartons mit insgesamt 1441 Filmen im Wert von insgesamt S 289.641,-- zu.

Das Berufungsgericht gab den von den beklagten Parteien gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufungen nicht Folge; es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht trat den rechtlichen Überlegungen des Erstgerichtes bei und führte, soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich, lediglich ergänzend aus: Auch wenn nicht festgestellt habe werden können, an welchem Ort und auf welche Weise die fehlenden 48 Kartons verschwunden seien, stehe doch fest, dass sie von der Firma P***** der erstbeklagten Partei übergeben, vom Fahrer der Zweitbeklagten dem Kläger jedoch nicht ausgeliefert wurden. Ihr Verlust sei daher jedenfalls den beklagten Parteien zuzurechnen, die gemäß Art 34 CMR zur ungeteilten Hand für Ersatzansprüche wegen des eingetretenen Verlustes hafteten, weil die vorliegende Beförderung Gegenstand eines einzigen Vertrages gewesen sei und auch ein einheitlicher Frachtbrief ausgestellt worden sei. Zum Thema der Anwendbarkeit der Haftungsbeschränkungen des Art 23 CMR sei das Erstgericht der Entscheidung 7 Ob 540/93 und zahlreichen Folgeentscheidungen gefolgt. Das Erstgericht könne seine von den Beklagten bekämpfte Ansicht, nur eine vollständige Aufklärung der Schadensursache führe zur Entlastung des Frächters, auf die Entscheidung des Handelsgerichtes Wien 1 R 178/94 = AnwBl 1995/4972 mit zust Glosse von Horak und die dort herangezogene Literatur stützen. Vor allem vernachlässigten die Beklagten, dass bereits wesentliche, ihnen zuzurechnende Fehler feststünden, weil der Fahrer bei der Spedition H***** nicht aufgepasst und dadurch das schon nach der Anzahl der Paletten auffällige Abweichen der ausgeladenen von den wieder eingeladenen Waren des Klägers nicht bemerkt habe und weil er während der Fahrt die zu befördernden Kartons, die auf ihren Paletten verschweißt gewesen seien, durcheinandergebracht habe (was jede Kontrolle erschweren habe müssen). Es stünden daher ohnehin Handlungen eines Angestellten des Frächters fest, die das Verschwinden von Frachtgut begünstigt hätten, sodass den beklagten Parteien der Nachweis, alles zur Vermeidung eines solchen Verlustes Mögliche unternommen zu haben, nicht gelungen sei. Der Kläger habe seinen Schaden entgegen dem Einwand der Zweitbeklagten entsprechend Art 23 Abs 1 CMR im Schriftsatz ON 7 aufgeschlüsselt. Dass mit den darin angegebenen und dementsprechend im Ersturteil festgestellten Wertbeträgen offensichtlich die Wertbeträge im Sinn der angeführten CMR-Bestimmung gemeint gewesen seien, unterliege schon angesichts der laufenden Bezugnahme auf die CMR sowohl im klägerischen Vorbringen als auch in den Urteilsausführungen sowie mangels irgendeiner anderen Zeitbestimmung für die Wertangaben keinem Zweifel.

Zur Zulassung der ordentlichen Revision bestehe kein Anlass, weil eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten gewesen sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Beklagten, die jeweils beantragen, die Berufungsentscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in den ihm freigestellten Revisionsbeantwortungen, den Rechtsmitteln der Beklagten nicht Folge zu geben.

Wie die folgenden Erörterungen zeigen werden, sind die Revisionen entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig und auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Völlig unstrittig ist, dass auf den gegenständlichen Transport die Vorschriften des Übereinkommens vom 19. 5. 1956, BGBl 1961/138, über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anzuwenden und für die im Folgenden anzustellenden rechtlichen Erwägungen zur Frage des Verschuldens der Beklagten und betreffend die Höhe des klagsgegenständlichen Ersatzanspruches daher maßgebend sind. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat (1 Ob 2377/96g = JBl 1998, 310 = ZfRV 1998/3; 1 Ob 66/98g = ZfRV 1998/48) wurde durch die Ratifizierung der CMR nicht ausländisches oder supranationales Recht geschaffen; vielmehr verdrängen Fragen, die in der CMR abschließend geregelt sind, das sonst nach den Grundsätzen des IPRG anwendbare nationale Recht (Schütz in Straube HGB2 Rz 4 zu den Vorbemerkungen zur CMR). Die CMR stellt nationales Recht dar. Bei ihrer Auslegung ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie ein internationales Übereinkommen ist, das zum Zweck der Rechtsvereinheitlichung abgeschlossen wurde, "Einheitsrecht" enthält und deshalb möglichst aus sich selbst heraus auszulegen ist (Schütz aaO Rz 6), wobei bei Anwendung der CMR deren Wortlaut und Systematik besonders zu beachten sind (Koller, Transportrecht3 Rz 4 vor Art 1 CMR mwN).

Zutreffend machen die Revisionswerberinnen geltend, dass den Vorinstanzen insofern eine "Fehlbeurteilung der Verschuldensfrage" unterlaufen ist, als von ihnen die vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundsätze zur Entlastungspflicht des Frachtführers für mangelndes Verschulden gemäß Art 29 Z 1 CMR zwar richtig wiedergegeben, aber zum Teil fehlinterpretiert und daher auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet wurden; insbesondere stehen die Urteile der Vorinstanzen mit der oberstgerichtlichen Entscheidung 6 Ob 349/97k im Widerspruch.

Nach stRsp (RIS-Justiz RS0062591 mzwN) trifft die Entlastungspflicht für mangelndes Verschulden gemäß § 429 Abs 1 HGB den Frachtführer. Das diesem damit aufgebürdete Beweisrisiko wird dadurch erträglich gemacht, dass seine Haftung regelmäßig - hier durch Art 23, 25 CMR - der Höhe nach beschränkt wird (vgl Koller, Zur Aufklärung über die Schadensentstehung im Straßentransportrecht - zugleich ein Beitrag zur Beweislast im Rahmen des Art 29 CMR in VersR 1990, 553). Die Regelung über die Umkehr der Beweislast erfasst jedoch nur das leichte Verschulden. Haftungserweiterndes Verschulden in Form von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit gemäß Art 29 CMR muss auch hier grundsätzlich vom Geschädigten behauptet und bewiesen werden. Dies wird überzeugend damit begründet, dass die unbegrenzte Haftung bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit einen Ausnahmetatbestand darstellt (Koller aaO mwN). Die Beweislastverteilung zu Lasten des Geschädigten bzw Anspruchsstellers lässt sich also aus dem Haftungssystem der CMR ableiten, das dem Frachtführer bis zum Verschuldensgrad des Art 29 CMR die Beweislast für ein fehlendes Verschulden auferlegt, ihn dafür aber nur beschränkt haften lässt. Das darüber hinausgehende haftungserweiternde Verschulden in der Form des Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit ist vom Anspruchssteller zu beweisen (Giefers, Beweislast und Beweisführung bei der Haftung des Frachtführers nach der CMR, 205 mit zwN aus internationaler Judikatur und Schrifttum).

Die besondere frachtrechtliche Situation kann jedoch dazu führen, dass der Geschädigte mit dem Beweis von Umständen belastet wird, die in der Sphäre des Frachtführers liegen und die er ohne ausreichende Aufklärung nicht kennen kann. Im Hinblick auf diese Beweisnot des Geschädigten trifft den Frachtführer in diesen Fällen nach Treu und Glauben eine Darlegungspflicht über die Organisation in seinem Unternehmen zur Sicherung des übernommenen Gutes und über die im

konkreten Fall gepflogenen Maßnahmen (7 Ob 540/93 = SZ 66/89 = RdW

1993, 34 = WBl 1993, 403 = VersR 1994, 707; SZ 69/134; RIS-Justiz

RS0062591). Da der Frachtführer nach Art 29 CMR ohne Grenzen haftet, verbietet es sich aber, ihm über die Konstruktion einer generellen Aufklärungspflicht die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass ihn kein grobes Verschulden treffe (Giefers aaO mwN). Wie vom Obersten Gerichtshof zu 6 Ob 349/97k ausgeführt wurde, hat ein Frachtführer, der seiner Aufklärungs- bzw Darlegungspflicht nachgekommen ist, seiner Mitwirkungspflicht Genüge getan; die Beweislast, dass er etwa durch eine schwer mangelhafte Organisation grob fahrlässig gehandelt habe, verbleibt beim Geschädigten, dessen Auskunftsanspruch nämlich nicht so weit gehen darf, dass er faktisch eine Entlastungspflicht des Frachtführers und damit eine Beweislastumkehr schafft, die sich nach Art 41 Abs 2 CMR (wonach jede Abmachung, durch die die Beweislast verschoben wird, nichtig ist) verbietet. Dies bedeutet, dass der mangelnde Nachweis einer prima facie fehlenden oder zumindest wahrscheinlichen Kausalität noch immer zu Lasten des hinsichtlich eines haftungserweiternden Verschuldens grundsätzlich beweisbelastenden Geschädigten geht (vgl Thume, Die Haftung des Spediteurs für Kadinalfehler und grobe Organisationsmängel, TransportR 1991, 209 f; Koller aaO mwN). Entgegen der vom Handelsgericht Wien in AnwBl 1995/4972 vertretenen, von den Vorinstanzen geteilten Auffassung, dass der Ersatzberechtigte seiner Beweispflicht (eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns des Frachtführers) stets Genüge getan habe, wenn dieser die Schadensursache nicht erklären könne und dies praktisch bedeute, dass nur eine vollständige Aufklärung der Schadensursache zur Entlastung des Frachtführer führen könne, wird die Beweislast des geschädigten Anspruchsstellers für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Frachtführers durch dessen Aufklärungs- bzw Darlegungspflicht also nicht verändert. Lässt sich die Schadensursache letztlich nicht aufklären, trifft das non liquet den Anspruchsteller (vgl BGH TranspR 1995, 253, [255 f]; Herber/Piper CMR, Rz 16 zu Art 29 CMR mwN aus deutscher Judikatur und Lehre). Die vom Handelsgericht Wien zur Stützung seiner Ansicht zitierte Literatur (Staub, HGB4 Rz 117 zu § 429; Schlegelberger HGB5 Rz 16 zu § 429; Baumbach/Duden/Hopt, HGB28, 1024), wonach der Frachtführer für eine unaufgeklärte Schadensursache (grundsätzlich) einzustehen hat, bezieht sich jeweils auf die Haftung für leichtes Verschulden. Wie Herber/Piper aaO Rz 15 zu Art 29 CMR ausführen, würde die Regelung der CMR, dass der Frachtführer, der sich nicht entlastet, zwar zu haften hat, aber nur mit den Beschränkungen, wie sie sich aus den Art 17 ff CMR ergeben, "vielfach leerlaufen, wenn der Frachtführer das Fehlen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beweisen müsste. Denn in der Regel der Fälle, in denen sich der Frachtführer nicht entlasten kann, bleibt auch der Verschuldensgrad offen, sodass das Misslingen des Entlastungsbeweises bei einer Beweisbelastetheit des Frachtführers auch hinsichtlich des Verschuldensgrades regelmäßig zu dessen Haftung ohne die Beschränkungen der Art 17 ff CMR führen würde. Das ist aber nicht der Sinn der Haftungsregelung der CMR, die bei Misslingen des Entlastungsbeweises den Frachtführer zwar haften lassen will, aber nur in dem nach Art 17 ff CMR beschränkten Umfang." Daran ändert die bereits betonte Pflicht des Frachtführers, zur Aufklärung der Ursachen des in seinem Bereich eingetretenen oder entstandenen Schadens in zumutbarem Rahmen beizutragen, nichts. Nur wenn er diese Obliegenheit nicht erfüllt, kann daraus unter Umständen auf ein qualifiziertes Verschulden geschlossen werden. Der Frachtführer muss deshalb bei unbekannter Schadensursache bei der Aufklärung mitwirken und hat insbesondere darzulegen, welche organisatorische Vorkehrungen er zur Vermeidung solcher Schäden unternommen hat (BGH VersR 1995, 1509, 1510; TranspR 1996, 70, 71 = VersR 1996, 217, 218; TranspR 1996, 121, 122).

Dass die Beklagten im vorliegenden Fall ihrer erwähnten Darlegungsbzw Aufklärungspflicht über "die Organisation in ihrem Unternehmen zur Sicherung des übernommenen Gutes und über die im konkreten Fall gepflogenen Maßnahmen" nicht entsprochen hätten, kann ebensowenig gesagt werden, als dass dabei ein grob fahrlässiges Organisationsverschulden zutagegetreten wäre. Grob fahrlässiges Organisationsverschulden erfordert einen objektiv und auch subjektiv schweren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Diese Sorgfalt muss also in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt werden. Dasjenige muss unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall eigentlich jedem hätte einleuchten müssen. Voraussetzung dafür ist in der Regel das Bewusstsein der Gefährlichkeit des eigenen Verhaltens. Es geht daher nicht an, jeden Organisationsfehler als typischerweise grob fahrlässig zu qualifizieren, denn dies hieße, an die einfachen Sorgfaltsstandards überzogene Maßstäbe anzulegen. Nur wenn der Organisationsmangel jedem Leiter eines solchen Unternehmens offenbar ist, wird dadurch im besonderen Maß der Geschäftsverkehr gestört und der Vertragspartner entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (6 Ob 349/97k unter Hinweis auf Thume aaO mwN). Solche gravierenden, dem Leiter eines solchen Unternehmens offenbare Mängel weist weder das festgestellte Organisationssystem der Erstbeklagten auf, noch ist bei der zweitbeklagten Partei eine "habituelle Schwachstelle" (vgl neuerlich 6 Ob 349/97k) zu erkennen.

Entgegen der vom Kläger in den Revisionsbeantwortungen vertretenen Auffassung wurde von den Beklagten insbesondere auch die Vereinbarung einer sogenannten "Direktzustellung" eingehalten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bedeutet Direktzustellung, dass das Gut direkt von dem Beklagten zum Kläger transportiert werden muss und nicht - wie Sammelgut - von einem weiteren Spediteur weiter verteilt werden durfte. Der Zeuge Thomas W*****, auf dessen Angaben das Erstgericht diese Feststellung stützte, hat dazu noch erläuternd angegeben, dass bei einer Direktlieferung "eine Ware mit jenem LKW direkt dem Kunden zugestellt wird, auf den sie verladen wurde". "Keinesfalls bedeutet der Begriff Direktlieferung, dass es keine Zwischenstation für den transportierenden LKW bei der Anlieferung gibt". Selbst wenn man - was nach der von den Vorinstanzen festgestellten Definition einer Direktzustellung nicht gesagt werden kann und auch von den Vorinstanzen daher nicht angenommen wurde - davon ausgehen müsste, dass das betreffende Gut im Rahmen einer Direktzustellung an einer Zwischenstation auch nicht bloß, nur um das Entladen anderer Transportgüter zu ermöglichen, kurzfristig ent- und sofort wieder beladen werden dürfte, erschiene der damit vom Fahrer der Zweitbeklagten hier begangene Verstoß nicht so schwerwiegend, dass er als grob fahrlässig zu qualifizieren wäre.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes stehen aber auch sonst keine den Beklagten zuzurechnende Fehler fest, die als grobes Verschulden am Verlust eines Teils des Ladeguts des Klägers angesehen werden könnten. Soweit etwa dem Fahrer der Zweitbeklagten der Vorwurf gemacht wird, bei der Spedition H***** nicht entsprechend aufgepasst zu haben, wird übersehen, dass nicht feststeht, dass auch die schließlich verlorengegangen 48 Kartons in S***** zurückgeblieben wären. Da andere Verlustmöglichkeiten nicht auszuschließen sind - es konnte ja nicht geklärt werden, auf welchem Teil der Transportstrecke der Verlust eingetreten ist - muss dieser Vorwurf daher letztlich ins Leere gehen. Aber auch wenn feststünde, dass die Filme beim "Umladen" in S***** verlorengegangen sind, könnte - zumal nach den festgestellten Umständen völlig unklar ist, wie die Filme abhanden kamen - ein grobes Verschulden des Fahrers, also ein extremes Abweichen von der objektiv gebotenen Sorgfalt, das ihm auch subjektiv schwer anzulasten wäre (vgl ZVR 1991/48; 6 Ob 103/99m ua), noch nicht angenommen werden.

Gar keine Rede kann zwar davon sein, dass die Beklagten, wie sie in ihren Revisionen jeweils behaupten, unter Beweis stellen hätten können, dass sie keinerlei Verschulden treffe. Aus dem Umstand, dass sich die Schadensursache, die zum Verlust des Ladegutes führte, letztlich nicht aufklären ließ, kann aber entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht ohne weiteres auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten geschlossen werden. Die Beklagten haben dem Kläger daher (lediglich) nach Maßgabe des Art 23 CMR zu haften, zumal die Behauptung eines die Beklagte bindenden Anerkenntnisses der Haftung (für den vollen Schaden) durch den Versicherer der Zweitbeklagten in der Revisionsbeantwortung nicht aufrechterhalten wird.

Für den also - mangels des Beweises einer grob fahrlässigen Schadensverursachung durch die Beklagten iSd § 29 CMR - gegebenen Fall einer Haftungsbeschränkung gemäß § 23 CMR haben die Parteien in der Verhandlung am 14. 7. 1999 "aus verfahrensökonomischen Gründen" den Anspruch mit S 60.000 der Höhe nach außer Streit gestellt (AS 227). Da sich das Klagebegehren daher (nur) in diesem Umfang als berechtigt erweist, waren die Urteile der Vorinstanzen in teilweiser Stattgebung der Revisionen spruchgemäß abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43, 50 ZPO. Der Kläger hat sich in allen drei Instanzen mit etwa einem Fünftel seines Begehrens durchgesetzt, weshalb er den Beklagten jeweils 3/5 ihrer Verfahrenskosten (in erster Instanz auf Streitwertbasis S 315.171, in zweiter und dritter Instanz auf Basis S 289.641), zuzüglich 4/5 der jeweils von den beklagten Parteien getragenen Pauschalgebühren zweiter und dritter Instanz, jedoch abzüglich 1/5 der von ihm entrichteten Pauschalgebühren erster Instanz, zu ersetzen hat. Der von ihnen in allen Instanzen jeweils verzeichnete Streitgenossenzuschlag gebührt den von zwei verschiedenen Anwälten vertretenen Beklagten nicht, da ihnen nicht mehrere Personen im Verfahren gegenübergestanden sind (§ 15 RATG). Der zweitbeklagten Partei stehen hinsichtlich der Beweistagsatzungen vor den Amtsgerichten Weilheim und Straubing neben dem verzeichneten Honorar nach TP 3 RATG plus 100 % ES nicht auch noch Gebühren nach TP 7 RATG zu.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte