Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Im Auftrag der R***** AG (Versenderin) übernahm die Beklagte am 29.1.1991 2 Container mit Elektrowerkzeugen (Bruttogewicht 271 kg) auf ihr Lager, um sie (später) der Empfängerin, der *****K***** GmbH & Co KG, nach G***** zuzustellen. Als die Beklagte die Container zustellen wollte, konnte sie sie in ihrem Lager nicht mehr auffinden. Mit Schreiben vom 6.2.1991 erklärte die Beklagte der Versenderin, daß sie Nachforschungen angestellt habe und auf eine Klärung des Falles hoffe. Im April 1991 trat die Versenderin ihre Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte der Klägerin ab. Für Umschlag und Zustellung war zwischen der Versenderin und der Beklagten ein Preis von S 100/kg vereinbart.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung des Betrages von S 65.000 (Rechnungswert der Elektrowerkzeuge) aus dem Titel des Schadenersatzes. Sie habe als Transportversicherer den Schaden liquidiert und die Schadenersatzforderung der Versenderin durch Legalzession, aber auch durch Abtretung erworben. Die Beklagte hafte wegen der Vereinbarung von Fixkosten nach Frachtrecht für den Verlust der in Verwahrung genommenen Güter. Auf Haftungsbeschränkungen oder auf eine Freizeichnung von der Haftung könne sie sich nicht berufen, weil ihr grobes Verschulden zur Last falle. Wegen Mängel ihrer Organisation könne die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht erbringen, daß der Schaden auch unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Spediteurs nicht habe abgewendet werden können.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Da sowohl eine Fehlverladung als auch ein Diebstahl nicht hätten ausgeschlossen werden können, habe sie eine Anzeige erstattet und Nachsuchmeldungen veranlaßt; beides sei jedoch erfolglos geblieben. Im Rahmen der mit der Versenderin geschlossenen Vereinbarung sei die Anwendbarkeit der AÖSp bedungen worden. Selbst wenn die Vereinbarung aber wegen des Fixkostensatzes nach § 413 Abs 1 HGB zu beurteilen sei, hafte die Beklagte nicht nach den CMR, weil sie nur eine rein speditionelle Tätigkeit zu erbringen gehabt habe, welche von der Anwendbarkeit der CMR ausgenommen sei. Die Beklagte berufe sich daher auf den Regreßausschluß des Transportversicherers gemäß § 37 lit d AÖSp und auf die Beschränkung der Haftung nach § 54 lit a Z 2 AÖSp auf S 15/kg; die Auftraggeberin der Beklagten sei eine "Verbotskundin" gewesen. Der Anspruch sei aber auch nach § 64 AÖSp verjährt. Falls das Geschäft dennoch den CMR unterliege, berufe sich die Beklagte auf die Haftungsbeschränkung des Art 23 CMR. Die Beweislast für das behauptete grobe Verschulden treffe die Klägerin.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Beklagte hafte wegen der mit der Versenderin getroffenen Vereinbarung über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten gemäß § 413 Abs 1 HGB nach Frachtrecht für den Verlust des übernommenen Gutes. Auf den nach dem Inkrafttreten des Binnen-Güterbeförderungsgesetzes geschlossenen Vertrag seien gemäß § 439 a HGB die CMR anzuwenden. Von der Anwendung dieses Übereinkommens seien zwar rein speditionelle Tätigkeiten im Sinne des vierten Abschnittes des HGB nicht umfaßt. Verweise aber das Speditionsrecht selbst auf das Frachtrecht, dann gelten auch die CMR. Die Beschränkung der Haftung des Frachtführers gemäß Art 23 Abs 3 CMR auf S 131,20/kg gelte gemäß Art 29 CMR dann nicht, wenn der Frachtführer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe. Die Beklagte habe den Versuch eines Entlastungsbeweises ausdrücklich nicht angetreten, das Vorliegen leichten Verschuldens nicht einmal global bestritten und sich auf die Beweispflicht der Klägerin verlassen. Mangels Entlastung träfen die Beklagte die für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vorgesehenen Rechtsfolgen: Wegen der Beweisnähe eines Spediteurs über die Ursachen des Verlustes des übernommenen Gutes hafte der Spediteur für Vorsatz, wenn sich die Ursache für das Abhandenkommen der dem Spediteur übergebenen Ware nicht klären lasse. Das müsse auch dann gelten, wenn der Spediteur als Frachtführer hafte. Aber auch nach Speditionsrecht wären in diesem Fall vereinbarte Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen unwirksam.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Weiters sprach es sinngemäß aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Zutreffend habe das Erstgericht wegen der Vereinbarung eines festen Satzes der Beförderungskosten Frachtrecht und daher gemäß § 439 a HGB auch die CMR angewendet. Eine rein speditionelle Tätigkeit wie das Rollfuhrrecht der Spediteure sowie einen Vor- und Nachlauf zu einem Sammel-LKW-Transport, welche von der Anwendung des Binnen-Güterbeförderungsgesetzes ausgenommen seien, habe die Beklagte in erster Instanz nicht behauptet. Auf Bestimmungen, welche seine Haftung ausschließen, beschränken oder die Beweislast umkehren, könne sich der Frachtführer gemäß Art 29 Abs 1 CMR dann nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Mit dem Beweis einer besonderen Schuldform sei zwar grundsätzlich der Ersatzberechtigte belastet. Eine Bedachtnahme auf die frachtrechtliche Situation müsse jedoch dazu führen, daß bei Verlust des übernommenen Transportgutes vom Versender der Nachweis einer besonderen Schuldform des Frachtführers nicht verlangt werden könne. Frachtführer seien verpflichtet, für ihre Vertragspartner mit der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers tätig zu werden. Nur für Umstände, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden können, habe der Frachtführer nicht einzustehen. Ob die Beklagte über die erforderliche betriebliche Organisation für die Überwachung des Güterumschlages verfügt und welche Sorgfalt sie im vorliegenden Fall angewendet hat, müsse sich naturgemäß der Kenntnis des Versenders entziehen. Es wäre nicht sachgerecht, vom Versender Aufklärung über die innerbetriebliche Struktur des Unternehmens des Frachtführers zu verlangen. Daher habe sich die mit der Frachtführerhaftung belastete Partei auch vom Vorwurf groben Verschuldens zu entlasten; mit der Behauptung, daß der Verlust des Frachtgutes nicht aufklärbar sei, dürfe sie sich nicht begnügen. Das Erstgericht hätte daher die Beklagte anleiten müssen, diesen Beweis anzutreten. Ohne diese Anleitung sei das Verfahren mangelhaft geblieben, was die Beklagte ausdrücklich gerügt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten gegen diesen Aufhebungsbeschluß ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Zutreffend haben die Vorinstanzen auf das vorliegende Geschäft Frachtrecht angewendet. Gemäß § 413 Abs 1 HGB hat der Spediteur ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers, wenn er sich mit dem Versender über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hat. Eine solche Einigung liegt hier in der Vereinbarung des Entgelts der Beklagten für die gesamte zu erbringende Leistung nach Maßgabe des Gewichtes (Schütz in Straube, HGB Rz 3 zu § 413). § 413 Abs 1 HGB verweist nicht nur auf die Bestimmungen über den Frachtvertrag im HGB; je nach Transportmittel oder Transportweg sind auch die dafür geltenden sonderfrachtrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Gemäß dem durch das Binnen-GüterbeförderungsG BGBl 1990/459 eingeführten § 439 a HGB sind auf den Abschluß und die Ausführung des Vertrages über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße - ausgenommen Umzugsgut - mittels Fahrzeugen, die Haftung des Frachtführers, Reklamationen und das Rechtsverhältnis zwischen aufeinanderfolgenden Frachtführern die Art 2 bis 30, 32 bis 41 des Übereinkommens vom 19.5.1956, BGBl 1961/138, über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) auch dann anzuwenden, wenn der vertragliche Ort der Übernahme und der vertragliche Ort der Ablieferung des Gutes im Inland liegen. Aus der Einordnung dieser neuen Bestimmung in die Vorschriften über das Frachtgeschäft ergibt sich, daß rein speditionelle Tätigkeiten nicht davon erfaßt werden (RV 1234 Beil NR XVII. GP 4). Enthält aber das Speditionsrecht wie in § 413 HGB eine Verweisung auf das Frachtrecht, dann gelten die frachtrechtlichen Bestimmungen des HGB für dieses Geschäft. Hat der Vertrag dabei - wie hier - auch die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen zum Gegenstand, dann sind auf ihn zufolge § 439 a HGB auch die genannten Bestimmungen der CMR anzuwenden.
Gemäß Art 17 Z 1 CMR haftet der Frachtführer für gänzlichen Verlust des Gutes, sofern der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Das Kapitel IV der CMR über die Haftung des Frachtführers enthält verschiedene Bestimmungen, die die Haftung des Frachtführers ausschließen, begrenzen oder die Beweislast umkehren; auf diese kann sich der Frachtführer gemäß Art 29 Abs 1 CMR nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht. Zutreffend sind die Vorinstanzen auch davon ausgegangen, daß nach österreichischem Schadenersatzrecht grobe Fahrlässigkeit dem Vorsatz gleichsteht (SZ 47/106; SZ 60/64; TranspR 1990, 235; Schütz aaO Rz 1 zu Art 29 CMR; Jesser, Frachtführerhaftung nach der CMR 154). Die Haftung der Beklagten für den Verlust des Gutes ist demnach uneingeschränkt, wenn sie zumindest grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat.
Die Entlastungspflicht für mangelndes Verschulden trifft gemäß § 429 Abs 1 HGB den Frachtführer. Diese Regelung über die Umkehr der Beweislast erfaßt jedoch nur das leichte Verschulden. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit müssen auch hier grundsätzlich vom Geschädigten bzw vom Anspruchswerber behauptet und bewiesen werden (SZ 62/107; Schütz aaO Rz 23 zu § 430 HGB; BGH in VersR 1982, 486 und VersR 1986, 1019; Thume, Die Haftung des Spediteurs für Kardinalfehler und grobe Organisationsmängel, TranspR 1991, 209 ff [214]). Auch die frachtrechtliche Situation vermag an diesem Grundsatz nichts zu ändern.
Die besondere frachtrechtliche Situation kann jedoch dazu führen, daß der Versender (Geschädigte) mit dem Beweis von Umständen belastet wird, die in der Sphäre des Frachtführers liegen und die er ohne ausreichende Aufklärung durch den Frachtführer nicht kennen kann. In der Bundesrepublik Deutschland wird daher die Auffassung vertreten, daß den Frachtführer in diesen Fällen eine Darlegungspflicht über die Organisation in seinem Unternehmen zur Sicherung des übernommenen Gutes und über die im konkreten Fall gepflogenen Maßnahmen trifft (BGH in VersR 1982, 486 und VersR 1986, 1019; Koller, TransportR2 Rz 7 zu Art 29 CMR; Thume aaO 214 f). Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet die Anwendung dieser Darlegungspflicht auch im österreichischen Recht, wenn die Aufklärung dem Frachtführer möglich und zumutbar ist, was immer dann der Fall ist, wenn die aufzuklärenden Umstände aus seiner Sphäre stammen; der Nachweis solcher Tatsachen liegt auch nur im Rahmen des dem Frachtführer obliegenden Beweises mangelnder leichter Fahrlässigkeit. Davon kann er auch nicht befreit sein, wenn sich der Geschädigte auf eine qualifizierte Schuldform beruft.
Die Beklagte wird daher im fortgesetzten Verfahren die erforderlichen Behauptungen über ihre betriebliche Organisation zur Sicherung des übernommenen Gutes gegen Diebstahl und Fehlversendungen sowie über die im vorliegenden Fall eingehaltenen Maßnahmen aufzustellen haben. Gelingt ihr sodann der ihr obliegende Nachweis des Fehlens leichten Verschuldens nicht, muß die Klägerin den Nachweis des groben Verschuldens führen.
Der Aufhebungsbeschluß ist daher im Ergebnis zutreffend. Dem Rekurs der Beklagten war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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