Spruch:
Der Revision der erstbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 21.591,-- (darin S 3.598,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.
II) den Beschluß gefaßt:
Die Akten werden dem Erstgericht zur Entscheidung über den Antrag der klagenden Partei auf Fortsetzung des Verfahrens gegen die zweitbeklagte Partei zurückgestellt.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei kaufte von einem Unternehmen mit Sitz in Österreich Brandschutzplatten, deren Transport in mehreren Teillieferungen zu ihr nach Polen erfolgen sollte. Im Liefervertrag vom 5.5.1990 war vereinbart worden, daß die Verkäuferin die Ware lediglich zu verpacken und auf LKW zu verladen habe; der Transport oblag der Klägerin selbst. Diese beauftragte ein polnisches Speditionsunternehmen, das den Auftrag an ein österreichisches Speditionsunternehmen weitergab. Dieses beauftragte mit dem Transport die beklagten Parteien als Frachtführer. Die Aufträge an das österreichische Speditionsunternehmen und an die beklagten Parteien wurden jeweils zu fixen Kosten erteilt. Bei dem hier zu beurteilenden Transport handelte es sich bereits um die zehnte Lieferung; die beklagten Parteien waren auch bei den vorangegangenen Lieferungen als Frachtführer tätig gewesen. Die Liefergegenstände wurden am 10.4.1991 bei der Verkäuferin aufgeladen, der Transport wurde mit einer dem Erstbeklagten gehörigen Zugmaschine und einem Aufleger der zweitbeklagten Partei durchgeführt. Am 11.4.1991 verunglückte das Lieferfahrzeug in Tschechien; der Fahrer erlitt beim Verkehrsunfall tödliche Verletzungen. Das Ladegut wurde durch den Unfall beschädigt, es traf nie bei der klagenden Partei ein.
Die klagende Partei begehrt von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Zahlung von S 570.520,11 (Wiederbeschaffungswert des Ladeguts) samt 14 % Zinsen seit 11.4.1991. Die beklagten Parteien hafteten als aufeinanderfolgende Frachtführer der klagenden Partei als Empfängerin für den Ersatz des total beschädigten Ladeguts; die Beschaffung der Ersatzlieferung sei zu dem in der Klage begehrten Preis erfolgt. Das Zinsenbegehren sei berechtigt, weil die Klägerin einen Kredit habe aufnehmen müssen, der zumindest in der Höhe des Klagsbetrags ausgeschöpft und mit 14 % p.a. verzinslich sei. Insoweit die klagende Partei von ihrer Transportversicherung Ersatzzahlungen erhalten habe, seien ihr diese Ansprüche vom Versicherer rückzediert worden. Es seien ihr aber auch sämtliche vom polnischen Speditionsunternehmen und der österreichischen Verkäuferin allenfalls geltend zu machenden Ansprüche zediert worden. Die beklagten Parteien hafteten gemäß Art 3 CMR für das Fehlverhalten des beim Transport tätig gewesenen Fahrers, der den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe: Er sei dabei alkoholisiert gewesen. Demnach sei es den beklagten Parteien verwehrt, sich auf Haftungsbeschränkungen nach der CMR zu berufen. Die Verjährungsfrist verlängere sich angesichts der groben Fahrlässigkeit des Fahrers gemäß Art 32 Abs 1 CMR auf drei Jahre; der Fristbeginn sei nach Art 32 Abs 1 lit c CMR zu berechnen. Die am 14.4. bzw 10.4.1992 zum Ersatz aufgeforderten beklagten Parteien hätten die Ansprüche der klagenden Partei abgelehnt. Die Rücklieferung des total beschädigten Ladeguts an die Verkäuferin stelle keine Ablieferung des Frachtguts dar.
Die beklagten Parteien wendeten ein, zwischen ihnen und der klagenden Partei bestehe kein Vertragsverhältnis, es seien auch keine aufeinanderfolgenden Frachtführer tätig geworden und es käme daher ein Durchgriff der klagenden Partei auf die beklagten Parteien gemäß den Art 34 ff CMR nicht in Betracht. Art 13 CMR sei unanwendbar, weil die Ware nicht an die klagende Partei weiterbefördert, sondern an die Verkäuferin zurücktransportiert worden sei. Im übrigen habe die klagende Partei vom Transportversicherer Entschädigungszahlungen erhalten. Soweit sich die klagende Partei auf Rückzession berufe, mache sie die Abtretung eines bereits verjährten Rechts geltend. Grobe Fahrlässigkeit des Unfallslenkers liege nicht vor, weshalb die Haftungsbeschränkung des Art 23 CMR zum Tragen käme. Die Forderung der klagenden Partei sei verjährt; als Beginn der Verjährungsfrist sei der Tag der Rückablieferung an die Verkäuferin anzusetzen, weil das Beförderungsgut nicht in Verlust geraten sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es stellte ferner fest, zum Unfallszeitpunkt habe der Lenker des Beklagtenfahrzeugs einen Blutalkoholspiegel von 2,08 %o aufgewiesen. Er sei mit einer Geschwindigkeit von 105 km/h gefahren und habe offenbar eine Umleitung übersehen. Der Sattelschlepper habe sich überschlagen und sei in einen Graben gestürzt. Dabei habe der Fahrer tödliche Verletzungen erlitten. Durch den Unfall sei die Ladung total beschädigt worden. Der Wert der beschädigten Ladung habe S 516.268,05 betragen, für die Ersatzlieferung habe die klagende Partei aber S 570.520,11 aufwenden müssen. Das beschädigte Frachtgut sei nicht weiterverwertet, sondern von der Verkäuferin entsorgt worden. Das österreichische Speditionsunternehmen habe im Auftrag des polnischen Speditionsunternehmens die total beschädigte Ladung durch die beklagten Parteien an die Verkäuferin zurückbefördern und dort abliefern lassen. Der Rücktransport sei am 15.4.1991 durchgeführt worden. Die klagende Partei habe ursprünglich die ihr aus dem Verkehrsunfall zustehenden Ansprüche an den Transportversicherer abgetreten, der ihr jedoch diese Ansprüche am 4.7.1994 rückzediert habe. Die Verkäuferin habe die ihr allenfalls gegen die beklagten Parteien zustehenden Ansprüche am 27.4.1992 und das polnische Speditionsunternehmen habe seine Ansprüche am 5.7.1994 an die klagende Partei abgetreten. Daß die klagende Partei einen Kredit in Anspruch nehme, der den Klagsbetrag übersteige und mit 14 % p.a. zu verzinsen sei, könne nicht festgestellt werden.
In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, die klagende Partei sei als Empfängerin des Frachtguts im Sinne der CMR anzusehen. Wer als Absender fungiert habe, sei bedeutungslos, weil alle beteiligten Unternehmen ihre Ansprüche an die klagende Partei abgetreten hätten. Die beklagten Parteien hafteten als Frachtführer im Sinne der CMR; die klagende Partei sei als Empfängerin des Ladeguts aktiv klagslegitimiert, weil dieses nie bei ihr eingelangt und die angemessene Beförderungsdauer zum Zeitpunkt der Klagserhebung abgelaufen gewesen sei. Die passive Klagslegitimation der beklagten Parteien ergebe sich aus Art 36 CMR, deren Solidarhaftung aus Art 8 Nr 1 EVHGB. Es sei zu einem totalen wirtschaftlichen Verlust des Frachtguts gekommen, das am 15.4.1991 zur Verkäuferin zurücktransportiert worden sei. Die Ablieferung des total beschädigten Frachtguts bei der Verkäuferin sei als Ablieferung im Sinne des Art 32 Abs 1 lit a CMR zu verstehen. Die Ansprüche der klagenden Partei seien nicht verjährt, weil der Lenker des Sattelfahrzeugs, dessen Handlungen sich die beklagten Parteien anrechnen lassen müßten, grob fahrlässig gehandelt habe. Da im österreichischen Recht die grobe Fahrlässigkeit dem Vorsatz gleichgestellt sei, betrage die Verjährungsfrist gemäß Art 32 Abs 1 CMR drei Jahre. Demnach komme auch die Haftungsbegrenzung gemäß Art 23 CMR nicht zur Anwendung. Die klagende Partei habe Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswerts.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Das Erstgericht habe zutreffend eine völlige Entwertung des Transportguts durch Zerstörung angenommen. Die beklagten Parteien hätten das Vorbringen der klagenden Partei, was die an sie erfolgten Abtretungen betrifft, nur unsubstantiiert bestritten, die Rückabtretung durch die Transportversicherung sei von ihnen sogar schlüssig zugestanden worden. Das in der Berufung erstmals erhobene Vorbringen, die klagende Partei habe die Zessionsanbote nicht angenommen, sei als unzulässige Neuerung zu beurteilen. Es sei unstrittig, daß die CMR grundsätzlich anzuwenden sei. Allerdings seien die Bestimmungen über die Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer (Art 34 bis 40 CMR) nicht anwendbar, weil ein durchgehender Frachtbrief nicht vorliege. Es habe zwischen der klagenden Partei und dem polnischen Speditionsunternehmen ein reiner Speditionsvertrag bestanden, erst im Verhältnis zum österreichischen Speditionsunternehmen und weiters zwischen diesem und den beklagten Parteien sei Frachtrecht anzuwenden. Dabei sei die österreichische Spedition als Hauptfrachtführer zu beurteilen, die gemeinsam und zeitlich zugleich agierenden beklagten Parteien seien als deren Unterfrachtführer zu qualifizieren. Soweit die klagende Partei Ansprüche auf die Art 34 ff CMR zu stützen versuche, versage das 6.Kapitel der CMR als Grundlage für die Passivlegitimation der beklagten Parteien. Allfällige Abtretungen von Ansprüchen durch das polnische Speditionsunternehmen oder die Verkäuferin könnten daher auf sich beruhen. Art 13 Abs 1 zweiter Satz CMR vermittle der klagenden Partei als Empfängerin des Frachtguts aber einen direkten Durchgriff auf die beklagten Parteien als letzte Frachtführer, die sich gemäß Art 3 CMR das Verhalten des für sie tätig gewordenen Fahrzeuglenkers anrechnen lassen müßten. Entgegen der zu Art 13 CMR ergangenen Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) sehe die österreichische höchstgerichtliche Rechtsprechung - wie auch ein Teil der deutschen Literatur - im Unterfrachtvertrag einen rechtlich selbständigen Beförderungsvertrag zugunsten des in ihm genannten Empfängers, somit einen echten Vertrag zugunsten Dritter, der auch dem Empfänger einen direkten Anspruch gegen den Unterfrachtführer eröffne. Das Transportgut sei wirtschaftlich völlig entwertet worden, der am Frachtgut eingetretene Totalschaden sei dem Verlust des beförderten Guts gleichzuhalten. Die Rücklieferung des Transportguts an die Verkäuferin sei nicht als Ablieferung zu qualifizieren. Der bereits eingetretene (wirtschaftliche) Totalverlust gehe einer Rücklieferung vor und führe nicht dazu, daß der durch den Verlust bereits entstandene Ersatzanspruch des Empfängers wieder auf andere Personen übergegangen sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und auch nach der Judikatur des BGH stehe grobe Fahrlässigkeit dem Vorsatz im Sinne des Art 29 Abs 1 CMR gleich. Die Herbeiführung eines Verkehrsunfalls durch einen stark alkoholisierten Lenker sei als grob fahrlässig zu beurteilen. Bedenke man weiters, daß der Lenker bei Dunkelheit eine Geschwindigkeit von 105 km/h eingehalten habe, so sei sein gesamtes Verhalten als ungewöhnliche auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht zu beurteilen und sei an der groben Fahrlässigkeit des Unfallslenkers nicht zu zweifeln. Dann betrage die Verjährungsfrist aber gemäß Art 32 Abs 1 zweiter Satz CMR drei Jahre; gemäß Art 32 Abs 1 lit b CMR habe diese Frist mangels Vereinbarung einer Lieferfrist mit dem 60.Tag nach der Übernahme des Guts durch den Frachtführer zu laufen begonnen. Die allfällige Ablieferung des total beschädigten Guts bei der Verkäuferin sei unbeachtlich, weil von einem gänzlichen Verlust auszugehen sei. Die beklagten Parteien hätten das Gut am 10.4.1991 übernommen, eine Verjährung der Ansprüche der klagenden Partei sei daher bei Klagseinbringung (30.4.1992) noch nicht eingetreten gewesen. Dabei sei unbeachtlich, daß die Rückzession durch den Transportversicherer erst am 4.7.1994 erfolgt sei, da die klagende Partei einen eigenen Anspruch geltend gemacht habe und sie zu dieser Geltendmachung bei Schluß der mündlichen Verhandlung jedenfalls wieder berechtigt gewesen sei. Die Haftungsbeschränkung gemäß Art 23 CMR komme gemäß dessen Art 29 nicht zur Anwendung, sodaß der klagenden Partei der Wiederbeschaffungswert des Frachtguts gemäß § 1332 ABGB, welcher nach § 36 IPRG ergänzend anzuwenden sei, zu ersetzen sei.
Die Revision der erstbeklagten Partei ist nicht berechtigt, über die der zweitbeklagten Partei kann derzeit nicht entschieden werden.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Revision der zweitbeklagten Partei:
Die beiden beklagten Parteien brachten am 2.9.1996 die Revision ein, die den Klagevertretern am 14.10.1996 zugestellt wurde. Noch vor dem Einlangen der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei (11.11.1996) wurde mit Beschluß des Handelsgerichts Wien vom 6.11.1996 über das Vermögen der zweitbeklagten Partei der Konkurs eröffnet. Deshalb sprach das Erstgericht mit Beschluß vom 7.11.1996 aus, daß das gegen die zweitbeklagte Partei geführte Verfahren seit dem Tag der Konkurseröffnung gemäß § 7 Abs 1 KO unterbrochen sei und das Verfahren nur auf Parteienantrag fortgesetzt werde. Am 17.12.1996 beantragte die klagende Partei die Fortsetzung des Verfahrens gegen die zweitbeklagte Partei. Dieser Antrag wurde richtigerweise beim Erstgericht gestellt, weil die Rechtssache im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens bei diesem anhängig war; das „Vorverfahren“ vor dem Erstgericht war noch im Gange und die Aktenvorlage an das Rechtsmittelgericht war noch nicht erfolgt (RZ 1991/22; 1 Ob 672/85; Fasching II 797). Das Erstgericht wird über den Fortsetzungsantrag zu entscheiden haben. Solange das unterbrochene Verfahren nicht gehörig aufgenommen wurde, kann über das von der zweitbeklagten Partei eingebrachte Rechtsmittel nicht meritorisch entschieden werden (EvBl 1985/144). Hiebei ist festzuhalten, daß nach der Aktenlage der Konkurs noch nicht rechtskräftig aufgehoben wurde und Dr.Georg Unger zum Masseverwalter für die zweitbeklagte Partei bestellt worden ist.
2. Zur Revision der erstbeklagten Partei:
Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mit der Begründung zugelassen, daß es sich bei der hier unstrittigerweise anzuwendenden CMR um ein internationales Abkommen handle und die Frage, ob der Empfänger des Frachtguts auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen der Art 34 ff CMR gemäß Art 13 CMR einen Unterfrachtführer in Anspruch nehmen könne, von der höchstgerichtlichen deutschen Rechtsprechung anders beurteilt werde als vom Obersten Gerichtshof. Hiezu ist auszuführen: Durch die Ratifizierung der CMR wurde nicht ausländisches oder supranationales Recht geschaffen; vielmehr verdrängen Fragen, die in der CMR abschließend geregelt sind, das sonst nach den Grundsätzen des IPR anwendbare nationale Recht (Schütz in Straube, HGB2, Rz 4 zu den Vorbemerkungen zur CMR). Die CMR stellt gleichfalls nationales Recht dar. Lediglich bei der Auslegung der CMR ist zu berücksichtigen, daß sie ein internationales Übereinkommen ist, das zum Zweck der Rechtsvereinheitlichung abgeschlossen wurde, „Einheitsrecht“ enthält und deshalb möglichst aus sich selbst heraus auszulegen ist (Schütz aaO Rz 6). Das besagt aber nicht, daß nicht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von der eines Höchstgerichts einer anderen Vertragspartei der CMR abweichen könnte.
Entgegen der Ansicht der erstbeklagten Partei existiert oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob den Empfänger des Frachtguts ein direkter Durchgriff auf Unterfrachtführer gewährt werden kann, obwohl die Voraussetzungen für die Anwendung des Kapitels VI der CMR nicht vorliegen. In dem vom erkennenden Senat zu AZ 1 Ob 603/95 (= WBl 1996, 410) abgehandelten Fall wurde vom Empfänger des Frachtguts ebenfalls ein Unterfrachtführer in Anspruch genommen. Auch dort bestanden zwischen den Streitteilen keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen, sodaß Art 34 CMR auf den Schadensfall nicht angewendet werden konnte, weil kein durchgehender Frachtbrief ausgestellt worden war. Der Oberste Gerichtshof hat schon damals ausgesprochen, daß nach den von der Lehre entwickelten und auch von der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen von den Schutzwirkungen, die Verträge zugunsten Dritter entfalten, auch diese Dritten derart in den Schutzbereich eines Vertrags einbezogen werden, daß ihnen gegenüber der insoweit „belastete“ Vertragsteil in gleicher Weise Schutzpflichten und Pflichten zu sorgfältigem Verhalten bei der Erbringung seiner Leistung wie gegenüber seinem Vertragspartner zu erfüllen habe. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß der Empfänger in der geforderten unmittelbaren Leistungsnähe zu den zwischen dem Speditionsunternehmen und der beklagten Partei geschlossenen Frachtvertrag gestanden sei, sodaß sich dessen Schutzwirkungen auch auf ihn und die ihm anzuliefernden Güter erstreckten. Der Empfänger des Ladeguts könne deshalb auch direkt - und ohne Abtretung der Ansprüche des von der klagenden Partei beauftragten Speditionsunternehmens - den Unterfrachtführer (= die dort beklagte Partei) auf Ersatz des ihm durch die Beschädigung des Ladeguts entstandenen Schadens in Anspruch nehmen. Der erkennende Senat verwies in diesem Zusammenhang auf mehrere Entscheidungen (SZ 63/123; SZ 60/64 und SZ 57/75), aber auch auf inländische Lehrmeinungen (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 13 zu § 881; Schütz aaO Rz 2 zu Art 13 CMR). Der Oberste Gerichtshof hat aber auch in den Entscheidungen RdW 1996, 207 und SZ 55/20 die vom Gericht zweiter Instanz und von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage behandelt und im zuvor dargestellten Sinn gelöst. Es besteht kein Anlaß, von dieser einheitlichen Rechtsprechung abzugehen.
Die erstbeklagte Partei meint weiters, weder der Oberste Gerichtshof noch der deutsche Bundesgerichtshof hätten sich schon mit der Frage befaßt, was unter „gänzlichem Verlust des Transportguts“ zu verstehen sei, insbesondere ob die wirtschaftlich völlige Entwertung dem Totalverlust gleichzusetzen sei, und an welche Bestimmung der CMR für den Fall der Annahme der Gleichsetzung verjährungsrechtlich anzuknüpfen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Totalschaden des beförderten Gutes - daß ein solcher eingetreten ist, ist nicht mehr strittig - dem Verlust gleichzuhalten (VersRdSch 1989, 25 mwN; TranspR 1989, 222; HS 14.492). Auch Demuth/Seltmann (in Thume, Kommentar zur CMR, Rz 31 zu Art 32) gehen nur davon aus, daß bei Ablieferung völlig entwerteter Ware die Einordnung unter „Totalverlust“ Schwierigkeiten bereite, weil sämtliche Vorschriften der CMR unterstellten, daß der Empfänger bei Totalverlust ein wie auch immer geartetes Substrat nicht in seine Verfügungsgewalt bekomme. Gerade im vorliegenden Fall hat aber der Empfänger, also die klagende Partei, das Frachtgut auch nicht in Form von Trümmern oder sonst gänzlich entwertet (vgl Demuth/Seltmann aaO) erhalten, sondern wurde die Ware an die Verkäuferin in völlig entwertetem Zustand zurückgestellt. Eine Ablieferung im Sinne von Art 32 Abs 1 lit a CMR würde nur dann vorliegen, wenn der Frachtführer den Gewahrsam an dem beförderten Gut im Einvernehmen mit dem Empfänger aufgegeben und diesen instandgesetzt hätte, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben (VersR 1990, 1180). Auch Jesser (Frachtführerhaftung nach der CMR, 70) meint, es liege gänzlicher Verlust vor, wenn kein einziges Stück abgeliefert werden kann. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen:
Es handelt sich nicht um „teilweisen Verlust“ oder um eine Beschädigung des Frachtguts, sondern um gänzlichen Verlust, bei dem sich der Beginn der Verjährungsfrist nach Art 32 Abs 1 lit b CMR richtet (Jesser aaO 71). Daß der Fahrer des Sattelschleppers den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, wird von der Revisionswerberin nicht mehr in Zweifel gezogen. Das in der schweren Alkoholisierung des Lenkers im Zusammenhalt mit der weit überhöhten Geschwindigkeit gelegene grobe Verschulden, für das gemäß Art 3 CMR die erstbeklagte Partei haftet, steht nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dem Vorsatz gleich (SZ 66/89; 1 Ob 621/90; VersR 1990, 1259; SZ 60/64; SZ 47/106), sodaß die Verjährungsfrist gemäß Art 32 Abs 1 CMR drei Jahre beträgt. Die Klage wurde am 30.4.1992 eingebracht, der Anspruch der klagenden Partei ist demnach nicht verjährt. Die klagende Partei ist zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche kraft eigenen Rechts legitimiert, weshalb das Berufungsgericht auch gar nicht genötigt war, die Möglichkeit einer Abtretung von Ansprüchen der sonst am Transport beteiligten Personen zu prüfen (vgl HS 14.492). Das Vorbringen der Revisionswerberin, die vom Transportversicherer vorgenommene Rückzession an die klagende Partei sei von dieser nicht angenommen worden, ist zudem eine unbeachtliche Neuerung. Die klagende Partei ist demnach berechtigt, den Wiederbeschaffungswert des Frachtguts gegenüber der erstbeklagten Partei geltend zu machen (MietSlg 40.193; 1 Ob 627/83; 6 Ob 792/79 uva).
Wohl haben die Vorinstanzen 14 % Zinsen aus dem Klagsbetrag seit 11.4.1991 zuerkannt, obwohl das Erstgericht davon ausging, die klagende Partei habe keine Berechtigung für einen höheren Zinssatz nachgewiesen, weshalb es bei den gesetzlichen Zinsen von 5 %, zuzusprechen ab dem Tag der schriftlichen Reklamation, nämlich ab 9.4.1992, zu verbleiben habe. Diese Widersprüchlichkeit wurde von den beklagten Parteien im Berufungsverfahren nicht gerügt und der Zinsenzuspruch nicht konkret bekämpft. Mangels Geltendmachung im Berufungsverfahren ist es der erstbeklagten Partei verwehrt, den Zinsenzuspruch im Revisionsverfahren zu bekämpfen.
Der Revision der erstbeklagten Partei ist daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der begehrte Streitgenossenzuschlag ist allerdings zu versagen, weil das gegen die zweitbeklagte Partei angestrengte Verfahren unterbrochen ist.
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