European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00159.22S.1123.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Klauselentscheidungen, Konsumentenschutz und Produkthaftung, Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.197,80 EUR (darin enthalten 366,30 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist ein klageberechtigter Verein im Sinn des § 29 Abs 1 KSchG.
[2] Die Beklagte betreibt ein Versicherungsunternehmen. Sie schließt im gesamten Bundesgebiet Lebensversicherungsverträge mit Verbrauchern ab, denen die „Versicherungsbedingungen für die Er‑ und Ablebensversicherung“ (AVB), gültig ab 1. Juni 2014, zugrunde liegen. Diese enthalten die folgende Klausel:
„ § 18
Rentenoptionsklausel
(1) Sie können an Stelle des Kapitals eine lebenslange Pension beantragen, deren Höhe entsprechend den in diesem Zeitpunkt in Kraft befindlichen Rechnungsgrundlagen und dem Alter des Pensionsempfängers bestimmt wird. […] Die Pensionsleistung unterliegt den zum Zeitpunkt der Verrentung zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen.
(2) Für die Ermittlung der Pension garantieren wir, dass der im Zeitpunkt des Pensionszahlungsbeginnes höchstmögliche Rechnungszins gemäß Höchstzinsverordnung der Finanzmarktaufsicht zur Anwendung kommt.“
Rechtliche Beurteilung
[3] Da die Beklagte in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[4] 1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 7 Ob 186/20h die zu den Rückkaufswertklauseln entwickelten Grundsätze auf Rentenwahlklauseln – wie die hier zu beurteilende Klausel – übertragen und das Fehlen eines Hinweises darauf bemängelt, dass sich die Rentenberechnung nach zwei Faktoren richtet, nämlich Sterbetafel und Rechnungszins. Über diese ist nämlich der Versicherungsnehmer nach § 2 Abs 1 Z 4 der Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung 2018, BGBl II 2018/247 (vormals § 2 Abs 1 Z 4 der Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung, BGBl II 2015/294), der die produktbezogenen Aufklärungspflichten nach § 135c Abs 1 Z 1 VAG 2016 in der Fassung BGBl I 2018/16 (vormals § 253 Abs 1 Z 1 VAG 2016 in der Fassung BGBl I 2015/34) konkretisiert, vor Vertragsabschluss zu informieren. Ausgehend davon kann der Verweis auf einen Tarif in einer Klausel, die den Versicherungsnehmer über die Rechnungsgrundlagen zur Berechnung einer auszuzahlenden Rente informieren soll, nur dann im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG als klar und verständlich angesehen werden, wenn die Zusammensetzung der Rechnungsgrundlage dem Versicherungsnehmer offengelegt wird.
[5] An dieser Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof trotz kritischer Stimmen in der Lehre (vgl etwa Perner/Spitzer,Rentenoption und Rentenberechnung in der Lebensversicherung, VersRdSch H 7–8/2021, 37; Schauer, Transparenzgebot, die Wievielte?, Vom Rentenwahlrecht zur Kinderprämie, ZVers 2022, 1) in der Entscheidung 7 Ob 97/22y festgehalten.
[6] 2. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Klausel sei intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG, ist daher nicht korrekturbedürftig, weil darin nicht sämtliche im Anfallszeitpunkt geltenden Rechnungsgrundlagen, die der Versicherer der Berechnung der auszuzahlenden Rente zugrundelegt, angeführt werden, sodassdem Versicherungsnehmer durch eine unvollständige Information kein klares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird.
[7] 3. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH zu IV ZR 121/00, wonach eine Klausel in AGB über die kapitalbildende Lebensversicherung, die die Überschussermittlung und ‑beteiligung regelt, nicht deshalb wegen Intransparenz unwirksam sei, weil die Klausel die Berechnungsmethode nicht aufzeige, ist nicht einschlägig (7 Ob 97/22y).
[8] 4. Zu dem von der Beklagten in erster Instanz erhobenen – in der Revision wiederholten – Einwand, das Unterlassungsbegehren sei zu weit gefasst, weil § 6 Abs 3 KSchG erst am 1. Jänner 1997 in Kraft getreten sei und bei ihr noch „einige kapitalbildende Lebensversicherungsverträge mit Rentenwahlrecht“ vor diesem Zeitpunkt existierten, enthielt ihre Berufung keine inhaltlichen Ausführungen. Dieser selbständig zu beurteilende Einwand ist daher im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen (RS0043338 [insb T4, T10, T13, T27]; vgl RS0043352 [T31, T33]).
[9] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
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