Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird nicht, jener der beklagten Partei hingegen Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren - einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen abweislichen Teiles von monatlich EUR 35,50 seit 9. 11. 2001 - auch hinsichtlich des verbleibenden Restes von monatlich EUR 317,20 ab 9. 11. 2001 abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 9.788,26 (hierin enthalten EUR 1.925,- Barauslagen und EUR 1.310,54 Umsatzsteuer) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile schlossen am 15. 6. 1968 die Ehe, der eine am 24. 3. 1971 geborene Tochter entstammt. Die Ehe verlief rund 25 Jahre harmonisch und widmete sich die Klägerin während dieser Zeit (aufgrund einvernehmlicher Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft) der Haushaltsführung und (bis zum Auszug der Tochter) deren Erziehung. Sie ging während dieser Zeit keiner beruflichen Tätigkeit nach; sie war nur vor ihrer Heirat drei bis vier Jahre bei ihrem Vater als Büroangestellte beschäftigt und hat in der Folge keine weitere berufliche Aus- und Fortbildung absolviert. Der Beklagte bezieht seit Jänner 1996 wegen der schmerzhaften und unheilbaren Krankheit Morbus Bechterew eine Berufsunfähigkeitspension und überdies eine Firmenpension seines früheren Arbeitgebers, zusammen monatlich durchschnittlich netto EUR 1.764,20.
Bereits seit 1996 besteht zwischen der Klägerin und einem (verheirateten) Mann eine regelmäßige intime Liebesbeziehung, im Rahmen derer sie auch zahlreiche gemeinsame Freizeitaktivitäten mit diesem unternahm (wie Reisen, Urlaube und Parties). Schon seit Auftreten der schweren Krankheit des Beklagten konzentrierte sie sich ausschließlich auf Aktivitäten außerhalb ihrer Ehe und Familie und pflegte ausgiebige Kontakte ohne Einbindung des Beklagten(Tennis, Golf, Schifahren; Urlaube im In- und Ausland; Rückkehr nach Hause oftmals erst spät nachts, auch an den Wochenenden), wobei die Klägerin zu gemeinsamen Aktivitäten mit Mann und Tochter auch an den Wochenenden nicht bereit war. So lehnte sie auch die Einladung des Beklagten zu einem gemeinsamen Aufenthalt in Loipersdorf anlässlich ihres 50. Geburtstages (im April 1997) ab und zog eine Reise nach Tunis vor.
Bedingt durch seine Erkrankung und die dadurch erfolgte Frühpensionierung verfiel der Beklagte in Depressionen, hatte Minderwertigkeitsgefühle und zog sich immer mehr zurück. In dieser schlechten psychischen Verfassung, in der ihn die Klägerin allein ließ, erfuhr er erstmals aus dem Bekanntenkreis über deren "Verhältnis".
Im August 1997 verließ die Klägerin die Ehewohnung und ist zu ihrem Bruder gezogen, dann zur Mutter und wohnte auch in der Wohnung ihres Ehebruchpartners. Seither ist auch die Ehe unheilbar zerrüttet. Zum Auszug aus der Ehewohnung kam es, nachdem der Beklagte die Klägerin zunächst im April 1997, als sie wieder einmal erst spät nachts heim kam und aus ihrem Mantel ein BH herausschaute, heftig zur Rede gestellt und ihr hiebei "blaue Flecken" am Hals- und Schulterbereich zugefügt hatte, die jedoch nicht ärztlich behandelt werden mussten. Im August 1997 traf der Beklagte dann auf der Autobahn im Raum Salzburg die Klägerin und ihren Freund gemeinsam in einem Auto an, worauf er ihnen nachfuhr und den Mann in Elixhausen zur Rede stellte; bei dieser (bloß) verbalen Auseinandersetzung beschimpfte der Beklagte in seiner Erregung beide.
Der Beklagte lernte Anfang 1999 seinerseits eine Frau kennen, mit der sich eine inzwischen wiederum beendete (vor allem auf die Wochenenden konzentrierte) Liebesbeziehung, jedoch keine Lebensgemeinschaft entwickelte.
Eine bereits am 6. 4. 2000 von der Klägerin beim Bezirksgericht Hallein zu 15 C 39/00z eingebrachte Scheidungsklage (aus dem Alleinverschulden des Beklagten) wurde mit Urteil dieses Gerichtes vom 28. 9. 2001 mangels feststellbarer schwerer Eheverfehlungen durch den Beklagten rechtskräftig abgewiesen. Hierin wurde ua ausgeführt, dass die Klägerin ihrerseits durch Aufnahme eines ehewidrigen Verhältnisses und Verletzung ihrer Beistandspflicht gegenüber dem schwer erkrankten und in Depressionen verfallenen Beklagten selbst die Zerrüttung der Ehe herbeigeführt hatte und die vom Beklagten (beim Vorfall vom April 1997) gegen die Klägerin angewandte Gewalt "nur knapp über der Erheblichkeitsgrenze" gelegen und durch eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung verursacht worden sei.
Mit der am 9. 11. 2001 neu eingebrachten vorliegenden Klage begehrte die Klägerin abermals die Scheidung dieser Ehe (wegen Ablaufes der Dreijahresfrist des § 55 EheG) und stellte weiters ein auf § 68a Abs 2 EheG gestütztes Unterhaltsbegehren in Höhe von monatlich S 8.500 ab Klagstag.
Der Beklagte trat dem Scheidungsbegehren nicht entgegen, beantragte jedoch die Abweisung des Unterhaltsbegehrens, da dieses aufgrund der besonders schweren Eheverfehlungen der Klägerin (vorrangig ihres langjährigen außerehelichen Beziehungsverhältnisses) gemäß § 68a Abs 3 EheG nicht zu Recht bestehe.
Mit Teilurteil vom 23. 9. 2002 wurde die zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe (rechtskräftig) geschieden.
Mit (richtig: End-)Urteil erkannte das Erstgericht die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 9. 11. 2001 monatlich EUR 265 an Unterhalt zu bezahlen; das Mehrbegehren von weiteren EUR 352,70 monatlich wurde abgewiesen.
Das Erstgericht beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt (wobei mangels rechtlicher Erheblichkeit von einer Wiedergabe desselben auch zu den weiteren finanziellen Lebensverhältnissen insbesondere der Klägerin gemäß § 510 Abs 3 erster Satz ZPO abgesehen werden kann) rechtlich - ebenfalls zusammengefasst - dahin, dass die Voraussetzungen für einen Billigkeitsunterhalt nach § 68a EheG zu bejahen, dieser jedoch - in Auswertung einer vorgenommenen "Verschuldensanalyse" - aufgrund der vorliegenden einseitigen besonders schwerwiegenden Eheverfehlungen der Klägerin auf 15 % des Nettoeinkommens des Beklagten zu kürzen sei.
Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien erhobenen Berufungen nicht Folge (wobei die Klägerin das Ersturteil lediglich in Ansehung des EUR 317,20 übersteigenden abweislichen Teiles angefochten hatte) und sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als unbedenklich und führte rechtlich (wiederum zusammengefasst) aus, dass die Klägerin durch ihren Ehebruch samt "fortgesetztem sexuellen Liebesverhältnis" zwar einseitig eine besonders schwere Eheverfehlung begangen habe und keine Anknüpfungspunkte für ein eigenes pflichtwidriges Verhalten des Beklagten gefunden hätten werden können. Aufgrund ihrer besonderen Bedarfslage erscheine jedoch trotz dieser schweren Eheverfehlung die erstgerichtliche Bemessung "unter Beachtung der konkreten Voraussetzungen des Einzelfalles gerechtfertigt und billig".
Die ordentliche Revision wurde für zulässig erachtet, weil "die Rechtsprechung zur Gewichtung der Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Unterhaltsanspruches nach § 68a EheG noch nicht in einer die Zulässigkeit der ordentlichen Revision im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ausschließenden Weise gefestigt" sei.
Gegen diese Entscheidung richten sich die jeweils auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revisionen beider Parteien mit den wechselseitigen Anträgen, dem (restlichen) Unterhaltsklagebegehren stattzugeben bzw dieses abzuweisen. Beide Parteien haben auch Revisionsbeantwortungen erstattet, in denen jeweils der Antrag gestellt wird, dem Rechtsmittel der Gegenseite keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind zulässig, jedoch nur jene des Beklagten ist auch berechtigt, weil - ausgehend von den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen - das Unterhaltsbegehren im Lichte der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Verwirkungstatbestand des § 68a Abs 3 EheG schon dem Grunde nach unberechtigt ist. Dies aus folgenden Erwägungen:
Nach dem Eherechts-Änderungsgesetz (EheRÄG) 1999 BGBl I 1999/125 wurde mit § 68a EheG für Fälle der Verschuldensscheidung ein vom Verschulden an der Scheidung grundsätzlich unabhängiger Unterhaltsanspruch neu eingeführt, der nach den Materialien (RV 1653 BlgNR 20. GP, 24 ff; ausführlich wiedergegeben auch in 4 Ob 278/02i) auch an einen an der Zerrüttung der Ehe überwiegend oder allein schuldigen Ehegatten gewährt werden kann, jedoch nur für bestimmte Härtefälle als Ausnahmeregelung gedacht ist (3 Ob 246/03b; 7 Ob 61/03a; RIS-Justiz RS0118107). Da die vorliegende Klage nach dem 31. 12. 1999 eingebracht wurde und Unterhaltsleistungen nur für die Zukunft begehrt werden, ist diese Bestimmung nach den Vorschriften des Übergangsrechtes (Art VII Z 4 EheRÄG 1999) entgegen der Auffassung des Beklagten jedenfalls vollinhaltlich anzuwenden (ausführlich bereits 4 Ob 235/00g). Abs 3 des neuen § 68a EheG legt nun ausdrücklich fest, dass sich der Unterhaltsanspruch nach Abs 1 oder 2 leg cit vermindert oder auch unter Umständen überhaupt nicht besteht, "soweit die Gewährung des Unterhalts unbillig wäre, weil [ua] der Bedürftige einseitig besonders schwerwiegende Eheverfehlungen begangen... hat", welche unter Zugrundelegung des § 94 Abs 2 ABGB (bei aufrechter Ehe) die Verwirkung des Unterhaltes zur Folge hätten (ausführlich 1 Ob 303/00s). In der inzwischen bereits mehrfach veröffentlichten Entscheidung 1 Ob 171/02g (JBl 2004, 45 [Kerschner] = EvBl 2003/114 = ecolex 2003, 592 = RIS-Justiz RS0117457) hat der Oberste Gerichtshof in Fortführung dieser gesetzlichen Vorgaben demgemäß ausgeführt, dass sowohl nach § 94 Abs 2 ABGB als auch nach § 68a Abs 3 EheG der Zuspruch von Unterhalt nicht zugesprochen werden soll, wenn der Berechtigte eklatant gegen eheliche Gebote verstößt und ein solcher Verstoß nach dem objektiven Gerechtigkeitsempfinden aller vernünftig denkenden Menschen mit dem Zuspruch von Unterhalt unvereinbar ist.
Es ist demnach sittenwidrig, jenem Ehegatten, der schuldhaft jegliche Ehegesinnung vermissen lässt, den finanziellen Vorteil aus der Ehe zu belassen, obwohl er selbst nicht zur Erfüllung der ihn treffenden ehelichen Verpflichtung bereit ist. Das Begehren von Unterhalt bei grundlosem Verlassen des anderen Eheteils ist in der Regel rechtsmissbräuchlich. Ein fortgesetztes (zunächst ehebrecherisches) Liebesverhältnis stellt grundsätzlich eine derart schwerwiegende, einseitige Verletzung der ehelichen Verhaltenspflichten dar, dass der Unterhaltsanspruch des ehebrecherischen Ehegatten als unbillig und daher verwirkt angesehen werden muss. Von dieser Regel kann bloß dann eine Ausnahme gerechtfertigt sein, wenn der andere Ehegatte ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig zu erkennen gegeben hat, dass er seinen ernstlichen Willen, die Ehe ihrem Wesen gemäß fortzusetzen, aufgegeben und dadurch die andernfalls zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führende schwere Pflichtverletzung seines Ehepartners gebilligt, veranlasst oder gefördert hat.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht bloß die Aufnahme der Intimbeziehung 1996 (also Jahre vor dem späteren ersten Scheidungsverfahren) während noch aufrechter Ehe der Streitteile eine einseitige, besonders schwerwiegende Eheverfehlung der Klägerin im Sinne eines Verstoßes gegen die ehelichen Grundregeln abseits der Treuepflicht war, wobei sie noch zusätzlich jahrelang im Freundes- und Bekanntenkreis alleine ihren Aktivitäten außer Haus nachging; sie negierte überdies auch jegliche Beistandspflicht gegenüber ihrem schwer erkrankten und depressiven Mann. Bereits das Erstgericht hat diese Verhaltensweisen der Klägerin (insgesamt) durchaus zutreffend mit "schuldhafter Eheablehnung" bzw "einer dem völligen Verlust des Ehewillens nahekommenden Verflüchtigung desselben" qualifiziert, wohingegen dem Beklagten im Vergleich dazu keine unterhaltsrechtlich relevanten Eheverfehlungen vorzuwerfen sind.
Ein derartig krasser Fall wie der vorliegende rechtfertigt - auch unter Berücksichtigung der Kritik Kerschners an der Entscheidung 1 Ob 171/02g (in JBl 2004, 45) - nach Auffassung des erkennenden Senates jedenfalls die Annahme einer Unterhaltsverwirkung wegen Unbilligkeit (RIS-Justiz RS0009759). Insoweit ist auch die bisherige Judikatur zu § 94 Abs 2 ABGB auf den neuen Unterhaltstatbestand aufrechtzuerhalten (RIS-Justiz RS0047093).
Damit war der Revision des Beklagten Folge, jener der Klägerin hingegen keine Folge zu geben. Auf die in beiden Rechtsmitteln zur Berechnungshöhe der Vorinstanzen enthaltenen Ausführungen braucht damit nicht mehr näher eingegangen zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Dabei war (für das Verfahren erster Instanz) auf den bereits vom Erstgericht (Seite 41 seiner Entscheidung) zutreffend verwiesenen Umstand der Streitwertherabsetzung ab dem Teilurteil erneut Bedacht zu nehmen.
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