European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00001.17Y.0705.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.244,42 EUR (darin 374,07 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Parteien haben einen Haushalts-versicherungsvertrag abgeschlossen mit einer Versicherungssumme von 126.000 EUR. Diesem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung mit Wertanpassung (ABH 2012) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:
„Artikel 3
Wo gilt die Versicherung?
1. Die Versicherung gilt in den vom Versicherungsnehmer bewohnten Räumen des Gebäudes auf dem Grundstück, das in der Polizze als Versicherungsort angeführt ist.
2. Auch außerhalb der Wohnräume sind folgende Sachen des Wohnungsinhaltes versichert:
2.1. Auf dem Dachboden, im Keller (Kellerabteil) oder Ersatzraum (z.B. Schuppen, Privatgarage u.dgl.):
[…]
2.2. Im Freien auf dem Grundstück und im Stiegenhaus:
[…]
3. Außerhalb der Wohnung sind in Europa im geographischen Sinn oder einem Mittelmeeranliegerstaat versichert:
Sachen des Wohnungsinhaltes, die vorübergehend, aber nicht länger als 6 Monate in ständig bewohnte Gebäude verbracht werden. […]
Diese Außenversicherung gilt nicht für Zweitwohnsitze und deckt nicht Schäden durch einfachen Diebstahl. Das Beraubungsrisiko ist in dieser Außenversicherung auch außerhalb von Gebäuden mitversichert.
4. Bei Wohnungswechsel innerhalb von Österreich gilt die Versicherung während des Umzuges, dann in den neuen Wohnräumen, sofern der Vertrag nicht vor Beginn des Umzuges und mit Wirkung auf den Tag vor Beginn des Umzuges gekündigt wird.
Der Wohnungswechsel ist dem Versicherer schriftlich zu melden. “
Die Risikoadresse laut Polizze war *****, und die Wohnnutzfläche war mit 90 m2 angegeben.
Die Klägerin hatte in ihrem im Internetportal „Durchblicker.at“ ausgefüllten Versicherungsantrag jene Versicherungsart gewählt, bei der die Versicherungssumme nach Anzahl der Quadratmeter der versicherten Wohnung errechnet wurde. Als Alternative dazu gab es eine Versicherungsvariante, bei der die Versicherungssumme individuell festgelegt wird.
Die in der Polizze angeführte Wohnung war jene, in der die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags wohnte.
Die Klägerin übersiedelte in der Folge in die Wohnung *****, mit einer Nutzfläche von 116 m². Die Klägerin setzte die Beklagte von ihrem Umzug nicht in Kenntnis.
Am 21. 9. 2014 kam es in der neuen Wohnung zu einem Brand, bei dem die gesamte Wohnungseinrichtung zerstört wurde.
Die Beklagte leistete für den entstandenen Schaden (nur) anteiligen (aliquoten) Ersatz in Höhe von 30.585,41 EUR nach dem Verhältnis der Wohnnutzfläche der in der Polizze genannten Wohnung zur Wohnnutzfläche jener Wohnung, in der der Brand stattgefunden hatte.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von (weiteren) 53.631,43 EUR (behaupteter Gesamtschaden 84.216,84 EUR abzüglich der Zahlung von 30.585,41 EUR) sA. Die Nutzfläche jener Wohnung, in der sich der Brand ereignete, sei zwar größer gewesen (116 m²) als jene an der Risikoadresse (90 m²). Es sei aber sachlich nicht gerechtfertigt, auf die Wohnungsgröße abzustellen, weil diese mit dem Wert ihrer Einrichtung in keiner zwingenden Relation stehe. Vielmehr habe die Klägerin nach ihrem Umzug in der neuen Wohnung im Wesentlichen dieselben Gegenstände aufbewahrt wie in der alten Wohnung. Eine Klausel, nach der eine Unterversicherung auf die Quadratmeterzahl der Wohnung und nicht auf das Verhältnis zwischen der Versicherungssumme und dem Wert der versicherten Gegenstände abstelle, sei gröblich benachteiligend und daher nichtig.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der Schadensfall habe sich nicht an der Risikoadresse, einer Wohnung mit 90 m², sondern in einer Wohnung mit einer Nutzfläche von 116 m² ereignet. Die Klägerin habe der Beklagten weder den Umzug an die neue Adresse, noch die Änderung der Quadratmeterzahl bekannt gegeben. Infolge vorgelegener Unterversicherung sei die Leistung aliquot gekürzt und damit sämtliche Ansprüche der Klägerin berichtigt worden. Der Versicherungsschutz gelte aber ohnehin nicht für die neue Wohnung, sondern bei einem Wohnungswechsel innerhalb Österreichs zufolge Art 3.4. ABH 2012 nur während des Umzugs, aber nicht mehr danach.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es war rechtlich der Ansicht, der klare Wortlaut des Art 3.4. ABH 2012 spreche dafür, dass bei einem Wohnungswechsel innerhalb Österreichs die Versicherung danach für die neuen Wohnräume gelte, sofern sie nicht gekündigt werde. Die Vereinbarung einer Unterversicherung unter Berufung auf die Quadratmeterzahl sei gröblich benachteiligend und daher unwirksam. Eine solche Vorgehensweise führe nämlich zu einer wesentlichen Einschränkung gegenüber dem in § 56 VersVG festgelegten Standard, wonach eine Kürzung der Entschädigung im Verhältnis des Versicherungswerts zur Versicherungssumme festgelegt werde.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Art 3.4. ABH 2012 nehme ausdrücklich auf die „neuen Wohnräume“ nach dem Umzug Bezug. Die Regelung werde vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer dahin verstanden, dass nach dem Umzug die neue Wohnung zeitlich uneingeschränkt versichert sei. Dass ausschließlich die in der Polizze bezeichnete Risikoadresse Versicherungsort sei, könne den Versicherungsbedingungen nicht entnommen werden. Selbst wenn man die Regelung als unklar iSd § 915 ABGB qualifizieren wollte, ginge dies zu Lasten der die Versicherungsbedingungen verwendenden Beklagten.
An das Unterlassen der Anzeige des Wohnungswechsels seien keine Sanktionen geknüpft, sodass die unterbliebene Bekanntgabe keine Auswirkungen auf den Versicherungsschutz der Klägerin habe. Dass insoweit eine Obliegenheitsverletzung nach § 23 VersVG vorliege, habe die Beklagte nicht behauptet und es gebe dafür auch keine Anhaltspunkte. Das Zwischenurteil des Erstgerichts sei daher zu bestätigen. Die Ausführungen des Erstgerichts zur Unterversicherung seien nicht zu überprüfen, weil diese (nur) die Höhe des Anspruchs betreffen würden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden habe, ob bei Anführung einer konkreten Risikoadresse in der Polizze und der Umschreibung des (ursprünglichen) Versicherungsorts in den Allgemeinen Versicherungs-bedingungen die Haushaltsversicherung im Fall des Umzugs auch für die neue Wohnung gelte, wenn diese Geltung mit der Wendung „während des Umzuges, dann in den neuen Wohnräumen“, festgelegt werde.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1.1. Vorauszuschicken ist, dass die Frage der (formellen) Zulässigkeit eines Zwischenurteils grundsätzlich eine prozessuale Frage ist. Die unrichtige Lösung einer solchen bedeutet eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RIS‑Justiz RS0040918 [T10]), die nur im Rahmen einer– hier allerdings nicht geltend gemachten – Verfahrensrüge überprüfbar wäre (8 Ob 70/08i).
1.2. Nach einem Zwischenurteil über den Anspruchsgrund ist die Lösung aller die Ermittlung der Höhe des Klageanspruchs betreffenden Fragen dem ergänzenden Verfahren vorbehalten. Eine trotzdem zur Höhe ausgesprochene Rechtsansicht bindet das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren nicht. Ausführungen zur Höhe des Anspruchs sind daher auch für die den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildende Überprüfung seines Zwischenurteils nicht relevant (RIS‑Justiz RS0126666).
2.1. Allgemeine Versicherungsbedingungensind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen. Versicherungsbedingungen sind aus ihrem Zusammenhang heraus zu verstehen und, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901; 7 Ob 69/13t mwN). Die Auslegung hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungs-nehmers zu orientieren (RIS‑Justiz RS0050063). In allen Fällen ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0008901 [T5, T7, T87]). Als Ausnahmetatbestände dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RIS‑Justiz RS0107031).
2.2. Auch die in der Versicherungspolizze enthaltene Risikobeschreibung hat sich am Verständnis eines redlichen und verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (7 Ob 32/91).
3.1. In der Versicherungspolizze war eine bestimmte Wohnung als Risikoadresse (Versicherungsort) angegeben. In der Festlegung des Versicherungsorts mit der jeweiligen Wohnung samt Nebenräumen in der Haushaltsversicherung liegt eine sekundäre Risikoabgrenzung (RIS‑Justiz RS0114171 [T1]). Dabei widerspricht ein Wechsel des Versicherungsorts in der Haushaltsversicherung nicht generell deren Wesen (vgl etwa 7 Ob 231/99t [Art 5 ABH 1984]).
3.2. Art 3.1. ABH 2012 bezieht sich zunächst auf Räume in dem in der Polizze als Versicherungsort angegebenen Gebäude. Art 3.4. ABH 2012 widmet sich dann gesondert und ausdrücklich dem Wohnungswechsel innerhalb Österreichs. Er ordnet an, dass die Versicherung „während des Umzuges, dann in den neuen Wohnräumen (gilt), sofern der Vertrag nicht vor Beginn des Umzugs und mit Wirkung auf den Tag vor Beginn des Umzuges gekündigt wird“.
3.3. Das Auslegungsverständnis der Beklagten dahin, dass die Haushaltsversicherung nur „während des Umzuges“ und dann nicht mehr gelten solle, würde der Wortfolge „dann in den neuen Wohnräumen“ jedwede Bedeutung nehmen. Es entspricht demgegenüber sowohl richtigem grammatikalisch-sprachlichem Verständnis als auch der Auffassung eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers, dass aus der in Art 3.4. ABH 2012 von der Beklagten gewählten Formulierung Versicherungsschutz für die neue Wohnung des Versicherungsnehmers nach einem Wohnungswechsel dann besteht, wenn der Vertrag nicht vor und mit Wirkung auf den Tag vor Beginn des Umzugs gekündigt wurde.
4.1. Art 3.4. ABH 2012 verpflichtet den Versicherungsnehmer, einen Wohnungswechsel anzuzeigen. Diese Anordnung ist allerdings weder mit einer (ausdrücklichen) Sanktion verknüpft noch wird damit ein Bezug zu einer Gefahrenerhöhung hergestellt.
4.2. Hat die Beklagte mit der Anzeigepflicht eine nach § 6 VersVG zu behandelnde Anzeigeobliegenheit anordnen wollen, dann tritt Leistungsfreiheit des Versicherers dann ein, wenn sie für den Fall einer Obliegenheitsverletzung a) im Versicherungsvertrag vereinbart oder b) ausdrücklich im Gesetz normiert worden ist (RIS‑Justiz RS0080347 [T2]).
4.3. Bei vertraglich vereinbarten Obliegenheiten müssen auch die Verletzungsfolgen vertraglich vereinbart sein. An die Klarheit der Vereinbarung von Verletzungsfolgen sind nach bereits vorliegender Rechtsprechung strengste Anforderungen zu stellen (RIS‑Justiz RS0080435 [T2]). Im Zweifel ist die Verletzung der Anzeigeobliegenheit daher sanktionslos (vgl Martin, Sachversicherungsrecht3 761 Rn 46 [zu insofern ähnlichen AVB]).
4.4. Da in Art 3.4. ABH 2012 für den Fall des Unterlassens der Anzeige keine Sanktion vorgesehen ist, bleibt die Verletzung der Anzeigepflicht durch die Klägerin, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ohne Folgen.
5. § 23 Abs 2 VersVG verpflichtet den Versicherungsnehmer, dem Versicherer jede Erhöhung der Gefahr anzuzeigen. Damit der Versicherer aus einer Verletzung dieser Obliegenheit seine Leistungsfreiheit ableiten kann, muss dieser zumindest den Sachverhalt vorbringen, der diesen Tatbestand erfüllt (vgl RIS‑Justiz RS0037580). Im Fall des § 23 Abs 2 iVm § 25 VersVG bedeutet dies, dass der Versicherer die Gefahrenerhöhung behaupten und beweisen muss (vgl RIS‑Justiz RS0080487). Die Beklagte hat sich darauf, dass der Umzug eine Gefahrenerhöhung (hier: Erhöhung der Gefahr eines Wohnungsbrandes) begründet habe, in ihrer Berufung nicht erkennbar gestützt, weshalb das Berufungsgericht darauf auch nicht einzugehen hatte und dies ist damit im Revisionsverfahren ebenfalls nicht mehr zu prüfen.
6.1. Das Berufungsgericht ist demnach insgesamt den von ihm dem Anspruchsgrund zugeordneten Einwendungen der Beklagten (keine Deckung für die neue Wohnung; Verletzung der Anzeigepflicht; Gefahrenerhöhung) mit Recht nicht gefolgt.
6.2. Den Einwand der Unterversicherung hat das Berufungsgericht dem Verfahren über die Höhe des Anspruchs zugeordnet (vgl 7 Ob 97/14m) und daher nicht inhaltlich geprüft (s dazu auch Punkt 1.2.). Dieser rechtlich selbständigen Beurteilung über die Zuordnung dieses Einwands tritt die Beklagte in ihrer Revision inhaltlich nicht erkennbar entgegen (vgl RIS‑Justiz RS0043338).
7. Zusammengefasst folgt:
7.1.1. Art 3.4. ABH 2012 ist dahin zu verstehen, dass im Fall eines Wohnungswechsels des Versicherungsnehmers nicht nur während des Umzugs, sondern auch danach für die neue Wohnung Versicherungsschutz besteht, sofern der Vertrag nicht vor und mit Wirkung auf den Tag vor Beginn des Umzugs gekündigt wird.
7.1.2. Art 3.4. ABH 2012 sieht für den Fall des Unterlassens der Anzeige des Wohnungswechsels keine Sanktion vor. Die Verletzung der Anzeigepflicht bleibt daher für die Klägerin ohne Folgen.
7.1.3. Den Umstand, dass der Umzug in eine andere (größere) Wohnung (gegebenenfalls) zu einer Gefahrenerhöhung (hier: Erhöhung der Gefahr eines Wohnungsbrandes) geführt habe, hat die Beklagte im Rechtsmittelverfahren nicht substanziell geltend gemacht.
7.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der richtige Ansatz für die Revisionsbeantwortung beträgt 1.245,50 EUR.
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