Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.135,-- (darin enthalten S 1.522,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hatte bei der beklagten Partei für die Zeit von 1. 12. 1988 bis 1. 12. 1998 eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung, Fassung 1984 (ABH 1984) zugrundelagen. Nach deren Art 1 A) d) zählen vollbrachter oder versuchter Einbruchsdiebstahl, einfacher Diebstahl und Beraubung zu den versicherten Gefahren. Art 5 AHB 1984 lautet auszugsweise:
(1) Die Versicherung gilt innerhalb der Republik Österreich in der jeweiligen Wohnung und bei einem Wohnungswechsel auch während des Umzuges.
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Einen Wohnungswechsel hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Der Anzeigepflicht hat er genügt, wenn er die Anzeige innerhalb von vier Wochen nach Beendigung des Umzuges erstattet. Der Versicherer kann binnen Monatsfrist, nachdem er von dem Wohnungswechsel Kenntnis erlangt hat, den Vertrag mit einmonatiger Kündigungsfrist kündigen. Hat der Versicherungsnehmer die rechtzeitige Anzeige unterlassen, so verliert er, wenn der Schadenfall eintritt, das Recht auf die Leistung des Versicherers, es sei denn, dass ihm ein Verschulden an der Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu Last fällt oder dass die Frist für die Ausübung des Kündigungsrechtes des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt ist. Die Leistungspflicht des Versicherers bleibt bestehen, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass mit dem Wohnungswechsel keine Gefahrerhöhung verbunden ist.
(2) Werden versicherte Sachen, ohne dass ein Wohnungswechsel vorliegt, aus der Wohnung des Versicherungsnehmers dauernd entfernt, so erlischt insoweit der Versicherungsvertrag.
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Versichert wurde gemäß Art 4 AHB 1984 der gesamte Wohnungsinhalt, und zwar gemäß Art 9 AHB 1984 zum Neuwert.
Die Klägerin wohnte zunächst in dem in der Versicherungspolizze (Beilage B) angeführten Haus *****. Im Februar 1989 zog sie dann nach Gr***** und wohnt seither dort unter der Adresse *****. Ihr Vater Rudolf B***** und seine Ehefrau (die Stiefmutter der Klägerin) wohnten seit 1989 ständig im Haus in G*****. Sie kümmerten sich um die Hausangelegenheiten und zahlten 1994 auch die Haushaltsversicherungsprämie namens der Klägerin.
In der Nacht zum 2. 3. 1994 drangen unbekannte Männer in Abwesenheit des Rudolf B***** und seiner Ehefrau in das Haus in G***** ein und erbeuteten Schmuck und Bargeld. Sie verwahrten die Beute vorerst in einer Tasche und lauerten Rudolf B***** vor dem Haus auf, überwältigten ihn und seine Ehefrau und zwangen ihn mit Waffengewalt, noch ein Geldversteck preiszugeben. Nachdem sie Rudolf B***** durch einen gezielten Schuss in den linken Oberschenkel verletzt hatten, entfernten sich die Täter mit der Beute.
Die Vorinstanzen haben die Klage auf Ersatz des ursprünglich mit S 312.700,-- bezifferten Schadens aus dem Einbruchsdiebstahl bzw der Beraubung abgewiesen. Durch den Wohnungswechsel der Klägerin von G***** nach Gr***** sei der Haushalt ihrer Eltern (ihres Vaters und ihrer Stiefmutter) aus dem Versicherungsschutz "herausgefallen". Es müsse davon ausgegangen werden, dass nach dem Umzug nur noch der Inhalt der Wohnung in Gr***** versichert sein sollte.
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Auslegung der Versicherungsbedingung betreffend die räumliche Geltung der Versicherung, insbesondere bei Wohnungswechsel, höchstrichterliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (vgl VR 1992/277; VR 1992/284; RIS-Justiz RS0050063 mit weiteren Entscheidungsnachweisen). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Unklarheiten gehen im Sinne des § 915 ABGB in aller Regel zu Lasten des Versicherers (JBl 1990, 316 = EvBl 1990/28 = VR 1990/122 = VersR 1990, 445 uva).
Die Beantwortung der hier prozessentscheidenden Frage des Versicherungsortes in der Haushaltsversicherung erschließt sich mit hinreichender Klarheit schon aus dem Wortlaut des Art 5 Abs 1 AHB 1984. Danach gilt die Versicherung für die jeweilige Wohnung und bei einem Wohnungswechsel auch während des Umzuges. Die anschließenden Bestimmungen über die Anzeigepflicht eines Wohnungswechsels und die Sanktionslosigkeit einer Verletzung der Anzeigepflicht für den Fall des Nachweises, dass mit dem Wohnungswechsel keine Gefahrerhöhung verbunden ist, lassen keinen Zweifel daran, dass Versicherungsort der Haushaltsversicherung die jeweilige Wohnung des Versicherungsnehmers, nach einem Wechsel der als Versicherungsort vereinbarten Wohnung während der Versicherungsdauer also die neue Wohnung ist (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3 361; vgl auch Martin SVR3 760 zu den dt VHB 74 und 84, deren § 6 bzw § 11 Bestimmungen enthält, die zwar detaillierter, mit jenen des Art 5 AHB 1984 aber durchaus vergleichbar sind). Demnach kommt es nur darauf an, ob der Versicherungsnehmer unter Aufgabe seiner bisherigen Wohnung seinen Lebensmittelpunkt für unabsehbare Zeit in eine andere Wohnung verlegt (Prölss/Martin-Knappmann VVG26 Rz 1 zu § 11 VHB 84). Lässt er dabei den überwiegenden Teil seines Hausrates in der alten Wohnung zurück, ändert dies nichts daran, dass ein Wohnungswechsel vorliegt. Es ist daher auch nicht darauf abzustellen, ob der Versicherungsnehmer eine Verlagerung des versicherten Risikos subjektiv beurteilt, auch will (vgl Knappmann aaO).
Überlegungen, was im Falle von Zweitwohnungen udgl zu gelten habe (vgl dazu Martin aaO 771 ff) müssen im vorliegenden Fall nicht angestellt werden, da es sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen bei den Wohnungen in Gössendorf und Graz jeweils um die "Erstwohnung" der Klägerin handelte bzw handelt. In einem solchen Fall des Wechsels der "Erstwohnung" sind die in der früheren Wohnung des Versicherungsnehmers verbliebenen Sachen sowie die seiner früheren Wohngenossen - von der Dauer des Umzugs abgesehen - nicht mehr versichert (Knappmann aaO Rz 2 zu § 11 VHB 84). Auch von Martin wird aaO betont, dass in Fällen des Wohnungswechsels ohne "Umzug" der Versicherungsschutz für sämtliche Sachen, die nicht in die neue Wohnung gelangen, in dem Zeitpunkt endet, in dem die neue Wohnung Lebensmittelpunkt des Versicherungsnehmers wird und feststeht, dass jene Sachen nicht mitgenommen werden sollen. Demnach kann der Ansicht der Revisionswerberin, die Haushaltsversicherung als objektbezogene Sachversicherung ende nicht damit, dass der Versicherungsnehmer das Objekt nicht mehr selbst bewohnt, nicht beigetreten werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird durch Art 5 Abs 1 AHB 1984 im Falle des Wohnungswechsels nicht nur die Möglichkeit eines Haushaltsversicherungsschutzes für die neue Wohnung eingeräumt, sondern ist dies ausdrücklich vorgesehen. Daraus, dass diese Regelung selbstverständlich vertraglich individuell abänderbar ist, lässt sich für den Standpunkt der Revision nichts gewinnen, da eine von den AGB abweichende Vereinbarung der Streitteile ja gar nicht behauptet wurde.
Da, wie eben erläutert, bei einem Wohnungswechsel des Versicherungsnehmers der Versicherungsschutz für in der "alten" Wohnung zurückgelassene Sachen endet, muss auch der Einwand der Revision, selbst wenn man der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts folge, wäre das Verfahren nicht entscheidungsreif, weil zu prüfen gewesen wäre, ob die Klägerin tatsächlich mit ihrer Einrichtung nach G***** überdsiedelt sei, oder ob dort eine neue Einrichtung angeschafft worden sei, ins Leere gehen. Auch eine Prüfung der Eigentumsverhältnisse an den gestohlenen bzw beschädigten Sachen wird von der Revisionswerberin zu Unrecht vermisst. Zum einem stellte das Erstgericht ohnehin fest, dass Schmuck und Bargeld den Ehegatten Buresch sen. gehörten. Zum anderen bestand an den betreffenden Sachen, wie bereits mehrfach betont, auch dann kein Versicherungsschutz (mehr) wenn sie im Eigentum der Klägerin gestanden wären (was etwa für die beschädigte Couch nach den Angaben der Klägerin selbst füglich wohl nicht angenommen werden kann, sodass als mögliches Eigentum der Klägerin ohnehin nur der Teppichboden im Wert von S 3.000,-- verbleibt).
Schließlich wird von der Klägerin noch moniert, es wäre noch abzuklären gewesen, ob sie für die Wohnung in Gr***** eine eigene bzw neue Haushaltsversicherung abgeschlossen habe, was ein klares Indiz dafür wäre, dass die Versicherung beim Haus aufrecht bleiben sollte. Dabei übersieht sie, dass dies allenfalls nur dann von Belang sein könnte, wenn daraus nicht nur ihr Wille, die Regelung des Art 5 AHB 1984 betreffend die räumliche Geltung der Versicherung dahin abzuändern, dass weiterhin das Haus in G***** versichertes Risiko bleiben solle, ableitbar wäre, sondern dieser Wille der beklagten Partei auch erkennbar gewesen und von dieser zumindest konkludent auch akzeptiert worden wäre. Ein Vorbringen in diese Richtung wurde von der dafür behauptungs- und beweispflichtigen Klägerin aber gar nicht erstattet (vgl dazu die Ausführungen, mit denen Martin aaO 767
ff die Judikatur des Oberlandesgerichtes Hamm [VersR 1988, 151 =
NJW-RR 1988, 413; VersR 1988, 239; VersR 1988, 1014 = NJW-RR 1988,
414] ablehnt, wonach der Versicherungsschutz bei Wohnungswechsel nur dann auf die neue Wohnung übergehen solle, wenn eine ungeschriebene weitere Voraussetzung vorliege, nämlich ein "auf die Verlagerung des versicherten Risikos auf die neue Wohnung gerichteter Wille des Versicherungsnehmers", wobei dieser Wille dem Versicherer als Vertragspartner aber auch konkludent nicht zum Ausdruck kommen müsse. Martin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Hausratsversicherung eine sog. "Massensparte" sei, bei der (ua) das Prinzip anzuwenden sei, dass Schutz nur in der jeweiligen Wohnung des Versicherungsnehmers bestehe. Auch Indizien, die nach Meinung des OLG Hamm - ohne Kenntnis des Versicherers - ausreichen sollen, Versicherungsschutz für die "alte" Wohnung anzunehmen, erlaubten nicht den zwingenden Schluss, dass der Versicherungsnehmer nicht auch im Falle eines Schadens in der neuen Wohnung den Versicherer auf Entschädigung in Anspruch nehmen werde. Der Versicherungsnehmer könne nach einem Schaden in der neuen Wohnung argumentieren, er wolle sich und habe sich auf den Wortlaut der betreffenden Versicherungsbedingung [hier: Art 5 AHB 1984] verlassen und mit Versicherungsschutz in der neuen Wohnung gerechnet).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahren gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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