OGH 7Ob103/05f

OGH7Ob103/05f25.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** KG, ***** vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. R***** KG, ***** und 2. P***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und andere Rechtsanwälte in Graz, sowie die auf Seiten der beklagten Parteien beigetretenen Nebenintervenienten a) Dr. Dagmar A***** und b) Dr. Maximilian G*****, Rechtsanwälte ****, sowie c) Hans Z*****, dieser vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl und Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 11.864,52 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. Februar 2005, GZ 2 R 185/04z-70, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. August 2004, GZ 15 Cg 60/02z-64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 824,68 (darin enthalten EUR 137,45 Umsatzsteuer) und den Nebenintervenienten die mit EUR 687,46 (darin enthalten EUR 114,58 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Zum besseren Verständnis sei jedoch vorausgeschickt, dass die in einer ARGE verbundenen Beklagten von den Nebenintervenienten als Eigentümern eines Objekts in G***** mit Sanierungs- und Neubauarbeiten beauftragt wurden und ihrerseits die Klägerin mit den betreffenden Schwarzdecker-, Spengler- und Dachdeckerarbeiten beauftragt haben. In Pkt 11. des Auftragsschreibens wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass die Bezahlung der Leistungen der Klägerin ausnahmslos erst dann zu erfolgen habe, wenn der Bauherr oder die Bauaufsicht die Mangelfreiheit der Leistungen der Klägerin laut Abnahmeprotokoll durch Unterschrift bestätige; das unterschriebene Abnahmeprotokoll sei der Rechnung beizulegen.

Nach Durchführung der ihr aufgetragenen Arbeiten im Herbst/Winter 2000 legte die Klägerin Schlussrechnung über S 566.462,41, worauf die Beklagten S 363.844,32 a conto bezahlten, ohne dass eine Bestätigung iSd Pkt 11. des Auftragsschreibens erteilt worden wäre. Als nach Fertigstellung des Objekts durch die Beklagten und deren Subunternehmer Feuchtigkeitsprobleme auftraten, nahm die Klägerin zwar Mängelbehebungen vor; es blieben aber zuletzt noch Mängel unbehoben, deren Beseitigung insgesamt Kosten von EUR 580 (zuzüglich Umsatzsteuer) und einen Koordinierungsaufwand von EUR 350 (zuzüglich Umsatzsteuer) erfordern würde.

Das Erstgericht wies die auf Zahlung des restlichen Werklohns von (zuletzt - nach zweimaliger Klagseinschränkung) EUR 11.864,52 sA gerichtete Klage ab. Wegen der noch vorhandenen Mängel sei der von den Beklagten erhobene Einwand der mangelnden Fälligkeit des restlichen Werklohns berechtigt, zumal der Verbesserungsaufwand mehr als 5 % des noch offenen Werklohns betrage und der Einwand daher nicht schikanös sei. Die Fälligkeit sei auch aufgrund der Vereinbarung laut Pkt 11. des Auftragsschreibens nicht gegeben, welche Bestimmung entgegen dem betreffenden Einwand der Klägerin geltungserhaltend zu reduzieren und daher nicht nichtig sei.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht teilte die Rechtsansichten des Erstgerichts und bestätigte daher dessen Entscheidung, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Zur Begründung dieses Ausspruchs führte das Berufungsgericht aus, auch wenn naturgemäß Fragen des Einzelfalls im Vordergrund stünden, gebe der vorliegende Fall „doch Anlass, die Judikatur zum Verlust des Verbesserungsanspruches und damit des Einwandes der mangelnden Fälligkeit des (restlichen) Werklohnes sowie zur geltungserhaltenden Reduktion teilweise iSd § 879 Abs 3 ABGB nichtiger Nebenbestimmungen fortzuentwickeln".

Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Auch wenn dies für die folgenden Ausführungen nicht weiter von Bedeutung ist, sei der Vollständigkeit halber vorausgeschickt, dass das Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz (GewRÄG BGBl I 2001/48) hier noch nicht Anwendung zu finden hat, da es nach seinem Artikel IV nur auf Verträge anzuwenden ist, die nach dem 31. 12. 2001 geschlossen werden.

Die Ansicht der Vorinstanzen, die von den Beklagten erhobene Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages sei berechtigt, zumal diese Einrede im vorliegenden Fall nicht rechtsmissbräuchlich (schikanös) erhoben wurde, steht im Einklang mit den vom Obersten Gerichtshof zur Fälligkeit des Werklohns entwickelten Rechtsgrundsätzen: Danach ist es dem Besteller eines Werks gestattet, den Vollzug der Gegenleistung solange hinauszuschieben, bis der andere Teil seinen Verpflichtungen voll entsprochen hat (RIS-Justiz RS0019891 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Bis zur Verbesserung des mangelhaften Werks durch den Unternehmer darf der Werkbesteller also, selbst wenn er das mangelhafte Werk als Erfüllung angenommen hat, die gesamte Gegenleistung verweigern (SZ 56/59; SZ 56/106; EvBl 1987/49; JBl 1990, 248 uva; RIS-Justiz RS0021872 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers, das den Unternehmer zur geschuldeten Verbesserung seines mangelhaften Werkes bestimmen soll (RIS-Justiz RS0021925; RS0018507 und RS0021730 jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen) findet allerdings seine Grenze im Schikaneverbot: Das Zurückbehaltungsrecht betreffend den Werklohn bis zur vollständigen Mängelbehebung besteht dann nicht, wenn die Ausübung dieses Rechtes zur Schikane ausartet (SZ 56/59; SZ 56/106; EvBl 1987/49; JBl 1990, 248 uva; RIS-Justiz RS0021730). Schikane liegt dann vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig überwiegt, aber auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Demnach dürfen der Vorteil des Bestellers und der Aufwand des Unternehmers nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen; der Verbesserungsaufwand des Unternehmers darf also nicht unverhältnismäßig sein (RIS-Justiz RS0021717). Bei der Frage nach der Unverhältnismäßigkeit des Verbesserungsaufwandes ist nicht allein die Höhe der Behebungskosten ausschlaggebend, sondern es ist vor allem auf die Wichtigkeit einer Behebung des Mangels für den Besteller Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0022044). Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof auch schon ausgesprochen, dass die Bewertung eines Begehrens als rechtsmissbräuchlich, oder nicht, im Allgemeinen keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt (9 Ob 334/97a; 1 Ob 91/02t; 5 Ob 200/02a ua). Revisibel wäre diese Frage daher nur dann, wenn das Berufungsgericht diesbezüglich die Rechtslage verkannt hätte.

Eine solche, eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderlich machende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen ist im vorliegenden Fall aber nicht zu erkennen. Vielmehr begegnet die Ansicht des Berufungsgerichts, selbst wenn man den Koordinierungsaufwand außer Acht lasse, sei, da der (übrige) Sanierungsaufwand 5 % des offenen Werklohns überschreite, Rechtsmissbräuchlichkeit zu verneinen, keinen Bedenken (vgl etwa 4 Ob 501/93, EvBl 1993, 425/101, in welcher Entscheidung der Schikaneeinwand bei einem Verbesserungsaufwand von 5 % des Werklohns verworfen wurde). Damit kann aber die von der Klägerin in der Revision neuerlich aufgeworfene Frage, ob der im Zuge der Mängelbehebung anfallende Koordinierungsaufwand einen Mangelfolgeschaden oder Verbesserungskosten darstellt, mangels Entscheidungsrelevanz unerörtert bleiben.

Ist demnach aber zufolge der von den Beklagten erhobenen Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages der eingeklagte restliche Werklohn im Hinblick auf die von der Klägerin noch nicht behobenen wesentlichen Mängel noch nicht fällig, ist der Umstand, ob die Beklagten ihre Zahlungsverweigerung auch auf die Vereinbarung der Parteien Pkt 11. des Auftragsschreibens stützen können, ebenfalls nicht mehr entscheidungsrelevant. Dies hat die Revisionswerberin grundsätzlich ohnehin selbst erkannt; sie meint aber, die Frage der (Teil)Nichtigkeit des Pkt 11. des Auftragsschreibens sei doch von Belang, weil den Beklagten die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags gar nicht zustehe, da sie konkludent auf die Verbesserung der Mängel verzichtet hätten.

Die betreffenden Revisionsausführungen gehen allerdings nicht von den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht zur Gänze gebilligten Sachverhaltsfeststellungen aus und sind daher insofern unbeachtlich. Der Umstand, dass die Beklagten auch selbst eine Mangelbehebung vorgenommen haben, zwingt keineswegs ohne weiteres zur Annahme, sie hätten auch auf die Behebung der restlichen Mängel durch die Klägerin verzichtet. Es besteht kein Anlass, einen Werkbesteller, der bei Vorliegen verschiedener Mängel die Behebung eines Mangels nicht zulässt, jene des anderen Mangels hingegen ausdrücklich verlangt, insgesamt auf die bloße Preisminderung zu verweisen, zumal eine Differenzierung aus seiner Sicht durchaus gerechtfertigt sein kann (9 Ob 22/02d).

Da trotz entsprechender Aufforderung von der Klägerin die Mängel nicht behoben wurden, erweist sich die von den Beklagten erhobene Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages wie bereits betont, als berechtigt, es kann also die Frage, ob die Beklagten die Zahlung des restlichen Werklohns auch wegen der zu Pkt 11. des Auftragsschreibens getroffenen Vereinbarung verweigern können, hier dahingestellt bleiben. Es sei aber doch erwähnt, dass auch die betreffende Ansicht der Vorinstanzen, dieser Vertragspunkt sei geltungserhaltend teleologisch zu reduzieren und nicht zur Gänze nichtig, weshalb sich die Beklagten auch darauf stützen könnten, mit oberstgerichtlicher Judikatur im Einklang steht (vgl 7 Ob 179/03d mwN).

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann der gegenständliche Rechtsfall demnach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Beitrag zur Fortentwicklung der Judikatur leisten. Das Rechtsmittel der Klägerin erweist sich daher als unzulässig, zumal auch die von der Revisionswerberin erhobene Mängelrüge keinen tauglichen Grund für die Zulassung der Revision liefert. Die Klägerin macht darin mit der Behauptung, das Gutachten des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen sei undeutlich und ungenau und erlaube keine gesicherte Zuordnung der Mängel, Stoffsammlungsmängel geltend. Sie wiederholt damit lediglich jenen Einwand, der bereits vom Berufungsgericht als unberechtigt erkannt wurde. Ein solcher angeblicher Mangel kann nach stRsp aber in der Revision nicht mehr gerügt werden (Kodek in Rechberger² § 503 Rz 3 mwN; RIS-Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz wäre nur dann unanwendbar, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen (SZ 53/12 = JBl 1981, 268 mwN, uva) oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (SZ 38/120; SZ 53/12 uva), was aber hier beides nicht der Fall ist (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Sowohl die Nebenintervenienten als auch die Beklagten haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Die Nebenintervenienten haben lediglich Kosten von EUR 687,46 (offenbar nach Tarifpost 3B RATG) verzeichnet.

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