OGH 7Ob102/01b

OGH7Ob102/01b26.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mira G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz und Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei W***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 550.885,-- samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse S 520.885,--) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2001, GZ 4 R 247/00y-31, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. September 2001, GZ 28 Cg 51/98g-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden - soweit nicht die Abweisung des Mehrbegehrens in der Höhe von S 30.000,-- samt 10,7 % Zinsen seit 27. 7. 1997 bereits in Rechtskraft erwachsen ist - aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Bis September 1996 war die Klägerin gewerberechtliche Geschäftsführerin der Mira G***** GmbH (in der Folge Gesellschaft), die bis Anfang 1997 einen Brautkleidhandel in *****, betrieb. Diese Gesellschaft schloss mit der Beklagten eine Geschäfts- und Betriebsversicherung mit Wertanpassung für den Versicherungsort ***** ab. Risiko und Deckungsumfang umfassten "die Textilwarenhandlung/Braut- und Abendkleider" laut den einzelnen Punkten des Versicherungsvertrages. Darunter waren auch Wasserschäden an Waren und Einrichtungen erfasst.

Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) und die Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden (AWB) zugrunde.

Gemäß Art 8 ABS finden auf die Veräußerung der versicherten Sache uneingeschränkt die Bestimmungen der §§ 69 bis 71 VersVG Anwendung. Gemäß Art 12 ABS ist der Versicherer von der Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt oder sich bei der Ermittlung des Schadens oder der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig macht. Gemäß Art 7 Abs 1 lit d AWB darf der Versicherungsnehmer den durch den Schadensfall herbeigeführten Zustand, solange der Schaden nicht ermittelt ist, ohne Zustimmung des Versicherers nicht verändern.

Die Gesellschaft veräußerte ihr Unternehmen an die Klägerin, sodass diese seit 7. 1. 1997 den Brautkleidhandel als nicht protokolliertes Einzelunternehmen weiter betreibt. Die Unternehmensveräußerung wurde der Beklagten "fahrlässigerweise" nicht angezeigt.

Schon im Jahr 1995 war es zu einem Wasserrohrbruch gekommen, durch den Waren der Gesellschaft, nämlich 230 Brautkleider, Schaden litten, der durch die W***** Versicherungs-AG beglichen wurde. Die Klägerin entfernte damals alle verwertbaren Accessoires und beseitigte den unbrauchbaren Rest. Die beschädigten Kleider wurden der Klägerin belassen.

Als sich die Klägerin im August 1997 im Ausland befand, ereignete sich im Haus Kirchengasse 3 neuerlich ein Wasserrohrbruch, wodurch Wasser durch die Decke in das Geschäftslokal der Klägerin eindrang. Die vorhandenen Kleider waren durchfeuchtet und teilweise verschimmelt, Möbel und Teppiche waren mit Wasser vollgesogen.

Am 11. und 12. August 1997 besichtigten die Sachverständigen der Beklagten das Geschäftslokal und begutachteten die dort befindlichen Waren und Einrichtungen. Alle vom Sachverständigen besichtigten Kleider wiesen noch Feuchtigkeit und neue Schimmelbildung auf. Die besichtigten Kleider waren nicht ident mit den beschädigten Kleidern aus dem Jahr 1995. Es waren 28 Brautkleider zugekauft worden, 38 Brautkleider waren schon 1995/1996 angeschafft sowie 134 Kleider von der Klägerin selbst gefertigt worden. Der Wert der beschädigten Kleider betrug nach dieser Schätzung S 430.155,--, incl Einrichtungsgegenständen und Accessoires wurde ein Gesamtschaden von S 520.885,-- konstatiert.

Ende Oktober 1997, nachdem ihr das von der Beklagten eingeholte Sachverständigengutachten zukam, begann die Klägerin, die beschädigten Kleider zu reparieren. 70 Kleider konnte sie wieder herstellen, die anderen wurden von ihr entsorgt. Anfang November 1997 schloss die Klägerin das Geschäftslokal.

Der von der Beklagten erst Anfang 1998 geforderten Vorlage der beschädigten Kleider für eine chemische Untersuchung kam die Klägerin nicht nach.

Die Klägerin legte auch nicht alle von der Beklagten geforderten Unterlagen vor.

Am 30. 1. 1998 zeigte die Klägerin die Unternehmensveräußerung der Beklagten an.

Das Strafverfahren gegen die Klägerin wegen §§ 15, 146, 147 StGB wurde eingestellt.

Die Klägerin begehrte letztlich von der beklagten Versicherung S 520.885,-- aus dem bestehenden Versicherungsverhältnis. Beim Versicherungsfall seien Brautkleider im Wert von S 430.155,-- sowie diverse Einrichtungsgegenstände beschädigt worden. Der Gesamtschaden belaufe sich auf insgesamt S 520.855,--.

Die Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung durch die Klägerin. Bereits im Juli 1995 sei es im selben Objekt zu einem Wasserschaden gekommen. Die Klägerin versuche, neuerlich Ersatz zumindest für einen Großteil der bereits damals beschädigten Kleider zu erlangen. Sie habe ihre Obliegenheit verletzt, in dem sie die beschädigte Ware vernichtet und die Aufklärung des Schadensumfangs durch Nichtherausgabe von Geschäftsunterlagen vereitelt habe. Der Versicherungsvertrag sei mit der Gesellschaft abgeschlossen worden. Die Klägerin habe es unterlassen, die Beklagte von der Unternehmensveräußerung zu verständigen, sodass diese nicht zur Leistung verpflichtet sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Höhe von S 520.885,-- sA statt. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass der Versicherungsvertrag von der Gesellschaft auf die Klägerin übergegangen sei. Die Anzeige der Veräußerung sei nicht vorsätzlich unterlassen worden. Die Veräußerung habe weder Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles noch auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt. Eine arglistige Täuschung der Beklagten über den Schadensumfang sei nicht erfolgt, die Vernichtung der Kleider sei der Klägerin nicht zum Vorwurf zu machen, da diese ja bereits vom Sachverständigen der Beklagten untersucht worden seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der Klägerin sei der Kausalitätsgegenbeweis gelungen. Sie habe im Verfahren nicht nur durch ihre Aussage, sondern auch durch die Aussage von Zeugen, insbesondere durch jene des von der Beklagten selbst entsandten Sachverständigen im Zusammenhalt mit seinem Gutachten, darlegen können, dass durchwegs neue Kleider ohne "Vorschäden" durch den Wasserrohrbruch beschädigt worden seien. Der Sachverständige habe zwar "Unterlagen" von der Klägerin verlangt und ihre "eher kärgliche Zurverfügungstellung" bemängelt, doch seien die konkret verlangten Anschaffungsfakturen über Stoff und Zubehör ohnedies im Verfahren vorgelegt worden. Die Klägerin habe auch nach Besichtigung, Begutachtung und Übermittlung des schriftlichen Sachverständigengutachtens über den Wert der beschädigten Ware und Einrichtungsgegenstände davon ausgehen können, dass die Schadensermittlung abgeschlossen gewesen sei, zumal sie nicht aufgefordert worden sei, die beschädigte Ware noch für weitere Untersuchungen aufzubewahren. Die Leistungsfreiheit gemäß § 71 VersVG verneinte das Berufungsgericht, da mit der Übertragung eines Unternehmens von einer Gesellschaft auf eine Einzelfirma eine "Geschäftsausweitung" im Allgemeinen nicht zu erwarten und im konkreten Fall auch durch keinerlei Umstände indiziert sei. Der zufällige Warenbestand zu einem bestimmten Stichtag sei irrelevant. Dem Umstand, dass die Beklagte im Hinblick auf die Buchführungspflicht bei fristgerechter Anzeige eine Kündigung des Versicherungsvertrages vorgenommen hätte, komme keine rechtliche Relevanz zu. Zuletzt verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen eines sekundären Verfahrensmangel, weil zum Vorbringen der Beklagten, die Klägerin habe dadurch versucht, die Beklagte arglistig über den Schadensumfang zu täuschen, in dem sie zunächst behauptet habe, sämtliche Kleider stammen aus ihrer eigenen Produktion, erst der Sachverständige habe entdeckt, dass Kleider auch zugekauft worden seien, die im Einkauf zum Teil nur DM 100,-- gekostet hätten, keine Feststellungen getroffen worden seien. Eine Täuschungsabsicht könne nämlich nur dann vorliegen, wenn sie schon in diesem Zeitpunkt gewusst hätte, dass der Sachverständige die von ihr selbst angefertigten Kleider höher bewerten würde. Für eine solche Annahme gebe es aber keinen Anhaltspunkt. Die zugekauften Kleider hätten bei der Bewertung des Schadens durch den Gutachter ohnedies Eingang gefunden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage zur Entscheidung vorliege.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, in eventu stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Die Revisionswerberin versucht eingangs weitwendig in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen anzugreifen. Die Begründung des Berufungsgerichtes ist, wie der erkennende Senat geprüft hat, nicht aktenwidrig (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 6 Abs 3 VersVG tritt nicht ein, wenn die Verletzung einer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheit weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Eine nur leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion (7 Ob 158/97d, RS0043728 ua). Nach § 6 Abs 3 VersVG wird aber dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis auch noch bei schlicht vorsätzlicher und grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung eröffnet und ist nur dann ausgeschlossen, wenn er die Obliegenheit mit Schädigungs- oder Verschleierungsvorsatz bzw Täuschungsvorsatz verletzt, also mit dem Vorsatz, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam sind. Jener Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter "dolus coloratus"), hat daher den Anspruch verwirkt. § 6 Abs 3 VersVG begnügt sich für den Ausschluss des Kausalitätsgegenbeweises also nicht mit dem schlichten Vorsatz in dem Sinn, dass der Versicherungsnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt und die Obliegenheitsverletzung bewusst und gewollt begeht; es muss vielmehr hinzukommen, dass der Vorsatz sich auf die Verschlechterung der Beweislage zum Nachteil des Versicherers erstreckt (7 Ob 262/99a, 7 Ob 158/97d, 7 Ob 74/00h ua). Es genügt auch, wenn die Obliegenheitsverletzung in der Absicht erfolgt, die Versicherungsleistung schneller oder problemloser zu erhalten. Täuschung liegt vor, wenn feststeht, dass damit der Versicherer in die Irre geführt werden sollte. "Manipulationen", die sich schon von vornherein oder nach ihrer Richtigstellung (Aufklärung) als gar nicht täuschungsgeeignet herausstellen, sollen von der Sanktion des Ausschlusses des Kausalitätsgegenbeweises ausgenommen sein (7 Ob 262/99a). Grundsätzlich ist der Kausalitätsgegenbeweis nach ständiger Rechtsprechung strikt zu führen, es sind nur solche Beweismittel dafür geeignet, die den unterdrückten Beweismitteln gleichwertig sind (7 Ob 240/99s).

Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt vor, wenn dadurch im konkreten Fall etwas versäumt wird, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienlich gewesen wäre (7 Ob 4/95, 7 Ob 170/99x). Die Obliegenheit dient dazu, die Angaben des Versicherten überprüfbar zu machen. Es ist daher ausgeschlossen, dass der Versicherte vorerst durch seine Beweisunterdrückung die Aufklärung verhindert, dann aber die fehlenden Aufklärungsschritte durch seine eigenen Angaben ersetzt (7 Ob 19/92, 7 Ob 29/91).

Die Revisionswerberin geht nicht von den Feststellungen aus, wenn sie der Klägerin schon festgestellten Schädigungs-, Verschleierungs- bzw Täuschungsvorsatz vorwirft. Es ist zwar richtig, dass die Klägerin nicht alle von der Beklagten bzw ihrem Sachverständigen geforderten Unterlagen vorgelegt hat, doch bleibt offen, inwiefern für die Aufklärung notwendige (RIS-Justiz RS0081225) Beweismittel nicht vorgelegt bzw nicht durch gleichwertige ersetzt wurden. Im vorliegenden Fall hat das von der Beklagten selbst eingeholte Sachverständigengutachten die Angaben der Klägerin (gleichwertig) bestätigt. Eine Obliegenheitsverletzung fällt der Klägerin in diesem Punkt hier nicht zur Last.

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Klägerin nach Vorlage der Gutachten durch die Beklagte mangels anderer Informationen und Weisungen davon ausgehen konnte, dass die Sachverhalts- und Schadensermittlung abgeschlossen sei, zumal ihr nach Übersendung des Gutachtens nicht aufgetragen wurde, die beschädigten Kleider für weitere Untersuchungen bereit zu halten. Das Vernichten der Kleider nach Schadensermittlung stellt daher keine Obliegenheitsverletzung dar.

Zutreffend rügt die Beklagte allerdings das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel. Die Vorinstanzen haben sich nämlich zu Unrecht nicht mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt, mit dem der Klägerin vorgeworfen wurde, am 12. 8. 1997 versucht zu haben, den von der Beklagten zur Schadensermittlung entsandten Sachverständigen über den Zukauf von billigeren Kleidern zu täuschen. Es fehlen Feststellungen dazu, wann und warum die Klägerin die Etiketten aus den zugekauften, dem Vorbringen nach billigeren Kleidern entfernt hat und warum sie dem Sachverständigen gegenüber objektiv wahrheitswidrig behauptete, sie habe die beschädigten Kleider alle selbst hergestellt. Grundsätzlich würde im Sinne der obigen Ausführungen ein dolos coloratus zu bejahen sein, wodurch die Versicherung zur Gänze leistungsfrei würde, wenn die Klägerin die Etiketten aus keinem anderen Grund, als im Hinblick auf den Versicherungsfall entfernt hätte. Das Argument des Berufungsgerichtes, dass sie nicht hätte wissen können, dass der Sachverständige die von ihr selbst angefertigten Kleider höher bewerten würde, fusst nicht auf einer erstgerichtlichen Feststellung und ist im Hinblick auf den behaupteten vergleichsweise geringen Wert der angekauften Kleider (DM 100,--) auch keineswegs überzeugend. Zu prüfen ist also, welchen Wert die zugekauften Kleider haben. Bei Vorliegen einer Wertdifferenz zu den selbst hergestellten Kleidern ist weiters festzustellen, ob die Klägerin beim Entfernen der Etiketten und bei Abgabe der objektiv unrichtigen Angaben über die Herstellung der Kleider dem Sachverständigen der Beklagten gegenüber mit dem Vorsatz gehandelt hat, die Leistungspflicht der Beklagten zu beeinflussen. Wäre dieser Vorsatz erweislich, wäre der Versicherer leistungsfrei. Der Kausalitätsgegenbeweis könnte dagegen nur dann als erbracht angesehen werden, wenn kein Zusammenhang zwischen dem Entfernen der Etiketten und den unrichtigen Angaben mit dem Versicherungsfall, sohin andere Motive dafür bestanden, was nicht zur Gänze auszuschließen ist, feststünde. Diesbezüglich muss aber das Beweisverfahren noch ergänzt werden und entsprechende Feststellungen getroffen werden.

Abschließend sei aber schon jetzt zur fehlenden Anzeige der Veräußerung des Unternehmens der Gesellschaft an die Klägerin Stellung genommen:

Die Veräußerung ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Wird die Anzeige weder vom Erwerber noch vom Veräußerer unverzüglich erstattet, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen (§ 71 Abs 1 VersVG). Die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Anzeige nicht vorsätzlich unterlassen worden ist und die Veräußerung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles hat oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (§ 71 Abs 2 VersVG).

Die Annahme der Beklagten, dass sich der Lagerstand der Klägerin seit der Übernahme vervierfacht hat, widerspricht den Feststellungen, wonach im Jahr 1995 durch den damals eingetretenen Wasserrohrbruch 230 Brautkleider beschädigt wurden. Von einer Erweiterung des Geschäftsumfangs kann daher nicht die Rede sein, nur weil zu einem bestimmten anderen Stichtag ein geringerer Warenbestand gegeben war.

Schon nach dem eindeutigen Gesetzestext soll es nur auf die mangelnde Kausalität der Veräußerung ankommen, nicht aber darauf, wie der Versicherer auf eine Anzeige reagiert hätte und welche Forderungen er an den Erwerber gestellt hätte (AB Nov. 1994 abgedruckt in Grubmann, VersVG4, § 71, FN 3; Heiss/Lorenz, VersVG, § 71, Rz 4). Zweifellos wäre der gleiche Schaden bei Weiterführung des Betriebes durch die Gesellschaft eingetreten, sodass die Beklagte aus diesem Grund nicht leistungsfrei wäre.

Da also erst nach Ergänzung der Feststellungen über die Leistungspflicht der Beklagten abschließend entschieden werden kann, mussten die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben werden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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