OGH 7Nd512/97

OGH7Nd512/9717.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Mareike H*****, *****, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 29.Juli 1997, 8 P 168/96m-40, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache der mj.Mareike H*****, *****, an das Bezirksgericht Hall wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Text

Begründung

Am 14.1.1991 übernahm das Bezirksgericht Favoriten die Zuständigkeit in der vorliegenden Pflegschaftssache, weil sich die - in der Obsorge des Vaters befindliche - Minderjährige damals ständig beim Vater in Wien 10 aufhielt.

Am 24.7.1997 stellte das Amt für Jugend und Familie 10.Bezirk als Vertreter der Stadt Wien den Antrag, die Mutter zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 2.000,-- zu verpflichten. Die Kosten einer Heimunterbringung betrügen derzeit monatlich S 7.200,--, wovon S 5.200,-- durch Unterhaltszahlungen des Vaters gedeckt seien.

Am 29.7.1997 übertrug das Bezirksgericht Favoriten die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Hall, weil sich das Kind nunmehr bei Pflegeeltern in Neu-Rum aufhält.

Das Bezirksgericht Hall erklärte, die Akten erst nach einer Entscheidung über den Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers vom 24.7.1997 zu übernehmen. Mit den Beteiligten in Wien sei eine Klärung beim Bezirksgericht Favoriten erforderlich.

Das Bezirksgericht Favoriten legt die Akten zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN nimmt darauf Bedacht, daß ein örtliches Naheverhältnis zwischen Pflegschaftsgericht und dem Mündel regelmäßig zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist. Verlegt der Minderjährige den Mittelpunkt seiner gesamten Lebensführung und wirtschaftlichen Existenz in einen anderen Gerichtssprengel, so kann das Gericht die Zuständigkeit an jenes Gericht übertragen, in dessen Sprengel der neue Lebensmittelpunkt liegt, wo also der Betreffende insbesondere seinen gewöhnlichen (ständigen) Aufenthalt hat (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 111 JN). Offene Anträge hindern eine Übertragung grundsätzlich nicht. Nur im Einzelfall kann die Entscheidung durch das schon bisher zuständige Gericht zweckmäßig sein, insbesondere dann, wenn sich dieses bereits eingehend mit dem offenen Antrag befaßt und dazu Vernehmungen durchgeführt hat (Mayr aaO Rz 4 zu § 111 JN; 7 Nd 516/95; 4 Nd 514/96; 1 Nd 501/97) oder wenn ihm zur Entscheidung über diesen Antrag eine besondere Sachkenntnis zukäme (4 Ob 2288/96s). Welche Erziehungshilfen der mit dem Antrag vom 24.7.1997 einschreitende Jugendwohlfahrtsträger leistet, ob dessen Anspruch gegen die Mutter auf Kostenersatz oder kraft Übertragung auf Unterhalt gerichtet ist und in welcher Höhe solche Ansprüche bestehen, kann auch vom Gericht des nunmehr ständigen Aufenthaltes des Kindes geprüft werden.

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten ist daher zu genehmigen.

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