OGH 7Nd516/95

OGH7Nd516/9513.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Villach anhängigen Pflegschaftssache der mj. Melanie W*****, geboren am 22.8.1989, im Verfahren gemäß § 111 JN folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit der Pflegschaftssache durch das Bezirksgericht Villach an das Bezirksgericht Floridsdorf wird genehmigt.

Text

Begründung

Die Minderjährige befand sich nach der Scheidung der Eltern in der Obsorge der Mutter. Am 28.5.1993 übertrug das Bezirksgericht Floridsdorf die Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Villach, weil die Mutter mit der Minderjährigen den Wohnsitz nach Villach verlegt hatte. Nunmehr befindet sich die Minderjährige bei den väterlichen Großeltern in Wien *****. Auch der Vater wohnt in Wien 21. Die Mutter verbüßt zur Zeit eine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Nach den vom Jugendamt Villach bei den väterlichen Großeltern und dem nunmehrigen Ehemann der Mutter gepflogenen Erhebungen wird die Minderjährige auch bei den väterlichen Großeltern bleiben.

Während der Vater am 15.11.1995 seinen Antrag auf Besuchsrechtsregelung und die weiteren damit verbundenen Anträge zurückgezogen hatte, blieb der Antrag der Mutter vom 25.1.1995, dem Vater das Besuchsrecht gänzlich zu entziehen, offen.

Das Bezirksgericht Villach übertrug mit Beschluß vom 24.7.1995 die Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Floridsdorf. Dieses behielt sich die Entscheidung über die Übernahme bis zur Erledigung der damals noch offenen Anträge beider Eltern vor. Nachdem der Vater die von ihm gestellten, bisher unerledigt gebliebenen Anträge zurückgezogen hatte, übermittelte das Bezirksgericht Villach den Akt neuerlich dem Bezirksgericht Floridsdorf unter Hinweis auf den seinerzeitigen Übertragungsbeschluß.

Das Bezirksgericht Floridsdorf stellte den Akt sodann dem Bezirksgericht Villach unter Hinweis auf die offenen "Anträge der Kindesmutter...... (vgl vor allem ON 42)" zurück.

Das Bezirksgericht Villach legt nunmehr die Akten mit dem Ersuchen um Genehmigung der Zuständigkeitsübertragung dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der vormundschafts - oder kuratelsbehördlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit zur Gänze oder die Aufsicht und Fürsorge über die Person des Pflegebefohlenen oder die Ausübung der dem Gericht in Ansehung der Vermögensangelegenheiten des Pflegebefohlenen zukommenden Obliegenheiten ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Kindes oder Pflegebefohlenen gelegen erscheint und namentlich wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten vormundschafts- oder kuratelsbehördlichen Schutzes voraussichtlich befördert wird. Entscheidend ist dafür, wo der Minderjährige oder Pflegebefohlene seinen Lebensmittelpunkt hat (EFSlg 72.819 uva), weil das Bezirksgericht des ständigen Aufenthaltsortes am besten geeignet ist, Maßnahmen im Interesse des Kindes zu treffen (EFSlg 72.821 uva).

Offene Anträge hindern grundsätzlich die Zuständigkeitsübertragung nicht (EFSlg 72.832; zuletzt etwa 5 Nd 509/95). Nur aus den Umständen des Einzelfalls kann die Entscheidung über einen offenen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßig erscheinen.

Im gegebenen Fall hält sich die Minderjährige (wieder) im Sprengel des Bezirksgerichtes Floridsdorf auf. Nach der Aktenlage erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß das auch einen entsprechend langen Zeitraum der Fall sein wird. Anhaltspunkte dafür, daß über den noch offenen Antrag der Mutter des Bezirksgerichtes Villach entscheiden sollte, bestehen nicht.

Daher war die Zustimmung zur Übertragung der Zuständigkeit zu erteilen.

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