OGH 5Nd509/95

OGH5Nd509/954.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Nina H*****, geboren 30.10.1977, 1 P 121/87 des Bezirksgerichtes Kitzbühel, wegen § 111 Abs 2 JN, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Kitzbühel an das Bezirksgericht Döbling wird genehmigt.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.5.1987 geschieden. Zuvor hatten die Eltern unter anderem vereinbart, daß der Kindesvater der Kindesmutter Liegenschaftsanteile übertrage; es werde an dieser (in der KG Wörgl gelegenen) Liegenschaft Wohnungseigentum begründet werden; anläßlich der grundbücherlichen Durchführung dieses Vergleiches bzw des noch abzuschließenden Wohnungseigentumsvertrages sei zugunsten der Minderjährigen hinsichtlich dreier Wohnungen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einzuverleiben. Zur Begründung von Wohnungseigentum und zur Verbücherung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes kam es in der Folge aber nicht.

Am 4.4.1995 langte bei dem die Pflegschaft führenden Bezirksgericht Kitzbühel ein Antrag auf Genehmigung eines die eben erwähnte Liegenschaft betreffenden, vom Kindesvater (bücherlicher Alleineigentümer) und der Kindesmutter mit einem Käufer abgeschlossenen Kaufvertrages und auf Bestellung eines Kollisionskurators ein. Mit dem Kauferlös habe die Kindesmutter in Wien Liegenschaftsanteile erworben; hinsichtlich zweier erworbenen Wohnungen sei zugunsten der Minderjährigen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart worden; für die Minderjährige sei daher keine Verschlechterung der ursprünglichen Situation gegeben.

Das Bezirksgericht Kitzbühel wies diesen Antrag mit Beschluß vom 6.4.1995 ab und übertrug mit Beschluß vom 2.5.1995 die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Döbling, weil das Kind und seine Mutter sich jetzt ständig in dessen Sprengel aufhielten.

Am 15.5.1995 langte beim Bezirksgericht Döbling (noch vor dem Pflegschaftsakt) ein Antrag der Kindesmutter als gesetzliche Vertreterin der Minderjährigen auf Genehmigung des erwähnten Kaufvertrages und Bestellung eines Kollisionskurators ein. Am 24.5.1995 lehnte das Bezirksgericht Döbling die Übernahme der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN insbesondere im Hinblick auf den offenen Sachantrag, der sich auf Liegenschaftsvermögen im Sprengel des übertragenden Gerichtes beziehe, ab; es werde wohl unumgänglich sein, auch die Liegenschaftswerte in Wörgl schätzen zu lassen.

Das Bezirksgericht Kitzbühel legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor. Die Zuständigkeitsübertragung sei zweckmäßig, weil die neu zu erwerbenden Liegenschaften im Gerichtsbezirk des Bezirksgerichtes Döbling lägen und eine Prüfung der "Wertgleichheit" besser vor Ort erfolgen könne; die Minderjährige wohne mit ihrer Mutter ständig in diesem Gerichtsbezirk; die Liegenschaften in Tirol befänden sich im Gerichtsbezirk Kufstein, sodaß überhaupt kein Nahebezug mehr zum Bezirksgericht Kitzbühel gegeben sei.

Eine Zuständigkeitsübertragung ist grundsätzlich zu genehmigen, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes in den Sprengel eines anderen als des bisher zuständigen Bezirksgerichtes verlagert wird (EFSlg 69.749 f, 72.819, 72.821 ua). Ein offener Antrag hindert grundsätzlich die Zuständigkeitsübertragung nicht (EFSlg 69.764, 72.832 ua). Es kann aber eine Sachbearbeitung durch das bisher zuständige Gericht etwa wegen besonderer Sachkenntnisse, eines stärkeren Sachbezuges oder schon durchgeführter Beweisaufnahmen oder Ermittlungen unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohles vorteilhafter sein (vgl EFSlg 69.767 f, 72.818, 72.834, 72.838, 72.840 f).

Im vorliegenden Fall hat die Minderjährige ihren Lebensmittelpunkt nunmehr im Sprengel des Bezirksgerichtes Döbling. Was den offenen Antrag anlangt, so liegt zwar die zu verkaufende Liegenschaft immerhin im Nachbarsprengel des Bezirksgerichtes Kitzbühel, die "Ersatzliegenschaften" befinden sich aber in Wien, weshalb im Hinblick auf einen allfälligen, erst vorzunehmenden Wertvergleich kein deutlich stärkerer Sachbezug zum Bezirksgericht Kitzbühel besteht. Der offene Antrag spricht daher hier nicht dagegen, das entscheidende Gewicht auf den Lebensmittelpunkt der Minderjährigen in Wien zu legen.

Da somit durch die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Kitzbühel an das Bezirksgericht Döbling die wirksame Handhabung des der Minderjährigen zugedachten pflegschaftsbehördlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird (§ 111 Abs 1 JN), war die Zuständigkeitsübertragung gemäß § 111 Abs 2 JN zu genehmigen.

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