European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00082.18D.0524.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Rechtlich entscheidend ist, ob im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Vergleichsgespräche bereits eine endgültige Einigung erzielt wurde, also auf beiden Seiten Bindungs‑ bzw Abschlusswille vorlag. Diese Frage haben die Vorinstanzen verneint. Die Verwerfung der Beweis‑ und Mängelrüge durch das Berufungsgericht unterliegt keiner weiteren Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof (RIS‑Justiz RS0043414, für die Verneinung des Verfahrensmangels vgl RS0042963).
2.1. Die Revision erblickt eine erhebliche Rechtsfrage unter anderem darin, ob ein richterliches Protokoll ohne Einvernahme des Richters als Beweis des Protokollierten gewertet werden kann. Diese Frage ist jedoch durch § 215 Abs 1 ZPO ausdrücklich beantwortet. Demgemäß liefert das Protokoll, soweit nicht ein ausdrücklicher Widerspruch einer Partei vorliegt, über den Verlauf und Inhalt der Verhandlung vollen Beweis.
2.2. Die Revisionsausführungen zur angeblichen mangelnden „Zeitgemäßheit“ des Resümeeprotokolls „im Sinne der demokratischen Rechtsordnungen“ sind ausschließlich rechtspolitischer Natur und zeigen keine im Rahmen der Kognitionsbefugnis des Obersten Gerichtshofs aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof einen Parteiantrag auf Aufhebung der §§ 209, 210, 211 und 216 ZPO zurückgewiesen hat (G 3/2018).
2.3. Dass ein Resümeeprotokoll Gang und Inhalt der Verhandlung nur gestrafft wiedergibt, liegt im Wesen des ausdrücklich angeordneten Resümeeprotokolls (§ 211 Abs 2 ZPO). Im Übrigen wäre es der Revisionswerberin frei gestanden, einen Antrag auf stenographische Aufzeichnung im Sinne des § 280 ZPO zu stellen.
3. Wenn das Berufungsgericht übereinstimmend mit dem Erstgericht die Einvernahme der die Protokollierung vornehmenden Richterin nicht für erforderlich hielt, liegt darin die Verneinung eines Verfahrensmangels, die nicht mit Revision an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (RIS‑Justiz RS0042963). Selbst wenn – wie die Revisionswerberin behauptet – ein Zeuge davon gesprochen hätte, dass eine „Einigung erzielt wurde“, ist daraus keineswegs zwingend abzuleiten, dass es sich um eine endgültige Einigung mit beiderseitigen Bindungswillen handelte.
4. Weil die Revisionswerberin sich in ihrer Revision auch auf eine offenbar von ihr angefertigte Tonaufnahme der Verhandlung stützt, ist ergänzend Folgendes festzuhalten:
4.1. Analog zum Recht am eigenen Bild (vgl § 78 UrhG) ist in der Judikatur auch das „Recht am eigenen Wort“ anerkannt, das aus § 16 ABGB abgeleitet wird (RIS-Justiz RS0031784 [T2]; ausführlich 9 ObA 215/92; vgl auch Meissel in Klang³, § 16 ABGB Rz 134; Kodek, Die Verwertung rechtswidriger Tonbandaufnahmen und Abhörergebnisse im Zivilverfahren, ÖJZ 2001, 287). Der Schutzbereich des zivilrechtlichen „Rechts am gesprochenen Wort“ geht über § 120 StGB hinaus (9 ObA 215/92; 6 Ob 190/01m; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 16 Rz 34). Die Tonbandaufnahme einer Besprechung ohne Zustimmung des Gesprächspartners ist daher rechtswidrig (RIS-Justiz RS0031784 [T1]). Gleiches gilt für die Aufnahme von Telefongesprächen (RIS-Justiz RS0031784 [T3]).
4.2. Begründet wurde dies in der Entscheidung 9 ObA 215/92 damit, dass eine heimliche Aufnahme durch den Gesprächspartner den Interessen des Sprechenden widerspreche, da flüchtige, keineswegs stets wohlüberlegte Worte festgehalten würden, dass allein schon durch die Möglichkeit der Verbreitung die Vertraulichkeit des Gesprächs zerstört werde und die heimliche Aufnahme in jedes Gespräch Misstrauen einführen würde. Es würde eine schwere Beeinträchtigung des Menschen in der Entfaltung seiner Persönlichkeit bedeuten, wenn ein Gesprächspartner befürchten müsse, dass durch eine Aufnahme ohne sein Wissen jede Wendung des Gesprächs, aber auch der Klang seiner Stimme mit allen Besonderheiten und Unvollkommenheiten festgehalten werde. Mit dieser Befürchtung wäre untrennbar das Gefühl ständigen Argwohns und Misstrauens verbunden. Wer eine heimliche Tonaufnahme eines Gesprächs befürchten müsse, werde kaum mehr unbefangen sprechen.
4.3. Diese Überlegungen lassen sich auch auf Gerichtsverfahren übertragen. Dass eine Gerichtsverhandlung im Zivilverfahren grundsätzlich ohnehin öffentlich ist, steht dem nicht entgegen, weil zwischen dem Zuhören durch eine Person und der Aufnahme auf einem Aufnahmegerät wie gerade dargestellt doch erhebliche Unterschiede, insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit dauerhafter Speicherung und die Weiterverbreitungsmöglichkeiten, bestehen. Die Möglichkeit einer heimlichen Tonbandaufnahme würde dazu führen, dass Parteien oder Zeugen nicht mehr in gleicher Weise wie bisher unbefangen sprechen, weil sie befürchten müssen, dass jede allenfalls unexakte Formulierung, jedes Zögern und jede Unsicherheit auf einem Tonträger festgehalten wird. Aus diesem Grund ist selbst die stenographische Aufzeichnung in § 280 ZPO an die Zustimmung des Gerichts gebunden. Dies muss umso mehr für Tonaufnahmen gelten. Zutreffend gelangt daher Sengstschmid (in Fasching/Konecny³ II/3 § 171 ZPO Rz 122) zu dem Ergebnis, dass – unabhängig von einer stets möglichen ausdrücklichen Untersagung im Rahmen der Sitzungspolizei (dazu Sengstschmid in Fasching/Konecny³ II/3 § 171 ZPO Rz 120 und 122 mwN) – nicht nur vertrauliche Gespräche, sondern auch eine öffentliche Gerichtsverhandlung grundsätzlich nicht ungefragt aufgenommen werden dürfe, sofern nicht zumindest ein schlüssiges Einverständnis der Anwesenden eingeholt wurde.
4.4. § 22 MedienG, wonach „Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und -übertragungen sowie Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen der Gerichte“ unzulässig sind, ist demgegenüber im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig; der Einsatz von akustischen Aufnahmegeräten fällt nur dann unter § 22 MedienG, wenn die Aufnahme zur Ausstrahlung im Hörfunk bestimmt ist (Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz³ § 22 Rz 8, 10; ähnlich Sengstschmid in Fasching/Konecny³ II/3 § 171 ZPO Rz 119).
4.5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Das Gericht kann Tonaufnahmen im Rahmen der Sitzungspolizei ausdrücklich untersagen. Unabhängig von einer derartigen Anordnung sind jedoch Tonaufnahmen von Gerichtsverhandlungen unzulässig, sofern nicht ausnahmsweise alle Beteiligten sich damit zumindest schlüssig für einverstanden erklärt haben. Zur Vermeidung von Missverständnissen und von zivil- wie disziplinärer Verantwortlichkeit ist die Einholung einer ausdrücklichen Zustimmung aller Beteiligten zweckmäßig.
5. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
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