OGH 6Ob8/11m

OGH6Ob8/11m24.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** G*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 200.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision und den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungs- und Rekursgericht vom 29. Oktober 2010, GZ 4 R 68/10i-23, mit dem das Urteil vom 30. November 2009, ON 16, und der Beschluss vom 2. November 2009, ON 13, je des Handelsgerichts Wien, AZ 31 Cg 96/08i, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zu I.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Entscheidung des Rekursgerichts, mit der ein Beschluss des Erstgerichts auf Nichtzulassung einer Klagsänderung oder Klagsausdehnung bestätigt wird, gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbar (RIS-Justiz RS0039426, RS0044535).

Zu II.

1. Der erkennende Senat hat erst jüngst (6 Ob 231/10d unter Hinweis auf Vorjudikatur; ebenso Wilhelm, Zu Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung beim Anlegerschaden, ecolex 2010, 232; ausführlich Leupold/Ramharter, Anlegerschaden und Kausalitätsbeweis bei risikoträchtiger hypothetischer Alternativanlage. Zugleich eine Besprechung von OGH 4 Ob 28/10m und 9 Ob 85/09d, ÖBA 2010, 718 mwN aus der Literatur) zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen eines geschädigten Anlegers aus einem Anlageberatungsvertrag klargestellt, dass der Anlageberater nicht für das positive Vertragsinteresse des Anlegers haftet; der Anleger kann nur verlangen, er möge so gestellt werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt hätte; der Anlageberater haftet dabei für den Vertrauensschaden; dieser ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln; es ist dabei der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag sodann der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen; der hypothetische heutige Vermögensstand ist unter Berücksichtigung der zu Beginn des Vertragsverhältnisses vereinbarten Anlageziele zu ermitteln; dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Anleger bei richtiger Aufklärung Bargeldbestände oder grundsätzlich eine völlig risikolose Veranlagung vorgenommen hätte. Zur Beweislast führte der erkennende Senat aus, dass der durch eine falsche Beratung Geschädigte den Eintritt des Schadens und dessen Höhe zu beweisen hat; er hat daher nicht nur die tatsächlich eingetretene Vermögenslage zu behaupten und zu beweisen, sondern - als Minuend der vorzunehmenden Differenzrechnung - auch den hypothetischen heutigen Vermögensstand, der ohne die schädigende Handlung bestünde; die Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten.

2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war es klare Vorgabe des Klägers, 200.000 EUR so anzulegen, dass er dadurch monatlich 4.000 EUR bis zum Bezug seiner Firmenpension in fünf Jahren bekommt; dies hätte einer jährlichen Rendite von 7 % entsprochen. Welche konkrete Veranlagungsvariante mit diesen Vorgaben für den Kläger bei richtiger Beratung in Frage gekommen wäre, dass eine solche vom Kläger auch tatsächlich in Erwägung gezogen und wie sich diese real entwickelt hätte (vgl wiederum 6 Ob 231/10d), haben die Vorinstanzen jedoch nicht festgestellt.

2.1. Der Kläger hat dazu zwar im Verfahren erster Instanz anlässlich der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21. 11. 2008 vorgebracht, er hätte in ein Sparbuch investiert und daher keinen Wertverlust erlitten, hätte er nicht in die klagsgegenständliche Veranlagung (Immobilienaktien) investiert; in seinem Schriftsatz vom 30. 10. 2009 brachte der Kläger vor, er hätte das Geld auf einem risikolosen Kapitalsparbuch veranlagt. Bei seiner Einvernahme als Partei hat der Kläger dies jedoch nicht konkret bestätigt, sondern lediglich ausgeführt, er hätte bei richtiger Beratung nicht in die von der Beklagten empfohlenen Immobilienaktien investiert; gleichzeitig sprach er von einem „Ansparplan ähnlich einem Sparbuch, wo [er] allerdings 8 % Rendite erhalten würde“. Dass eine solche Rendite im Zeitraum seit 2007 mit einem risikolosen Sparbuch nicht erzielbar war, ist gerichtsnotorisch.

Damit ist dem Kläger aber der von der Rechtsprechung geforderte Beweis, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten der Schaden nicht (oder nicht in dieser Höhe) eingetreten wäre, nicht gelungen.

2.2. Der Kläger unterlässt auch in seiner außerordentlichen Revision - trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts - Ausführungen, mit denen die Verursachung eines Schadens aufgrund des behaupteten Beratungsfehlers (unter Berücksichtigung einer Alternativveranlagung) zumindest plausibel gemacht werden; eines Nachweises der Beklagten als Schädigerin, dass ein anderer Verlauf wahrscheinlicher gewesen wäre (6 Ob 104/06x; 10 Ob 103/07f; 6 Ob 231/10d), bedurfte es damit nicht.

3. Der Kläger meint in seiner außerordentlichen Revision, auch wenn er keine andere Anlage gefunden hätte, die die angestrebten Zahlungen sicher gewährleistet hätte, reiche der Erwerb des aufgrund der Beratung der Beklagten falschen Anlageprodukts aus, um ihm einen Schadenersatzanspruch zu gewähren.

3.1. Tatsächlich liegt bei Beratungsfehlern der Nachteil für den Anleger im Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte, die der Anleger bei richtiger Beratung nicht gekauft hätte (9 Ob 85/09d JBl 2010, 713 [P. Bydlinski]). Einen Beratungsfehler nahmen die Vorinstanzen aufgrund der maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls (RIS-Justiz RS0108074 [T13]) jedoch nicht an. Dies ist trotz der umfangreichen Ausführungen in der außerordentlichen Revision des Klägers auch nicht zu beanstanden:

Der Kläger erteilte der Beklagten konkrete Vorgaben hinsichtlich seiner (über mit risikolosen Veranlagungen erzielbaren) Renditeerwartungen; er wurde darüber aufgeklärt, dass er in Aktien investieren würde, was ein gewisses Risiko und ungünstige Kursverläufe beinhalten könne (insoweit ist auch die Argumentation des Klägers in seiner außerordentlichen Revision verfehlt, er habe eine völlig risikolose Anlageform angestrebt), und dass im Allgemeinen nicht mehr als 20 % der zur Verfügung stehenden Mittel in Immobilienaktien veranlagt werden sollten; der Kläger hatte bereits vor der gegenständlichen Veranlagung über Erfahrungen mit Immobilienaktien verfügt und investierte praktisch zeitgleich mit dem gegenständlichen Investment auch bei seiner Hausbank in Immobilienaktien.

3.2. Angesichts dieser Sachverhaltslage kommt es auf die in der außerordentlichen Revision des Klägers als erheblich bezeichnete Rechtsfrage betreffend die Relevanz „eines unmittelbaren Organisationsverschuldens eines Anlageberatungs-Unternehmens von der Struktur der beklagten Partei [und] einer systematischen Fehlberatung in der Ausstrahlung auf den Einzelfall“ nicht an.

3.3. Dies gilt auch für die weitere angeblich erhebliche Rechtsfrage, ob der „Ankauf von vier Aktien der gleichen Art und Risikoklasse eine ausreichende Diversifizierung des Portfolio darstellt“; der Kläger wurde ja tatsächlich auf diesen Umstand hingewiesen und hat sich dennoch zu diesem Investment entschlossen.

3.4. Die außerordentliche Revision geht selbst davon aus, dass es sich beim Verschweigen von Kick-back-Zahlungen (Retrozessionen) um eine „eigenständige Haftungsgrundlage“ handle. Der Kläger übersieht dabei aber, dass er diese Anspruchsgrundlage erst im Rahmen seiner Klagsänderung in das erstinstanzliche Verfahren eingeführt hat; diese Klagsänderung wurde jedoch nicht zugelassen. Soweit sich der Kläger zuvor in seinem Schriftsatz vom 11. 11. 2008 auf den „Verdacht potenziell nachteiliger Interessenkonflikte“ auf Seiten der Beklagten und deren „symbiotische Beziehungen zur Immofinanz“ berufen hatte, stützte er sich nicht auf konkrete Beweismittel für seine Behauptungen; deshalb trafen die Vorinstanzen diesbezüglich auch keinerlei Feststellungen. In seiner außerordentlichen Revision wiederum beruft sich der Kläger lediglich auf Beweismittel zu seinem zurückgewiesenen Vorbringen (abgesehen davon, dass er auch nicht näher spezifiziert von „besonders hohen Verkaufs-[bzw Abschluss-] und Bestandsprovisionen im Bereich der Kapitalanlagen“ spricht).

3.5. Auch die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, „ob in Anlageberater-Haftungsfällen auch eine Haftung auf Grundlage der Schutznormen des UWG in Betracht kommt“, bezieht sich auf im Verfahren erster Instanz zurückgewiesenes Vorbringen.

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