Spruch:
- 1. Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
- 2. Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie einschließlich ihres bestätigten Teils wie folgt zu lauten hat:
Der Antrag der klagenden Partei, der beklagten Partei zur Sicherung ihres Anspruchs auf Unterlassung ehrenrühriger und/oder unwahrer kreditschädigender Behauptungen, worauf die Klage gerichtet sei, bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils die Behauptung zu verbieten, der Kläger
a) sei in der Berichterstattung über Hans D***** umgeschwenkt, weil die K***** die Insertionen bei der Mucha Verlag GmbH storniert habe;
- b) gelte in Branchenkreisen als „WAZ-Söldner";
- c) würde ja schon konsequent seinen eigenen Vornamen verdrehen, weshalb ihm auch das eine oder andere Missverständnis bei mittellangen Sätzen nachzusehen sei, oder inhaltsähnliche Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten, wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.072,88 EUR (darin 345,48 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger ist Geschäftsführer der M***** Verlag GmbH und Herausgeber sowie Chefredakteur der periodischen Druckschrift „E*****". Die M***** Verlag GmbH ist Medieninhaberin dieser Druckschrift; sie richtet sich an die österreichische Kommunikations-, Medien- und Werbebranche.
Der Beklagte ist Medieninhaber und Herausgeber der periodischen Druckschrift „D*****"; auch sie wendet sich an Leser der angeführten Branchen und schaltet - gleich dem Medium des Klägers - deren Anzeigen.
In der Ausgabe „E***** 12/2005" wählte der Kläger den Teileigentümer der „K*****" Hans D***** zum „Kommunikator des Jahres". Er veröffentlichte ein mehrseitiges Interview mit Hans D*****, und hielt unter anderem Folgendes fest:
„ED (gemeint E*****): Gratulation zu Platz 1 in der Kommunikator-Liste.
D*****: Ich freue mich, das finde ich großartig.
ED: In der Jury sind Mitbewerber, aber auch viele Kunden der „K*****"
vertreten.
D*****: Lassen Sie mich vorab bemerken, dass ich staune, wie Sie immer so umfangreiche und interessante Hefte machen. Da Sie so ausführliche Hefte gestalten, dazu voll von interessanten Informationen. Dazu darf ich Ihnen gratulieren.....
ED: Nun sind Sie Mann des Jahres 2005. Das wird wohl nur eine von vielen Auszeichnungen sein, die ein Mann in Ihrer Position in seinem Leben erhalten hat?.....
ED: Nochmals Gratulation, alles Gute und danke für das Gespräch.
Autor: C. M*****, Bildrechte: Archiv"
Im „E*****" Ausgabe 8/2006 verfasste der Kläger ein Editorial und hielt darin Folgendes fest:
„Einsam wie Napoleon trifft Hans D***** seine ultimativen, oft nur schwer nachvollziehbaren Entscheidungen. Doch jene im Team, die in der inneren Emigration lautlos protestierten, besinnen sich langsam ihrer Stimmen.....
Respekt ist das, was einem 85-Jährigem vor allem anderen gebührt. Doch D***** Vorgehen, seine Praktiken, seine Verhaltensmuster der jüngeren Vergangenheit machen es jenen, die ihn achten, schätzen und bewundern, immer schwerer, ihm diese Referenz zu erweisen. Ob Medien-, Sport- oder Wirtschaftslegende, für alle gilt dasselbe:
Jeder muss selbst wissen, wann es gilt, sich zurückzuziehen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, sich zurückzuziehen.
Wer diesen Zeitpunkt verpasst, den bestraft die Fama......
Wie es aussieht, hat auch D***** „seinen" Zeitpunkt verpasst. Denn
der alte Herr hält noch immer das Zepter der K***** fest
umklammert......
Manche Geschichten, Reportagen wirken wie Steine, die man in eine Geröllhalde wirft. Ein kleiner Wurf. Und große Wirkung. Da geraten ganze Berghänge in Bewegung. Solch ein Stein war die Reportage von ED-Chefreporter Josef N***** „K*****, was nun?" in unserer Ausgabe vom 30. 6. 2006. Darin schilderte N***** den Ist-Zustand beim Kleinformat, beschrieb den Schlingerkurs der K***** zwischen Schiedsgerichten in der Schweiz und Abgängen von Mitarbeitern und krönte sein Elaborat mit den Sitzen: Aus der ehemals funktionierenden Monarchie ist eine Kronarchie geworden. So etwas wie ein auseinanderbrechender südamerikanischer Staat: Der greise Chef - Chef ist noch am Wort, die Junta der Generäle scharrt im Schützengraben und die Paramilitärs (in Form der WAZ) sind auch schon im Land. K***** - was nun?
Solche Sätze verzeiht man in der K***** nicht. Ergebnis: Eine umgehende Streichung aller Inserate, die die K***** im E***** bis 31. 12. 2006 vorgebucht hatte. Alle Versuche von unserer Seite, dies vernünftig und amikal auszuräumen, natürlich ohne redaktionell zurückzuweichen, blieben fruchtlos. Selbst die Gratis-Jahresbonus-Seiten der K*****, platziert auf der letzten Umschlagseite, fielen der Schere im Kopf der Macher zum Opfer. Logisch, dass sich ein höchst interessierter Markt-Neueinsteiger fand, der dort vergnüglich einsprang. Was den Groll beim Kleinformat auf den Überbringer unbequemer, aber wahrhaftiger Botschaften nur noch verstärkte.
Nach diesem Leitartikel werden die womöglich auf längere Zeit bei uns nichts mehr schalten. Wir werden das verkraften. Denn schließlich trennt E***** (das ist eines der Geheimnisse unseres Erfolgs) nachhaltig Redaktion und Anzeigen. Haben wir uns noch nie von exekutierten Streichungen oder Boykotten einschüchtern lassen. Bei der K***** hat sich in den letzten Jahren viel verändert. In der Mannschaft, im Team, in der Art, wie man miteinander umgeht. Nichts verändert hat sich freilich an den Machtverhältnissen..... Keiner so hört man, erhebt seine Stimme im Haus der K*****. Dort geht es leise zu. D***** zerstöre seine Reputation mit unnachvollziehbaren Bauchentscheidungen. Sein Handeln und Streben sei dominiert davon, die K***** von Kritikern, Widersachern, Überläufern und vermeintlich Illoyalen zu säubern......
„Auf einem großen Tanker merkt man gar nicht, wenn der bremst", meinte Helmut G***** einmal. Der Bremsweg der K***** lege - in Kilometern gemessen - bei mindestens fünf Jahren.
Christian W. M*****
Herausgeber"
Auf diese unterschiedliche Behandlung Hans D***** in den beiden vorgenannten Artikeln nahm der Beklagte in der Ausgabe „D*****" Nummern 8 und 9/2006 im Rahmen der satirischen Serie „Dr. Media"
Folgendes fest:
„Wurde M***** von der WAZ gekauft?
Dr. Media: Ganz sicher nicht. Der Verleger eines Fachblattes für Gegenschäfte bemüht sich zwar seit Monaten verbissen um einen Termin in Essen, die WAZ-Männer wollen mit ihm freilich nichts zu tun haben. Dass M***** in Branchenkreisen derzeit dennoch als WAZ-Söldner gilt, hat einen simplen Grund: In einem seiner bekannt diarrhöischen Leitartikel (4 Druckseiten!) hat er Hans D*****, mit dem die WAZ seit Jahren vor Gericht streitet, auf das Brutalste attackiert. Der greise „K*****"-Zar sei nicht mehr zurechnungsfähig, „zerstöre seine Reputation mit unnachvollziehbaren Bauchentscheidungen", habe den richtigen Zeitpunkt zum Abtritt verpasst und dergleichen mehr. .... Hoppla - was ist da passiert? Hat M***** nicht vor kurzem Hans D***** als Kommunikator des Jahres abgefeiert, hat ergriffen jede noch so kleine Wortspende apportiert?
Nun: Die „K*****" hat nach einer Reportage alle Anzeigenbuchungen storniert - „selbst die Gratis-Jahresbonus-Seiten, platziert auf der letzten Umschlagseite", wie M***** freimütig erzählt. Die verschenkten Seiten kriegt jetzt wohl „Ö*****". Damit überhaupt keine Zweifel aufkommen, betont M***** ausdrücklich, dass sein Blatt „nachhaltig Redaktion und Anzeigen" trenne.
Unser freundschaftlicher Rat: elendslange Editorials langweilen die Leser. Wegen jedes Stornos gleich ein Zornesausbruch schädigt nur die eigene Gesundheit.
Der „Journalist" wurde zuletzt gleich von drei großen österreichischen Medien boykottiert und hat das nicht kommentiert.
Also: Maul halten und durch - auch wenn es schmerzt". Auf die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung im Verfahren 1 Cg 196/06z des Landesgerichts Salzburg, mit der dem Beklagten verboten wurde, die Leitartikel des Klägers als diarrhöisch oder ähnlich zu bezeichnen, hat der Beklagte in „D*****" 10 und 11/2006 im Editorial unter anderem festgehalten:
„Verärgert haben wir in der zurückliegenden Ausgabe „E***** - Verleger W. C. M*****. Und dafür entschuldigen wir uns nicht. Wir haben an keiner Stelle gesagt, dass der Inhalt seiner Editorials als dünnflüssiges Verdauungsproblem zu beschreiben wäre. Viele seiner Texte sind sogar ausgesprochen unterhaltend. Einzig die Länge und Schriftgröße sind mühsam. Sehbehinderte werden da schlecht bedient. Außerdem hatten wir rhetorisch gefragt, ob er von der WAZ gekauft sei (und dies sofort verneint). M***** hat unsere Frage allerdings auf seinen Verlag (und nicht auf seine Person) bezogen und uns inzwischen eidesstattlich erklärt, dass er nie vor hatte, seinen Verlag der WAZ zu verkaufen. Nun, das haben wir auch nie in Frage gestellt. Wir wollen seine Antwort aber als Beleg dafür nehmen, wie leicht man Dinge verwechseln kann. Wenn jemand konsequent sogar seinen eigenen Vornamen verdreht (M***** zeichnet mit C. W.) sei ihm auch das eine oder andere Missverständnis bei mittellangen Sätzen nachgesehen". Der Kläger hatte neben der beim Landesgericht Salzburg erwirkten einstweiligen Verfügung auch noch eine Gegendarstellung begehrt, die in der Ausgabe 10 und 11/2006 der Zeitung „D*****" geschaltet wurde:
Gegendarstellung
In der Ausgabe „D*****" 08 + 09/2006 findet sich in Beantwortung der Überschrift „Wurde M***** von der WAZ gekauft?" die Tatsachenbehauptung, dass der Verleger (.....) sich zwar seit Monaten verbissen um einen Termin in Essen bemüht, die WAZ-Männer mit ihm freilich nichts zu tun haben wollen.
Dadurch erwecken sie den Eindruck, dass die M***** Verlag GmbH oder Herr Christian W. M***** die Absicht hätten, die M***** Verlag GmbH an die WAZ zu verkaufen.
Diese Behauptung ist unrichtig. Wahr ist vielmehr, dass Herr Christian W. Mucha sich niemals um einen Termin in Essen bei der WAZ bemüht hat und weder Christian W. M***** noch die M***** Verlag GmbH daran interessiert sind, den Verlag an die WAZ zu verkaufen". Unmittelbar an diese Gegendarstellung anschließend kommentiert der Beklagte diese wie folgt:
Herr M***** begehrt aus Anlass seines ironischen Artikels eine Gegendarstellung. Er entgegnet Äußerungen, die wir so nicht verbreitet haben, und er lässt den eigentlichen Artikelinhalt - nämlich einen überraschenden Schwenk in seiner Berichterstattung über Hans D***** - unerwidert. Zumindest insofern dürfte uns Herr M***** also zustimmen. Das freut uns natürlich. Diese Gegendarstellung veröffentlichen wir trotzdem oder gerade deshalb, wollen wir dieses Gustostückerl unseren Lesern doch nicht vorenthalten. Wir tun dies im Übrigen freiwillig und ohne den Rechtsstandpunkt des Herrn M***** oder seines Verlages anzuerkennen. Darüber werden die Gerichte zu befinden haben. Wir werden berichten".
Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Anspruchs auf Unterlassung ehrenrühriger und/oder unwahrer kreditschädigender Handlungen begehrt der Kläger, dem Beklagten für die Dauer des über die Unterlassungsklage anhängigen Verfahrens die Behauptung zu verbieten, der Kläger
a) sei in der Berichterstattung über Hans D***** umgeschwenkt, weil die K***** die Insertionen bei der Mucha Verlag GmbH storniert habe;
- b) gelte in Branchenkreisen als „WAZ-Söldner",
- c) würde ja schon konsequent seinen eigenen Vornamen verdrehen, weshalb ihm auch das eine oder andere Missverständnis bei mittellangen Sätzen nachzusehen sei,
oder inhaltsähnliche Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten.
Der angesprochene Leser entnehme aus dem Gesamtzusammenhang sämtlicher Artikel die bewusst unwahre, ehrenrührige und kreditschädigende Behauptung, der Kläger gelte als „WAZ-Söldner", er sei in seiner Berichterstattung über Hans D***** umgeschwenkt, weil die K***** die Insertionen bei seinem Verlag storniert habe. Diese Behauptung stelle den Kläger in einer Weise dar, die den Anforderungen an einen Journalisten - persönliche Interessen von der Berichterstattung zu trennen und eine Einflussnahme Dritter zu verhindern - zuwiderlaufe. Ziel der Artikel des Beklagten sei es, den Kläger lächerlich zu machen und ihn bei seinen Lesern herabzusetzen. Die sinngemäße Behauptung, der Kläger sei schon aufgrund der konsequenten Verdrehung seiner Vornamen offensichtlich zu blöd, um mittellange, geschweige denn lange Sätze zu verstehen, bringe ein geistiges Gebrechen des Klägers zum Ausdruck und verspotte ihn. Der Beklagte könne sich nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, weil seine Behauptung die Grenzen zulässiger Kritik übersteige.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Die beanstandeten Äußerungen seien keine Tatsachenmitteilungen, sondern eine zulässige, weil im Kern wahre kritische Beurteilung des klägerischen Verhaltens. Der Beklagte habe in seinem ersten Artikel in satirischer Form über den „Wechsel" in der Berichterstattung des Klägers berichtet und diese „Wende" in die rhetorisch-satirische Formulierung gekleidet, dass der Kläger in Branchenkreisen nunmehr als „WAZ-Söldner" gelte. Dass der Kläger seine Berichterstattung aufgrund stornierter Insertionen geändert hätte, habe er nie behauptet. Dem zweiten Artikel sei zu entnehmen, dass der Kläger den vorangehenden bewusst missverstanden habe. Die Frage, ob der Kläger „gekauft" worden sei, habe sich nicht auf den Kauf seines Verlages, sondern auf den Wechsel in seiner Berichterstattung bezogen. Der zynische Hinweis, dem Kläger sei das Missverständnis durchaus nachzusehen, knüpfe daran an, dass der Kläger den ersten Artikel bewusst missverstanden habe. Journalisten wie der Kläger seien in erhöhtem Maß der Kritik unterworfen. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR seien auch schockierende und provozierende Berichte zulässig, solange ihnen - wie hier - ein zutreffendes Tatsachensubstrat zugrunde liegt.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren in seinem Punkt c) statt und wies es in den Punkten a) und b) ab. Das Begehren zu Punkt a) sei abzuweisen, weil der Beklagte eine derartige Aussage nicht getroffen habe, die Behauptung, WAZ-Söldner" zu sein, sei keine Ehrenbeleidigung, sie stelle im Sinn einer Satire (nur) verzerrt dar, dass der Kläger in einem Nahebereich zur WAZ stehe. Die Aussage enthalte lediglich eine subjektive Einschätzung des Beklagten, der Kläger gelte als WAZ-freundlich. Diese Einschätzung sei objektiv nicht überprüfbar und könne daher einen Anspruch nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht begründen. Hingegen sei die zu lit c) des Sicherungsbegehrens beanstandete Äußerung eine Ehrenbeleidigung, weil der Kläger so hingestellt werde, als ob er seine Vornamen nicht in der richtigen Reihenfolge nennen und mittellange Sätze nicht verstehen könne. Im Aussagekern bedeute dies, er sei von geringem Verstand; damit werde der Kläger verspottet.
Das Rekursgericht gab dem gegen die einstweilige Verfügung zu Punkt
c) erhobenen Rekurs des Beklagten nicht Folge und bestätigte das in diesem Punkt erlassene Verbot. Es gab dem Rekurs des Klägers teilweise Folge und untersagte dem Beklagten die (weitere) Behauptung, der Kläger gelte in Branchenkreisen als „WAZ-Söldner" (Punkt b des Begehrens). Das zu Punkt a) (Schwenk in der Berichterstattung) erhobene Begehren blieb abgewiesen. Das Rekursgericht führte aus, die Aussage des Beklagten, der Kläger sei in seiner Berichterstattung umgeschwenkt und die dafür angegebene Begründung sei als Tatsachenbehauptung objektiv nachprüfbar. Sie verwirkliche zwar keine Ehrenbeleidigung, sei aber als kreditschädigende Aussage geeignet, das Fortkommen des Klägers zu gefährden. Ihre Unwahrheit hätte der Kläger behaupten und beweisen müssen. Er habe zwar die Unwahrheit behauptet, dies aber nicht näher begründet. Sein zu Punkt a) erhobenes Begehren scheitere daher am Fehlen hinreichender Behauptungen.
Hingegen sei das zu Punkt b) erhobene Begehren berechtigt. Die Aussage, der Kläger gelte in Branchenkreisen als „WAZ-Söldner" sei entgegen der Auffassung des Beklagten keine im Sinn der Rechtsprechung des EGMR zulässige Kritik. Die Aussage enthalte bei der gebotenen ungünstigsten Auslegung die Tatsachenbehauptung, der Kläger sei von der WAZ „gekauft", er kämpfe gegen Bezahlung auf Seiten der WAZ gegen Hans D*****. Diese Verdächtigung sei ehrenrührig und kreditschädigend, weil sie den Kläger im Gegensatz zu den Anforderungen an einen Journalisten (seine Tätigkeit unbeeinflusst von persönlichen Interessen auszuüben) darstelle. Die Aussage sei durch das Recht der freien Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt. Den ihm obliegenden Nachweis für die Richtigkeit dieser Behauptung habe der Beklagte nicht erbracht.
Auch das zu Punkt c) formulierte Verbot sei berechtigt. Die Aussage des Beklagten, dem Kläger, der sogar seinen eigenen Vornamen konsequent verdrehe, sei das eine oder andere Missverständnis bei mittellangen Sätzen nachzusehen, sei eine Tatsachenbehauptung. Sie zeige im Kern auf, dass der Kläger nicht einmal in der Lage sei, seine Vornamen in der richtigen Reihenfolge zu nennen und mittellange Sätze zu verstehen. Damit werde dem Kläger eine verminderte geistige Leistungsfähigkeit unterstellt, die seinem beruflichen Fortkommen abträglich sei. Die Äußerung sei zugleich auch ehrenrührig; sie verspotte den Kläger. Der Beklagte habe den Wahrheitsbeweis nicht angetreten, er habe nie behauptet, dass diese Äußerung der Wahrheit entspreche.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und - dies über Antrag auf Abänderung seines Zulassungsausspruchs - dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht die der Rechtsprechung des EGMR folgende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Recht der freien Meinungsäußerung nicht beachtet hat. Das Rechtsmittel des Beklagten ist auch berechtigt. Hingegen ist der Revisionsrekurs des Klägers nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. § 1330 ABGB schützt die Ehre von Personen und ihren Ruf. § 1330 Abs 1 ABGB erfasst Ehrenbeleidigungen, die zugleich Tatsachenbehauptungen sein können; Absatz 2 erfasst hingegen nur unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch Werturteile.
Eingriffe in das absolut geschützte Persönlichkeitsrecht auf Ehre können durch das verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein. Bei Kollision der widerstreitenden Rechte ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Den Interessen des Klägers am Rechtsgut der Ehre sind die Interessen des Äußernden und diejenigen der Allgemeinheit gegenüberzustellen (6 Ob 321/04f; dazu ausführlich SZ 64/36). Bei der Interessenabwägung kommt es auf die Art der eingeschränkten Rechte, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (SZ 61/210). Auf diese Kriterien ist bei der Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung einerseits und zulässiger Kritik und Werturteil andererseits Bedacht zu nehmen. Dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung kommt in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu. Solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (6 Ob 93/98i = SZ 71/96 mwN; 6 Ob 321/04f; RIS-Justiz RS0054817). Selbst überspitzte Formulierungen und massive Kritik sind hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (stRsp 6 Ob 159/06k; 6 Ob 250/06t).
2. Der EGMR legt zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Interesses der Öffentlichkeit an der Diskussion von Fragen allgemein-öffentlichen Interesses eine großzügigen Beurteilungsmaßstab an (EGMR vom 26. 2. 2002 - unabhängige initiative Informationsvielfalt in Österreich, MR 2002, 149; EGMR vom 26. 2. 2002 - Dichand gegen Österreich = MR 2002, 84; EGMR 20. 3. 2003 - Krone Verlag GmbH & Co KG gegen Österreich = ÖJZ 2003/35; EGMR 13.
11. 2003 - Scharsach und NEWS Verlags Gesellschaft gegen Österreich =
ÖJZ 2004/17; EGMR 2. 11. 2006 - Standard Verlags GmbH und
Krawagna-Pfeifer gegen Österreich = MR 2007, 23). Er steckt die
Grenzen zulässiger Kritik an Politikern wie auch an Privatpersonen
und Vereinigungen, die zu Themen allgemeinen Interesses in der
Öffentlichkeit Stellung nehmen, weiter als dies bei Privatpersonen
der Fall ist (ÖJZ 1991, 681 - Oberschlick I; MR 1997, 196 -
Oberschlick II; MR 2001, 89 - Jerusalem; zuletzt EGMR 25. 1. 2007 -
Arbeiter gegen Österreich). Dieser Auffassung hat sich der Oberste
Gerichtshof - insbesondere auch für Journalisten und Medieninhaber -
angeschlossen (SZ 74/117; 6 Ob 168/01a, 6 Ob 250/03p). Auch sie
müssen einen höheren Grad an Toleranz zeigen und zwar vor allem dann, wenn sie selbst öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen (6 Ob 168/01a; 6 Ob 245/04d).
3. Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten (stRsp RIS-Justiz RS0031883). Bei zeitlich auseinander fallenden, inhaltlich im Zusammenhang stehende Behauptungen ist der Bedeutungsinhalt nach dem in einer Gesamtschau vermittelten Eindruck entscheidend. Beurteilungsmaßstab ist ein fiktiver Mitteilungsempfänger, dem alle Äußerungen zur Kenntnis gelangt sind (RIS-Justiz RS0115948). Gleiches gilt für die Frage, welcher Bedeutungsinhalt der Äußerung entnommen wird. Sie ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen - hier einem durchschnittlich verständigen Leser der Beiträge - bei unbefangener Auslegung verstanden wird (stRsp RIS-Justiz RS0031815 und RS0115084). Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 295/03f = MR 2005, 371 mwN; zuletzt 6 Ob 250/06t). Auch der EGMR unterscheidet zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteil und misst bei der Beurteilung der Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im Zusammenhang mit Werturteilen am Vorhandensein eines ausreichenden und richtigen Tatsachensubstrats (MR 2005, 86; MR 2005, 465). Auch im politischen Meinungsstreit prüft der EGMR, ob die notwendige Tatsachenbasis für einen wertenden Vorwurf vorliegt, weil auch ein Werturteil ohne unterstützende Tatsachengrundlage exzessiv sein kann (MR 2002, 84; MR 2002, 149; 6 Ob 250/06t).
4. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist keines der Sicherungsbegehren berechtigt.
4.1. Die Zeitschriften beider Streitteile richten sich an Leser der Kommunikations-, Medien- und Werbebranche. Es muss daher angenommen werden, dass sie die eingangs wiedergegebenen Veröffentlichungen ebenso kannten wie die seit Jahren zwischen WAZ und Hans D***** geführten Auseinandersetzungen.
Der beanstandete Artikel des Beklagten nimmt Bezug auf den Gesinnungswandel des Klägers. Er schildert die im Leitartikel des Klägers enthaltenen Attacken gegen Hans D***** und fragt, was denn da passiert sei, habe doch der Kläger Hans D***** kurz davor als Kommunikator des Jahres gefeiert. Die Antwort des Beklagten findet sich im nächsten Absatz. Darin wird der Leser nämlich darüber aufgeklärt, dass die K***** alle Anzeigenbuchungen im Medium des Klägers storniert habe. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Leser wird diese Darstellung als subjektive Interpretation des Verhaltens des Klägers verstehen, die der Beklagte aus den in seiner Veröffentlichung auch offengelegten Umständen gewonnen hat. Diese Interpretation, somit das Werturteil des Beklagten, beruht auf einem richtigen Tatsachenkern: Der Kläger ist in seiner Beurteilung tatsächlich umgeschwenkt, auch hat die K***** tatsächlich Insertionen im Medium des Klägers storniert.
Das zu Punkt a) formulierte Unterlassungsgebot ist somit nicht berechtigt.
4.2. Der Kläger beanstandet die Behauptung, er gelte in Branchenkreisen als WAZ-Söldner. Diese Behauptung findet sich im Zusammenhang mit der kritisierenden Wiedergabe der im Editorial des Klägers enthaltenen Attacken gegen Hans D*****. Der Beklagte gibt in seiner Veröffentlichung auch den Grund dafür an, warum - seiner Meinung nach - der Kläger in Branchenkreisen als WAZ-Söldner gelte. Grund sei nämlich, dass er in seinem Leitartikel Hans D***** auf das Brutalste attackiert habe. Die angesprochenen Leser werden die beanstandete Behauptung daher im Sinn einer wertenden Äußerung dahin verstehen, dass der Kläger Partei für die WAZ und gegen Hans D***** ergreife, indem er den letztgenannten persönlich massiv attackiere und ihm etwa fehlende Entscheidungs- und Zurechnungsfähigkeit vorwerfe. Auch diese auf Basis des darin geschilderten Sachverhalts aufbauende Wertung beruht auf einem richtigen Tatsachenkern und überschreitet keineswegs die Grenzen zulässiger Kritik. Der Kläger, der selbst in der Öffentlichkeit massivst Kritik an Hans D***** geäußert hatte, muss es sich unter dem Blickwinkel des Rechts auf freie Meinungsäußerung gefallen lassen, aus Anlass seiner Kritik als „Söldner" desjenigen bezeichnet zu werden, dessen Interessen seine Kritik dienen könnte.
4.3. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Leser seines Editorials 10 und 11/2006 die weitere, auf die Verwechslung des eigenen Vornamens des Klägers Bezug nehmende Formulierung keineswegs im Sinne einer Behauptung verstehen, der Kläger verfüge über geringe geistige Fähigkeiten. Geht man nach dem Gesamtzusammenhang davon aus, dass die Leser Kenntnis der wechselseitigen Veröffentlichungen hatten, so musste klar sein, dass das Missverständnis, das der Beklagte dem Kläger nachsehen wollte, darin bestand, dass der Kläger die Frage, ob er von der WAZ gekauft sei, irrtümlich auf seinen Verlag bezogen habe. Soweit nun der Beklagte im Editorial des Hefts 10 und 11/2006 auf diesen Irrtum sowie darauf Bezug nimmt, dass der Kläger die Initialen seines Vornamens „verdrehe" und er ihm auch „das eine oder Missverständnis bei mittellangen Sätzen nachsehe" kann dies nur als spöttisch-kritischer Kommentar verstanden werden. Dass der Beklagte die geistige Leistungsfähigkeit des Klägers tatsächlich in Frage gestellt hätte, ist dieser Formulierung hingegen nicht zu entnehmen. Sie ist daher nach dem Verständnis der angesprochenen Leser weder ehrenrührig noch kreditschädigend und wäre - selbst wenn sie den Kläger provozierte - durch das Recht auf freie Meinungsäußerung jedenfalls gedeckt.
5. Dem Revisionsrekurs des Klägers musste ein Erfolg versagt bleiben. Hingegen war dem Revisionsrekurs des Beklagten Folge zu geben und der Sicherungsantrag in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Gänze abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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