OGH 6Ob70/11d

OGH6Ob70/11d14.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M***** P*****, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger und andere Rechsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei R***** P*****, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger und Mag. Hans Peherstorfer, Rechtsanwälte in Linz, wegen Ehegattenunterhalts, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Februar 2011, GZ 15 R 382/10t-85, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

1. Die Ausführungen des beklagten Mannes zur Verpflichtung seiner klagenden Ehefrau, unter Anspannung ihrer Kräfte für ein Eigeneinkommen zu sorgen, sind schon allein deshalb verfehlt, weil die Parteien eine sogenannte Hausfrauenehe nach § 94 Abs 2 Satz 1 ABGB vereinbarten. In einem solchen Fall kann vom Unterhaltsberechtigten nicht verlangt werden, dass er einem eigenen Erwerb nachgeht und für seinen Unterhalt selbst sorgt (RIS-Justiz RS0009749).

Der Hinweis des Mannes auf die unter RIS-Justiz RS0009609 indizierten Entscheidungen und seine Darstellung, er habe das Studium der Klägerin im Hinblick auf eine Erwerbsmöglichkeit finanziert, sodass die Aufnahme einer Lehrtätigkeit nach Abschluss des Studiums logische Konsequenz gewesen sei, widerspricht den Feststellungen der Vorinstanzen. Tatsächlich sah er das Studium als „reinen Zeitvertreib“ für die Klägerin an und ging selbst davon aus, dass er in erster Linie für deren Unterhalt aufkommen werde. Der von der zitierten Rechtsprechung geforderte Nachweis, dass nach der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse auch bei aufrechter Lebensgemeinschaft nach einer bereits abgelaufenen Zeit oder unter bereits eingetretenen Voraussetzungen eine Änderung hätte eintreten sollen, wurde hier demnach vom Mann nicht erbracht.

Damit erübrigt sich aber in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit der vom Mann unter Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 64/07s (EF-Z 2007/109) behaupteten Verpflichtung der Frau zur Durchführung einer Therapie zur Beseitigung ihrer psychischen Erkrankung, aufgrund derer sie nach den Feststellungen der Vorinstanzen derzeit am allgemeinen Arbeitsmarkt weder einsetzbar noch vermittelbar ist. Abgesehen davon ist nach diesen Feststellungen eine medikamentöse Behandlung der Klägerin nicht möglich, der Erfolg von Psychotherapien jedoch „ungewiss“.

2. Der Mann beruft sich im Revisionsverfahren auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Frau aufgrund ihrer Verhaltensweisen im Sexualbereich. Allerdings leidet die Frau nach einer sehr schwierigen und traumatisierten Kindheit an einer andauernden Persönlichkeitsstörung mit einer Störung des Sexualverhaltens; durch diese Störung ist die Frau in ihrer Entscheidungsfähigkeit insofern eingeschränkt, als sie - ähnlich einem Suchtpatienten - nicht in der Lage ist, von den verpönten Verhaltensweisen (Exhibitionismus, Voyeurismus, nicht alltägliche Sexualpraktiken mit dritten Personen) Abstand zu nehmen, auch wenn sie im Nachhinein das Unrecht ihres Verhaltens im Hinblick auf die bestehende Ehe erkennen kann.

Die Auffassung der Vorinstanzen, der Frau mangle es aufgrund dieser Erkrankung an der - für die Annahme einer Unterhaltsverwirkung eine Voraussetzung darstellenden (RIS-Justiz RS0005919) - subjektiven Verantwortlichkeit (Verschulden), begegnet keinen Bedenken; im Übrigen stellt auch diese Frage eine solche des Einzelfalls dar.

Zum (abermaligen) Hinweis des Mannes auf die Therapieverpflichtung der Frau genügt allein schon der Hinweis auf deren „ungewissen“ Erfolg.

3. Zwischen den Parteien behängt ein vom Mann angestrengtes, auf § 49 EheG gestütztes Ehescheidungsverfahren, das unterbrochen ist. Der Mann meint nun, „unter Gleichheitsgesichtspunkten“ könne der Frau in einem Fall wie dem vorliegenden nur Billigkeitsunterhalt nach § 69 Abs 3 EheG zustehen, komme doch „ein Verschulden des unterhaltspflichtigen Teils“ (also des Mannes) nicht in Betracht; § 69 Abs 3 EheG sei analog anzuwenden. Er verkennt damit allerdings, dass der Frau Ehegattenunterhalt nach § 94 ABGB grundsätzlich bis zur rechtskräftigen Beendigung der Ehe durch Ehescheidung zusteht; für eine analoge Anwendung nachehelicher Unterhaltsbestimmungen besteht in diesem Zusammenhang keine Notwendigkeit. Dass nach der jüngeren Rechtsprechung auch Ehegattenunterhalt teilweise verwirkt werden kann (RIS-Justiz RS0121740), ändert daran nichts; die Frau hat den Unterhaltsanspruch überhaupt nicht verwirkt.

Im Übrigen erscheint es aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen nicht gänzlich ausgeschlossen, dass eine vom Mann betriebene Ehescheidung nicht nach § 49 EheG (eine solche setzt schuldhafte Ehezerrüttung voraus), wohl aber nach § 50 EheG zu einem Verschuldensausspruch zu Lasten des Mannes führen könnte (§ 61 Abs 2 EheG); in diesem Fall hätte die Frau aber nacheheliche Unterhaltsansprüche nach § 66 EheG (vgl § 69 Abs 1 EheG) und nicht bloß einen Anspruch auf Billigkeitsunterhalt.

4. Die Vorinstanzen haben damit der Frau in durchaus vertretbarer Weise vollen Ehegattenunterhalt nach § 94 ABGB zuerkannt, dessen Höhe der Mann im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft.

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