OGH 6Ob62/18p

OGH6Ob62/18p26.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Wiesinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 69.178,04 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 55.156,81 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2018, GZ 2 R 164/17b‑24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00062.18P.0426.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 7 Ob 179/09p bereits eine inhaltsgleiche Vereinbarung (ebenfalls Anhang 26 eines Zusammenschaltungsvertrags mit der Telekom) beurteilt.

Die Beklagte erblickt eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 ZPO in der Frage, ob ein Zivilgericht bei der Anwendung eines Vertrags, der nach dem Vorbild eines vertragsersetzenden Bescheids der Telekom-Control‑Kommission abgeschlossen wurde, an die veröffentlichte Begründung des Bescheids als Leitlinie für die Interpretation des nachfolgend abgeschlossenen Vertrags gebunden ist.

Diese Rechtsfrage stellt sich im vorliegenden Fall jedoch in Wahrheit nicht: Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr der sogenannte „Motivationszuschlag“. Voraussetzung für die Bezahlung dieses Zuschlags ist, dass für die Übernahme des in das Netz des Drittnetzbetreibers (hier: der Klägerin) terminierten Verkehrs keine Terminierungsvereinbarung mit dem Zusammenschaltungspartner (hier: der Beklagten) besteht. Weil im vorliegenden Fall unstreitig kein ausdrücklicher Vertrag abgeschlossen wurde, könnte sich ein derartiger Vertrag nur aus einer stillschweigenden Vereinbarung ergeben. Ein Vertrag wird stillschweigend durch konkludente Handlungen gemäß § 863 ABGB aber nur dann abgeschlossen, wenn mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, übrig bleibt (RIS‑Justiz RS0014424). An die Schlüssigkeit eines Verhaltens ist ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0014146). Entscheidend sind die Umstände aus der Sicht des redlichen Erklärungsempfängers (RIS‑Justiz RS0014158 [T10]). Bei der Beurteilung, ob ein schlüssiger Vertrag vorliegt, kommt es regelmäßig auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0014158 [T8]). Die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens hat daher regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung (RIS‑Justiz RS0043253 [T2]).

Dass die Beklagte Anrufe aus ihrem Netz über das Transitnetz der Telekom in das Netz der Klägerin leitete und letztere diese Anrufe terminierte und dafür ein Entgelt verrechnete, lässt allein noch keinen zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass die Parteien eine Terminierungsvereinbarung abschließen wollten. Vielmehr lässt – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – gerade der Umstand, dass der Klägerin gemäß Punkt 1.1.1 des Anhangs 26 auch für eine vertragslose Inanspruchnahme ihres Netzes ein Terminisierungsentgelt und zusätzlich der Motivationszuschlag zusteht, daran zweifeln, dass sie allein durch die Verrechnung der faktisch erfolgten Terminierung eine – mit dem Entfall des „Motivationszuschlags“ verbundene – Terminierungsvereinbarung schließen wollte.

Wenn das Berufungsgericht in der Bezugnahme der Rechnung auf den „bestehenden Zusammenschaltungsvertrag“ keine stillschweigende Vereinbarung erblickte, ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Dass es sich – wie die Revision vermeint – dabei nicht um ein automatisiertes Massenschreiben, sondern ein individuelles Begleitschreiben handle, findet in dieser Form in den Feststellungen der Vorinstanzen keine Deckung. Die Zuweisung einer Kundennummer erklärt sich schon aus Buchhaltungsgründen und der Notwendigkeit der Verrechnung eines Entgelts; für das Bestehen eines Vertrags ist daraus nichts abzuleiten. Andernfalls würde jede faktische Weiterleitung von Telefonaten bereits zum stillschweigenden Abschluss eines Vertrags führen, sodass für die Verrechnung des Motivationsaufschlags im „vertragsfreien Raum“ keinerlei Anwendungsmöglichkeit verbliebe.

Damit bringt die Revisionswerberin aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

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