OGH 6Ob51/14i

OGH6Ob51/14i26.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P***** P*****, vertreten durch Noll, Keider Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W***** F*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2013, GZ 1 R 159/13d‑15, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Mai 2013, GZ 10 Cg 133/12g‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der beklagte Zeitungsherausgeber und Kolumnist behauptete in seiner Rubrik in der Ausgabe der Tageszeitung „Ö*****“ vom 1. 10. 2012, der Kläger ‑ ein österreichweit bekannter Abgeordneter zum Nationalrat ‑ habe sich seine Gemeindewohnung erschwindelt.

Das Erstgericht gab dem auf Unterlassung dieser Äußerung und auf deren Widerruf in der Rubrik des Beklagten in der genannten Tageszeitung gerichteten Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ nachträglich (§ 508 ZPO) die ordentliche Revision zu, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob bei der Veröffentlichung eines Widerrufs nach § 1330 Abs 2 ABGB die Regelungen des § 13 Abs 3 und Abs 4 MedienG zum (der Veröffentlichung, auf die sie sich bezieht) gleichen Veröffentlichungswert einer Gegendarstellung analog anzuwenden sind, noch nicht auseinandergesetzt habe.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision mangels einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Der Widerruf nach § 1330 ABGB muss ‑ entsprechend dem maßgebenden Äquivalenzgrundsatz (6 Ob 328/00d; 6 Ob 295/97v SZ 70/267) ‑ in gleich wirksamer Form wie die seinerzeitige unrichtige Tatsachenbehauptung erfolgen (6 Ob 328/00d; 6 Ob 14/99y; 6 Ob 316/97g; 6 Ob 295/97v; 6 Ob 95/97g; 6 Ob 2334/96w SZ 70/38). Die danach gebotene Veröffentlichung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie muss jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zur Wirkung des Verstoßes stehen (6 Ob 95/97g), ist es doch das Ziel des Widerrufs, die durch die veröffentlichte unwahre Tatsachenbehauptung entstandene abträgliche Meinung über den Verletzten zu beseitigen (3 Ob 270/05k; 6 Ob 316/97g; 6 Ob 2334/96w). Die vom Berufungsgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage ist demnach in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits dahin beantwortet, dass § 13 Abs 3 und 4 MedienG nicht analog heranzuziehen sind, sondern es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, welche Veröffentlichung des Widerrufs geboten ist.

Der Beklagte hat die unwahre und ehrenrührige Tatsachenbehauptung in seiner Zeitungskolumne aufgestellt. Vor dem Hintergrund der referierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Widerruf in dieser Kolumne zu veröffentlichen ist, jedenfalls vertretbar, gibt doch die Rubrik die persönlichen Auffassungen des beklagten Herausgebers der Tageszeitung wieder und unterscheidet sich so deutlich von Berichten und Meldungen in dieser Zeitung.

Die Revision zeigt auch sonst keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf.

Welcher Bedeutungsinhalt einer bestimmten Äußerung beizumessen ist, ob es sich um die Verbreitung von Tatsachen, die Verbreitung einer auf einem wahren Tatsachenkern beruhenden wertenden Meinungsäußerung oder eines Werturteils handelt, richtet sich nach dem Zusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt (RIS‑Justiz RS0079395 [T3]; RS0031815). Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist daher im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere aber von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang abhängt (RIS‑Justiz RS0031883 [T6]; RS0031815). Die Frage, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0107768) hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht angenommen werden können (6 Ob 245/11i mwN).

Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Behauptung, der Kläger habe sich eine Gemeindebauwohnung „erschwindelt“, erwecke selbst im Gesamtzusammenhang mit der Kolumne des Beklagten und dem gleichzeitig veröffentlichten Artikel den Eindruck, der Kläger sei durch unredliche Methoden in den Besitz seiner Wohnung gelangt, ist jedenfalls vertretbar. Von einer Mehrdeutigkeit der Äußerung im Bezugszusammenhang ist das Berufungsgericht ohnehin nicht ausgegangen. Die Revision vermag auch nicht überzeugend darzulegen, weshalb die Formulierung „erschwindeln“ nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie verwendet wurde, als bloßes Werturteil zu qualifizieren ist.

Die Zurückweisung der Revision konnte sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Revisionsbeantwortung ist verspätet. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem dem Kläger die Beantwortung der Revision freigestellt wurde, wurde der Klagevertreterin am 6. 2. 2014 zugestellt. Die Revisionsbeantwortung wurde im Elektronischen Rechtsverkehr beim Erstgericht eingebracht. Das Erstgericht übermittelte den Ausdruck der Revisionsbeantwortung dem Obersten Gerichtshof, bei dem die Sendung am 14. 3. 2014 einlangte. Der Schriftsatz wurde an das Oberlandesgericht Wien, bei dem die Revisionsbeantwortung einzubringen war (§ 507a Abs 3 Z 1 ZPO), weitergeleitet und langte dort am 17. 3. 2014 ein. Eine entgegen § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Erstgericht eingebrachte Revisionsbeantwortung ist verspätet, wenn sie beim Berufungsgericht erst nach Ablauf der vierwöchigen Frist (§ 507a Abs 1 ZPO) ‑ wie hier ‑ eingelangt ist (10 Ob 109/01d; RIS‑Justiz RS0043678 [T2]). Die Revisionsbeantwortung war daher zurückzuweisen.

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