Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien haben der beklagten Partei die mit 9.734,40 S (darin 1.622,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war von 1991 bis 1995 in einem Museum als einer von 50 Aufsehern beschäftigt. Der Viertkläger war in dieser Zeit wie der Beklagte Aufseher, die übrigen Kläger waren Oberaufseher. Insgesamt hatten die Aufseher im Museum sechs Oberaufseher als Vorgesetzte. Der Beklagte berichtete gegenüber Journalisten und in einer Fernsehsendung über Missstände am Arbeitsplatz. In Zeitungen erschienen im Jahr 1997 Artikel unter den Titeln "Lose Sitten im Museum", "Über Mobbing und den Terror am Arbeitsplatz" und "K*****hysterisches Museum".
Die Kläger begehren die Unterlassung, den Widerruf und die Veröffentlichung des Widerrufs unwahrer Behauptungen des Beklagten, wie diese aus der folgenden Wiedergabe der Entscheidungen der Vorinstanzen ersichtlich sind.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren des Erst-, des Zweit- und des Drittklägers statt und gebot die Unterlassung der Behauptung, im Museum sei ein Mann mit dem Kopf nach unten, die Füße zusammengebunden, an einem Stahlgerüst, das normalerweise zum Aufhängen großformatiger Gemälde alter Meister diene, von einem "Oberaufseher mit seinem Hang zum Sadismus" aufgehängt worden (Punkt 1.) und verurteilte den Beklagten zum Widerruf der Behauptung gegenüber den Lesern der Zeitschrift "Wiener" und auf Veröffentlichung des Widerrufs in dieser Zeitschrift (Punkt 2.). Gegenüber dem Viertkläger erkannte das Erstgericht den Beklagten für schuldig, die Behauptung zu unterlassen, der Viertkläger habe im Museum einen 26-jährigen Burschen sexuell belästigt, es verurteilte den Beklagten zum Widerruf der Behauptung gegenüber den Zusehern der Fernsehsendung des ORF "Schiejok täglich" und auf Veröffentlichung des Widerrufs in der Fernsehsendung des ORF "Konflikte" auf Kosten des Beklagten (Punkt 3. und 4.). Mit dem Punkt 6. seiner Entscheidung wies das Erstgericht das Mehrbegehren des Viertklägers auf Veröffentlichung des Widerrufs in der Fernsehsendung "Schiejok täglich" ab.
Das Erstgericht traf Feststellungen zum Inhalt der Zeitungsartikel und der Fernsehsendung sowie zu den zu Grunde liegenden Äußerungen des Beklagten. Für das Revisionsverfahren, in dem nur die Abweisung der Widerrufsbegehren durch das Berufungsgericht Entscheidungsgegenstand ist, ist die erstinstanzliche Feststellung wesentlich, dass der Beklagte bei seinen Vorwürfen die Täter nicht namentlich genannt hatte, die Beteiligten aber jeweils durch die Anführung ihrer Funktionen im Museum als Tatverdächtige für einen kleineren Personenkreis identifizierbar waren.
Zur Begründung seiner Entscheidung über die Widerrufsbegehren führte das Erstgericht aus, dass ein öffentlicher Widerruf in der Fernsehsendung "Schiejok täglich" nicht in Frage komme, weil diese Sendung vom ORF nicht mehr ausgestrahlt werde. Ein Widerruf komme aber in einem ähnlichen Fernsehbeitrag, der sich an die gleiche Zielgruppe wende, in Frage.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise statt und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass sämtliche Widerrufsbegehren abgewiesen wurden. Die Stattgebung der Unterlassungsbegehren wurde vom Berufungsgericht rechtskräftig bestätigt. Das Berufungsgericht führte zu den Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Anspruch auf Widerruf setze nicht nur die Rechtswidrigkeit der Behauptungen, sondern überdies ein Fortwirken der Beeinträchtigung des Verletzten voraus. Der Widerruf müsse in der gleich wirksamen Form wie die Tatsachenbehauptung erfolgen. Der Widerrufsanspruch sei seinem Wesen nach ein Schadenersatzanspruch, mit dem die schon eingetretenen Wirkung der falschen Behauptungen, also die abträgliche Meinung über den Verletzten beseitigt werden soll. Für die Beurteilung des Veröffentlichungsbegehrens sei der Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz maßgebend. Im Hinblick darauf, dass die Verletzten weder in den Zeitungen noch in der Fernsehsendung namentlich genannt worden seien und seit der Veröffentlichung in der Zeitschrift und in der Fernsehsendung mehr als drei Jahre vergangen seien sowie im Hinblick auf die mangelnde Bestimmbarkeit der Betroffenen durch einen größeren Personenkreis bestehe kein Anspruch der Kläger auf Widerruf in der Zeitschrift oder in einer der eingestellten Sendung vergleichbaren Fernsehsendung. Ein Fortwirken der Beeinträchtigung auf die Kläger sei nach der langen verstrichenen Zeit zu verneinen. Im Übrigen sei der Adressatenkreis der eingestellten Fernsehsendung mit der Sendung, in der der Widerruf veröffentlicht werden soll, nicht identisch.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die Kläger beantragen mit ihrer außerordentlichen Revision die Abänderung dahin, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Der Beklagte beantragt mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der verschuldensabhängige Widerrufsanspruch ist ein auf die Naturalrestitution gerichteter Schadenersatzanspruch. Der Täter hat die durch seine Äußerung entstandene abträgliche Meinung über den Verletzten durch Widerruf der unwahren Behauptungen zu beseitigen (6 Ob 2393/96x mwN; 6 Ob 2334/96w uva). Ein Verschulden des Täters kann nur verneint werden, wenn er gute Gründe hatte, seine Behauptung als wahr anzusehen (6 Ob 38/95). Ein solcher Sachverhalt wurde hier nicht festgestellt.
Die Art und der Umfang der Veröffentlichung des Widerrufs hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Widerrufsanspruch setzt ein Fortwirken der abträglichen Meinung über den Verletzten voraus (6 Ob 211/97s). Das Berufungsgericht hat dieses Fortwirken wegen der seit den Äußerungen des Beklagten verstrichenen Zeit von mehr als drei Jahren verneint. In dieser Allgemeinheit kann dieser Rechtsansicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die für eine bereits erfolgte Beseitigung der abträglichen Meinung über die Kläger sprechen könnten, nicht gefolgt werden, weil anderenfalls schon jede etwas längere Verfahrensdauer den Widerrufsanspruch obsolet machte. Die Abweisung des Widerrufsanspruch erfolgte aber aus anderen Gründen zu Recht:
In dem in mancherlei Hinsicht mit dem Ehrenschutz vergleichbaren Wettbewerbsrecht (vgl § 7 UWG) wird die Auffassung vertreten, dass die zur Aufklärung des Publikums erforderliche Urteilsveröffentlichung im Verhältnis zur Wirkung des Wettbewerbsverstoßes angemessen sein muss (MR 1988, 96; Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung RZ 222). Die Art und die Zahl der Medien, in denen die Veröffentlichung stattfindet, dürfen nicht in einem Missverhältnis zur Publizität der rechtswidrigen Handlung stehen (Ciresa aaO RZ 211 mwN). Der Äquivalenzgrundsatz wird auch für die Veröffentlichung des Widerrufs nach § 1330 ABGB vertreten (6 Ob 295/97v). Er gibt sich schon aus dem Beseitigungsanspruch. Es ist nicht notwendig, einen größeren Personenkreis über den Sachverhalt zu informieren, als denjenigen, der über die ehrverletzende Äußerung bereits Kenntnis erlangt hat oder zumindest erlangt haben konnte. Wohl muss nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung der Widerruf in der gleich wirksamen Form wie die Tatsachenbehauptung erfolgen (MR 1997, 85 mwN). Dies gilt zweifelsfrei für die Fälle, wo die Ehrverletzung in einem Medium veröffentlicht wurde, sodass der Widerruf in diesem Medium oder in einem gleichartigen, dasselbe Publikum ansprechenden Medium zu erfolgen hat. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt jedoch darin, dass die in die Ehre eingreifenden Tatsachenbehauptungen des Beklagten zwar in einer Zeitung und in einer Fernsehsendung erfolgten, die Kläger aber nicht namentlich genannt wurden und daher für den ganz überwiegenden Teil des angesprochenen Publikums anonym geblieben sind. Wenn ihnen im Provisorialverfahren mit der Entscheidung 6 Ob 218/98x dennoch eine Klagelegitimation zuerkannt wurde, geschah dies ausschließlich aus dem Grund, dass die Kläger für einen ganz eingeschränkten Personenkreis identifizierbar und damit als von der Äußerung des Beklagten Betroffene anzusehen waren, nämlich für den kleinen Kreis der Berufskollegen oder für den ebenfalls engen Kreis von Verwandten und Bekannten. Nach der Lehre und ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung ist die Haftung des Täters auch dann zu bejahen, wenn die ehrenrührige Äußerung in Verdachts- oder Vermutungsform erfolgte (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz, 27, 58; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 14 zu § 1330; MR 1991, 235; SZ 69/113 uva), weil der Ehrenschutz nicht durch geschickte Formulierungen des Täters verhindert werden soll. Durch die gegen eine einzelne, aber nicht bestimmbare Person gerichtete Äußerung des Beklagten sind die Kläger für einen eingeschränkten Personenkreis als Tatverdächtige kenntlich geworden. Nur die dort entstandene abträgliche Meinung ist mit einem Widerruf zu beseitigen. Bei dem darüber hinaus von der Zeitung und dem Fernsehen angesprochenen breiten Publikum kann eine abträgliche Meinung über den Kläger aber nicht beseitigt werden, weil eine solche mangels Identifizierbarkeit der Kläger gar nicht entstanden war. Der angestrebte Widerruf gegenüber allen Lesern der Zeitung und gegenüber allen Zusehern der Fernsehsendung und die Veröffentlichung des Widerrufs in diesen Medien stünde mit dem Angemessenheitsgrundsatz im Widerspruch. Der Widerrufsanspruch steht nur gegenüber dem angeführten eingeschränkten Personenkreis zu, den die Kläger aber näher zu bezeichnen gehabt hätten. Nach dem maßgeblichen Schadenersatzrecht trifft den Geschädigten die Behauptungs- und Beweislast über den eingetretenen Schaden, der hier in der zu beseitigenden abträglichen Meinung über die Kläger in dem angeführten eingeschränkten Personenkreis besteht.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Da nur mehr die Widerrusfansprüche strittig waren, ist entgegen dem Kostenverzeichnis von einer Kostenbemessungsgrundlage von nur 120.000 S auszugehen.
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