Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Die klagenden Parteien haben die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Beklagte war von 1991 bis 1995 in einem Museum als einer von 50 Aufsehern beschäftigt. Der Viertkläger war in dieser Zeit wie der Beklagte Aufseher, die übrigen Kläger waren Oberaufseher. Insgesamt hatten die Aufseher im Museum sechs Oberaufseher als Vorgesetzte. Der Beklagte berichtete gegenüber Journalisten und in einer Fernsehsendung über Mißstände am Arbeitsplatz. In Zeitungen erschienen im Jahr 1997 Artikel unter den Titeln "Lose Sitten im Museum", "Über Mobbing und den Terror am Arbeitsplatz" und "*****hysterisches Museum".
Die drei erstgenannten Kläger begehren mit ihrer Klage (6 Cg 236/97d) die Unterlassung, den Widerruf und die Veröffentlichung des Widerrufs unwahrer Behauptungen. Ihr gleichzeitig gestellter Sicherungsantrag ist auf die Unterlassung der Verbreitung der Behauptungen gerichtet, im ***** Museum
- sei ein Mann mit dem Kopf nach unten, die Füße zusammengebunden, an einem Stahlgerüst, das normalerweise zum Aufhängen großformatiger Gemälde alter Meister diene, von einem "Oberaufseher mit seinem Hang zum Sadismus" aufgehängt worden,
- seien Behinderte den "perversen Machtspielen der Oberaufseher schutzlos ausgeliefert",
- bekomme nur wer sich "alles gefallen ließe", Vergünstigungen wie längere Pausen oder früheren Dienstschluß, wogegen jeder, der nicht "mitmache", "beschimpft, geschlagen, gedemütigt" werde,
- sei der Geklagte "an ein Stahlgerüst gefesselt und von seinen Kollegen geschlagen, getreten und mißhandelt" worden,
- habe der Geklagte "gleich im ersten Jahr gesehen, wie man einen Kollegen mit Schnüren an den Füßen zusammenbindet, beim Stahlgerüst hinaufzieht, im Tizian-Saal, vor der Eröffnung und hingeschlagen hat auf ihn"; während "alle lächeln, ein ganzer Kreis Menschen steht herum und alle lächeln" und "keiner dieser Kollegen hat irgendetwas gesagt",
- habe der Geklagte "das" öfters erleben müssen, daß "der andere", der ein "Sadist" sei, den Kollegen "geschlagen" und "auf der Brust gezwickt" habe, "daß das Blut rausspritzt usw.",
- habe der Geklagte "in so einem Museum" zuschauen müssen, "wie da einer niedergemacht wird".
Die Kläger seien als Oberaufseher unmittelbare Vorgesetzte des Beklagten gewesen. Der Beklagte habe gegenüber Journalisten mehrerer Zeitschriften und in einer Fernsehsendung die bekämpften unwahren Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Die Kläger gehörten als Oberaufseher zu dem engen Personenkreis, dem der Beklagte die strafbaren und ehrenrührigen Verhaltensweisen unterstellt habe. Aus der Nachhaltigkeit der öffentlichen Verbreitung der Behauptungen sei auf die Wiederholungsgefahr zu schließen. Die Kläger seien in ihrem Fortkommen gefährdet.
Der Viertkläger brachte vor, daß der Beklagte in der Fernsehsendung vom 14.5.1997 behauptet habe, der Kläger habe einen 26-jährigen Burschen sexuell belästigt. Er begehrt die Unterlassung dieser unwahren Behauptung. Der Beklagte habe im Interview auch behauptet, daß der Kläger im Museum mit seiner Pistole auf Ratten und Mäuse schieße. Dies sei richtig. Da der Kläger der einzige Nachtaufseher gewesen sei, der im Dienst eine Waffe trage, sei der Kläger als die Person bestimmbar, welcher eine sexuelle Belästigung eines Kollegen unterstellt werde. Die Behauptung des Beklagten sei rufschädigend und ehrenbeleidigend.
Der Beklagte beantragte die Abweisung aller Sicherungsanträge. Aus der Klage der drei erstgenannten Kläger sei nicht erkennbar, welcher der Kläger durch die bekämpften Textstellen berührt sei. Es fehle an der Aktivlegitimation. Die Betroffenheit könne nur bejaht werden, wenn das Publikum aufgrund von Personenhinweisen eine namentlich nicht genannte Person identifizieren könne. Es müsse ein Bezug auf den Betroffenen möglich sein. Eine "allgemeine Betroffenheit" in dem Sinn, daß sich die Kläger als Oberaufseher beleidigt fühlen könnten, verschaffe keine Aktivlegitimation. Der Beklagte habe gegenüber Journalisten nicht geäußert, daß ein Oberaufseher einen Hang zum Sadismus habe. Er habe nur das tatsächliche Geschehen, nämlich das Aufhängen an einem Stahlgerüst, berichtet. Der Beklagte habe auch nicht behauptet, daß jemand, der nicht mitmache, geschlagen werde. Er habe auch nicht behauptet, daß er selbst an ein Stahlgerüst gefesselt und von Kollegen mißhandelt worden sei. Die Kläger müßten beweisen, daß die verbreiteten Tatsachen unwahr seien. Auch dem Viertkläger mangle es an der Aktivlegitimation. Er sei nicht namentlich genannt worden. Im Museum seien 100 Aufseher tätig gewesen. Durch die Äußerung des Beklagten könnte genausogut einer der anderen 99 Aufseher betroffen sein. Ob und welcher Aufseher im Dienst eine Waffe trage, entziehe sich der Beurteilung des Durchschnittssehers einer Fernsehsendung. Das Publikum müsse aufgrund von Personenhinweisen eine bestimmte Person identifizieren können. Eine solche Bezugnahme sei hier nicht möglich. Die Behauptung des Beklagten sei wahr. Die Unwahrheit müsse der Kläger bescheinigen.
Das Erstgericht wies die Sicherungsanträge der zu 6 Cg 236/97d klagenden Parteien ab und erließ die vom Viertkläger beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm den auf den S 5 bis 8 in ON 16 ersichtlichen Sachverhalt als bescheinigt an. Von den getroffenen
Feststellungen ist als wesentlich hervorzuheben:
Ein Zeitungsartikel vom Jänner 1997 habe ua folgenden Text gehabt:
"Der Schauplatz: Das ***** Museum in Wien. Die handelnde Person: Ein Oberaufseher, der mit seinem Hang zum Sadismus einem willigen Untergebenen den Kopf verdreht hätte. An einem Stahlgerüst, das normalerweise zum Aufhängen großformatiger Gemälde alter Meister dient". "Mit dem Kopf nach unten, die Füße zusammengebunden, baumelt ein Mann an einem Stahlgerüst. Uniformierte Männer schlagen mit den Fäusten auf ihn ein, andere stehen im Kreis herum und klatschen Beifall". "Erpressung und Schikanen: Ernst W***** ist da das Lachen längst vergangen. Als Behindertenvertreter war er Anlaufstelle für alle Beschwerden: Behinderte sind den Perversen Machtspielen der Oberaufseher schutzlos ausgeliefert. Nur wer sich alles gefallen läßt, kriegt Vergünstigungen, wie längere Pausen oder früheren Dienstschluß. Wer nicht mitmacht, wird beschimpft, geschlagen, gedemütigt". In einem weiteren Zeitungsartikel vom März 1997 habe eine Passage gelautet: "Wir schildern einen Mobbingfall, wie er schlimmer nicht sein kann. Drei ehemalige Aufseher erlebten im ***** Museum ein wahrhaftiges Gruselkabinett. Alle gegen drei lautete die Devise. Besonders für Ernst W***** entwickelte sich der Job zu einer Hölle auf Erden. Er wurde an ein Stahlgerüst gefesselt und von seinen Kollegen geschlagen, getreten und mißhandelt".
Der Beklagte habe am 14. 5. 1997 als Gast in einer Fernsehsendung zum Thema "Mobbing" folgendes gesagt: "Sexuelle Belästigung an einem 26jährigen Burschen, Personalchef und alle anderen lachen auch. Für mich war das nicht zum Lachen. Der, der die sexuelle Belästigung an den Mann gemacht hat, der rennt dort im Haus herum, im ***** Museum mit der Pistole in der Hand und schießt ja nur auf Raten und Mäuse. Wird vom Sicherheitschef dort drinnen unterstützt, wird dort bekanntgegeben, er darf das. [...] Ich habe gleich im ersten Jahr gesehen, wie man einen Kollegen mit Schnüren an den Füßen zusammenbindet, beim Stahlgerüst hinaufzieht im Tizian-Saal vor der Eröffnung und man hat hingeschlagen auf ihn. Alle lächeln, ein ganzer Kreis Menschen steht herum und alle lächeln. Was ich bis heute nicht verstehe, daß keiner von diesen Kollegen irgendwie was gesagt hat, wieso sind sie still? Das ist wie eine Krankheit, man steht in der Mitte und da stirbt einer und keiner hilft. Ein einziger junger Mann ist gekommen damals und hat ihn vom Gerüst wieder heruntergeholt. Ich mußte das öfters erleben, daß dieser Bursche, ich muß dazu sagen, er ist ein Masochist, er bekennt sich dazu, und der andere ist eben ein Sadist, er haut ihn, er tut ihm weh, auf der Brust zwicken, daß das Blut rausspritzt usw. Und da sagt man dann, er ist ja verrückt, wenn er das sagt, um Gottes Willen sag nichts, da wirst du entlassen, sei ruhig. Das sind die Argumente gewesen. [...] Für mich als Familienvater ist das kein Spaß, ich kann kein Blut sehen und ich verstehe nicht, warum muß ich in so einem Museum zuschauen, wie da einer niedergemacht wird. Für den Burschen war das ein Spaß".
In einem weiteren Zeitungsartikel habe eine Passage gelautet: "Als er eines Tages nach Besuchsschluß einen Saal betritt, sieht er zu seinem Entsetzen, wie ein Aufseher mit dem Kopf nach unten von einem Gerüst mit einem Tizian baumelt. Die Füße und Hände sind mit einer Schnur gefesselt. Einige Kollegen schlagen mit Fäusten auf ihn ein, andere stehen im Kreis um ihn und lachen".
Das Erstgericht stellte noch fest, daß der Beklagte bei seiner Schilderung des Vorfalls mit dem Stahlgerüst bestimmte Personen namentlich nicht genannt oder bezeichnet habe. Er habe gegenüber Journalisten auch nicht die unter der Absatzüberschrift "Erpressung und Schikanen" veröffentlichten Äußerungen abgegeben. Er habe auch nicht behauptet, er selbst sei an ein Stahlgerüst gefesselt und geschlagen worden. Der Viertkläger sei als Aufseher im Nachtdienst eingesetzt worden. Er habe die Erlaubnis gehabt, eine private Waffe zu führen. Auch zwei weitere Nachtaufseher seien dazu berechtigt gewesen. Bei Umbauarbeiten im Museum sei es zu Problemen mit Ratten gekommen. Der Viertkläger habe mit einer Schrotflinte auf Ratten schießen dürfen. Der Viertkläger sei einmal während des Dienstes auf einen anderen Aufseher von hinten zugegangen, habe ihn mit beiden Händen am Oberkörper, im Brustbereich gepackt und gezwickt. Dieser Kollege habe dem Beklagten erklärt, er sei sexuell belästigt worden. Der nähere Hergang des Vorfalls sei dem Beklagten aber nicht geschildert worden.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die zu 6 Cg 236/97d bekämpften Äußerungen nicht unmittelbar die Kläger bezeichnet hätten. Ihre Identität sei auch nicht aus dem Zusammenhang heraus ableitbar. Bei Vorwürfen gegen ein Kollektiv könne das einzelne Mitglied zwar Unterlassung begehren, hier sei aber vom Beklagten ausdrücklich ein Oberaufseher mit dem Hang zum Sadismus erwähnt worden. Es sei erkennbar, daß der Beklagte nicht die ganze Gruppe von Oberaufsehern gemeint habe. Die einzelnen Mitglieder des Kollektivs könnten sich nicht betroffen fühlen. Bei der Behauptung eines beim Vorfall herumstehenden, untätig gebliebenen Kreises von Menschen sei nicht erkennbar, daß die Kläger betroffen seien. Hingegen sei der Viertkläger durch die Äußerungen des Beklagten in Fernsehen genügend individualisiert worden. Dies ergebe sich aus dem Hinweis der Berechtigung, eine Waffe im Dienst zu führen. Der Viertkläger sei der einzige gewesen, der auf Ratten geschossen habe. Das Bescheinigungsverfahren habe ergeben, daß der Vorwurf der sexuellen Belästigung nicht berechtigt sei, weil ein Ergreifen und Zwicken im Brustbereich noch keine sexuelle Belästigung darstelle.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten gegen die zu 6 Cg 237/97a erlassene einstweilige Verfügung nicht Folge, dem Rekurs der zu 6 Cg 236/97d klagenden Antragsteller aber teilweise Folge und erließ die beantragte einstweilige Verfügung hinsichtlich der zu unterlassenden Behauptung, im ***** Museum sei ein Mann mit dem Kopf nach unten, die Füße zusammengebunden, an einem Stahlgerüst, das normalerweise zum Aufhängen großformatiger Gemälde alter Meister diene, von einem Oberaufseher mit seinem Hang zum Sadismus aufgehängt worden. Im übrigen bestätigte es die Abweisung des Sicherungsantrags. Das Rekursgericht beurteilte den festgestellten Sachverhalt hinsichtlich der im Revisionsrekursverfahren noch strittigen Ansprüche (zu deren Sicherung die einstweilige Verfügung erlassen wurde) rechtlich im wesentlichen dahin, daß die Äußerungen über das Aufhängen einer Person zwar nicht geeignet seien, eine bestimmte Person namentlich zu identifizieren und daß die Vorwürfe sich auch nicht gegen die Gesamtheit der Oberaufseher oder Aufseher des Museums gerichtet hätten. Die Äußerungen reichten aber aufgrund des überschaubaren Kollektivs von insgesamt nur sechs Oberaufsehern aus, daß alle drei Kläger als Mitglieder dieses Kollektivs sich angesprochen fühlen könnten. Der Vorwurf des Beklagten könne von der Allgemeinheit auf jeden der betroffenen Oberaufseher bezogen werden. Durch die Äußerung werde jedes Mitglied des Kollektivs in seinem Ruf betroffen. Dies gelte umso mehr, wenn das einzige dem Adressatenkreis aber nicht erschließbare Unterscheidungskritierum in der herabsetzenden Aussage selbst liege. Die Aktivlegitimation der Kläger sei daher zu bejahen. Beim verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch seien Feststellungen darüber, ob die Behauptungen wahrheitsgemäß seien oder nicht, nicht erforderlich. Die Wiederholungsgefahr sei auch bei einem nur einmaligen Verstoß zu vermuten. Den Wegfall der Wiederholungsgefahr habe der Beklagte nicht einmal behauptet. Die Kläger im führenden Verfahren seien eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt worden. Der Unterlassungsanspruch sei sowohl ehrenbeleidigend als auch rufschädigend.
Zum Sicherungsanspruch des Viertklägers führte das Rekursgericht aus, daß er nach den Feststellungen zwar nicht ausdrücklich als der einzige Schütze bezeichnet worden sei, der auf Ratten und Mäuse geschossen habe, aus dem Textzusammenhang gehe dies jedoch eindeutig hervor. Zur Aktivlegitimation nach § 1330 Abs 2 ABGB sei die namentliche Nennung des Betroffenen nicht erforderlich. Es müsse aber eine Bezugnahme auf den Betroffenen möglich sein. Der Viertkläger sei durch die Äußerungen des Beklagten im Fernsehen genügend individualisiert worden. Es komme nicht auf das gesamte Fernsehpublikum an. Es genüge der nicht zu kleine Rezipientenkreis der im Museum tätigen Personen.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes in den verbundenen Rechtssachen jeweils 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Aktivlegitimation, wenn sich der ehrenrührige Vorwurf gegen eine näher umschriebene Person eines überschaubaren Kollektivs gerichtet habe.
Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, daß sämtliche Sicherungsanträge abgewiesen werden.
Die Kläger beantragen in ihrer gemeinsam eingebrachten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht erkannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zum Revisionsrekurs gegen die im Verfahren 6 Cg 236/97d erlassene einstweilige Verfügung:
Der Revisionsrekurswerber steht auf dem Standpunkt, daß eine konkrete individuelle Betroffenheit der Kläger durch die bekämpfte Äußerung nicht gegeben sei, weil der Beklagte nur von "einem Oberaufseher" gesprochen habe und daher eine bestimmte Person nicht zu identifizieren gewesen sei. Maßgeblich sei der Kreis des allgemeinen Publikums, also der Durchschnittsleser bzw Durchschnittsfernseher und nicht der kleinere Kreis der im Museum tätigen Personen. Dazu ist folgendes auszuführen:
Zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1330 ABGB ist derjenige legitimiert, in dessen Ehre mit ehrenrührigen Behauptungen eingegriffen wird. Wenn sich die Ehrenbeleidigung gegen ein Kollektiv mit einem überschaubaren Kreis von Angehörigen richtet, ist jedes einzelne Mitglied dieses Kollektivs zur Klage berechtigt. Diese Ansicht wird sowohl im Bereich des Strafrechtes (Hager/Walenta, Persönlichkeitsschutz 6; Kienapfel, Grundriß, Besonderer Teil3 I Rz 77 f; 10 Os 196, 197/77) als auch des Zivilrechtes (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 51 f; MR 1993, 16) vertreten. Das Kriterium der "Überschaubarkeit" ist deshalb von Bedeutung, weil die persönliche Betroffenheit des einzelnen von der Zahl der Angehörigen des Kollektivs abhängt. Die Intensität des Vorwurfs ist bei einem relativ kleinen Kreis naturgemäß höher als bei einem gegen ein Kollektiv mit unüberschaubarem Personenkreis gerichteten Vorwurf. Ein Pauschalvorwurf gegen alle Mitglieder einer mehrere tausend Mitglieder zählenden Vereinigung hat für den einzelnen nicht das Gewicht, das bei einem Vorwurf gegen eine Vereinigung mit nur wenigen Personen anzunehmen wäre. Der Grad der persönlichen Betroffenheit verringert sich, je größer die Zahl der Mitglieder des Kollektivs ist. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß es hier aber nicht um eine Kollektivbeleidigung, sondern um den gegen eine einzelne Person erhobenen Vorwurf geht, die für das angesprochene breite Publikum nicht näher identifizierbar ist. Die Identitfizierungsmöglichkeit ist aber immerhin im kleinen Kreis der Berufskollegen der Beteiligten gegeben, sodaß schon aus diesem Grund die Aktivlegititmation bejaht werden kann. Der Täter hätte auf jeden Fall zu haften, wenn die Ehrenbeleidigung nur im Kreis der im Museum tätigen Personen geäußert worden wäre. Nach ständiger Rechtsprechung genügt für das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Verbreitung der unwahren Behauptung schon, daß die Tatsachenmitteilung gegenüber bloß einer vom Täter und dem Verletzten verschiedenen Person erfolgte (Korn/Neumayer aaO 67; MR 1988, 84 uva). Es ist nicht einzusehen, warum sich der Täter dadurch entlasten könnte, daß er die ehrenrührigen Behauptungen daneben auch einem größeren Personenkreis zugänglich macht. Die mangelnde Bestimmbarkeit des Betroffenen durch diesen größeren Personenkreis mag allenfalls für den Anspruch auf öffentlichen Widerruf von Bedeutung sein (durch diesen würde der Verletzte ja erstmals allgemein bekannt werden), für den Unterlassungsanspruch reicht es aber nach Auffassung des erkennenden Senates durchaus aus, daß die Identifizierungsmöglichkeit durch zumindest einen Teil der Adressaten der Äußerung besteht. Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilt, ist für den Beklagten aber aus folgenden weiteren Gründen nichts zu gewinnen:
Nach der Lehre und ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung ist die Haftung des Täters auch dann zu bejahen, wenn die ehrenrührige Äußerung in Verdachts- oder Vermutungsform erfolgte (Korn/Neumayer aaO 58; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 14 zu § 1330 ABGB; SZ 27/298; ÖBl 1980, 130; MR 1991, 235; SZ 69/113 uva), weil der Ehrenschutz nicht durch geschickte Formulierungen des Täters verhindert werden soll. Durch die gegen eine einzelne aber nicht bestimmbare Person gerichtete Äußerung des Beklagten sind alle dem engeren Personenkreis (sechs Oberaufseher) angehörigen Personen in Verdacht geraten. Der dadurch bewirkte Eingriff in ihre Ehre ist nicht anders zu beurteilen wie bei der schon behandelten Kollektivbeleidigung eines überschaubaren (kleineren) Personenkreises. Die Aktivlegitimation jedes einzelnen der unter Tatverdacht geratenen Personen ist zu bejahen. Da der Revisionsrekurswerber zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen (ua Wiederholungsgefahr und Wahrheitsbeweis) nichts weiter ausführt, ist zu diesen Voraussetzungen ergänzend nur zu bemerken, daß die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptungen des Beklagten könnten dahingestellt bleiben, weil es um den verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch gehe, nicht zu teilen ist. Die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung ist Tatbestandsmerkmal. Bei Tatsachenbehauptungen, die auch ehrenbeleidigend im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB sind, trifft allerdings den Täter die Beweislast für die Richtigkeit seiner Äußerung (MR 1995, 16 mwN; 6 Ob 11/97d uva). Die erforderliche Bescheinigung hat der Beklagte hier nicht erbracht, sodaß Spruchreife im Sinne einer Bestätigung der angefochtenen einstweiligen Verfügung vorliegt.
2. Mit seinem Revisionsrekurs gegen die im Verfahren 6 Cg 237/97a zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs des Viertklägers erlassenen einstweiligen Verfügung wiederholt der Beklagte im wesentlichen seine gegen die Bejahung der Aktivlegitimation vorgetragenen Argumente. Die Rechtsfragen sind in den verbundenen Verfahren dieselben, sodaß auf die schon erfolgte Rechtsbeurteilung verwiesen werden kann.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 78, 402 EO und §§ 41 und 50 ZPO.
Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung beruht auf § 393 EO.
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