European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00035.13K.0320.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Begründung
Der Kläger begehrt 4.800.000 EUR sA. Dazu bringt er im Wesentlichen vor, die Nebenintervenientin habe ihm einen Anspruch auf Zahlung eines Entgelts dafür abgetreten, dass der Vorstand der Nebenintervenientin der zweitbeklagten Partei durch seine Kontakte in Russland die Errichtung eines holzverarbeitenden Betriebs ermöglicht habe.
Mit Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz vom 26. April 2012 wurde der Anspruch als dem Grunde nach zu Recht bestehend festgestellt. Der erkennende Senat wies mit Beschluss vom 2. September 2010, 6 Ob 172/10b, die außerordentliche Revision der beklagten Parteien zurück.
Das Erstgericht beraumte für den 16. September 2011 eine Tagsatzung mit dem Thema der Erörterung „insbesondere der Auswahl eines Sachverständigen und eines allfälligen Vergleichsversuchs an“. In dieser Tagsatzung regten die Beklagten an, einen Sachverständigen aus dem nahen Ausland zu bestellen. Einvernehmlich wurde das Anforderungsprofil an den Sachverständigen wie folgt definiert: „Der Sachverständige muss Kenntnisse im Bereich der Holzindustrie, speziell für Russland, nach Möglichkeit Raum St. Petersburg, haben; er muss Erfahrungen mit der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen im Raum Russland haben; weiters muss er Wahrnehmungen/Kenntnisse über die üblichen Vergütungen für die Anbahnung derartiger Geschäfte in Russland haben.“ Letztlich legte das Erstgericht die weitere Vorgangsweise dahin fest, dass, sollten die Parteien bis zum 21. Oktober 2011 keinen Sachverständigen präsentieren, der von beiden akzeptiert werde, das Gericht eine Anfrage an die internationale Handelskammer in Paris stellen werde.
Die internationale Handelskammer gab bekannt, einem derartigen Ersuchen gegen Entrichtung einer Gebühr nachzukommen. Daraufhin trug das Erstgericht den Streitteilen die Einzahlung eines Kostenvorschusses von jeweils 15.000 EUR auf.
Am 2. April 2012 stellte das Erstgericht die Bestellung von Mag. (FH) Martin Geyer zum Sachverständigen in Aussicht. Der Kläger erklärte dazu ausdrücklich sein Einverständnis. Die Beklagten sprachen sich gegen dessen Bestellung aus. Sie begründeten dies zusammengefasst damit, dass die Fachgebiete, für die Mag. (FH) Martin Geyer in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen sei, indizierten, dass er das festgelegte Anforderungsprofil nicht erfülle.
Daraufhin bestellte das Erstgericht Mag. (FH) Martin Geyer zum Sachverständigen und erteilte ihm den Auftrag, „den Befund durch Einholung einer Stellungnahme zur gutachterlichen Fragestellung mittels Anfrage an ICC in Paris unter Zugrundelegung des festgelegten Anfoderungsprofils und im eigenen Wirkungsbereich aufzunehmen“ und ein Gutachten zur Höhe der angemessenen Vergütung der vom Vorstand der Nebenintervenientin bzw der Nebenintervenientin erbrachten Leistungen binnen drei Monaten zu erstatten. Letztlich befreite es den Sachverständigen gemäß § 25 GebAG von seiner Warnpflicht.
Gegen diesen Beschluss erhoben die beklagten Parteien Rekurs. Sie bekämpften die Befreiung des Sachverständigen von seiner Warnpflicht sowie dessen Bestellung zum Sachverständigen aus den Rekursgründen der Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, „Zweckwidrigkeit“ und unrichtigen rechtlichen Beurteilung.
Das Rekursgericht wies den Rekurs gegen die Bestellung von Mag. (FH) Martin Geyer zum Sachverständigen zurück. Hinsichtlich der Befreiung von der Warnpflicht gab es dem Rekurs Folge und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung auf.
Nach § 366 Abs 1 ZPO finde gegen den Beschluss, durch welchen die Ablehnung eines Sachverständigen verworfen oder eine schriftliche Begutachtung angeordnet werde, ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt. Gemäß § 366 Abs 2 ZPO könne unter anderem die Entscheidung über die Anzahl der zu bestellenden Sachverständigen durch ein Rechtsmittel überhaupt nicht angefochten werden. Nach § 291 Abs 1 ZPO sei gegen Beschlüsse, durch welche Beweisaufnahmen angeordnet werden, ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Wenngleich das Gesetz die Anfechtung eines Beschlusses, mit dem eine Person zum Sachverständigen bestellt wurde, nicht ausdrücklich ausschließe, sei der Rekurs unzulässig.
Die Sachverständigenbestellung erfolge immer von Amts wegen, ohne dass den Parteien ein echtes Mitspracherecht zukomme. Die Beurteilung, ob ein Sachverständiger über die nötigen Fachkenntnisse verfüge, sei eine Frage der Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0098078).
Gegen die Möglichkeit der Bekämpfung der Auswahl des Sachverständigen spreche, dass die Zulassung eines Rechtsmittels gegen die vom Erstgericht angeordnete Bestellung zur Folge hätte, dass die Eignung des Sachverständigen im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen wäre, bevor noch entsprechende Grundlagen für eine derartige Überprüfung vorhanden seien. Die Geltendmachung von Gründen, die aus Sicht einer Partei gegen einen bestellten Sachverständigen sprechen, müssten einem Ablehnungsverfahren vorbehalten bleiben.
Weil die Beurteilung, ob ein Sachverständiger über die nötigen Fachkenntnisse verfüge, eine Frage der Beweiswürdigung sei, gehöre auch die Auswahl des Sachverständigen zum Bereich der freien Beweiswürdigung. Im Übrigen dürfe kein Rechtsmittelgericht dem Erstgericht die Würdigung von Beweismitteln in eine bestimmte Richtung auftragen; es könne ihm nur seine Rechtsansicht überbinden (§ 499 Abs 2, § 511 Abs 1 ZPO). Es widerspräche diesem Grundsatz der ZPO, wenn das Rekursgericht auf die Stoffsammlung durch das Erstgericht durch gezielte Aufträge, wie es diese Stoffsammlung zu gestalten habe, Einfluss nehme.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zulässigkeit einer Anfechtung eines Beschlusses, mit dem ein Sachverständiger bestellt wurde und zur Zulässigkeit der Anfechtung von Anordnungen des Erstgerichts über Art und Weise der Beweisaufnahme fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Bestellung eines Sachverständigen nicht abgesondert anfechtbar ist (vgl 1 Ob 113/00z; 6 Ob 277/00d).
2.1. Entgegen der Rechtsansicht der beklagten Parteien vermag der Umstand, dass diese auch die Befreiung des Sachverständigen von der Warnpflicht gemäß § 25 GebAG angefochten haben, daran nichts zu ändern. Der Ausspruch über die Befreiung von der Warnpflicht nach § 25 Abs 1 GebAG hat nach dem Gesetz „anlässlich des Auftrags“ zu erfolgen. Ein derartiger Nebenausspruch zur Sachverständigenbestellung kann aber nicht eine weitergehende (abgesonderte) Anfechtbarkeit der Sachverständigenbestellung selbst herbeiführen.
2.2. Außerdem ist das Gebührenbestimmungs-verfahren in der Fassung der GebAG‑Novelle 1994 ein umfassendes Ermittlungsverfahren mit Antrags‑ und Äußerungsrechten der wirtschaftlich Beteiligten. Durch die Ausbildung dieses Verfahrens als vollständiges Zwischenverfahren über den als eigener Rechtsschutzanspruch aufzufassenden Honoraranspruch des Sachverständigen ( Krammer/Schmidt , GebAG³ § 38 Anm 2; 9 Ob 67/03y; RIS‑Justiz RS0113541) ist dieses zu einem weitgehend verselbständigten Verfahren geworden. Auch aus dieser zusätzlichen Erwägung ist der dem Gebührenbestimmungsverfahren zuzuordnende Beschluss über die Befreiung von der Warnpflicht nicht als nächstfolgende anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 515 ZPO anzusehen, weil dieser nicht im eigentlichen Rechtsstreit, sondern in einem separaten Verfahren ergeht (vgl 9 ObA 82/12t).
3. Zudem setzt jedes Rechtsmittel nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsschutzinteresse, also einen Eingriff in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers voraus (RIS‑Justiz RS0043815). Durch die Aufnahme von Beweisen wird jedoch grundsätzlich noch nicht in die Rechtssphäre der Partei eingegriffen (6 Ob 277/00d). Eine überflüssige Beweisaufnahme berührt nicht die Rechtsstellung der Parteien, sondern höchstens deren wirtschaftliches Interesse, den Verfahrensaufwand möglichst gering zu halten (6 Ob 277/00d). Auch aus dieser Erwägung erweist sich der Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts als unzulässig, sodass dessen Zurückweisung durch das Rekursgericht nicht zu beanstanden ist.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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