OGH 9ObA82/12t

OGH9ObA82/12t22.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Dr. Peter Schnöller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** Dr. T***** K*****, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz, Dr. Paul Wachschütz OG in Villach, wider die beklagte Partei Land Kärnten, *****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer, Rechtsanwälte KG in Klagenfurt, wegen Feststellung (35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2012, GZ 7 Ra 27/12p, 7 Ra 28/12k, 7 Ra 29/12g-26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird hinsichtlich der Aufträge des Erstgerichts zur Urkundenvorlage nicht Folge gegeben. Im Übrigen wird er zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,64 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis zur Beklagten über den 11. August 2011 hinaus aufrecht fortbestehe.

Über Antrag des Klägers trug das Erstgericht der Beklagten in der Tagsatzung vom 3. November 2011 die Vorlage sämtlicher E-Mails des Klägers an Dipl.Kff I***** M***** im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 30. Juni 2011 auf. Die Beklagte ersuchte um Beschlussausfertigung und meldete Rechtsmittel an.

In der selben Tagsatzung gab das Erstgericht das Prozessprogramm dahin bekannt, dass ua durch Einvernahme von Dipl.-Kff I***** M***** Beweis über die Aufgabenbereiche sowie das Verhalten des Klägers, das zur Beendigung des Dienstverhältnisses geführt habe, erhoben werde. Im Anschluss daran wurde Dipl.-Kff I***** M***** als Vorständin der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft (KABEG) als Zeugin einvernommen.

In der Tagsatzung vom 14. Dezember 2011 konkretisierte das Erstgericht den in der Tagsatzung vom 3. November 2011 verkündeten Beschluss auf Urkundenvorlage dahin, dass der Beklagten aufgetragen wurde, den gesamten vorhandenen E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger und Dipl.-Kff I***** M***** im Zeitraum von 1. Oktober 2010 bis 30. Juni 2011 in Bezug auf die Mitarbeit des Klägers bei den neu auszugestaltenden Organisationseinheiten in der KABEG bzw in Bezug auf den Aufgabenbereich des Klägers bei den sogenannten „Patientenschäden“ in der KABEG binnen 14 Tagen vorzulegen. Die Beklagte ersuchte auch hinsichtlich dieses Beschlusses um Beschlussausfertigung und meldete ein Rechtsmittel an.

Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2011 lehnte die Beklagte die zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache zuständige Senatsvorsitzende ab.

Mit Beschluss vom 11. Jänner 2012, AZ 3 Nc 98/11x, wies der Ablehnungssenat des Landesgerichts Klagenfurt den Ablehnungsantrag ab.

Dem von der Beklagten dagegen erhobenen Rekurs wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 29. Februar 2012, AZ 7 R 8/12v, keine Folge gegeben.

Mit dem Rekurs im Ablehnungsverfahren verband die Beklagte auch die revisionsgegenständlichen Rekurse gegen die genannten Urkundenvorlagebeschlüsse sowie dagegen, dass Dipl.-Kff I***** M***** nicht als Zeugin, sondern als Partei einzuvernehmen gewesen wäre.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht die Rekurse als unzulässig zurück. Gemäß § 319 ZPO könnten Vorlageaufträge nicht durch ein gesondertes Rechtsmittel angefochten werden. Die Entscheidung im Ablehnungsverfahren sei keine nachfolgende Entscheidung iSd § 515 ZPO, weil sie nicht im arbeitsgerichtlichen Verfahren, sondern im Ablehnungsverfahren zu fassen gewesen sei. Da diesfalls zwei gesonderte Rechtsmittelentscheidungen ergehen müssten, wäre der prozessökonomische und verfahrensbeschleunigende Zweck vereitelt. Zudem hätten es die Parteien damit in der Hand, durch substanzlose Ablehnungsanträge jederzeit anfechtbare Entscheidungen zu erwirken. Dem Prozessprogramm, mit dem die Einvernahme von Dipl.-Kff I***** M***** festgelegt worden sei, komme keine Beschlussqualität zu, es sei jederzeit abänderbar und unbekämpfbar und beinhalte auch nicht, wie Dipl.-Kff I***** M***** zu vernehmen sei. Durch deren bereits erfolgte Einvernahme fehle es der Beklagten überdies am Rechtsschutzinteresse.

In ihrem dagegen gerichteten Revisionsrekurs beantragt die Beklagte die ersatzlose Behebung der Beschlüsse wegen Nichtigkeit, in eventu ihre Abänderung im Sinne einer Abweisung des Antrags des Klägers auf Urkundenvorlage bzw auf Einvernahme von Dipl.-Kff I***** M***** als Partei.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihn abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die Vorlageaufträge zulässig (s Zechner in Fasching, ZPG2 IV/1 § 515 Rz 21), jedoch nicht berechtigt. Im Übrigen ist er unzulässig.

1. Der vom Rechtsmittelwerber vermissten Bewertung des Streitgegenstandes bedurfte es nicht, weil die Zulässigkeit der Anfechtung von Beschlüssen des Rekursgerichts in Arbeits- und Sozialrechtssachen keiner Wertgrenze unterliegt (§ 528 Abs 2 Z 1 iVm § 502 Abs 5 Z 4 ZPO).

2. Gemäß § 319 Abs 2 ZPO kann ein Beschluss nach § 303 ZPO (Auftrag zur Urkundenvorlage durch den Gegner) nicht durch ein abgesondertes Rechtsmittel angefochten werden.

Gemäß § 515 ZPO können die Parteien in den Fällen, in denen gegen einen Beschluss ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, ihre Beschwerden gegen diesen Beschluss mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen. Diese Bestimmung soll der Prozessbeschleunigung und -ökonomie dienen (Zechner in Fasching/Konecny IV/12 § 515 ZPO Rz 1).

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie im Sinne der Prozessökonomie befugt war, ihre Rekurse gegen die Aufträge zur Urkundenvorlage mit ihrem Rekurs gegen den die Ablehnung der Vorsitzenden abweisenden Beschluss als „nächstfolgende anfechtbare Entscheidung“ zu verbinden.

Dagegen hat das Rekursgericht völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass das Ablehnungsverfahren ein vom eigentlichen Rechtsstreit verschiedenes Verfahren ist. Dies kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass es eigenen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Rechtsmittelbestimmungen unterliegt (§ 23 f JN) und nur die Zulässigkeit und Berechtigung einer Ablehnung zum Gegenstand hat. Über die Ablehnung des Richters eines Gerichtshofs entscheidet ein eigener Ablehnungssenat (§ 19 Z 10, § 20 Abs 1 Geo), der auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen nur aus Berufsrichtern besteht (§ 11 Abs 4 ASGG). Abgesehen von den unterschiedlichen Zuständigkeiten ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine Befassung des Ablehnungssenats mit einem im Verfahren ergangenen, nicht abgesondert anfechtbaren Beschluss der Verfahrensökonomie dienlich wäre. Zutreffend hat das Rekursgericht zudem auf die Folge der Ansicht der Beklagten hingewiesen, dass sonst jeder Beschluss durch die Erhebung eines Ablehnungsantrags anfechtbar würde und der Zweck des § 515 ZPO nach Verfahrensökonomie ausgehebelt wäre. Ein in einem Ablehnungsverfahren ergangener Beschluss kann folglich nicht als „nächstfolgende anfechtbare Entscheidung“ iSd § 515 ZPO angesehen werden.

Die Rekurse gegen die Vorlageaufträge des Erstgerichts wurden vom Rekursgericht daher zu Recht zurückgewiesen. Sie entziehen sich damit auch der Überprüfung der behaupteten Nichtigkeit und Rechtswidrigkeit der erstgerichtlichen Beschlüsse.

3. Die Beklagte strebt auch die Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts an, Dipl.-Kff I***** M***** als Zeugin einzuvernehmen.

Sollte sie sich damit gegen das Prozessprogramm (§ 258 Abs 1 Z 4 ZPO) richten, so kommt diesem keine Entscheidungsqualität zu; es bindet weder das Gericht, noch die Parteien, ist jederzeit abänderbar und nicht anfechtbar (Schragel in Fasching/Konecny aaO § 208 ZPO Rz 8; Spenling in Fasching/Konecny aaO § 375 Rz 1, jeweils unter Hinweis auf die Erläuterungen zur ZVN 2002, RV 962 BlgNR 21. GP 34, 35).

Sollte die Beklagte im Faktum der bereits erfolgten Einvernahme von Dipl.-Kff I***** M***** einen Verfahrensmangel sehen, so erkennt sie selbst, dass ein solcher von der Rechtsprechung verneint wird (RIS-Justiz RS0043222), im Übrigen aber auch nicht Gegenstand eines gesondert bekämpfbaren Beschlusses ist. Ein darüber hinausgehendes aktuelles Rechtsschutzinteresse der Beklagten ist nicht ersichtlich und wird insbesondere nicht durch den Verweis auf die „Fallgestaltung KABEG - Land Kärnten - Kombination“ begründet. Insoweit wird keine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

Danach ist dem Rekurs aber insgesamt, wie aus dem Spruch ersichtlich, ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte