OGH 6Ob284/00h

OGH6Ob284/00h14.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hermann A*****, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei "Die G*****, vertreten durch Dr. Klaus Rinner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung einer ehrverletzenden und rufschädigenden Behauptung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Februar 2000, GZ 1 R 209/99s-20, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. Juni 1999, GZ 5 Cg 14/99h-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Klagebegehren wie folgt stattgegeben wird:

Die beklagte Partei ist schuldig, die Behauptung zu unterlassen, die klagende Partei gebe Personen, die auch "schwarz" bauen wollen, Tipps.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 35.687 S (darin 4.799,50 S Umsatzsteuer und 6.890 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 22.430,56 S (darin 1.971,76 S Umsatzsteuer und 10.600 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 21.362 S (darin 1.352 S Umsatzsteuer und 13.250 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1995 Landesamtsdirektor und damit der höchstrangige Landesbeamte. Bis zu seiner Bestellung in diese Funktion war er jahrzehntelang für die Landespartei politisch tätig, die den Landeshauptmann stellte. Der Kläger war Bürgermeister einer Gemeinde und Präsident des Gemeindeverbandes. Im Jahr 1996 wurde von einer Liegenschaftseigentümerin auf einer im Freiland als Sonderfläche (Hofstelle) gewidmeten Liegenschaft ein Bauvorhaben bewilligt. Die Baubehörde stellte im Zuge der Rohbauarbeiten fest, dass das Haus entgegen der Bauvorschrift offenkundig zur Errichtung von Appartements ausgebaut werden sollte. Die Baubehörde untersagte die Wohnraumerweiterung und forderte die Rückgängigmachung des illegalen Ausbaus. Es wurde eine Ersatzvornahme angedroht. Die Liegenschaftseigentümerin suchte am 2. 10. 1997 um die Bewilligung des Ausbaus des Obergeschosses an. Bei einer Begehung an Ort und Stelle stellten Vertreter der Baubehörde erster Instanz sowie der Aufsichtsbehörde fest, dass das Bauvorhaben nicht entsprechend der genehmigten Pläne ausgeführt worden war. Im Haus waren mehrere Räumlichkeiten als Appartements mit Sanitäreinrichtungen ausgebaut worden. Die Beamten stellten 14 schon benützte Fremdenbetten fest. Die Baubehörde forderte die Vorlage von Bestandplänen (Tekturplänen) zur Überprüfung der Abweichungen vom ursprünglichen Projekt. Die Bauherrin kam diesem Auftrag nur teilweise nach. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft als Aufsichtsbehörde forderte den für das Bauwerk zuständigen Bürgermeister auf, für die Erhebung des Bestandes zu sorgen, die Abweichungen vom bewilligten Bestand festzustellen, die derzeitige Form der Benützung zu untersagen und den baurechtlich bewilligten Zustand wiederherzustellen bzw ein Abbruchsverfahren einzuleiten. Der Ehegatte der Liegenschaftseigentümerin suchte Ende November 1998 den Kläger auf und ersuchte um Rechtsauskunft in der anhängigen Bausache. Nach diesem Gespräch suchte der Mann in Vertretung seiner Frau den Bürgermeister auf und überreichte unter Bezugnahme auf sein Gespräch mit dem Kläger Unterlagen über das zusätzlich ausgebaute Dachgeschoss. Die Tekturpläne wurden nicht vorgelegt. Die Liegenschaftseigentümerin erhob am 4. 12. 1998 einen Einspruch gegen die Aufforderung der Baubehörde, neue Bestandpläne vorzulegen und berief sich auf ein Gespräch mit dem Kläger. Der Bürgermeister der Gemeinde und Gemeindebedienstete waren über den Sachverhalt empört und verfassten eine Aktennotiz über die Erklärungen des Gatten der Liegenschaftseigentümerin und seine Behauptung über die Ratschläge des Klägers. Im ORF wurde über die Bausache berichet. Dabei wurde auch aus dem Aktenvermerk der Gemeindebediensteten zitiert.

Die Beklagte ist eine im Landtag vertretene politische Partei, die für eine korrekte Abwicklung von Raumordnung und Grundverkehr eintritt. Sie vermutete, dass der Kläger mit seiner Erteilung von Auskünften den eigenen Beamten "in den Rücken gefallen" sei. Die Beklagte griff das Thema im Wahlkampf auf und veröffentlichte am 4. 2. 1999 auf 7 x 3 m großen Plakaten folgenden Text:

"Wollen SIE auch SCHWARZ bauen?

Rufen SIE *****

Dr. A***** gibt Tips!" IHR LANDESHAUPTMANN

Am 7. März. Die Zukunft. Die G*****

Der Kläger begehrt mit seiner am 5. 2. 1999 beim Erstgericht engebrachten, auf § 1330 ABGB gestützten Klage die Unterlassung der Behauptung und Veröffentlichung des gesamten auf dem Plakat der Beklagten aufscheinenden Textes. Mit der Plakataktion habe die Beklagte in Wahrheit den Landeshauptmann treffen wollen. Der Kläger sei nicht Politiker. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger gebe Ratschläge für Schwarzbauten, also für illegale Handlungen, sei unwahr, beleidigend und rufschädigend. Dem Kläger werde die Beihilfe oder die Anstiftung zum Begehen einer Gesetzesverletzung vorgeworfen. Bei dem Ende November 1998 stattgefundenen Gespräch mit dem Ehegatten der Bauwerberin habe der Kläger die Auskunft erteilt, dass die Bauwerberin um eine Änderungsbewilligung ansuchen müsse und dass sie im Falle der Ablehnung das Recht zu einem Rechtsmittel habe und danach noch ein weiteres Rechtsmittel möglich wäre. Er habe darauf hingewiesen, dass keine Zwangsmaßnahmen gesetzt werden dürften, solange diese Verfahren liefen. Zu den Auskünften sei der Kläger nach dem Auskunftspflichtgesetz verpflichtet gewesen. Gemäß § 13a AVG habe die Behörde die zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen und die damit verbundenen Rechtsfolgen zu erläutern und darüber zu belehren.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und machte das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 MRK geltend. Bei beleidigenden Werturteilen müssten die Tatsachen, auf denen sie beruhten, wahr sein. In der politischen Kritik sei eine härtere Ausdrucksweise zulässig. Der Kläger sei, auch wenn er zur Zeit keine politische Funktion ausübe, Politiker, jedenfalls aber eine Person des öffentlichen Lebens, sodass bei ihm der Maßstab für die Zulässigkeit der politischen Kritik erheblich weiter zu ziehen sei als bei einer Privatperson. Ein Wertungsexzess liege nicht vor. Hintergrund der Plakataktion sei ein konsenswidrig durchgeführtes Bauvorhaben gewesen. Der Kläger sei als oberster Landesbeamter für die Einhaltung und Überwachung der Landesgesetze zuständig gewesen. Er habe dem Ehegatten der Bauwerberin verschiedene Ratschläge und Tipps zur Erlangung einer Bewilligung für einen konsenslos errichteten Gewerbebetrieb erteilt, obwohl von der Bezirkshauptmannschaft der Bauwerberin aufgetragen worden sei, die derzeitige Form der Benützung zu unterlassen und den baurechtlich bewilligten Zustand wiederherzustellen, bzw ein Abbruchsverfahren eingeleitet worden sei. Der Ehegatte der Bauwerberin habe im Baubüro der Gemeinde verschiedene Verfahrensvorschläge gemacht, die der Verfahrensverzögerung dienen sollten. Über die Vorkommnisse sei in den Medien berichtet worden. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte die bekämpfte Äußerung aufstellen dürfen. Diese sei in ihrem Kern eine richtige Tatsachenbehauptung. Dem Kläger sei eine konkrete Verletzung von Rechtsvorschriften nicht unterstellt worden. Es handle sich um eine sachbezogene Kritik.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es weitere Feststellungen, von denen folgende für das Revisionsverfahren als wesentlich hervorzuheben sind:

Der Kläger habe bei dem Ende 1998 stattgefundenen Gespräch dem Ehemann der Bauwerberin geraten, ein Änderungsansuchen einzubringen. Ein solches habe zwar wenig Erfolgsaussichten, es gebe aber eine Berufungsmöglichkeit und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Berufung koste nicht viel, weil man dazu keinen Rechtsbeistand benötige. Schließlich habe der Kläger auch erklärt, dass Landtagswahlen vor der Tür stünden und man nicht wissen könne, ob nicht in der Folge eine (für die Bauwerberin günstige) Gesetzesänderung beschlossen werde. Zur Frage der Benützungsbewilligung einzelner Teile des Hauses habe der Kläger gemeint, dass die Bauwerberin für jene Gebäudeteile, die bereits kollaudiert seien, nicht neuerlich um eine solche ansuchen müsse. Auch zu diesem Thema habe der Kläger auf Rechtsmittelmöglichkeiten hingewiesen.

Das Amt der Landesregierung habe ein Leitbild für den Landesbeamten als "Dienst am Bürger, Ansehen der Verwaltung" herausgegeben. Danach habe das Verhalten der Beamten der Aufgabenstellung der Landesverwaltung zu entsprechen. Hiezu zählten insbesondere auch die Beratung vor allem des Rechtsunkundigen (Verwaltung als Servicestelle des Bürgers) und die Auskunftserteilung nach Maßgabe des Auskunftsrechtes.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass es für die Beurteilung des Tatbestandes nach § 1330 ABGB auf das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers ankomme. Bei politischen Äußerungen bestehe nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung ein weiter Freiraum. Persönlichkeiten des öffentichen Lebens müssten einen geminderten Ehrenschutz in Kauf nehmen. Dies gelte auch für Politiker und öffentliche Bedienstete. Mit dem Wahlplakat der Beklagten, das in den traditionellen Farben der Ö***** und der G***** umgesetzt worden sei und das nicht eines gewissen Wortwitzes entbehre, sei eine pointierte Überzeichnung des Missstandes "schwarz bauen" vorgenommen worden. Der auf dem Plakat graphisch als läutend dargestellte Telefonapparat vor der Durchwahlnummer des Klägers und das lachende Männchen rechts davon hätten einen karikaturistischen Eindruck erweckt. Dass der Kläger namentlich selbst auf dem Plakat aufscheine, habe er sich selbst zuzuschreiben, weil er tatsächlich dem Ehegatten einer Bauwerberin Hinweise zu einem rechtswidrig ausgebauten Dachboden gegeben habe. Niemand habe auf Grund des Plakats ernsthaft annehmen können, dass der Kläger als Landesamtsdirektor eine Art Servicestelle sei, wo man sich nützliche Hinweise für die Genehmigung konsensloser Bauten holen könne. Die Beklagte habe eine andere politische Partei als Gegner treffen und nicht den Kläger in seiner Ehre verletzen wollen. Der Plakattext sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Die Beklagte habe zwar nicht völlige Richtigkeit der Tatsachenbehauptung, wohl aber des Tatsachenkerns nachgewiesen. Der Kläger habe Möglichkeiten und Wege aufgezeigt, ein "schwarz" ausgebautes Dachgeschoss einer Sanierung (Genehmigung) zuzuführen oder zumindest eine Verzögerung im Verfahren darüber herbeizuführen. Diese Hinweise hätten der Intention der Gemeinde und der Aufsichtsbehörden widersprochen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es gab zunächst die in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Grundsätze wieder, dass in die Ehre eines Anderen eingreifende Äußerungen nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck zu beurteilen sind; der Täter seine Äußerung in der für ihn ungünstigsten Auslegung gegen sich gelten lassen muss; der Täter die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptungen zu beweisen hat, wenn diese auch ehrenbeleidigend im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB sind; dass bei beleidigenden Werturteilen, die auf Tatsachen beruhen, zumindest der Tatsachenkern zu beweisen ist und dass auf der Basis falscher Tatsachen ein beleidigendes Werturteil nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden kann. Der Begriff "Schwarzbau" habe einen negativen Bedeutungsinhalt dahin, dass ein Gebäude ohne Baubewilligung errichtet bzw ein Gewerbebetrieb ohne rechtskräftige behördliche Genehmigung betrieben werde. Der Vorwurf an einen Beamten, er erteile Tipps im Zusammenhang mit Schwarzbauten, bringe zum Ausdruck, dass der Beamte in Überschreitung seiner Verpflichtung, also rechtswidrig, Ratschläge gebe, die zu einer Aufrechterhaltung und Sanktionierung eines durch die konsenslose Bauführung geschaffenen rechtswidrigen Zustandes führen sollen. Dieser Vorwurf sei ehrenbeleidigend. Die Beklagte habe daher die Richtigkeit der von ihr aufgestellten Tatsachenbehauptung zu beweisen. Dieser Beweis sei ihr auch gelungen. Gemäß § 13a AVG habe die Behörde Personen, die nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und über die Rechtsfolgen zu belehren. Auf Landesbeamte sei die Bestimmung des § 43 Abs 3 BDG anzuwenden. Der Beamte habe Parteien im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben zu unterstützen und zu informieren. Nach dem Auskunftspflichtgesetz des Landes seien die Organe des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der übrigen durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltungskörper verpflichtet, über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches jedermann Auskunft zu erteilen. Die gesetzlichen Bestimmungen normierten lediglich eine Belehrungs- und Anleitungspflicht. Der Beamte habe keine Belehrungspflicht dahin, ob und welche Maßnahmen eine Partei im Einzelfall zur Erreichung auch verfahrensfremder Ziele am Zweckmäßigsten ergreifen sollte. Bei Überschreitung dieser Belehrungspflicht werde der Beamte zum beratenden Rechtsfreund. Der Kläger sei mit seiner Beratung über seine Belehrungspflicht weit hinausgegangen. Die Ratschläge "mit der Intention der Herbeiführung einer Verfahrensverschleppung" seien vom Gesetz nicht gedeckt gewesen. Die Beklagte habe ihren Vorwurf "auf einem Gerüst von richtigen Tatsachen" erhoben. Im Interesse einer freien und demokratischen Diskussion müsse die Kritik auch an der Amtsführung von höchsten Beamten erlaubt sein. In der freien Meinungsäußerung der Beklagten liege kein Wertungsexzess.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Der Begriff "Schwarzbau" hat den negativen Bedeutungsinhalt der Errichtung eines Bauwerks ohne die erforderliche behördliche Bewilligung (6 Ob 2230/96a), gleichzuhalten ist ein auflagenwidrig hergestelltes Bauwerk. Die bekämpfte Äußerung der Beklagten erfolgte zwar in einem Wahlkampf und richtete sich auch (allenfalls vorrangig) gegen den Landeshauptmann. Auf die von der Beklagten angestrebte erweiterte Zulässigkeit auch besonders kritischer, massiv in die Ehre eines Anderen eingreifenden Werturteile im politischen Meinungskampf (dazu 6 Ob 24/95 = MR 1996, 26) kommt es hier nicht entscheidend an. Auch für wertende Äußerungen von und gegen Politiker ist es Voraussetzung, dass das ehrverletzende Werturteil auf der Basis eines wahren Sachverhalts geäußert wurde. Ein Recht auf freie Meinungsäußerung auf der Grundlage unrichtiger oder nicht bewiesener Tatsachenbehauptungen gibt es nicht (MR 1993, 14; 6 Ob 254/98s; 6 Ob 7/99v uva; RIS-Justiz RS0032201).

Die bekämpfte Äußerung, der Kläger gebe Personen, die "Schwarzbauten" errichten wollen, Tipps, ist eine überprüfbare Tatsachenbehauptung. Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, dass der Beklagten (den Täter trifft bei ehrenbeleidigenden Tatsachenbehauptungen die Beweislast: MR 1995, 16 mwN; 6 ob 218/98x uva) der Beweis der Richtigkeit zumindest des maßgeblichen Tatsachenkerns gelungen sei, weil feststehe, dass der Kläger als oberster Landesbeamter Ratschläge "mit der Intention der Herbeiführung einer Verfahrensverschleppung" erteilt und damit eine vom Gesetz nicht gedeckte Beratungstätigkeit entfaltet habe. Der Revisionswerber rügt dazu, dass den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu entnehmen sei, dass der Kläger den Vertreter der Bauwerberin aufgefordert hätte, den erläuterten Instanzenzug, also alle rechtlichen Möglichkeiten, auch tatsächlich auszuschöpfen. Tatsächlich hat das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung nur den Rat des Klägers festgestellt, es sollte ein Änderungsansuchen eingebracht werden (S 27 in ON 12), im Übrigen aber nur die Auskunft des Klägers über eine kostengünstige Berufungsmöglichkeit, den Weg zum Verwaltungsgerichtshof und über eine allfällige künftige, für die Bauwerberin günstige Gesetzesänderung festgestellt. Ob das Berufungsgericht aus diesen Feststellungen den rechtlichen Schluss auf eine "Intention" des Klägers, also seine subjektive Absicht zum konkreten Anraten verfahrensverschleppender Schritte, ziehen durfte, ist aus folgenden Gründen nicht entscheidungswesentlich:

Nach den Feststellungen versteht sich die Landesverwaltung als Servicestelle des Bürgers, die Rechtsunkundigen nicht nur Auskünfte zu erteilen, sondern sie auch konkret zu beraten hat. Damit ist aber der festgestellte Interessenkonflikt zwischen den Beamten, die für eine rasche Beseitigung des konsenslosen Bauzustands zu sorgen haben und zu beratenden "Schwarzbauer" schon vorprogrammiert. Der beratungspflichtige Beamte hat im Interesse des Bürgers alle rechtlichen Möglichkeiten aufzuzeigen, wozu auch die Ausschöpfung des Instanzenzuges gehört. Die von den Vorinstanzen bejahte Pflichtwidrigkeit könnte nur dann vorliegen, wenn der Kläger zu rechtlich nicht erlaubten Schritten des Bauwerbers geraten hätte, beispielsweise zur Vortäuschung falscher Tatsachen, einer Urkundenfälschung uä. Auch wenn der Kläger tatsächlich zu rein verfahrensverzögernden, für die angestrebte Bewilligung aber keinesfalls erfolgversprechenden Schritten geraten hätte, könnte der Ratschlag - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes - nicht als gesetzwidrig qualifiziert werden, weil die Auskunftserteilung und Beratung umfasssend zu sein hat und dem Ansuchenden auch vage Erfolgschancen vor Augen geführt werden dürfen. Nichts Anderes hat der Kläger mit seinem Hinweis auf die Aussichtslosigkeit eines allfälligen Berufungsverfahrens und eine denkmögliche Gesetzesänderung zu Gunsten der Bauwerberin getan. Wenn daher dem Kläger eine gesetzwidrige Beratungstätigkeit nicht vorgeworfen werden kann, stellt sich die Frage nach dem Bedeutungsinhalt des Vorwurfs der Beklagten und dem Umfang der Beweispflicht zur Richtigkeit der behaupteten Tatsachen:

Das Berufungsgericht hat zutreffend den Bedeutungsinhalt erkannt, dass die Beklagte dem Kläger gesetzwidrig erteilte Ratschläge vorgeworfen hat. Die gegenteilige Auffassung des Erstgerichtes, das von einer für alle Leser des Wahlplakats leicht erkennbaren rein karikaturartigen und deshalb harmlosen Behauptung ausging, kann nicht geteilt werden. Nach der Unklarheitenregel hat der Täter die für ihn ungünstigste Auslegung seiner Äußerung gegen sich gelten zu lassen (MR 1994, 111 mwN; 6 Ob 22/00d; zuletzt 6 Ob 136/00v uva). Dies muss vor allem dann gelten, wenn es an einem sonst maßgeblichen Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerung fiel, fehlt, wenn also kein den Inhalt der Äußerung aufhellender weiterer Text dem angesprochenen Publikum zur Verfügung steht. Die Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung kann auch in der Unvollständigkeit des bekanntgegebenen Sachverhalts liegen, wodurch ein falscher Eindruck erweckt wird (6 Ob 244/98w). Die Beklagte hat den Sachverhalt über die Auskunfts- und Beratungspflichten von Landesbeamten nicht offengelegt (hiezu hätte allenfalls schon ausgereicht, wenn die Beklagte behauptet hätte, der Kläger rate im Rahmen seiner Auskunftspflicht Personen, die "schwarz" ein Bauwerk errichtet haben, den Instanzenzug auszuschöpfen und auf eine Gesetzesänderung zu hoffen) und dem Kläger verkürzend nur vorgeworfen, präsumtiven Rechtsbrechern Tipps zu geben. Der Text des Plakats vermittelt den Eindruck, der Kläger gebe in Überschreitung seiner Beamtenpflichten gute Ratschläge, wie gesetzliche Vorschriften umgangen werden können. Nach dem schon angeführten Ungünstigkeitsprinzip rückt der Vorwurf den Kläger sogar in die Nähe des Amtsmissbrauchs. Dass ein solcher nach der Unklarheitenregel weitreichender Vorwurf nicht mit dem (richtigen) Nachweis der Auskunftserteilung, also dem Nachweis des allein dem Vorwurf zugrunde liegenden Sachverhalts, gerechtfertigt werden kann, versteht sich von selbst.

Zur Klarstellung und Verständlichkeit war in den Spruch der klagestattgebenden Entscheidung nur die den Kläger betreffende Äußerung der Beklagten unter Weglassung der auf dem Wahlplakat weiters aufscheinenden, für die Beurteilung nach § 1330 ABGB aber unwesentlichen Details aufzunehmen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, diejenige über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO. Die Verbreitung der ehrverletzenden Äußerung auf sieben Plakaten ist keine Massenverbreitung gemäß § 1 Abs 1 Z 1 MedienG. Kostenbemessungsgrundlage ist daher nach § 10 RATG nur ein Betrag von 120.000 S.

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