OGH 6Ob22/00d

OGH6Ob22/00d24.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Christian J*****, vertreten durch Mag. Axel Bauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Saxinger-Baumann & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Widerrufs ehrverletzender Äußerungen sowie Urteilsveröffentlichung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 8. November 1999, GZ 1 R 208/99k-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 22. September 1999, GZ 30 Cg 152/99b-4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 9.900 S (darin 1.650 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Präsident eines Vereins, der nach seinen Statuten ua die artgerechte Tierhaltung, die Verbreitung des Tierschutzgedankens und die Erhaltung bedrohter Tierarten fördern will. Die Mitgliederwerbung wurde in Form einer "Straßenwerbung" durchgeführt. Die Werbung stieß in mehreren Zeitungsberichterstattungen und in einer Aussendung der Austria Presseagentur vom 11. 1. 1999 auf Kritik. In einer Fernsehsendung vom 23. 11. 1998 war im ORF ein Beitrag mit dem Titel "T***** fälscht Unterschriften" gesendet worden, der in verschiedenen Programmzeitschriften zuvor unter diesem Titel angekündigt worden war. In der Tagesausgabe der von der Beklagten verlegten Zeitung "N*****" vom 12. 1. 1999 erschien folgender Artikel:

"Sammelverbot für Tierhilfswerk

WIEN - Das umstrittene T***** mit Sitz in K*****, dem wiederholt unseriöse Methoden vorgeworfen worden waren, darf in NÖ keine Spendensammlungen durchführen. Das Amt der NÖ Landesregierung verweigert dem T***** jene Bewilligung, die Voraussetzung für eine Sammeltätigkeit ist. T*****-Präsident, der alle Vorwürfe über unseriöse Methoden zurückweist, sieht darin eine Diffamierung seiner Organisation. Sachbearbeiter Edmund F***** vom Amt der NÖ Landesregierung weist darauf hin, daß jährlich nur ein Bruchteil der beantragten Sammlungen bewilligt würden: 70 % der einlangenden Anträge würden abgelehnt, nur etwa 25 bis 30 Institute - darunter etwa das Rote Kreuz - erhielten Sammelbewilligungen."

Der Kläger begehrt mit seiner auf § 1330 ABGB gestützten Klage und dem gestellten Sicherungsantrag die Unterlassung der wahrheitswidrigen Äußerung, das T***** mit Sitz in K*****, dem wiederholt unseriöse Methoden vorgeworfen worden waren, darf in NÖ keine Spendensammlungen durchführen. Der Kläger sei als Präsident des Vereins von diesem Vorwurf persönlich betroffen. Der Artikel unterstelle, dass wegen unseriöser Methoden von der Behörde eine Sammeltätigkeit des Vereins verweigert worden sei.

Die Beklagte wandte mangelnde Aktivlegitimation des Klägers ein. Dieser sei nicht namentlich angeführt worden. Bei einem Vorwurf gegen eine mehrere tausend Mitglieder zählenden Vereinigung verringere sich der Grad der persönlichen Betroffenheit.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, dass der Verein für den Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis 30. September 1998 über bescheidmäßige Sammelbewilligungen für den Bereich der Stadtgemeinde Baden und das Gemeindegebiet von Mödling verfügt habe. Der Verein habe in Werbeaktionen Mitglieder auf öffentlichen Straßen und Plätzen anwerben dürfen. Für die Zeit nach dem 30. September 1998 hätten für ganz Niederösterreich keine derartigen Bewilligungen existiert. Anträge auf Erteilung von Bewilligungen seien zurückgezogen worden. Die regelmäßig publizierte Zeitung des Vereins habe eine Auflage von 48.000 Stück.

Das Erstgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Beklagte die Richtigkeit der Aussagen im bekämpften Artikel nachgewiesen habe. Die Beklagte habe überdies - auch ungeprüft - den Inhalt der APA-Aussendung verbreiten dürfen. Schließlich fehle die für eine Stattgebung des Sicherungsantrages erforderliche Wiederholungsgefahr.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es verneinte dessen Aktivlegitimation aus folgenden wesentlichen Gründen:

Das Vorbringen des Klägers nehme ausschließlich auf die "Betroffenheit" des Vereins Bezug. Insoweit auf ein "Vorwissen" der Leser der Zeitung der Beklagten verwiesen werde, sei nicht näher aufgezeigt worden, worum es sich dabei handeln solle. Der Kläger habe nicht dargelegt, warum die Leser den Kläger als Präsidenten des Vereins mit dem aufgezeigten Missstand in Verbindung brächten. Aus dem Artikel gehe hervor, dass dem Kläger Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben worden sei. Der Kläger sei nur Organ des Vereins. Es sei ihm nicht unterstellt worden, dass er selbst unseriöse Methoden angeordnet oder vollzogen habe. Zur individuellen Betroffenheit einzelner Mitglieder eines in seiner Ehre angegriffenen Kollektivs verwies das Rekursgericht auf die oberstgerichtliche Entscheidung 6 Ob 289/98p. Danach komme einem Pauschalvorwurf gegen alle Mitglieder einer mehrere tausend Mitglieder zählenden Vereinigung für den Einzelnen nicht das Gewicht zu, das bei einem Vorwurf gegen eine Vereinigung mit nur wenigen Personen anzunehmen wäre. Der entscheidende Gesichtspunkt für die persönliche Betroffenheit des Einzelnen durch eine gegen eine große Zahl von Personen gerichtete, den Ruf und die Ehre verletzenden Äußerung sei die Identifizierbarkeit des Einzelnen. Bei Anwendung dieser Grundsätze sei hier die Betroffenheit des Klägers zu verneinen. Die Zielrichtung des Artikels sei nicht gegen den Kläger als Präsidenten des Vereins gerichtet gewesen. Dies gehe schon daraus hervor, dass dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteigend und sprach zunächst aus, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es änderte auf Antrag des Klägers diesen Ausspruch gemäß § 528 Abs 2a ZPO dahin ab, dass der Revisionsrekurs doch zulässig sei.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Sicherungsantrag stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes unzulässig.

Die Revisionsrekursausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Der Verein habe zwar eine große Zahl außerordentlicher Mitglieder ("reine Beitragszahler"), aber nur sechs Vorstandsmitglieder. Ein Vorwurf gegen den Verein richte sich auch gegen diese, insbesondere den Präsidenten.

2. Der bekämpfte Artikel vermittle den falschen Eindruck, dass der Kläger für die Verhängung eines Spendensammelverbotes in Niederösterreich wegen unseriöser Methoden bei der Spendensammlung verantwortlich sei.

3. Die Beklagte habe sich mit dem von Dritten geäußerten Verdacht unseriöser Methoden identifiziert.

4. Der Vorwurf sei mangels Verhaltenskonkretisierung eine Beschimpfung gemäß § 115 StGB und deshalb einem Wahrheitsbeweis gar nicht zugänglich.

5. Die erforderliche Wiederholungsgefahr sei beim verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch nach einer schon stattgefundenen Rechtsverletzung zu bejahen.

Dazu ist auszuführen:

Entscheidungswesentlich ist zunächst die vom Rekursgericht sehr eingehend und durchaus schlüssig behandelte Frage, ob der Kläger durch den gegen den Verein gerichteten Vorwurf persönlich betroffen ist. Dies wurde in durchaus vertretbarer Weise nach dem im Gesamtzusammenhang zu lesenden Text (in die Ehre eines Anderen eingreifende Äußerungen sind stets nach dem Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerungen fielen und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck zu beurteilen: MR 1995, 16; 6 Ob 212/98i mwN) verneint, weil daraus keineswegs abgeleitet werden kann, dass der klagende Vereinsobmann selbst unseriöse Methoden bei der Mitgliederwerbung angeordnet oder auch nur fahrlässig mitverursacht hätte. Auch der vom Revisionsrekurswerber relevierte Grundsatz, dass der Beklagte grundsätzlich die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten zu lassen hat (MR 1994, 111 mwN), führt hier schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil der Pauschalvorwurf, der noch dazu in der Wiedergabe von Verdächtigungen Dritter besteht, völlig substanzlos geblieben ist, was der Revisionsrekurswerber ja selbst erkennt, indem er von einer nicht überprüfbaren Beschimpfung ausgeht. Sollte dies tatsächlich zutreffen, könnte nur die juristische Person, gegen die die Beschimpfung gerichtet war, zur Klage nach § 1330 ABGB berechtigt sein. Sie war Adressatin der Äußerung und nach ständiger Judikatur des erkennenden Senates zu einer Klageführung nach § 1330 Abs 1 ABGB legitimiert (MR 1993, 57; 6 Ob 212/98i uva). Eine Klagelegitimation des Organs der juristischen Person könnte nur bejaht werden, wenn dieser selbst keine Klagebefugnis zukäme, wie dies von einem Teil der Lehre befürwortet wird (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 50). Der erkennende Senat sieht sich jedoch nicht veranlasst, von seiner Judikatur zur Aktivlegitimation juristischer Personen abzugehen.

Mit den Revisionsrekursausführungen zur Aktivlegitimation unter Hinweis auf die Vorentscheidungen 6 Ob 21/99b = MR 1999, 76 und 6 Ob 218/98x legt der Kläger zwar richtig dar, dass eine in einer ehrverletzenden Äußerung namentlich nicht genannte Person durchaus von der Äußerung betroffen und deshalb aktiv legitimiert sein kann, wenn sie nach den Umständen des Falls von den Adressaten der Äußerung leicht identifiziert werden kann. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob sie von der Äußerung tatsächlich auch inhaltlich betroffen war. Der von der Äußerung jedenfalls primär betroffene Verein hat unstrittig mehrere tausend Mitglieder. Dass von der bekämpften Äußerung im Artikel der Beklagten konkret auch die Organe (und vor allem welche) persönlich betroffen sind, hängt bei dem erhobenen Pauschalvorwurf von der Überschaubarkeit des Kollektivs ab. Je größer die Zahl der Mitglieder des Kollektivs ist, desto geringer ist das Gewicht für den Einzelnen (6 Ob 289/98p mwN). Der für die persönliche Betroffenheit bescheinigungspflichtige Kläger hätte daher die Verbandsstruktur offen zu legen gehabt. Seine erst im Revisionsrekurs dazu vorgebrachten Behauptungen sind wegen des im Revisionsrekursverfahren herrschenden Neuerungsverbotes unbeachtlich.

Schließlich ist der Beklagten, die wegen des ehrverletzenden Charakters der Äußerung die Beweislast für die Richtigkeit der bekämpften Tatsachenbehauptung trifft (MR 1995, 16 mwN; 6 Ob 218/98x), die Bescheinigung der Wahrheit zumindest hinsichtlich des relevanten Tatsachenkerns (zu diesem Erfordernis RdU 1996, 45; 6 Ob 93/98i) gelungen. Das Erstgericht hat festgestellt, dass gegen den Verein von mehreren Medien der von der Beklagten wiedergegebene Pauschalverdacht öffentlich geäußert worden war. Dass die Behörde deshalb dem Verein die Straßensammeltätigkeit untersagt habe, wurde zwar nicht festgestellt, immerhin steht aber unstrittig fest, dass der Verein ein entsprechendes Ansuchen gestellt, dieses aber zurückgezogen hat. Damit kann aber die Äußerung der Beklagten zumindest in den wesentlichen Details und mit der für das Provisorialverfahren erforderlichen Wahrscheinlichkeit als richtig angesehen werden, weil es keinen Unterschied macht, ob eine Behörde ein Verhalten verbietet oder einen Antragsteller auf irgend eine Weise zum Abstehen von seinem Vorhaben veranlasst. Der Kläger ist eine Gegenbescheinigung dahin, dass die Zurückziehung des Antrages nicht wegen einer drohenden Verweigerung der Behörde, sondern aus anderen, mit den Verdächtigungen nicht zusammenhängenden Gründen erfolgte, nicht angetreten.

Die angefochtene Entscheidung ist weder aus dem Grund des Abweichens von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung noch aus dem Grund der Rechtssicherheit (Einzelfallgerechtigkeit) zu beanstanden.

Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass ihr der Kläger die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen hat (§§ 41 und 50 ZPO, §§ 78 und 402 EO).

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